Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 59. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.
Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest, auch wenn es mir der Geräuschpegel einigermaßen schwer macht fortzufahren.
Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Die Landesregierung hat angezeigt, dass Frau Ministerin Budde an beiden Sitzungstagen abwesend sein wird. Sie befindet sich vom 23. bis 30. Juni 2001 in den Vereinigten Staaten zur Investorenwerbung und Vorstellung des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt.
Herr Minister Keller wird am Freitag ganztägig abwesend sein. Er nimmt an diesem Tag in Bonn an der Sitzung des Planungsausschusses für Agrarstruktur und Küstenschutz teil. Dabei geht es um die Neuordnung der Agrarpolitik mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf die neuen Bundesländer.
Herr Minister Dr. Püchel wird am Freitag bis ca. 14 Uhr abwesend sein. Er nimmt als Vorsitzender der Innenministerkonferenz an einer Veranstaltung der Polizeiführungsakademie in Münster teil.
Zur Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Tagesordnung der 32. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Mit Schreiben vom 26. Juni 2001 hat mir Herr Ministerpräsident Dr. Höppner mitgeteilt, er beabsichtige, den Landtag gemäß Artikel 62 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt zu Beginn der 59. Sitzung über die Einigung zwischen dem Bund und den Ländern über die Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen sowie über den Solidarpakt II zu unterrichten. Die Fraktionen sind noch am Dienstag von mir davon in Kenntnis gesetzt worden. Ich schlage vor, die Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten einschließlich der sich möglicherweise anschließenden Debatte als Tagesordnungspunkt 0 aufzunehmen und vor allen anderen Tagesordnungspunkten zu behandeln.
Die Fraktion der CDU hat fristgemäß einen Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Debatte zum Thema „Auftritt des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Höppner in der Talkshow ‘Sabine Christiansen’ am 17. Juni 2001“ eingereicht. Der Antrag liegt Ihnen in der Drs. 3/4695 vor. Ich schlage vor, dieses Thema als Punkt 1 b auf die Tagesordnung zu nehmen.
Nach der Unterrichtung seitens des Ministerpräsidenten unter Tagesordnungspunkt 0 würde dann, wie in der Tagesordnung ausgedruckt und vom Ältestenrat vorgeschlagen, die Beratung zum Tagesordnungspunkt 11 Entwurf eines Dritten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform - beginnen.
Im Zusammenhang mit der Entschuldigung von Herrn Minister Keller für den morgigen Tag schlägt der Ältestenrat vor, die Tagesordnungspunkte 31 und 32 als letzte Tagesordnungspunkte am heutigen Tag zu behandeln.
Des Weiteren schlägt der Ältestenrat vor, Tagesordnungspunkt 21 - Haushaltsrechnung für das Haushalts
Die Fraktion der CDU beantragt, Tagesordnungspunkt 38 - Finanzielle Lage des Landes Sachsen-Anhalt - zurückzustellen.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.
Eine Bemerkung noch zum zeitlichen Verlauf der 32. Sitzungsperiode. Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die heutige Sitzung spätestens gegen 19.45 Uhr zu beenden. Ich erinnere daran, dass unser parlamentarischer Abend um 20 Uhr beginnt, und möchte noch einmal alle recht herzlich dazu einladen.
Die morgige 60. Sitzung beginnt um 9 Uhr und könnte bis ca. 20.30 Uhr beendet sein. Der Ältestenrat hat es deshalb nicht für erforderlich gehalten, einen dritten Beratungstag vorzuhalten.
Unterrichtung gemäß Artikel 62 Abs. 1 der Landesverfassung über die Einigung zwischen dem Bund und den Länden über die Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen sowie über den Solidarpakt II
Wie ich Ihnen bereits gestern mitgeteilt habe, wird die Dauer der Redebeiträge in der Debatte von der Rededauer des Herrn Ministerpräsidenten abgeleitet. Die Reihenfolge wird folgende sein: CDU, SPD, PDS, DVU und FDVP. Ich bitte nunmehr Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Landtagssitzung nutzen, um Sie über die Ergebnisse der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt zu unterrichten. Schließlich handelt es sich dabei um das wohl wichtigste Projekt der Landesregierung und der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode.
Es waren - Sie werden das verfolgt haben - außerordentlich schwierige Verhandlungen. Schließlich ging es um die finanzielle Zukunft unseres Landes und um die Finanzbeziehungen in der Bundesrepublik insgesamt bis zum Jahr 2020, die gesichert werden mussten. Ich kann es vorweg sagen: Die Verhandlungen haben insbesondere für die ostdeutschen Länder ein sehr gutes Ergebnis gebracht. Bis zum Ende des Jahres 2019 haben wir damit Planungssicherheit. Wir haben ein tragfähiges Rückgrat für die Bund-Länder-Finanzbeziehungen und eine solide Grundlage für die Überwindung der teilungsbedingten Unterschiede zwischen Ost und West.
Meine Damen und Herren! Der Schlüssel zum Erfolg dieser Solidarpaktverhandlungen war die vorausschauende und sorgfältige Vorbereitung durch alle ostdeutschen Ministerpräsidenten. Uns war klar, dass wir unsere Forderungen nur dann durchsetzen können, wenn wir belastbare und wissenschaftlich begründete Zahlen auf den Tisch legen können. Darum haben wir bereits vor zwei Jahren beschlossen, fünf führende Wirtschaftsinstitute in Deutschland um Gutachten zu bitten,
die einschätzen sollten, wie groß die Lücke zwischen Ost und West im Jahr 2005 voraussichtlich noch sein wird.
Die Ergebnisse der Gutachten sind Anfang vergangenen Jahres in Magdeburg auf der Ministerpräsidentenkonferenz Ost unter meiner Leitung vorgestellt worden. Für mich überraschend, aber erfreulich war, dass die Institute zu einer ziemlich einheitlichen Meinung gekommen sind, nämlich dass die Infrastrukturlücke zwischen Ost und West ungefähr 300 Milliarden DM betragen wird. Diese Zahl, diese 300 Milliarden DM dienten von diesem Zeitpunkt an als Orientierung. Sie wurden deutschlandweit wahrgenommen, und damit war allen klar, dass der Solidarpakt I in seiner bisherigen Höhe für längere Zeit fortgeführt werden muss und nur über einen längeren Zeitraum zurückgeführt werden kann.
Ich erinnere daran, dass - bevor diese Gutachten auf dem Tisch lagen - die allgemeine Meinung vorherrschte, dass mit dem Auslaufen des Solidarpaktes I die Beträge für den Osten drastisch abgesenkt werden könnten. Das ist mit der Vorlage dieses Ergebnisses grundsätzlich anders geworden.
Die zweite Vorraussetzung für die erfolgreichen Verhandlungen war der parteiübergreifende Zusammenhalt zwischen den ostdeutschen Ländern. Zwischenzeitlich war es mit Thüringen etwas schwierig. Sie wissen, das Land war aus der Gruppe ausgeschieden. Aber ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass es eine außerordentlich verlässliche und gute Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt gab, sowohl auf der Ebene der Finanzminister als auch auf der Ebene der Ministerpräsidenten. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt.
Unser Finanzminister war an allen engeren Verhandlungsrunden über die Details beteiligt und hat unsere Interessen sachkundig und solide vertreten. Ich möchte ihm in diesem Hohen Hause ausdrücklich dafür danken.
Da man sonst immer die herausragenden Persönlichkeiten nennt, gestatten Sie mir - auch wenn ich nicht alle Beteiligten aufzähle -, zwei Mitarbeiter namentlich zu erwähnen. Herr Nobis vom Finanzministerium konnte die Zahlen im Detail berechnen und die Modelle entwickeln. Das war für unser Land unheimlich wichtig. Er war damit eine außerordentliche Stütze. Zum anderen war Frau Heinzelmann-Patzig aus der Staatskanzlei eine verlässliche Begleiterin. Auch aufgrund der Leistungen dieser Mitarbeiter waren die guten Kontakte möglich. Ich erlaube mir, diese Mitarbeiter als gute Begleiter hervorzuheben und ihnen zu danken.
(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Becker, CDU, von Herrn Schomburg, CDU, und von der Regierungsbank)
Besonders hilfreich war die Unterstützung im Lande und außerhalb des Landes. Auch dafür möchte ich mich bedanken. Die Landesregierung hat in den oft mühseligen Verhandlungsprozessen erlebt, wie uns in der Öffentlichkeit der Rücken gestärkt wurde.
Ich kann leider nicht alle aufzählen. Aber ich will ausdrücklich Sie, verehrte Abgeordnete, also den Landtag, in meinen Dank einbeziehen. Ich möchte ferner den verschiedenen Partnern des Bündnisses für Arbeit danken,
die entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Schließlich gilt mein Dank auch unseren Bundestagsabgeordneten.
Die entscheidende Nachricht lautet: Die Solidarität in Deutschland hat gehalten. Es gab, als es ernst wurde, keinerlei Neiddiskussionen mehr. Alle Bundesländer haben unter Beweis gestellt, dass sie daran mitwirken wollen, die Einheit Deutschlands zu vollenden. Das ist ein Signal, das wir gerade angesichts mancher unschönen Ost-West-Debatten nicht hoch genug schätzen können. Die Botschaft lautet: In einer Generation wollen wir es schaffen, und zwar wir alle in Deutschland.
Meine Damen und Herren! So haben der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt einschließlich der Regelungen zum Fonds Deutsche Einheit eine Laufzeit bis zum Jahre 2019. Dann wird das gesamte Paket neu verhandelt. Wir haben es zunächst dem Bund zu verdanken, dass eine solche Regelung zwischen den 16 Ländern möglich wurde; denn der Bund hat zusätzlich 1,5 Milliarden DM für den Länderfinanzausgleich zur Verfügung gestellt.
Das entsprechende Modell, das über den Fonds Deutsche Einheit den Spielraum dafür schafft, hat der in diesen Verhandlungen außerordentlich hilfreiche Hamburger Bürgermeister Herr Runde entwickelt. Ich erwähne ihn an dieser Stelle, weil Ortwin Runde derjenige war, der auch nachts um 2 oder 3 Uhr noch genau wusste, worum es ging, und die Details kannte. Das war nicht bei allen Beteiligten der Fall. Er hat uns sehr geholfen und hat als Vertreter eines Geberlandes die Interessen der Nehmerländer berücksichtigt und mit vertreten.
Meine Damen und Herren! Nun zu den Ergebnissen im Einzelnen für das Land Sachsen-Anhalt. Durch die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs wird SachsenAnhalt ab dem Jahr 2005 rund 103 Millionen DM mehr erhalten. Das entspricht einem Betrag von etwa 39 DM pro Einwohner. Damit profitiert das Land SachsenAnhalt überdurchschnittlich von der Neuregelung. Durchschnittlich liegt der Betrag bei 36,70 DM pro Einwohner. Damit Sie die Größenordnung einschätzen können: Im Jahr 2000 erhielt das Land rund 1,4 Milliarden DM aus dem Länderfinanzausgleich. Sollten unsere Steuereinnahmen überdurchschnittlich steigen, kann sich dieser Betrag auch noch erhöhen.
Zum Solidarpakt. Der Solidarpakt hatte für uns das Hauptgewicht. Schließlich geht es dabei nicht nur um Millionenbeträge wie beim Länderfinanzausgleich, sondern um Milliardenbeträge. Verhandelt wurde in zwei Körben. Beide haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Die langfristige Gestaltung des Solidarpaktes II bis zum Jahr 2019 gibt uns Planungssicherheit auf einem hohen Niveau. Die Perspektiven für weitere Investitionen in die Modernisierung unserer Infrastruktur sind klar. Sicherheit haben auch - das wird vielleicht zu wenig beachtet private Investoren. Sie können nunmehr mit weiterer Unterstützung und mit einer stetigen Verbesserung der Rahmenbedingungen rechnen, und das über einen so langen Zeitraum wie die Laufzeit des Solidarpaktes II.
Wir wollen in diesen 15 Jahren bis 2019 die teilungsbedingten Lasten abgetragen haben. Einen Solidarpakt III wird es nicht geben. Das ist auch insofern plau
sibel, als man 30 Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit Unterschiede zwischen Ost und West, die es dann möglicherweise noch gibt, wohl nicht mehr mit den Folgen der Teilung wird begründen können.
Der Solidarpakt wurde in zwei Körben verhandelt. Der Korb 1 enthält einen Betrag in Höhe 206 Milliarden DM. Dabei handelt es sich um Sonderbundesergänzungszuweisungen für den Abbau der Infrastrukturlücke und für den Ausgleich der kommunalen Finanzschwäche. Ich sage an dieser Stelle offen, dass viele nicht damit gerecht haben, dass dieser Betrag in den Verhandlungen erzielt werden könnte.
Zu verdanken ist das gute Ergebnis übrigens auch der Tatsache, dass der Bundeskanzler in diesen Verhandlungen wieder einmal unter Beweis gestellt hat, dass er dem Aufbau Ost oberste Priorität einräumt.
Ich hoffe, Hans Eichel wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich sage, ich hatte manchmal den Eindruck, Gerhard Schröder hätte bei den Verhandlungen eher auf unserer Seite als auf der Seite des Bundes gestanden. Dafür möchte ich dem Bundeskanzler ausdrücklich danken.
Meine Damen und Herren! Ein Wort zur Degression. Von 20,6 Milliarden DM im Jahr 2005 werden die Zuweisungen zunächst sehr moderat auf 20 Milliarden DM im Jahre 2008 reduziert. Erst danach erfolgt eine lineare Degression auf 4,1 Milliarden DM im Jahre 2019. Diese geringe Degression bis zum Jahr 2008 war uns deshalb so wichtig, weil wir in diesem Zeitraum die Kofinanzierung der EU-Strukturfonds in der laufenden Förderperiode sicherstellen müssen. Das hätten wir nicht geschafft, wenn die Degression eher einsetzen würde.
Nach dem bisherigen Schlüssel erhält das Land Sachsen-Anhalt aus dem Korb 1 insgesamt rund 32,5 Milliarden DM. Das ist ein stolzer Betrag. Sie wissen, welchen Betrag unser Landeshaushalt umfasst. Es geht also um mehr als das Anderthalbfache des Jahresetats des Landes Sachsen-Anhalt.
In den Sonderbundesergänzungszuweisungen ist nun das ist eine Strukturänderung - das bisherige IfG enthalten. Damit fallen die Zweckbindung und die Kofinanzierungspflicht für diesen jährlichen Betrag von 6,6 Milliarden DM weg. Das stärkt den Handlungsspielraum der ostdeutschen Länder und Kommunen und vereinfacht das Fördergeschehen deutlich.