Anke Spoorendonk

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Last Statements

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist nicht die erste Debatte, die wir zu diesem Thema führen. Deshalb noch einmal ganz klar: Der SSW steht zu den öffentlich-rechtlichen Sparkassen in der Form, wie wir sie haben.
Mit uns ist weder jetzt noch nach dem 20. Februar eine Änderung dieses Status zu machen.
Für uns ist es wichtig, dass wir mit den Sparkassen Finanzinstitute haben, die regional verankert sind und die auch die regionale Wirtschaftsstruktur und die regionale Wirtschaft nicht zuletzt im ländlichen Raum unterstützen. Wenn ich mir die Debatte hier anhöre, merke ich wieder einmal, wie groß der Unterschied zwischen Nord und Süd in Schleswig-Holstein ist. Es ist ganz klar, dass der ländliche Raum im Landesteil
Schleswig Schwierigkeiten hätte, überhaupt irgendetwas auf die Beine zu stellen, wenn es nicht unsere Sparkassen gäbe.
Ich kann noch etwas hinzufügen: Wer einmal versucht hat, für kleine Kulturprojekte Spenden einzuwerben, weiß, wie schwierig das ist, wie viele Absagen es gibt, und der weiß, dass man dabei auf die Unterstützung der Sparkassen angewiesen ist.
Das heißt, gerade weil die Sparkassen nicht privatisiert, sondern in öffentlicher Hand sind, können sie ihre Geschäftspolitik sehr viel stärker auf die Region, auf die regionale Wirtschaft und auch auf das regionale Leben ausrichten als die großen Privatbanken und die Banken der großen Bankkonzerne.
Denn die Sparkassen unterscheiden sich in ihrer Geschäftstätigkeit von den privaten Banken
durch dieses Regionalprinzip und durch die Gemeinwohlorientierung. Das heißt, eine Privatisierung wäre aus unserer Sicht mehr als kontraproduktiv. Natürlich müssen sich die öffentlichen Kreditinstitute den veränderten internationalen Rahmenbedingungen stellen. Darin sind wir uns einig. Aber dieses Ziel kann auch - so sagt uns das auch der Sparkassen- und Giroverband - durch die verstärkte Zusammenarbeit von Sparkassen erreicht werden. Das heißt, die Debatte über die mögliche Privatisierung der Sparkassen ist nicht neu - ich sagte es bereits -, neu ist eigentlich nur, dass das Thema jetzt auch Teil des Wahlkampfes geworden ist.
Deshalb noch einmal ganz klar: Weder der Sparkassen- und Giroverband noch die kommunalen Gebietskörperschaften wollen eine Privatisierung oder Teilprivatisierung ihrer Sparkassen. Als Beispiel liegt uns auch eine Resolution der Stadt Flensburg - der Antrag verweist auf diese Resolution - zum Erhalt der öffentlich-rechtlichen Sparkassen vor. Diese Resolution - das möchte ich in Klammern hinzufügen - wurde mit den Stimmen von SSW, SPD und den Grünen in Flensburg beschlossen.
Es müsste eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP, Ihnen auch zu denken geben, dass die Betreiber der öffentlich-rechtlichen Sparkassen keine Änderungen ihres Status wollen.
Noch etwas zur HSH Nordbank: Die HSH Nordbank hat nach der Fusion der Kieler Landesbank mit der Hamburger Landesbank im Juni 2003 gerade erst das erste volle Geschäftsjahr erfolgreich hinter sich gebracht. Die Strukturen sind nach der neuen Fusion neu geordnet worden und jetzt gilt, es die Bank in ruhiges Fahrwasser zu führen. Denn durch den Wegfall der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung steht die Bank natürlich unter erhöhtem Veränderungs- und Kostendruck, weil sie nicht mehr durch staatliche Garantien unterstützt werden kann. Deshalb muss sich die HSH Nordbank am Markt positionieren und mittelfristig fitmachen, um im verstärkten Wettbewerb unter den Banken in Deutschland bestehen zu können. Die Kollegin Kähler hat darauf auch hingewiesen und Beispiele genannt.
Aus Sicht des SSW braucht Schleswig-Holstein eine starke HSH Nordbank. Deshalb muss das Land zumindest mittelfristig seine Anteile an der HSH Nordbank behalten - nicht zuletzt auch, um die Umstrukturierung der Bank konstruktiv zu begleiten. Dazu kommt, dass es mit den bestehenden Verträgen überhaupt nicht möglich ist, den Status zu ändern. Ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt wäre wirklich nur dazu da, um kurzfristig Lücken im Haushalt zu stopfen und würde nicht den Interessen des Landes dienen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr debattierten wir hier im Landtag das Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss auf Bundesebene. Es ging damals um ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform und auch um eine Änderung der Gewerbesteuer, die ausschließlich den Kommunen zufließt. Damals hieß es, dass das Vermittlungsergebnis und die beschlossenen Änderungen für die schleswig-holsteinischen Kommunen bedeuten würden, dass es 2004 zu einer finanziellen Entlastung von fast 100 Millionen € und für 2005 sogar zu 135 Millionen € mehr kommen würde.
Wir haben schon damals gesagt, dass auch diese positiven Zahlen angesichts der verheerenden Situation der kommunalen Finanzen leider nur ein kleiner Schritt nach vorn sind. Der SSW hätte sich deshalb gewünscht, dass die CDU der von der Landesregierung in den Bundesrat eingebrachten umfassenden Änderung der Gewerbesteuer zugestimmt hätte. Denn dieser Vorschlag hätte den Kommunen in SchleswigHolstein finanziell wirklich geholfen und war ja auch von den kommunalen Landesverbänden massiv befürwortet worden.
Leider ist diese notwendige Modernisierung der Gewerbesteuer von der CDU auf Bundes- und auch auf Landesebene im Dezember 2003 verhindert worden. So viel zur Geschichte.
Eine weitere Bemerkung zur Geschichte. Auch wir vom SSW treten für eine Konnexität auf Bundesebene ein. Das haben wir 1998 bei der großen Verfassungsreform alle gemeinsam beschlossen. Ich habe aber noch - gerade hielt Uschi Kähler ihre letzte Rede - genau im Ohr, was die Kollegin Kähler damals sagte, nämlich: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der CDU, dass hättet ihr auch in den vielen Jahren der Kohl-Regierung gut machen können; da hattet ihr alles in der Hand. Jetzt, wo es die Kohl-Regierung nicht mehr gibt, kommt ihr mit diesem ganz wichtigen Vorschlag.
Unter dem Strich betrachtet wäre es vielleicht ganz gut - das sage ich ganz allgemein, auch in Richtung von Rot-Grün -, wenn solche Entscheidungen nicht davon abhängen, ob man in der Regierung oder in der Opposition ist. Das sollte man ehrlicherweise sagen.
Noch etwas! Wir haben die Steuerreform bekommen. Ich kenne noch die Diskussion dazu. Ich weiß auch, wie weitere Diskussionen zum Thema Steuerreform auf Bundesebene gefolgt sind, von wegen Bierdeckelniveau. Wenn man sagt, für die Menschen sei es das Beste, wenn sie das Geld in der eigenen Tasche haben, wenn man immer noch der Meinung ist, dass Steuersenkung in dieser Situation angebracht ist, dann sollte man sich hier hinstellen und das sagen, wenn es um die Finanzen der Kommunen geht.
Wir können keine Diskussion führen, in der wir uns scheibchenweise aussuchen, was uns gerade passt.
Dann noch diese Bemerkung, um den Zusammenhang zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik zu verdeutlichen. Die Arbeitslosigkeit ist das größte Problem überhaupt, ist der gesellschaftliche Skandal überhaupt. Wenn es um Arbeitslosigkeit und um die Bewältigung dieses Problems geht, wird über alles mögliche geredet. Aber wir müssen sagen: Wenn wir die Situation der Kommunen verbessern wollen, dann müssen wir auch die Einnahmesituation insgesamt verbessern. Dann müssen wir alles daran setzen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Nur so wird ein Schuh daraus.
Ich sage das auch, weil an anderer Stelle gesagt wird: keine Nettoneuverschuldung und Streichung von 2.000 Stellen, und was weiß ich nicht alles. Ein bisschen Redlichkeit in dieser Debatte wäre schon ganz gut.
Richtig ist allerdings, dass die Entwicklung der kommunalen Finanzen leider nicht so positiv ist, wie wir es im Januar 2004 noch erwartet haben. Zum einen hat die Landesregierung in ihrer Kabinettspressekonferenz vom Dienstag klargestellt, dass die Einnahmen Schleswig-Holsteins in 2004 unter den Erwartungen der November-Steuerschätzung blieben. Dieses Ergebnis des Landes für 2004 färbt natürlich auch auf die Kommunen ab. Wenn der Finanzminister erklärt, die geringe Investitionsquote des Landes von nur 8,4 % sei darauf zurückzuführen, dass von den Kommunen Mittel in Höhe von 84 Millionen € nicht abgerufen worden sind, dann spricht das wirklich Bände. Denn diese Nichtabrufung der Mittel liegt auch daran, dass die Kommunen bei vielen Investitionen nicht mehr über die notwendigen Komplementärmittel zur Kofinanzierung verfügen.
Zum anderen sieht die Situation für das Jahr 2005 nicht viel besser aus. Wir wissen alle, dass der Haushaltsvollzug des Landes für 2005 mit großen Unsicherheiten, insbesondere auf der Einnahmeseite, behaftet ist. Deshalb begrüßen wir es natürlich - es ist auch unumgänglich -, dass wir für 2005 einen Nachtragshaushalt beschließen.
Für die Kommunen in Schleswig-Holstein gilt, dass sowohl die Einnahmeerwartung als auch die Ausgabensituation für 2005 wirklich sehr unsicher sind. So hat der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung drastische Sparmaßnahmen in den Haushalten für 2005 angekündigt. Zwar sind laut Schleswig-Holsteinischem
Gemeindetag die Einnahmen der Gewerbesteuer für 2004 etwas angestiegen, aber die ebenso wichtigen Einnahmen aus dem Anteil der Einkommensteuer sind deutlich weiter gesunken. - Ich zitiere nur den Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag und lasse mich gerne belehren, falls das eine falsche Information ist.
Noch schwerer wiegt aber der Anstieg der Ausgaben der Kommunen, und zwar insbesondere im Sozialbereich. Hier besteht eine erhebliche Unsicherheit über die Kosten von Hartz IV. Bundeswirtschaftsminister Clement hat der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er bundesweit von Mehrkosten von 6 Milliarden € ausgehe, weil es mehr Bezieher von Arbeitslosengeld II gebe, als ursprünglich berechnet. In diesem Zusammenhang kritisiert der Gemeindetag, dass die für die Gemeinden beabsichtigte Entlastung der Hartz-IVReform noch nicht für alle Kommunen in SchleswigHolstein sichergestellt sei.
Aus Sicht des SSW steht die Landesregierung daher in der Pflicht, die versprochene finanzielle Entlastung verbindlich zu sichern. Dies ist auch deshalb wichtig, weil die angeblichen Einsparungen von Hartz IV aus Sicht der Bundesregierung für die Finanzierung des Ausbaus von Kinderkrippen benutzt werden sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss wirklich nicht Adam Riese sein, um festzustellen, dass diese Milchmädchenrechnung angesichts der großen finanziellen Probleme der Kommunen nicht aufgehen wird. Deshalb fordert der SSW, dass die Bundesregierung für die Betreuungsplätze der unter Dreijährigen, die wir ja aus gesellschaftlicher Sicht dringend brauchen, eine solidere Finanzierung vorlegt.
Noch eine Bemerkung zur Situation der Kommunen! Mit uns wird es keinen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geben. Wir haben früher dagegen gestimmt und werden es weiterhin tun.
Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Keine staatliche Ebene darf sich zulasten einer anderen sanieren.
Denn unabhängig von allem Getöse - wir haben heute sehr viel Getöse gehabt - gibt es nicht zweierlei Bürger in Schleswig-Holstein, nicht Kommunalbürger und Landesbürger. Also müssen wir bei künftigen Konzepten, bei künftigen Einsparungen und Ein
schnitten wirklich von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehen. Nur so, denke ich, wird wirklich ein Schuh daraus. Es wird noch ganz schrecklich werden; aber alle Entscheidungen - darauf werden wir Wert legen - müssen transparent und nachvollziehbar sein. So wird man nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf kommunaler Ebene planen können, nur so werden wir überhaupt weiterkommen.
Darum auch noch eine Bemerkung zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Ich finde es immer sehr interessant, wenn gesagt wird: Jetzt machen wir erst einmal eine Aufgabenkritik und führen dann auf Landesebene eine Verwaltungsstrukturreform durch und schauen, was überhaupt noch wichtig ist. Ich vermisse in dieser Diskussion wirklich die andere Seite: Wie soll eigentlich die Gesellschaft aussehen, in der wir künftig weiterleben wollen und die wir uns für unsere Kinder wünschen? Diese Diskussion findet nirgends statt.
Da wird nur hin und her geschoben und gesagt: Diese Ausgaben wollen wir nicht mehr und wir können sie uns nicht mehr leisten.
Wir wollen also auf jeden Fall eine andere Form von Diskussion. Man mag es eine Wertediskussion nennen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie eigentlich unsere Gesellschaft in zehn Jahren aussehen soll. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, dass wir nicht nur auf der einen Seite sagen können: Jetzt legen wir einmal schnell ein paar Verwaltungen zusammen, sondern dass wir auch auf der anderen Seite dafür sorgen müssen, dass die politische Gemeinde auf gleicher Augenhöhe mit der Verwaltung reden und beschließen kann. Nur so wird man künftig Kommunalpolitik auch ernst nehmen können, nur so wird es einen Gestaltungsspielraum für die Kommunen geben.
Wir müssen also diese Diskussion versachlichen. Wir wissen alle, dass dies nicht einfach ist. Aber wir müssen dafür sorgen, dass nicht mit zweierlei, dreierlei oder fünferlei Maß gemessen wird.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Zahlen über den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein vom Dezember 2004 sind deprimierend - da gebe ich der FDP Recht. Wir haben leider mit 10,5 % und 146.600 Frauen und Männern, die arbeitslos gemeldet sind, die höchste Arbeitslosigkeit
seit 1952 zu verzeichnen. Obwohl die Wirtschaft 2004 auch in Schleswig-Holstein etwas angewachsen ist, hat sich das noch nicht positiv auf die Arbeitsmarktsituation ausgewirkt. Die Aussichten für 2005 sind zwar nicht schlecht, aber realistisch gesehen können wir noch lange nicht mit einem merkbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnen.
Wir müssen nämlich schon seit Jahren zur Kenntnis nehmen, dass mit jedem Konjunkturabschwung die Sockelarbeitslosigkeit zunimmt. Das zeigen auch die Zahlen über die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 6.600 Personen auf 50.900 erhöht. Damit hat sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von 31,7 % auf 34,7 % erhöht. Es gibt also zu viele Menschen, die schon über ein Jahr arbeitslos sind und deren Chancen auf den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt mit jedem Tag schlechter werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist ein riesengroßes Problem. Deshalb noch einmal die deutlichen Zahlen, um zu zeigen, wie das aussieht. Die Bundesrepublik ist das Land mit der unbeweglichsten Sockelarbeitslosigkeit in Europa. Ich denke, auch das muss man immer wieder deutlich machen.
In der Bundesrepublik haben wir uns viel zu viele Jahre auf die Verwaltung von Arbeitslosigkeit anstatt auf die Vermittlung der Arbeitslosen konzentriert. Eine Wende sollte zwar durch Hartz IV eingeleitet werden, aber auch bei dieser Sozialreform konzentriert man sich als Erstes auf die Verwaltung der Arbeitslosen anstatt auf die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.
Aus Sicht des SSW ist es entscheidend, dass man sich um jeden einzelnen Arbeitslosen kümmert. Dazu müssen in den Arbeitsagenturen endlich ausreichend Sachbearbeiter vorhanden sein, die sich mit jedem Betroffenen zusammensetzten und einen detaillierten Handlungsplan dazu ausarbeiten, wie dieser Mensch wieder in Arbeit kommt.
Dabei müssen wir erkennen, dass wir insbesondere ein Problem mit der hohen Arbeitslosigkeit von niedrig qualifizierten Personen haben, wie zum Beispiel gerade auch der Verlust von 700 Arbeitsplätzen bei Danfoss zeigt. Aus Sicht des SSW gibt es nur einen Weg: Wir müssen darauf setzen, die Menschen auszubilden, weiterzubilden und zu qualifizieren, um sie wieder in Arbeit zu bringen.
Auch Dennis Snower, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sagt in einem Interview: „Wir müssen aus Geringqualifizierten Qualifizierte machen.“ Laut
Snower hat Deutschland keine andere Chance als auf Qualität und Innovation der Produkte zu setzen.
Wir können nicht gegen Billig-Lohn-Länder wie Polen, Rumänien, die Ukraine oder gar China konkurrieren. Wir müssen auf unser Human-Kapital - das ist ein schreckliches Wort, aber darum geht es - setzen.
Zu einer modernen Arbeitsmarktpolitik gehören nicht nur Pflichten für Arbeitslose, sondern auch Rechte. Wir vom SSW wollen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die den arbeitslosen Menschen das Recht zusichert, spätestens nach einem Jahr ein Jobangebot, ein Weiterbildungsangebot, ein Qualifizierungsangebot oder ein Ausbildungsangebot zu erhalten.
Mit so einem Angebot vermeiden wir, dass Menschen überhaupt erst in Langzeitarbeitslosigkeit geraten, aus der es so schwer ist, wieder herauszukommen. Natürlich ist es vor dem Hintergrund der jetzigen Rahmenbedingungen von Bund und Land nicht so leicht, so ein Angebot in die Tat umzusetzen. Die Realität ist leider - das sieht man aus dem Arbeitsmarktbericht von Dezember für Schleswig-Holstein -, dass die Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote der Arbeitsagentur reduziert worden sind. Das ist aus unserer Sicht nun wirklich die falsche Prioritätensetzung.
In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung in den letzten Jahren aus Sicht des SSW im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht, durch das Arbeitsmarktprogramm ASH 2000 gegenzusteuern. Im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen hat es 2003 seitens der Landesregierung
eine Neuausrichtung dieses Programms gegeben. - Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Das Kombilohnmodell der Landesregierung ist der richtige Weg. Die Landesregierung muss noch mehr für dieses Modell werben. Nur so werden wir auf Landesebene unseren Beitrag dazu leisten können, dass mehr Menschen und langzeitarbeitslose Menschen in Arbeit kommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte noch einmal sagen, warum wir dem FDPAntrag nicht zustimmen können. Der Antrag ist aus unserer Sicht nicht angemessen. Der Antrag ist dem Thema nicht angemessen. Wir können uns in der Analyse treffen. Die Zahlen sprechen für sich. Das Problem ist riesig. Wir müssen etwas tun, um die Sockelarbeitslosigkeit, die Langzeitarbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein und in der Bundesrepublik zu reduzieren. Ich bleibe dabei: Der einzige Weg ist Qualifizierung und Weiterbildung und direkte, konkrete Vermittlung. Sich aber hier hinzustellen und so zu tun, als handele es sich um eine Analyse, und davon abzusehen, was in dem Antrag steht, lieber Kollege Garg, findet nicht unsere Zustimmung.
Wenn man in einem Wahlprogramm Ziele hat
- wir alle haben Ziele in unseren Wahlprogrammen -, kann man sagen: Gut, man hat das Ziel verfehlt. Dazu muss man dann auch stehen. Das tun hier alle. Alle haben sich das Ziel der Reduzierung der Arbeitslosigkeit gesetzt. Ich sehe einen Unterschied darin, ob man in einem Wahlprogramm das eine und in einem anderen Programm das andere sagt. Darin sehe Probleme.
Aber damit, sich hier hinzustellen und zu einem so ernsten Thema so einen Popanz aufzubauen, habe ich nun doch meine Schwierigkeiten.
Wir sollten uns darauf konzentrieren zu fordern, dass die Landesregierung klare, deutliche und transparente Programme auflegt, diese Programme evaluiert werden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, dass auch die Bundesregierung ihren Teil der Arbeit leistet. Mit ein Problem gewesen ist, dass die Bundesregierung die Länder und die Landesregierungen häufig im Stich gelassen hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert, dass uns zu diesem Tagesordnungspunkt ganze drei Anträge vorliegen. Dabei ist es tröstlich, dass es zwischen diesen Anträgen durchaus Gemeinsamkeiten gibt.
Richtig ist, dass sich die Leistungen von deutschen Schülerinnen und Schülern laut PISA II leicht verbessert haben, wenn auch signifikant - wir haben es gelesen - nur in den naturwissenschaftlichen und mathematischen Fachbereichen.
Woran sich aber nichts geändert hat, ist die Tatsache, dass der schulische Erfolg von Kindern und Jugendlichen in keinem anderen OECD-Land so sehr von sozialen Faktoren abhängt wie in Deutschland.
Anders formuliert: Wir müssen uns die Frage stellen, ob es für uns als Gesellschaft weiterhin hinnehmbar ist, dass sich so viele Kinder nicht mit der Schule identifizieren, in der sie tagtäglich gezwungen sind, so viele Stunden zu verbringen. Wer dies als soziale Lyrik abtut, begreift nicht, dass es zu den Hauptaufgaben von Schule gehört, Kinder und Jugendliche zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern unserer Gesellschaft zu erziehen.
Der Kollege Klug weist immer wieder darauf hin, wie mittelmäßig die dänischen Ergebnisse bei PISAStudie waren.
- Das wird auch gar nicht bezweifelt, wobei da auch noch andere Aspekte genannt werden können. Aber es steht außer Zweifel, dass Schülerinnen und Schüler nördlich der Grenze an der Spitze liegen, wenn es darum geht, Demokratie zu leben. Sie wissen, wie sie an der Demokratie partizipieren können, und sie wissen auch, wie sie Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen können. Genau das besagt die Präambel des dänischen Schulgesetzes. In Dänemark hat man erreicht, was die Gesellschaft will. Dieses Ziel haben wir bei uns noch lange nicht erreicht.
Vor diesem Hintergrund sagt der SSW ganz klar: Wir brauchen eine Schule, in der das Kind und nicht die Aufrechterhaltung bestimmter Schulstrukturen im Mittelpunkt steht.
Leider gewinnt man den Eindruck, dass es in der aktuellen Schuldebatte nicht nur um diese Zielsetzung geht, sondern auch um Verbandsinteressen und um die Zementierung bestehender Machtverhältnisse. Wie sehr bestimmte Lehrer die Kultur des Aussortierens verinnerlicht haben, ging kürzlich aus einem Leserbrief im „Flensburger Tageblatt“ hervor. Dort wurde behauptet, dass ein Grundschullehrer oder eine Grundschullehrerin häufig schon im zweiten Schuljahr wüsste, welche Kinder für die weiterführende beziehungsweise für die Hauptschule geeignet sind. Wer so denkt, wird Schule nicht verändern können. Da wird es auch nichts bringen, einfach mehr Geld oder mehr Lehrerstellen in das System Schule zu schleusen.
Aus Sicht des SSW geht kein Weg daran vorbei, den Zusammenhang von Inhalt und Struktur in der Schulpolitik mit einzubeziehen, wenn wir den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden wollen. Dass es sich dabei nicht um die nahtlose Fortsetzung der Bildungsdebatten aus den 70er-Jahren handelt, sollten mittlerweile alle wissen. Im Übrigen gehe ich jede Wette ein, dass wir unter allen Umständen in fünf Jahren eine völlig andere Schullandschaft in Schleswig-Holstein haben werden als heute. Dafür spricht nicht nur die Entwicklung in anderen Bundesländern, sondern auch die vom Landesrechnungshof angestoßene Debatte über die Wirtschaftlichkeit unserer Schulen. „Demographischer Wandel" lautet hier das Stichwort.
Umso wichtiger wird es sein, dass wir rechtzeitig die Weichen stellen. Sonst riskieren wir, dass wir an einem Bahnsteig stehen, an dem kein Zug mehr vorbeikommt. Dies sei auch in Richtung bestimmter Lehrerverbände gesagt, die anscheinend nicht begriffen haben, dass sie ihre Möglichkeit verspielen, die Schule der Zukunft mitzugestalten, wenn sie sich ausschließlich auf eine Zementierung des Status quo festlegen.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Schulstrukturen stellen das Fundament von Schule dar. In einer ungeteilten Schule, wie wir sie wollen, können sich alle an Schule Beteiligten auf das konzentrieren, was letztlich entscheidend ist, nämlich auf die Frage, wie wir es schaffen, eine inhaltlich gute Schule zu bekommen.
Dass eine PISA-Diskussion anders verlaufen kann, zeigt uns das Beispiel unseres nördlichen Nachbarlandes, wo man - ich sagte es bereits - natürlich auch nicht mit allen PISA-Ergebnissen zufrieden ist. Die Schulstrukturen sind dort aber so flexibel, dass man sich ganz auf das konzentrieren kann, worauf es ankommt, nämlich Schule so zu gestalten, dass allen
Kindern gleichermaßen die Chance geboten wird, entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert und gefordert zu werden.
Für den SSW steht fest, dass wir den Einstieg in eine neue Schulpolitik nicht auf die lange Bank schieben können. Ein Einstieg ist aus unserer Sicht die Einführung einer sechsjährigen Grundschule. Wie aus allen drei Anträgen hervorgeht, unterstützen auch wir die Forderung nach einer besseren Verzahnung von Schule und Kindergarten.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Ich muss aber eines noch loswerden.
Wenn es um die Verbesserung der Qualität von Schule geht, müssen wir uns auch mit Evaluation beschäftigen. Was wir aber nicht machen dürfen, ist, dass wir einfach weiter testen. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen und auch Kollege Kayenburg, vom vielen Wiegen wird das Schwein auch nicht fetter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der OECD-Bericht zur frühkindlichen Betreuung und Bildung beruht weniger darauf, zahlenmäßige Vergleiche anzustellen. Er untersucht vielmehr die Sachlage und gibt Empfehlungen zur Verbesserung der vorgefundenen Problemfelder.
Die Experten der OECD bewerten als positiv, dass es in Deutschland eine lange Tradition auch für Konzepte mit überwiegend sozialpädagogischen Ansätzen gibt. Darüber hinaus lobt die OECD, dass die Kindertagesstätten landesweit gut ausgestattet sind, wobei es auch hier auf die Detailfragen ankommt. Stichworte wurden schon genannt. Es sind die Öffnungszeiten, die Gruppengrößen und auch die Frage der Elternbeiträge. Als lobenswert betrachtet die Expertengruppe den ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, dass es bei den Kindertagesstätten sowohl um das Wohl des Kindes als auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht.
Problematisiert wird die in Deutschland immer noch vorherrschende Auffassung, dass 0- bis 3-Jährige am
Besten bei ihrer Mutter aufgehoben sind. Das hat zur Folge, dass es hierzulande weiterhin zu wenig Betreuungsplätze für diese Altersgruppe gibt. Das Ost-West-Gefälle ist auch schon angesprochen worden.
Weiterhin empfiehlt die OECD, dass der Einsatz für die Integration und für die bessere Förderung von Kindern mit Behinderung, Kindern mit ausländischem Hintergrund und Kindern aus sozial schwächeren Familien gestärkt werden muss. Darüber hinaus regt die OECD an, die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung auf Hochschulniveau anzuheben.
Interessanterweise führt der Bericht als Beispiel die Erfahrungen an, die man in den skandinavischen Ländern und nördlich der Grenze gemacht hat. Dort gibt es Ausbildungszentren, Fachhochschulzentren für Pädagogen, wo sowohl Studien auf Fachhochschulniveau als auch Weiterbildung und Ausbildung von Erziehergehilfen angeboten wird. Dort hat man zwei Berufsformen für Erzieherinnen und Erzieher. Gerade das wird in Zukunft das sein, was wir hier bei uns umsetzen müssen.
Der SSW unterstützt die Forderung nach einer neuen Art von Erzieherausbildung.
Das habe ich auch schon bei der Debatte im Mai letzten Jahres deutlich gemacht. Für uns kann es dabei aber nicht um eine Verschulung von Kindergärten gehen. Für uns ist weiterhin wichtig, dass der sozialpädagogische Ansatz erhalten bleibt. Also: Kindergarten ist auch Schnittstelle zur Jugendhilfe.
Trotz der Einführung eines Hochschulstudiums wissen wir, dass die berufsbegleitende Weiterbildung weiterhin eine hohe Priorität haben muss, um den Beschäftigten in den Kitas die Möglichkeit der Qualifizierung zu geben. Dies kann nur im Sinne des Kindes sein, besonders mit Blick auf den immer wichtiger werdenden Bildungsauftrag, dem die Betreuer und Betreuerinnen gerecht werden müssen.
Ein weiteres Fazit ist unserer Meinung nach, dass die immer wieder aufflackernde Diskussion um die Senkung von Kindertagesstättenstandards endgültig vom Tisch sein sollte. Denn die Senkung der Standards wäre gleichbedeutend mit einer Verschlechterung des Ausgangspunktes unseres Bildungssystems.
Zusammenfassend heißt das für uns, dass wir einem Hochschulstudium Elementarpädagogik zustimmen und wir werden uns daran beteiligen, dass dieser Ausbau dann auch zügig stattfinden kann. Wir wollen eine qualifizierte Betreuung für die unter 6-Jährigen. Das kann in Form von Krippen, das kann in Form von Tagesmüttern angeboten werden, aber, liebe Kolle
ginnen und Kollegen, es kann auf keinen Fall weiterhin zum Billigtarif geschehen; auch daran müssen wir uns gewöhnen.
Frau Präsidentin, ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir einen Änderungsantrag zu dem Ursprungsantrag vorgelegt haben.
Frau Präsidentin!
Ich möchte zur Geschäftsordnung sagen, dass der SSW einen Änderungsantrag zu dem Antrag der FDP vorgelegt hat. Wir bleiben bei unserem Änderungsantrag, das heißt, der muss zuerst abgestimmt werden.
(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau: Völlig korrekt. Damit haben wir jetzt die Grundlage. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag des SSW, Drucksache 15/3965, ab. Wer diesem Ände- rungsantrag des SSW zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltun- gen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN gegen die Stimmen der Abgeordneten des SSW abgelehnt. (Unruhe)
- Wir befinden uns im Abstimmungsverfahren!
Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktion der FDP in der Fassung des Antrages der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/3961 (neu), abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Abgeordneten des SSW angenommen.
Ich hatte bereits festgestellt, dass der Antrag der CDU zurückgezogen worden ist.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung
Gesetzentwurf der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3752
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/3921
Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Schwalm, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir uns im November mit der Initiative von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befassten, machte ich meiner Unzufriedenheit darüber Luft, dass die Änderung der Landesverfassung damals praktisch unter ferner liefen eingebracht worden war. Darüber heute nicht mehr. Das kann man alles im Protokoll nachlesen.
Heute geht es in erster Linie um die vorliegenden Anträge. Mir ist natürlich bewusst, dass im Innen- und Rechtsausschuss die Beschlussempfehlung so vorliegt, wie sie vorliegt. Von den Ursprungsanträgen ausgehend haben wir es mit dem Antrag der Regierungsfraktionen und mit dem Antrag der FDP zu tun. Der Unterschied zwischen diesen beiden Anträgen geht aus zwei Punkten hervor. Die FDP will zusätzlich den Tierschutz als Staatsziel bestimmen, und sie will das ruhende Mandat. Das wichtigste Signal des FDP-Antrages ist aber unserer Meinung nach, dass man wie auch 2003 zur Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung steht. Da wird es künftig kein Umfallen mehr geben und das ist die wirklich gute Nachricht.
- Lieber Herr Kollege, das gebe ich als Kompliment zurück. Ich habe noch die Rede des Kollegen Klug im Ohr bei dem Minderheitenbericht in der vorigen Legislaturperiode. Als wir 1998 die Verfassungsreform hatten, seid ihr umgefallen. Also kein Umfallen der FDP mehr.
Ich habe das schon richtig aufgefasst.
Aus Sicht des SSW gilt weiterhin, dass Staatsziele niemals den politischen Willen zur Gestaltung ersetzen können. Daher noch einmal zur Klarstellung: Die Aufnahme der Sinti und Roma in den Minderheitenartikel der Landesverfassung ist eben kein Symbolakt. Sie ist vor dem Hintergrund der Minderheitenpolitik in Europa - ich sage noch einmal Stichwort Rahmenkonvention und Sprachencharta - längst überfällig. Auch vor dem Hintergrund der Minderheitenpolitik der Bundesregierung ist das längst überfällig. Von daher noch einmal meine Freude darüber, dass die FDP das jetzt auch so sieht.
Ich hätte mir gewünscht, wenn man von vornherein aufeinander zugegangen wäre, wenn es einen gemeinsamen Antrag gegeben hätte.
Das sollte nicht so sein. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir uns noch einmal über die Trennung von Amt und Mandat unterhalten hätten. Da gab es 1998 auch eine gute Debatte, und das ist ein Thema, das es verdient, noch einmal aufgegriffen zu werden.
Für den SSW steht fest, dass wir das Modell des ruhenden Mandates begrüßen, denn durch dieses ruhende Mandat würde man einerseits die Parlamentsarbeit stärken, andererseits weiterhin verdeutlichen, dass Regierungshandeln eben nicht im luftleeren Raum stattfindet. Ich persönlich finde, dass es richtig ist, dass sich eine Regierung den Wählerinnen und Wählern zu stellen hat. Von daher stehen wir zu dem Modell des ruhenden Mandats mehr als zu der absoluten Trennung von Amt und Mandat.
Da der aktuelle Vorstoß zur Änderung der Landesverfassung aus unserer Sicht doch wohl eher dazu dienen soll, noch einmal ein Zeichen zu setzen, will ich deutlich machen, wir hätten von vornherein beiden Anträgen zustimmen können, weil beide unsere Kernforderungen enthalten, nämlich Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung. Das ist für uns wirklich der ganz wichtige Punkt. Wir werden also der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Ich glaube, ich gehöre zu den ganz wenigen hier im Raum, die schon einmal an einer Urabstimmung an einer Schule beteiligt gewesen sind, wo gerade dieses Leitbild der rauchfreien Schule zur Diskussion stand. Ich weiß also, wovon ich rede. Ich habe auch daran mitgewirkt, dass mein alter Arbeitsplatz eine Schulordnung bekam, in der von vornherein festgeschrieben wurde, dass alle verantwortlich und alle beteiligt sind. Das nur am Rande.
Ich möchte deutlich machen, dass der SSW für das Leitbild der rauchfreien Schule eintritt. So ist das.
Wir sind - genau wie alle anderen - darüber besorgt, dass so viele junge Menschen das Rauchen anfangen und wir wollen, dass das Rauchen an Schulen aufhört. Die Zahlen sind wirklich beunruhigend, aber wir fordern trotzdem eine Versachlichung der Debatte und wünschen hier keine Symbolpolitik.
Wie schon im Ausschuss von mir gesagt, hält der SSW dieses Thema für zu wichtig, um Entscheidun
gen einfach so übers Knie zu brechen. Wir haben deshalb vorgeschlagen, dass der Bildungsausschuss sich nach der Wahl mit dem Thema rauchfreie Schule intensiv befassen sollte, um eine Lösung für das Problem zu erarbeiten. Das hilft den Schulen nach unserer Ansicht mehr als ein gut gemeinter Erlass, der zurzeit technisch nicht umsetzbar ist. Auch die GEW - das ist hier schon gesagt worden - hat dies in ihrer Pressemitteilung vom 21. Januar 2005 erkannt. Ich zitiere den GEW-Landesvorsitzenden, der hierzu sagt:
„Erfahrungsgemäß finden gerade Schülerinnen und Schüler immer wieder Wege, derartige Verbote zu umgehen.“
Das Leitbild der rauchfreien Schule ist also nur dann umsetzbar, wenn alle hinter dieser Entscheidung stehen. Deshalb wollen wir, dass die Schulkonferenzen dazu verpflichtet werden, sich mit dem Thema zu befassen. Sie sollen für ihre Schule ein maßgeschneidertes Konzept - einen Aktionsplan - zur Umsetzung dieses Ziels erstellen. Hierbei muss die Prävention natürlich eine maßgebliche Rolle spielen,
aber auch die Unterstützung für solche, die mit dem Rauchen aufhören wollen, muss vorhanden sein. Das ist ganz klar.
Es ist richtig, dass die Einstellungen der Kinder und Jugendlichen und der Lehrerinnen und Lehrer verändert werden müssen, wenn man den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit vermeiden und den Ausstieg erleichtern will. Hier hilft ein Verbot per Ukas aber genauso viel wie der Versuch, einen Großbrand mit der Gießkanne zu löschen.
Wir regen daher an, dass das Land seine Präventionsmaßnahmen verbessert und ausweitet. Es soll den Schulen bei der Umsetzung eines schuleigenen Aktionsplans zur Seite stehen. Ganz klar muss es auch noch mehr Anreiz für das Nichtrauchen geben. Mehr Initiativen wie das Programm „Be smart - don`t start“ oder eine Ausweitung dessen, wären hier sehr hilfreich.
Zusammenfassend noch einmal: Auch wir vom SSW wollen rauchfreie Schulen; wir wollen mehr und bessere Prävention und vor allem wollen wir konkrete Politik für die Schulen und die Gesundheit hier im Land machen, aber wir wollen keine Symbolpolitik.
Wir werden uns daher dem vorliegenden Antrag nicht anschließen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ausmaß der Naturkatastrophe in Südostasien vom 26. Dezember letzten Jahres hat auf der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst. Nach den letzten Zahlen sind bisher fast 225.000 Menschen der Flutkatastrophe zum Opfer gefallen. Wie wir der Presse entnehmen können, steigen diese Zahlen auch heute noch. Millionen von Menschen sind obdachlos geworden, und nicht zuletzt sind viele Kinder von den Folgen dieser enormen Flutwelle betroffen. Wir haben die Bilder gesehen und nicht gewagt, darüber nachzudenken, was sie im Grunde genommen aussagen. Denn die Bilder dieser Menschen verschlingenden Welle haben uns bis ins Mark erschüttert. Angesichts des menschlichen Leids in vielen Staaten Asiens erscheinen unsere Probleme in einem ganz anderen Licht. Die Proportionen werden wieder zurechtgerückt. Uns wird
bewusst, wie verschwindend gering unsere Probleme aus globaler Sicht sind.
Nicht nur die Tatsache, dass so viele unschuldige Menschen durch die Launen der Natur sterben mussten, lässt uns mit einem Gefühl der Ohnmacht vor den Naturgewalten zurück. Uns macht auch die Sorge um die Zukunft der Überlebenden betroffen. Wenn man überhaupt von irgendeinem positiven Aspekt dieser ganzen Tragödie sprechen kann, dann davon, dass es eine weltweite spontane Hilfsbereitschaft und ein großes Engagement zugunsten der Betroffenen gegeben hat. Es ist sicherlich die gute Seite der Globalisierung, dass uns eine Naturkatastrophe, die sich viele Tausende von Kilometern entfernt ereignet, so berührt und aufwühlt. Das Schicksal dieser Menschen zeigt uns, dass wir in einer Welt leben und alle zusammengehören.
Natürlich hat die Tatsache, dass auch viele deutsche, skandinavische oder andere westliche Touristen - fast 50 schleswig-holsteinische Familien sind betroffen - in den paradiesischen Ferienorten Thailands oder Sri Lankas Opfer der Flutkatastrophe wurden, dazu beigetragen, dass sich auch in Deutschland eine phantastische Spendenbereitschaft entwickelt hat. Bisher sind in der Bundesrepublik über 500 Millionen € an Spenden zusammengekommen. Das ist eine einmalige Summe. Daher gebührt allen Bürgerinnen und Bürgern, die gespendet haben, unser großer Dank.
Auch die Bundesregierung hat sich zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft und vielen privaten Hilfsorganisationen um eine schnelle und effektive Hilfe bemüht. Der Bund will in den nächsten Jahren bis zu 500 Millionen € für die Katastrophengebiete bereitstellen. Dabei war die Diskussion um die Finanzierung dieser Hilfe sehr unerfreulich und am Ende auch völlig überflüssig.
Vorrangig muss es jetzt darum gehen, dass den Not leidenden Menschen in den vom Tsunami betroffenen Regionen das nackte Überleben gesichert wird. Sie brauchen Nahrung und reines Trinkwasser. Sie brauchen eine ausreichende medizinische Versorgung, damit Seuchen und andere Krankheiten bekämpft werden können. Dies alles wird in Südostasien unter
hohem Zeitdruck von vielen freiwilligen Helfern in die Wege geleitet. Auch ihnen gebührt unser Dank.
Jenseits dieser Aktivitäten ist es aber wichtig, dass wir uns auch jetzt schon Gedanken um den Wiederaufbau der Infrastruktur und um die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der betroffenen Regionen und ihrer Menschen machen. Die von Bundeskanzler Schröder vorgeschlagenen Partnerschaftsverträge zur Entwicklungszusammenarbeit sind schon in einigen Ländern, Städten und Kommunen in Gang gesetzt worden.
Auch das Land Schleswig-Holstein strebt eine Partnerschaft mit Nordsumatra, der am schwersten betroffenen Region, an. Das unterstützt und begrüßt selbstverständlich auch der SSW. Wir sind der Auffassung, dass es längerfristig um ganz konkrete Projekte Schleswig-Holsteins zum Wiederaufbau der Wirtschaftsstruktur gehen muss. Dabei schwebt mir zum Beispiel die Unterstützung der Fischerei vor. Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren besitzt gerade in diesem Bereich ein großes Knowhow. Auch zur Entwicklung eines Tsunami-Frühwarnsystems in den betroffenen Regionen könnte Schleswig-Holstein mit Know-how beitragen.
Dennoch ist es richtig und notwendig, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag auf unsere Verantwortung für alle Krisenregionen dieser Welt hinweisen. Wer weiß noch, was am 26. Dezember 2003 in der iranischen Stadt Bam geschah, in der über 20.000 Menschen starben? Wissen wir, ob Hilfe angekommen ist? Ich denke, die Nothilfeorganisationen verweisen zu Recht darauf, dass wir alle Krisenregionen dieser Erde unterstützen müssen. Zumindest müssen endlich alle Nationen ihre Entwicklungshilfe auf die von der UNO geforderten 0,7 % des Bruttosozialprodukts aufstocken. Das ist die Aufgabe, die wir als westliche Industrieländer in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern zum Thema zurückkommen, zu dem vorliegenden Europabericht nämlich.
Natürlich kann man, wenn es um EU-Politik geht, zu allem Möglichen reden. Der Kollege Greve hat es vorhin gemacht. Ich denke aber, wichtig ist das, was aus dem Europabericht hervorgeht. Viele Menschen assoziieren Europa mit einer bürgerfernen und undurchschaubaren Bürokratie. Dabei bestimmen EUProgramme, Richtlinien und Vorschriften unser politisches Leben in steigendem Umfang. Der Vorwurf der bürgerfernen Bürokratie wie auch die Befürchtung, dass die EU-Eingriffe eher zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in Deutschland führen, deuten darauf hin, dass noch viele Abstände - konkrete und gefühlte - in der Europapolitik überwunden werden müssen.
Der SSW tritt dafür ein, sich in die Europapolitik einzumischen, sich zu Wort zu melden und so die Maßstäbe mitzugestalten.
Ein gutes Beispiel führt der Bericht der Ministerpräsidentin an: Das Grünbuch zur maritimen Politik. Schleswig-Holstein als das Land zwischen zwei Meeren braucht eine verlässliche und koordinierte maritime Politik. Wasser macht bekanntlich nicht an Grenzen Halt. Schiffssicherheit, aber auch das fast explosionsartige Anwachsen der Containerschifffahrt stellen Herausforderungen an die politischen Entscheider, die kein Land allein bewältigen kann. Daher ist es vorbildlich, dass Schleswig-Holstein in diesen Fragen auf der europäischen Ebene auf verbindliche Entscheidungen dringt.
Inzwischen hat die neue EU-Kommission der maritimen Politik einen hohen Stellenwert eingeräumt. Hier müssen wir dranbleiben. Hieran müssen wir weiterarbeiten.
Wer vor den Konsequenzen der Entscheidungen in Brüssel und Straßburg die Augen verschließt, muss mit unkalkulierbaren Kosten rechnen.
Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen. Die Kommunen in Schleswig-Holstein sind bis eine Anzahl von Ausnahmen nicht in der Lage, Anträge für europäische Programme auszuformulieren. Die kleinen Kommunen haben einfach nicht die nötigen Ressourcen für die Antragsgestaltung. Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Fördergelder nach SchleswigHolstein holen könnten. Voraussetzung wäre, dass wir europafähige Kommunen haben.
Da müssen wir schleunigst Anschluss finden.
Die vor kurzem durchgeführte Anhörung im Europaauschuss zu genau diesem Thema hat uns noch einmal vor Augen geführt, dass es noch viel zu tun gibt. Dennoch muss ich auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass größere Kommunen die zukünftigen Herausforderungen, die aus Brüssel auf uns zukommen werden, besser bewältigen können. Mit größeren Kommunen meine ich nicht größere Verwaltungen, sondern ich meine damit, dass sich Verwaltung und politische Kommune auf gleicher Augenhöhe befinden. Nur so wird man europäische Politik mitgestalten können.
Bei einem Besuch des Hanse-Office 2003 konnte sich die SSW-Landtagsgruppe davon überzeugen, welche Potenziale dieses Büro für unser Land erschließt. Dennoch müssen wir uns mit der Frage befassen, wie die Brüsseler Seite der Landespolitik zukünftig zu gestalten ist. Wir müssen unsere Stärken weiter stärken, das heißt, auch das Hanse-Office, das vor Ort über hervorragende Kontakte verfügt. Hinzu kommt, dass das Office keine Einbahnstraße darstellt. Es sendet in schöner Regelmäßigkeit Warnsignale in den Norden, wenn sich EU-Initiativen gegen die Interessen Schleswig-Holsteins zu entwickeln drohen. Das Frühwarnsystem scheint weitgehend zu funktionieren. Das ist gut so. In diese Arbeit möchte ich auch die von der Kollegin Rodust angesprochene Arbeit des Ausschusses der Regionen einbeziehen.
Aus Sicht des SSW wird es aber nicht zuletzt darauf ankommen zu begreifen, dass auch wir uns mit der Bildung einer Syddansk Region neu aufstellen müssen - zumal vorhersehbar ist, dass das Land künftig mehr noch als bisher Ansprechpartner sein wird. Mit anderen Worten: Nach dem 20. Februar muss die Landesregierung in die Puschen kommen, um klarzumachen, welche strategischen Interessen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit künftig Priorität haben sollen.
Der SSW hat schon mehrfach hervorgehoben, dass dies nur durch die Gestaltung eines gemeinsamen deutsch-dänischen Leitbildes geschehen kann. Die aktuelle Situation in Flensburg mit dem Verlust von bis zu 700 Arbeitsplätzen bei Danfoss belegt, wie wichtig so ein gemeinsames Leitbild für die Grenzregion ist.
In diesem Zusammenhang passt auch, dass Schleswig-Holstein insgesamt und nicht nur die Regionen, die konkret an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beteiligt sind, ein deutliches Interesse daran hat, dass die klassischen INTERREG-Programme erhalten bleiben. Einige von Ihnen wissen, dass sich
die K.E.R.N.-Region, die deutsch-dänische Grenzregion, die Region Südostholstein und die Region Lübeck in einem Brief genau zu diesem Punkt geäußert haben. Das muss aus unserer Sicht weiterhin Vorrang haben.
Im Bericht wird auch die Ostseekooperation angesprochen. Auch sie stellt Schleswig-Holstein vor neue Herausforderungen. Aus unserer Sicht muss es darauf ankommen zu sagen, in welche Richtung wir weitergehen wollen und welche Ressourcen wir weiter zur Verfügung stellen wollen auf der Verwaltungsebene, im politischen Raum, damit wir diesen Zielen gerecht werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig, dass wir bei der heutigen Debatte klar und deutlich zwischen der Entscheidung zur Fusion der Provinzial Nord mit der Provinzial Münster und der damit verbundenen Änderung des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit dem Sparkassen-
und Giroverband unterscheiden, denn zur geplanten Fusion zwischen diesen beiden Provinzialversicherungen gibt es kaum eine Alternative. Ich hoffe, dass wir uns zumindest darüber hier im Landtag einig sind.
Der Wirtschaftsminister hat in den vergangenen Monaten die zuständigen Ausschüsse des Landtags umfassend über die möglichen Alternativen informiert. Aus Sicht des SSW möchte ich gern festhalten, dass die gefundene Lösung die überzeugendste ist, auch wenn auf den ersten Blick eine Fusion der Provinzial Nord mit dem niedersächsischen Partner logischer erschienen hätte. Fakt ist, dass der Trend zu Fusionen und Zusammenlegungen auch vor der Finanzwirtschaft und vor dem öffentlich-rechtlichen Sektor nicht Halt macht. Wenn die Provinzial Nord nicht für den verstärkten Wettbewerb auf dem Finanzmarkt fit gemacht wird, könnte sie, um es vage zu formulieren, womöglich in Zukunft große Probleme bekommen.
Insgesamt verläuft die Fusion aus schleswigholsteinischer Sicht also glimpflich, denn im Gegensatz zu den ersten Erwartungen bleibt die Lebensversicherungsabteilung der Provinzial Nord in Kiel und auch der Sitz des vereinten Lebensversicherers wird in Kiel bleiben. Vor dem Hintergrund der faktischen Verhältnisse und der Größenordnungen, zum Beispiel der Prämieneinnahmen zwischen den beiden Versicherungen, ist das aus unserer Sicht ein akzeptables Ergebnis.
Im Zuge der Fusion muss auch der öffentlichrechtliche Vertrag zwischen dem Land und dem Schleswig-Holsteinischen Sparkassen- und Giroverband, der ja der Eigner der Provinzial Nord ist, geändert und angepasst werden. Dabei ist es unbestritten, dass durch die geplante Holding, an der der Sparkassen- und Giroverband mitwirken wird, kein realer Weiterverkauf der Anteile an die Provinzial Nord stattfindet. Diese Tatsache ist nicht unwesentlich für die Diskussion, da das Land SchleswigHolstein per Vertrag an einem etwaigen Übererlös des Verkaufs der Anteile teilhaben soll.
Wir haben im Finanzausschuss eine kontroverse Debatte über ein mögliches Wertgutachten über die 1995 vom Land an den Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein verkauften Anteile der Provinzial Nord geführt. Dies kann man in den Protokollen nachlesen. Ich will daran erinnern, dass auch der SSW dem interfraktionellen Antrag zur Erstellung des Wertgutachtens zugestimmt hat. Dieses Gutachten liegt im Grunde immer noch nicht vor, und zwar mit der Begründung, dass die Anteile auch mit der ge
planten Fusion nicht weiterverkauft werden. Die Debatte hat jetzt durch die geforderten Änderungen des Vertrages eine andere Wende genommen, weil dadurch die Bestimmungen zum möglichen Übererlös des Landes neu definiert werden. Es geht darum, was ein angemessener Übererlös ist.
Die beiden Vertragspartner haben sich darauf geeinigt, dass das Land Schleswig-Holstein nicht an solchen Wertsteigerungen der Provinzial Nord teilhaben soll, die allein durch die Leistungen des Sparkassen- und Giroverbandes entstanden sind. Dass künftig nur noch ein angemessener Anteil geschuldet wird, hängt also mit dem seit 1995 verstrichenen Zeitraum zusammen, in dem das Land keinen Einfluss mehr auf die Provinzial hatte. Im Vertrag wird aber klargestellt, dass die Parteien den angemessenen Anteil im Wege gegenseitiger Verhandlungen zu bestimmen haben. Kann man sich nicht einigen, entscheidet ein Schiedsgericht.
Im Grunde ist so eine Übererlösregelung in der Wirtschaft gang und gäbe und aus wirtschaftlicher Sicht auch gerecht, weil derjenige, der die Wertsteigerung erwirtschaftet hat, auch den größten Anteil eines möglichen Übererlöses erhält. Das ist also im Grunde nicht das Problem. Die entscheidende Frage bleibt vielmehr, ob die 345 Millionen € von 1995 ein angemessener Verkaufspreis für die Provinzial Nord waren. Ohne Wertgutachten ist das leider sehr schwer feststellbar und ich frage mich daher auch, wieso der Kollege Kubicki in diesem Zusammenhang von einem damaligen Wert der Provinzialanteile von 560 Millionen € ausgeht.
Mir ist auch schleierhaft, wie der Kollege Kubicki davon sprechen kann, dass das Land bei der Provinzial-Fusion 700 Millionen € verschenkt. Darüber wurde schon diskutiert. Diese Zahlen sind durch keinerlei Fakten oder Gutachten belegt.
- Lieber Herr Kollege Kubicki, wir waren uns darüber einig, dass der Verkauf 1995 problematisch war und dass wir darüber ein Wertgutachten haben wollten. Ich meine aber, sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, jetzt habe man 700 Millionen € verschenkt, ist eine Diskussion, die mich sehr an einen Spruch von mir erinnert: Hätte meine Oma Räder, dann wäre sie
heute ein Omnibus. Das gilt also nicht. Zur heutigen Fusion gibt es zurzeit keine Alternative.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es ist richtig, wenn man noch einmal festzuhalten versucht, worum es geht. Ich werde jetzt nicht die Zahlen des Kollegen Kubicki diskutieren. Das ist nicht mein Punkt. Da werde ich ganz sicher nicht mithalten können, weil ich die Zahlen so nicht kontrollieren kann; das ist ja das Problem. Aber ich meine, es ist wichtig, Folgendes zu sagen.
Erste Bemerkung: Es gab eine Entscheidung, die 1995 dazu geführt hat, dass die ProvinzialVersicherung veräußert wurde. Die damalige Entscheidung war eine Entscheidung, die auch damit zu tun hatte, ob man eine völlige Privatisierung der Provinzial wollte. Wenn ich daran denke, wie die Diskussion um die öffentliche Daseinsvorsorge gelaufen ist, und wenn ich daran denke, dass wir vom SSW auf jeden Fall Privatisierungen immer sehr skeptisch gegenübergestanden sind und es weiterhin tun, dann kann ich den politischen Beschluss nachvollziehen. Ich finde, man muss den auch in diesem Kontext betrachten.
Zweite Bemerkung: 2001 wurde der Vertrag aus dem Jahre 1995 wieder im Landtag diskutiert, weil die Provinzial zur Aktiengesellschaft umgewandelt werden sollte. Da wurde dann bemerkt, dass der Vertrag doch zu vage war und dass wir das Problem des Übererlöses hatten. Das war Verdienst der Kollegin Schmitz-Hübsch, die uns alle darauf aufmerksam gemacht hat. Wir haben einen interfraktionellen Antrag zur Erstattung eines Wertgutachtens formuliert. Der SSW hat dieses Wertgutachten immer mit gefordert. Die Landesregierung hat gesagt: Wir wollen ein Rechtsgutachten, wir wollen wissen, was der Übererlös ist. Dieses Rechtsgutachten ist ja dann in diese Entscheidung mit eingeflossen.
Jetzt kommt die dritte Bemerkung; da bin ich doch bei den Zahlen. Ich sagte vorhin, wir führten eine Diskussion nach dem Motto, wenn meine Oma Räder hätte, dann wäre sie ein Omnibus. Wir machen Vergangenheitsbewältigung und stellen etwas in den Raum, was überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was damals entschieden wurde.
Jetzt kommt mein letzter Punkt. Heute gibt es keine Alternative zu dieser Fusion. Es gibt keine Alternative dazu und der Vertrag, wie er heute dasteht, ist solide durchgearbeitet. Das werden Ihnen alle bestätigen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Sicht des SSW haben sich seit der ersten Lesung der Änderung des Landesbesoldungsgesetzes keine wesentlich neuen Informationen ergeben, die unsere positive Haltung verändern. Die vorliegende Änderung des Landesbesoldungsgesetzes ergibt sich ja - auch das ist schon gesagt worden - aus dem Professoren-Besoldungsreformgesetz oder, wie der Bundestagspräsident Thierse sagen würde, aus dem Gesetz zur Reformierung der Professorenbesoldung.
Übergeordnet hat der Bundesgesetzgeber zwar die besoldungsrechtlichen Regelungen vorgegeben, aber die Ausgestaltung macht eine landesgesetzliche Umsetzung erforderlich.
Der SSW begrüßt die Intention des Gesetzes, in Zukunft bei der Professorenbesoldung den Leistungsgedanken verstärkt in den Vordergrund zu stellen. Es ist aus unserer Sicht richtig, dass anstelle von den nach Dienstalter aufsteigenden Grundgehältern nunmehr feste Grundgehälter treten. Diese Grundgehälter sollen durch individuelle Bezüge nach Leistung und Qualifikation der Professoren ergänzt werden. Damit gehen wir endlich auch in der Bundesrepublik einen Weg, der in anderen Ländern in der öffentlichen Verwaltung und bei den Hochschulen schon länger gang und gäbe ist.
Wer moderne und leistungsfähige Hochschulen haben will, braucht auch eine Besoldung, die sich verstärkt an der Leistung der Professoren orientiert. Der Leistungsgedanke muss auch in den Hochschulen Einzug halten. Damit will ich nicht gesagt haben, dass die heutigen Professoren an unseren Hochschulen und Universitäten keine Leistung erbringen. Das ist natürlich schon der Fall. Aber wer gute und neue Kräfte an die Hochschulen unseres Landes binden will, der muss diese auch mit finanziellen Angeboten ködern können. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Forschung, in dem die jetzt geschaffene Möglichkeit der Teilhabe an eingeworbenen Mitteln Dritter eine Attraktivitätssteigerung bewirkt wird.
Angesichts der heutigen Finanzlage dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass die Finanzministerkonferenz angemahnt hat, dieses Gesetz so weit wie möglich kostenneutral zu gestalten. Das sagte ich bereits in der ersten Lesung. Ich kann wiederholen, dass es im Einzellfall innerhalb einer Hochschule oder zwischen den Hochschulen natürlich nicht ohne Konflikte gehen wird. Denn wenn einer mehr bekommt, wird ein anderer weniger bekommen. Die Anhörung hat diese Einschätzung auch bestätigt. Aber natürlich hat es in der Anhörung auch berechtigte Einwände gegen weitere Bestimmungen des Gesetzes gegeben.
Deshalb hat auch die Ausschussmehrheit einige Veränderungen am Ursprungstext vorgenommen. Der Kollege Weber sprach diese Änderungen schon an, die wir auch mittragen können. Denn es macht Sinn, dass zum Beispiel der Anteil der W 3-Stellen an staatlichen Fachhochschulen statt 10 % jetzt doch 25 % betragen soll. Diese Erhöhung finden wir richtig, weil sie den Hochschulen etwas mehr Spielraum in diesem sensiblen Personalbereich gibt.
Auch dass es jetzt eine jährliche Berichtspflicht der Hochschulen über die gewährten Leistungsbezüge und die Zulagen geben soll, findet unsere Unterstützung. Denn Hochschulen sind eben nicht private Unternehmen und diese Forderung hat nichts mit Hineinregieren zu tun, sondern mit der gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung, die auch von den Hochschulen wahrzunehmen ist. Die Kollegin Birk hat dazu einige Beispiele gegeben.
Allerdings - das muss ich deutlich machen - bin ich über die Änderungsvorschläge der CDU zu diesem Gesetz verwundert, die ja im Grunde eine unfinanzierte Erhöhung der durchschnittlichen Besoldungsausgaben im Fachhoch- und Hochschulbereich vorsehen. Ich frage mich auch wirklich, wie denn diese zusätzlichen Ausgaben für die Hochschulen mit dem umfassenden Sparprogramm zusammenhängen, das der Spitzenkandidat der CDU und sein designierter Finanzminister vor wenigen Tagen vorgestellt haben.
Man verlangt also auf der einen Seite radikale Einsparungen im Landeshaushalt, während man auf der anderen Seite seinen speziellen Freunden mehr Geld verspricht.
Bei so einem Verhalten - finde ich - drängt sich der Eindruck auf, dass die eine Hand nicht weiß, was die
andere tut. Man könnte aber auch andere Vermutungen anstellen.
Auf jeden Fall werden wir diesen Änderungen nicht zustimmen. Wir werden der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer großen Regionalzeitung hieß es vor ein paar Tagen unter der Überschrift „PISA und der Weihnachtsmann“: Der PISA-Schock macht Brettspiele zum Renner im Weihnachtsgeschäft. - Diese an sich positive Nachricht hat einen negativen Beigeschmack, denn aus einer im Zusammenhang mit PISA erarbeiteten OECD-Studie geht hervor - so ist es in der Zeitung nachzulesen -, dass gerade einmal 10 % der Kinder davon berichten konnten, dass ihre Eltern mit ihnen spielten. Nicht in erster Linie aus Gründen mangelnder Zeit - heißt es weiter -, sondern weil Eltern handfeste Kommunikationsprobleme mit ihrem Nachwuchs haben.
So viel, liebe Kolleginnen und Kollegen, vorweg, um anzudeuten, wie groß die Baustelle Schule mittlerweile geworden ist.
Es ist erfreulich, wenn auch kein Grund für Luftsprünge, dass sich die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler laut PISA II leicht verbessert haben, wenn auch signifikant nur in den naturwissenschaftlichen und mathematischen Fachgebieten. Diese Verbesserungen sind zum Teil auf die Initiativen seit PISA I zurückzuführen. Zu nennen sind - die Ministerin hat es bereits getan - stichwortartig die Einführung von Bildungsstandards, das integrative Sprachförderkonzept, der Schul-TÜV und Lehrpläne für schwache und starke Schülerinnen und Schüler. Dies alles sind auch unserer Meinung nach Schritte in die richtige Richtung. Aus Sicht des SSW sollte aber weiterhin vor Testeritis gewarnt werden. Wir können uns nicht aus unseren Bildungsproblemen heraustesten. Tests können lediglich den vorhandenen Bildungsstandard belegen, Tests führen nicht zu einer besseren Schule. So viel auch noch einmal zum CDUAntrag.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass in keinem anderen OECD-Land die PISA-Debatte so emotional geführt wird wie in der Bundesrepublik. Daran hat sich seit 2000 nichts geändert. Das liegt zum einen natürlich an den immer noch mittelmäßigen Ergebnissen der PISA-Studie, zum anderen hängt es aber auch damit zusammen, dass schulpolitische Debatten eher selten unter der Überschrift Schule, sondern eher unter der
Überschrift Politik geführt werden, soll heißen, würden die Schule und die Weiterentwicklung von Schule im Mittelpunkt der Debatte stehen, wäre es auch möglich, politische Beschlüsse im Konsens zu fassen. Es mag sein, dass es darüber hinaus sogar möglich wäre, eine Debatte ohne Tunnelblick zu führen. Stattdessen wird immer noch versucht, das Ergebnis auch der zweiten PISA-Studie allein als die Folge von inhaltlichen Mängeln unseres Schulwesens hinzustellen. Der OECD-Experte Schleicher betont, dass man die notwendigen Reformen zwar nicht auf die Frage der Schulstruktur reduzieren kann, dass die Probleme aber auch nicht allein mit einer Binnenoptimierung im deutschen Bildungssystem gelöst werden können. Schon 2000 sagte er:
„Nie zuvor hat Bildung denen, die gut qualifiziert sind, derartig viele Chancen eröffnet. Die Kehrseite ist aber, dass unzureichende Bildungsinvestitionen sinkende Lebensqualität bedeuten, sowohl für den Einzelnen als auch für Nationen. Mangelnde Bildung wird zudem die Möglichkeiten junger Menschen, sich in unserer Gesellschaft zu engagieren, zunehmend begrenzen.“
Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn auch die neue PISA-Studie dokumentiert schwarz auf weiß, dass der schulische Erfolg von Kindern und Jugendlichen in kaum einem anderen OECD-Land so sehr durch das soziale Erbe bestimmt ist wie in Deutschland. Wenn es um Bildungsinvestitionen geht, dann müssen wir uns natürlich mit allen Faktoren, die Schule betreffen, auseinander setzen. Wir müssen uns - ich habe es mehrfach gesagt und ich bleibe dabei - in solchen Diskussionen auch damit beschäftigen, wie wir Ressourcen umverteilen können, wie wir Ressourcen freischaufeln können. Wir können uns aus dieser Bildungsmisere nicht heraussparen. Wir müssen neu investieren und wir müssen umschichten. Dazu gehört natürlich auch die Frage nach der Struktur unseres Bildungswesens.
Richtig ist natürlich, dass grundlegende Reformen im Bildungswesen mindestens zehn Jahre benötigen, um bei 15-Jährigen anzukommen, dass Strukturänderungen nicht allein per Knopfdruck umgesetzt werden können. Daher begrüßt der SSW, dass SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN endlich erkannt haben, dass wir keinen echten Paradigmenwechsel in der Schuldebatte bekommen, wenn die Schulstrukturfrage weiterhin tabuisiert wird. Wir bleiben aber dabei, dass es möglich gewesen wäre, schon jetzt die
Weichen zu stellen. Die Einführung einer sechsjährigen Grundschule wäre ein richtiger Schritt gewesen.
Interessant ist - ich füge das in Klammern hinzu -, dass es in dem von so vielen gelobten Finnland laut Rainer Domisch, deutscher Auslandslehrer in Finnland und Gastredner auf einer Tagung der GEW in Berlin, lediglich von 1972 bis 1977 gedauert hat, bis dort das integrative Schulsystem umgesetzt war. Hinzu kommt - auch das sagt er -, dass diese Änderung in einer wirtschaftlich schlechten Zeit in Angriff genommen wurde. Mit anderen Worten, von Finnland lernen heißt auch zu begreifen, dass Strukturänderungen keinen Wert an sich haben. Sie sind notwendig, weil Ziele, auch Bildungsziele, nur zu erreichen sind, wenn alle Faktoren einbezogen werden. Ich will nicht wieder das blöde Bild vom Kopf benutzen, aber das ist es, worum es geht.
Das heißt, angesichts der wachsenden Anforderungen in der Berufsbildung und bei der Lebensgestaltung in einer sehr komplexen Welt sollte es uns nicht gleichgültig sein, dass Jahr für Jahr so viele Jugendliche mit schlechten Chancen in ihr Erwerbsleben starten, ohne Beruf, ohne Job, ohne eigenes Einkommen. Dass dies alles insbesondere eine Schulart trifft und betrifft, nämlich die Hauptschule, das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Skandal.
Der SSW will bekanntlich eine ungeteilte Schule nach skandinavischem Vorbild, in der die Kinder von der ersten bis zur neunten beziehungsweise zehnten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Wir wollen - ich wiederhole das gern -, dass der Unterricht differenziert, statt dass die Schüler schon nach der vierten Klasse sortiert werden. Eine ungeteilte Schule ist nicht ohne weiteres eine gute Schule, sie ist aber ein starkes Fundament für die inhaltliche Weiterentwicklung von Schule. Wenn nicht die Schulart oder der Schulart bezogene Unterricht in den Mittelpunkt gestellt wird, sondern allein die Belange der einzelnen Schülerinnen und Schüler, wird dies auch zu einem Perspektivenwechsel in der Bildungspolitik führen. Dann wird die Devise nicht mehr lauten, dieses Kind oder dieser Jugendliche passt nicht in diese Klasse, sie wird vielmehr lauten: Was kann ich für diesen Schüler oder diese Schülerin tun, damit er oder sie die erforderlichen Kompetenzen erwirbt? Es kann doch nicht so argumentiert werden, heute im 21. Jahrhundert, dass wir sagen, wir haben drei Schularten. Die Hauptschule, das ist die Schule für den Handwerker, die Realschule, das ist die Schule für den Bankkaufmann, und das Gymnasium, das ist
die Schule für den Akademiker. So geht es doch nicht.
Welche erforderlichen Kompetenzen können wir den Kindern mit auf den Weg geben? Das ist die zentrale Frage auch in der PISA-Diskussion nördlich der Grenze.
Lieber Kollege Klug, ich hoffe, Sie nehmen mir ab, dass ich diejenige in diesem Saal bin, die sich am besten im dänischen Schulsystem auskennt.
- Das glaube ich nicht, lieber Kollege, denn im Gegensatz zu Ihnen verstehe ich sogar die Sprache und kann sie auch lesen.
Natürlich ist man nicht mit den von dänischen Schülerinnen und Schülern erzielten Ergebnissen zufrieden. Dass sie gern zur Schule gehen und hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz in der OECD-Studie einen zweiten Platz belegt haben, ist parteiübergreifend positiv zur Kenntnis genommen worden. Aus einer anderen Studie weiß man zum Beispiel auch, dass 80 % der Eltern mit der Schule ihrer Kinder sehr zufrieden sind. Man weiß aus einer Analyse aus dem Sommer dieses Jahres, als die dänische Lehrergewerkschaft Topmanager gefragt hat, wie sie mit den Leistungen der Schülerinnen und Schüler zufrieden waren: drei von vier haben gesagt, sie seien mit den schulischen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen zufrieden. Ich finde, das ist bemerkenswert. Bemerkenswert ist die Unterstützung und bemerkenswert ist, dass auch die Wirtschaft hinter diesem Schulsystem steht. Keiner will nördlich der Grenze das gegliederte Schulsystem wieder einführen, das man im Laufe der 60er-Jahre abgeschafft hat.
Im Mittelpunkt der Debatte dort steht somit die Frage, wie die zielgenaue Forderung von schulischen Leistungen mit dem übergeordneten Ziel von Schule - so steht es auch in der Präambel des Schulgesetzes zu lesen -, nämlich dem Erlernen demokratischer Beteiligungsrechte, in Einklang zu bringen ist.
- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Die dänischen Schüler sind laut OECD auch die Schüler, die am besten wissen, wie Demokratie gelebt werden kann. Ich verrate daher auch kein Geheimnis. wenn ich zum Schluss noch einmal ganz kurz hervorhebe, dass der SSW aus all diesen Gründen den vorliegenden CDU-Antrag nicht unterstützen kann. Den
ersten Punkt könnten wir noch mit tragen. Aber wir sind nicht für eine Zementierung des gegliederten Schulwesens zu haben. Ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, nur zurufen: Passen Sie auf, dass Sie in Ihrem bildungspolitischen Beton nicht stecken bleiben!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es immer wieder interessant zu sehen, welche Vorstellungen von Schule und welche Vorstellungen von Unterricht in den verschiedenen Aussagen zum Ausdruck kommen. Der Kollege Wagner meint anscheinend immer noch, dass Unterricht am besten als Frontalunterricht vor sich gehen kann, hier der Leh
rer, die Lehrerin und dort die Schüler alle in einer Reihe hintereinander.
Er meint, dass man am besten Ergebnisse erzielen könne, wenn der Lehrer vorn Vorträge hält und die Schüler alles abnicken.
Lieber Kollege Wagner, Sie sagen, Unterricht könne nur in einer Art und Weise vor sich gehen. Das war die Konklusion Ihres Beitrags. Ich sage: Natürlich ist das nicht so, natürlich ist Unterricht heute ganz anders, natürlich ist es so, dass Unterricht am besten funktioniert, wenn sich Kinder und Jugendliche aktiv daran beteiligen, wenn Unterricht aufgebrochen wird und wenn man begreift, dass man selbst mitlernen will. Das ist das Entscheidende.
Ich finde es auch immer wieder interessant, wenn man auf die Frage, wie man die Einstellung von 600 neuen Lehrer finanzieren will, eigentlich keine Antwort weiß. Offen bleibt zum Beispiel die Frage, ob man gewillt ist, den Klassenquotienten zu erhöhen. Dann sollte man sich hier hinstellen und das sagen. Auch das wäre für viele, die mit Schule zu tun haben, ein wichtiges Argument dafür, wie sie sich zu entscheiden haben. Denn - ich habe das vorhin schon gesagt und es ist mir ganz wichtig, dass das noch einmal deutlich gemacht wird - wer sich hier hinstellt und sagt, wir wollen alles so belassen, wie es ist,
wir wollen die Lehrerausbildung so belassen, wie sie ist, die Fortbildung so belassen - -
- Von den Strukturen her, lieber Herr Kollege! Von den Strukturen her will man alles belassen, wie es ist. Man will alles fünfmal aufrechterhalten.
Man ist nicht gewillt, die Strukturen einzubeziehen.