Dieter Schiffmann

Appearances

14/5 14/9 14/12 14/18 14/24 14/32 14/42 14/47 14/51 14/53 14/61 14/67 14/75 14/81 14/86 14/87

Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Der gerade flügge werdende europäische Traum repräsentiert das beste menschliche Streben nach einem besseren Morgen. Die Hoffnungen der Welt gründen auf eine neue Generation von Europäern.“ Diese Worte des amerikanischen Publizisten Jeremy Rifkin könnten auch über dem Vertrag für eine Verfassung für Europa oder – noch besser – über einer Kampagne für seine Ratifizierung in allen 25 Mitgliedstaaten stehen. Gerade im Jahr des 60. Jahrestags des Endes des fürchterlichsten Krieges auf europäischem Boden haben wir die Chance, der europäischen Einigung, diesem beispiellosen und beispiellos erfolgreichen Projekt, das einst als rein ökonomisches Friedensprojekt von Staaten begonnen hat, einen festen und werthaltigen Verfassungsrahmen als einer Union von Staaten und Bürgern zu geben.
Wir haben im letzten Jahr bereits ganz ausführlich die Ergebnisse des Verfassungskonvents und der Regierungskonferenz beleuchtet und in einer Gesamtbetrachtung positiv bewertet, und zwar so, wie wir es auch jetzt im Antrag gemeinsam formuliert haben. Die Europäische Union wird mit dieser Verfassung demokratischer und bürgernäher, handlungsfähiger und transparenter.
Sie schafft einen Rahmen, der die Union der jetzt 25, künftig der 27 oder irgendwann auch der 29 oder 30 Staaten überhaupt erst nach innen und außen handlungsfähig und die Entscheidungsprozesse für die Bürger nachvollziehbarer und transparenter macht. Die Verfassung verankert mit der Charta der Grundrechte mehr Rechte für die Unionsbürger und konstituiert damit die Union als Union der Staaten und der Bürger. Die Rolle der Regionen und des Ausschusses der Regionen als Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips werden deutlich gestärkt.
Auch wenn die Kompetenzabgrenzung zwischen der Union, den Nationalstaaten und den Regionen nicht so trennscharf erfolgt ist, wie wir es alle gewünscht hätten, bleibt festzuhalten: Mit dieser Verfassung konstituiert sich die Union nicht als europäischer Superstaat, im Gegenteil, sie bleibt weitgehend subsidiär und bindet die nationalen und regionalen Parlamente wesentlich stärker als bisher ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in fast der Hälfte der Mitgliedstaaten werden zur Ratifizierung des Verfassungsvertrags Volksabstimmungen oder Referenden durchgeführt, auch in den beiden großen Staaten Frankreich und Großbritannien. Diese Staaten gehen von der grundlegenden verfassungstheoretischen Prämisse aus, dass Verfassungen und ihre Legitimation auf der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes beruhen sollten.
Auch in Deutschland gibt es eine noch nicht ganz abgeschlossene Debatte über ein Referendum über die EUVerfassung. Leider haben sich auf der Bundesebene vor allem die CDU und die CSU bisher einer Änderung des
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen Gefahren, die ein erstes Referendum mit Deutschland – dann ausgerechnet auch noch über die EUVerfassung – mit sich bringen könnte, finde ich es bedauerlich, dass es höchstwahrscheinlich in Deutschland bei dem normalen parlamentarischen Ratifizierungsverfahren bleiben wird. Ein Referendum würde nämlich die gesamte politische Klasse in Deutschland zum ersten Mal zwingen, unmittelbar bei den Bürgerinnen und Bürgern für das große Projekt der europäischen Einigung flächendeckend zu informieren und zu werben.
Nun möchten Teile der CSU, deren Europaabgeordnete im Übrigen in Straßburg mit der überwältigenden Mehrheit des Europäischen Parlaments am 12. Januar für die Verfassung gestimmt haben, im Ratifizierungsverfahren den Verfassungsvertrag quasi als Geisel nehmen, um der Bundesregierung weitgehende Parlamentsvorbehalte und Parlamentsbeteiligungen bei Entscheidungen im Ministerrat abzupressen.
Das alles passt nicht zusammen, vor allem weil gleichzeitig auf allen Ebenen, vor allem in der vorerst gescheiterten Föderalismuskommission, aber auch in wichtigen meinungsbildenden Foren, wie jetzt jüngst den Bitburger Gesprächen, vor dem Hintergrund der Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen als der Norm im EU-Ministerrat die Europatauglichkeit der innerdeutschen Entscheidungsprozesse schwer ins Gerede gekommen ist.
Sollte es in kürzester Zeit in Berlin nicht zu einer Einigung über grundgesetzliche Voraussetzungen für ein Referendum kommen, muss nach unserer Auffassung der innerdeutsche Ratifizierungsprozess im Bundestag und Bundesrat zügig durchgeführt werden, und zwar allein schon, um ein Signal für die schwierigen und enorm risikobehafteten Referenden in Frankreich und Großbritannien zu setzen.
Ein solches parlamentarisches Ratifizierungsverfahren entbindet uns alle trotzdem nicht von einer umfassenden Kampagne für diese europäische Verfassung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob es losgelöst von einer umfassenden Föderalismusreform bei der konkreten Ausgestaltung des so genannten Frühwarnsystems, nämlich der frühzeitigen Beteiligung in Deutschland von Bundestag und Bundesrat, an der Subsidiaritätsprüfung von EU-Gesetzen auch zu einer gewissen Anpassung und Flexibilisierung der Regelun
gen über die Ländermitwirkung in Artikel 23 Grundgesetz kommen wird, ist zu bezweifeln. Es muss dann aber in den Begleitgesetzen zur Ratifizierung des EUVerfassungsvertrags ein pragmatisches und praktikables Verfahren zur Vorabprüfung der von Brüssel kommenden Gesetzentwürfe gefunden werden, das dann auch innerhalb der engen Zeitvorgaben (4 Wochen) abgewickelt werden kann.
Ein solches Verfahren und Prüfkriterien dafür zu entwickeln, ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für die beteiligten Parlamente. Das gilt auch für die von der Landesregierung zugesagte Beteiligung des rheinland-pfälzischen Landtags. Dabei darf der Landtag natürlich nicht seine Möglichkeiten überstrapazieren. Es wird vielmehr darum gehen, mit der Landesregierung eine Vereinbarung auszuarbeiten, die eine Konzentration auf die wirklich relevanten Gesetzesvorhaben der Europäischen Union und eine substanzielle Prüfung auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ermöglicht. Darin besteht eine Chance für den Landtag aber auch eine Herausforderung, neue Arbeitsformen in dieser Frage zu entwickeln.
Vor dem Hintergrund der bisher hervorragenden Zusammenarbeit von Landesregierung und Landtag in europapolitischen Fragen, habe ich keine Zweifel, dass uns das gelingen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine letzte Rede als Abgeordneter in diesem Parlament. Ich freue mich, dass ich sie ausgerechnet zur Werbung für die erste Verfassung der Europäischen Union halten durfte. Sie wissen, dass Europa für mich nicht ein Thema unter vielen ist, sondern seit vielen Jahren das politische Herzensanliegen und das Zukunftsthema auch für uns RheinlandPfälzer.
Für dieses Anliegen, wie schon oft und so oft wie bei keinem anderen politischen Thema, in diesem Haus eine gemeinsame Plattform aller Fraktionen mit formuliert zu haben, erfüllt mich auch ein bisschen mit Stolz und Genugtuung.
Ich werde nun nach über 17 ½ Jahren aus dem Landtag ausscheiden. In einer neuen Aufgabe, in der politischen Bildung, werde ich auch dem Landtag als Partner zur Seite stehen, um für seine herausgehobene verfassungsrechtliche Funktion zu werben und zumindest zu versuchen, für ihn Akzeptanz zu schaffen als das – Zitat – „oberste vom Volk gewählte Organ der politischen Willensbildung“, so wie wir es im Rahmen der großen Verfassungsreform erstmals in die Landesverfassung geschrieben haben.
Das gilt insbesondere auch für die Aufgaben und die Arbeit der Abgeordneten. Parlamente und Abgeordnete haben es in Deutschland seit Bismarcks Zeiten nie leicht gehabt. Der oft komplizierte Prozess demokratischer Mehrheitsfindungen, der Wettstreit der Parteien und die Repräsentativität der Abgeordneten steht in der Wertschätzung der Bürger und mancher Parteienkritiker, die vielfach unterschwellig von autoritativen Erwartungen geprägt sind, meist nicht hoch im Kurs.
In den Jahren seit 1987 habe ich vier Jahre Erfahrung auf den Bänken der Opposition und jetzt nahezu 14 Jahre auf den Bänken einer großen Regierungspartei sammeln dürfen. Regieren oder Mitregieren ist zweifellos schöner, als in der Opposition virtuelle Gegenentwürfe zur Regierungspolitik zu entwickeln. Aber verantwortungsvolles Regieren unter schwierigen Rahmenbedingungen und Sachzwängen, die man vielfach nicht selbst zu verantworten hat, gerade in einem föderalen System, und die man auch nur wenig beeinflussen kann, kann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, manchmal auch sehr anstrengend sein.
Diese doppelte Erfahrung in diesem Haus hat mich immer dazu bewogen, für die unverzichtbare verfassungsrechtliche und verfassungspraktische Bedeutung beider großen Gruppen des Parlaments für die Funktionsfähigkeit unserer repräsentativen Demokratie einzutreten. Ich glaube, das ist uns auch bei der Reform der Landesverfassung ein Stück gelungen.
In den Jahren seit 1987 sind nach meiner Erfahrung die Erwartungen der Medien und der Bürger an die Abgeordneten nicht zuletzt infolge unseres seit 1991 praktizierten unmittelbaren Wahlrechts erheblich gestiegen, sowohl, was das Verhalten der Abgeordneten, die Geschwindigkeit politischer Entscheidungen und deren Ergebnisse als auch, was die Repräsentation und die Kommunikation von Politik und Landespolitik und ihrer Ergebnisse durch die Abgeordneten unmittelbar vor Ort in ihren Wahlkreisen betrifft.
Diese 17 ½ Jahre waren spannende Jahre, die ich nicht missen möchte wegen der vielen Bekanntschaften mit Menschen aus allen unterschiedlichen sozialen Schichten, kulturellen Herkünften, unterschiedlichen Organisationen und Institutionen und wegen der Freundschaften, die sich quer über alle Fraktionen hinweg in diesen Jahren gebildet haben.
Ich möchte sie auch nicht missen, weil sie eine ständige Herausforderung an mich waren, mich auf neue Fragen und Sachverhalte und Denkansätze einzulassen, also nie stillzustehen und mich dabei doch immer wieder aufs Neue auf die grundsätzlichen Werte zu besinnen, um deren Willen ich mich politisch engagiert habe.
Lassen Sie mich diese Werte mit den Worten zusammenfassen, mit denen Jeremy Rifkin seine europäische Vision von Staat und Gesellschaft beschrieben hat – ich zitiere –: „Der europäische Traum stellt Gemeinschaftsbeziehungen über individuelle Autonomie, kulturelle Vielfalt über Assimilation, Lebensqualität über die Anhäufung von Reichtum, nachhaltige Entwicklung über unbegrenztes materielles Wachstum, spielerische Entfaltung über ständige Plackerei, universelle Menschenrechte und die Rechte der Natur über die Eigentumsrechte und globale Zusammenarbeit über Machtausübung.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war und ist aller Mühen wert, an der Verwirklichung aller Facetten dieses Traums auch in der Landespolitik in vielen, oft mühseligen kleinen und auch in manchen größeren Schritten mitzuarbeiten, so wie es im Verfassungsvertrag der EU in Artikel I-2 heißt: „Gestützt auf die Achtung der Men
schenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenwürde in einer Gesellschaft, die sich durch Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit über alle Jahre hinweg und wünsche Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aufgeregte öffentliche Debatte über den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der nur der Vorläufer für den Neunten und den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sein wird, hat diesen nach meinem Eindruck viel zu sehr allein auf die Auseinandersetzung um die neue Rundfunkgebühr verkürzt. Herr Kollege Dr. Weiland, in der ausführlichen Beratung im Ausschuss für Medien und Multimedia wird die Chance bestehen, auch auf die anderen wichtigen Neuerungen, die Herr Ministerpräsident Beck in seiner Einführung zu diesem Gesetzentwurf gestreift hat, im Detail einzugehen.
Ich möchte aber ergänzend auf zwei Punkte hinweisen, die mir aus diesem Katalog noch wichtig sind. Das eine ist das Einfrieren des Gebührenanteils der Landesmedienanstalten und die in der Protokollerklärung angekündigte Überprüfung des Auftrags der Landesmedienanstalten. Herr Kollege Dr. Braun, im Licht der Debatte, die wir vorhin geführt haben, ist dieser nicht unwesentlich.
Zum Zweiten möchte ich im Rahmen der Vereinheitlichung der Gebührenbefreiungstatbestände auf die weitgehende Gebührenbefreiung für Empfänger von Ar
beitslosengeld II und sozialer Grundsicherung im Alter verweisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, 1,09 Euro oder 88 Cent, 17,24 Euro oder 17,03 Euro, der Unterschied zwischen diesen zwei Zahlen bewegt seit Monaten in einer erhitzten Debatte die medienpolitische Öffentlichkeit. Glaubt man dem einen oder anderen Intendanten, könnte man in Anlehnung an Hamlet den Eindruck gewinnen, als ginge es hierbei in dieser konkreten Frage in letzter Konsequenz um das „Sein oder Nichtsein“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich erspare mir die Umfrage, wer in diesem Haus bzw. auf den Mainzer Straßen eigentlich auf Anhieb weiß, dass die gegenwärtige Rundfunkgebühr 16,15 Euro beträgt. Der Unterschied von 21 Cent, über den diskutiert wird, macht aber – glaubt man auf der anderen Seite den Bekundungen einiger Ministerpräsidenten und dabei insbesondere den Verfassern des ominösen SMS-Papiers – den Unterschied aus zwischen noch gegebener Sozialverträglichkeit der Rundfunkgebühr und einem Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip, als seien diese 21 Cent im Medienbudget der Bürger quasi der Tropfen, der das Fass der Sozialreform und der Leistungseinschränkungen zum Überlaufen bringen würde. Also haben sie vor diesem Hintergrund durchgesetzt, dass die anderen Ministerpräsidenten bzw. die Rundfunkkommission sich über den ursprünglichen Vorschlag der unabhängigen KEF hinweggesetzt haben.
Zur Erinnerung: Die KEF hatte ohnehin schon den von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemeldeten Erhöhungsbedarf rund um die Hälfte auf 1,09 Euro ab 1. Januar 2005 gekürzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt, wo Intendanten tiefe Einschnitte beispielsweise in die Rundfunkorchesterlandschaft vorgenommen oder angekündigt haben, wo Beteiligungen an Festivals, Landesfesten und Forschungseinrichtungen gekürzt oder eingestellt werden sollen, werden plötzlich beide SMS-Akteure, die Ministerpräsidenten Milbradt und Steinbrück, von einer mittelschweren Amnesie heimgesucht, weil sie gar nicht mehr wissen, was sie ursprünglich in ihrem Papier gefordert und jetzt losgetreten haben.
Ich möchte nicht über Sinn oder Unsinn des staatsvertraglichen Ratifizierungsverfahrens räsonieren, bei dem wir als Landtage nur ja oder nein sagen können oder uns bestenfalls nach Art der CDU im sächsischen Landtag kurzzeitig wieder wichtig machen können; denn wer wollte letztlich von uns die Verantwortung dafür übernehmen, dass es überhaupt keine Rundfunkgebührenerhöhung gibt? – Die jetzt zu beschließende Gebührenerhöhung ist für die Anstalten auf jeden Fall besser als gar keine Gebührenerhöhung.
Ich denke, auch Ministerpräsident Beck – das ist aus seinen Ausführungen deutlich geworden – wird angesichts dieser Alternative gerade im letzten Jahr so manches Mal seine Moderatorenrolle als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder nicht als besonders vergnügungssteuerpflichtig empfunden haben.
Dass es nach manchen vorankündigenden Ultimaten und Junktims überhaupt zu einer Einigung über eine Gebührenerhöhung gekommen ist, ist schon auch ein Erfolg von Ministerpräsident Beck als Moderator, der sich eigentlich von Anfang an öffentlich für die Einhaltung des bewährten KEF-Verfahrens eingesetzt hat. Es lässt sich jetzt wohl akademisch trefflich darüber streiten, inwieweit die Abläufe dieser Gebührenerhöhungsrunde den Buchstaben und dem Geist des § 5 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags und dem Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 entsprechen, das gerade die Staatsferne des Fes tsetzungsverfahrens für die Gebühr als den Garanten der dualen Rundfunkordnung gefordert hat.
Rein formal sind nach unserer Einschätzung der Ablauf und das Ergebnis dieser Gebührenrunde mit den Verfahrensvorschriften des § 5 gerade noch vereinbar. Immerhin haben die nach der KEF-Runde nachgereichten strukturellen Selbstbindungserklärungen von ARD und ZDF, wie politikfrei und wie freiwillig sie auch immer zustande gekommen sind, eine neue Beratungsgrundlage geschaffen, über die dann dem Gesetz entsprechend auch Beratung der Rundfunkkommission unter Beteiligung der KEF stattgefunden hat.
Immerhin enthält die Begründung zu Artikel 6 Nr. 4 zumindest den Versuch einer rationalen Begründung für die Abweichung vom KEF-Vorschlag, nämlich den Hinweis auf das Umfeld einer deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage, auf die selbst erklärten zusätzlichen Einsparpotenziale bei ARD und ZDF, auf die möglichen Kosteneinsparungen durch die Einräumung des Verzichts auf die analoge terrestrische Verbreitung und auf zusätzliche Einnahmequellen durch Veränderungen bei der Gebührenbefreiung, Stichwort „Hotelprivileg“.
Die Verknüpfung der Gebührenentwicklung mit der Entwicklung der öffentlichen Haushalte allerdings – Herr Kollege Dr. Weiland hat schon darauf hingewiesen –, wie sie in den Protokollerklärungen angekündigt wird, dürfte allerdings den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kaum genügen.
Auf jeden Fall aber sollten alle Intendanten auch bedenken, ob eine in den Raum gestellte Klage irgendeiner Anstalt nicht irgendwann mit einem Urteil beschieden werden könnte, das gemessen am Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur Verlierer zurücklassen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das in den Protokollerklärungen aufgenommene Bekenntnis der Ministerpräsidenten zu dem im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag festgeschriebenen Verfahren der Gebührenfestsetzung dokumentiert zumindest verbal die Bereitschaft, sich künftig auch dem Geist nach daran zu orientieren und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine finanzielle Entwicklungsperspektive zu geben.
Es gibt gegenwärtig leider keinen Konsens mehr unter den Ministerpräsidenten, nicht nur entlang von Parteilinien, über die Bestandsgarantie, den Auftrag, die Funktion, den Stellenwert und vor allem die Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deswegen
wird auf mittlere und längere Sicht entscheidend sein, was aus dem sehr kryptisch formulierten Satz der Protokollerklärung folgt, wo es heißt – ich zitiere –: „Davon unabhängige Überlegungen zur künftigen Struktur und Aufgabendefinition der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in programmlicher, technischer und finanzieller Hinsicht berücksichtigen.“
Die Schwierigkeiten der privaten Veranstalter, neue, dauerhaft tragfähige Geschäftsmodelle ergänzend zu der erwiesenermaßen konjunkturanfälligen Werbefinanzierung zu etablieren, dürfen und können aus unserer Sicht nicht durch ein Austrocknen der öffentlichrechtlichen Programme oder ihr Abdrängen in Nischen eines angeblichen informativen Kernauftrags gelöst werden. Es entbindet allerdings auch die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht von Selbstbescheidung, Kosteneffizienz, Überprüfung der Angebotspalette und klarer und nachprüfbarer als bisher formulierter programmlicher Leitlinien nach § 11 Abs. 4 Rundfunkstaatsvertrag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn neuartige Übertragungstechniken wie UMTS, DVB-T, DVB-H oder DRM tatsächlich der viel beschworenen Tendenz zur Konvergenz der Plattformen einen neuen Schub geben werden, dann muss mit als drängendste Aufgabe erst einmal innerdeutsch die Zukunft der OnlineAngebote der öffentlich-rechtlichen Sender und ihr Zugang zu diesen neuen Verbreitungswegen und den dort zu platzierenden neuartigen Inhalten geklärt werden. Nur so wird es möglich sein – der Herr Ministerpräsident hat darauf hingewiesen –, gegenüber der EU-Kommission den Anspruch der Länder entsprechend dem Amsterdamer Protokoll, Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst bestimmen zu können, auch durchzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss darauf hinweisen, das der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ganz entscheidend zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur sozialen und kulturellen Identitätsbildung in einer demokratischen Gesellschaft beiträgt. Deswegen tun wir alles, um ihm auch finanziell eine dauerhafte Entwicklungsperspektive zu geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des immer noch sehr dissonanten Chors aus Berlin ist es heute müßig, über die Chancen von Erfolg oder Misserfolg der Reform der bundesstaatlichen Ordnung zu spekulieren.
Die seit September täglich wechselnden Bewertungen, ob das alles am 17. Dezember diesen Jahres nun gänzlich scheitern wird oder – Zitat – „im kleinsten Karo“ landen wird oder aber mit einem großen Reformdurchbruch enden wird, diese Meldungen sind so zuverlässig wie der tägliche Wetterbericht und dienen meist mehr den Interessen des einen oder anderen im Verhandlungspoker.
Fest steht aber – ich zitiere –, „die Reform des Bundesstaats ist buchstäblich die Mutter aller Reformen“. Frau Kollegin Thomas, das Zitat ist nicht gegendert, leider.
„Es geht um die Reform und Reformfähigkeit Deutschlands, um nicht mehr und nicht weniger.“ So hat Maximilian Steinbeis im „Handelsblatt“ vor kurzem zu Recht geschrieben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer gemeinsamen Entschließung im Vorfeld des Föderalismuskonvents der Landtage haben wir uns in diesem Haus im März 2003 nachdrücklich für eine Reföderalisierung der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland und für eine Stärkung des Föderalismus der Länder und ihrer Parlamente ausgesprochen, um Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte, die die Eigenstaatlichkeit der Länder und die Bedeutung der Landesparlamente ausgehöhlt haben, zu beseitigen. Für uns ist die Föderalismusreform trotz all dieser Fehlentwicklungen die Reform eines Erfolgsmodells.
Demokratische Kultur lebt von der Machtbegrenzung, von der Nähe, der Unmittelbarkeit und der Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen, vor allem aber von der Vielfalt und auch dem Wettbewerb der Ideen und der kulturellen und landsmannschaftlichen Tradition oder, wie es der Präsident des Juristentags, Paul Kirchhof, neulich gesagt hat: „Der Föderalismus in Deutschland ist eigentlich ein sehr bewährtes Prinzip dezentraler und damit bürgernaher Staatlichkeit.“
Nicht von ungefähr hat das Bundesverfassungsgericht in seinen jüngsten Entscheidungen deshalb die Messlatte für Eingriffe des Bundes im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung auf die Abwehr von ansonsten zu befürchtenden schweren Verwerfungen oder gar der Gefährdung des sozialen Friedens begrenzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Forderungskatalog, mit dem die Vertreter Deutschlands in den Europäischen Verfassungskonvent gegangen sind, könnte man mit wenigen Änderungen auch den Erwartungen an die Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland zugrunde legen: Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit, klare Kompetenzabgrenzung, weniger Vermischung und Verflechtung, stattdessen mehr eigenständige Handlungsfähigkeit sowohl des Bundes als auch der Länder, mehr Öffentlichkeit und mehr Transparenz der Entscheidungsprozesse; denn über den kritischen Befund des gegenwärtigen Zustands des föderalen Systems in Deutschland besteht weitgehend Einigkeit.
Heribert Prantl hat das so in der „Süddeutschen Zeitung“ auf den Punkt gebracht – Zitat –: „Der Gang der Dinge ist so unübersichtlich, dass auch ein Bürger, der sich bemüht, nicht mehr kapiert, wer, Bund, Länder oder Gemeinden, für was zuständig ist. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch undemokratisch.“
Kompetenzwirrwarr, Einschränkung der Handlungsfähigkeit der gewählten Mehrheit im Bundestag mit der Folge von Reformstau und Verantwortungslosigkeit, so
lautet der Befund weniger wohlwollender Kritiker wie zum Beispiel dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Papier.
Das Reformkonzept ist in seiner allgemeinsten Form also relativ unstreitig, nämlich Entflechtung der verschiedenen Entscheidungsebenen, Rückführung des mittlerweile starken Einflusses der Landesregierungen auf die Bundesgesetzgebung und damit ihrer auch reichlich genutzten Blockademöglichkeiten, mehr Substanz für die Länder und damit mehr Gesetzgebungshoheit auch für die Landesparlamente.
Wer sich allerdings die unendlich vielen und teilweise unendlich gegensätzlichen Vorschläge nicht nur der beteiligten Seiten von Bund und Ländern und dann noch unterschieden zwischen armen und reichen Ländern anschaut, sondern auch der wissenschaftlichen Sachverständigen der Reformkommission, den Zentralisten auf der einen und den Föderalisten auf der anderen Seite, der wird die Größe der Aufgabe dieser Kommission ermessen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesrat haben nach meiner Einschätzung mit ihren Vorschlägen, die sie jüngst gemacht und erneuert haben, tragfähige Ansätze für eine konsensfähige und trotzdem tief greifende Umgestaltung geliefert, die auch die Interessen der Landesparlamente berücksichtigen. Die Münchener Erklärung deckt sich bei aller notwendigen Offenheit weitgehend damit.
Eine Umgestaltung, die neue gesetzgeberische Kompetenzen, aber auch Selbstbescheidung – das ist wesentlich – und eine erhebliche Einschränkung der Ländermitwirkung in der Bundesgesetzgebung bringen kann, ganz gleich, wie letztlich im Detail die neue Ausgestaltung der konkurrierenden Gesetzgebung aussehen wird, ganz gleich, wie die neue Grundsatzgesetzgebung des Bundes ausgestaltet wird, oder ganz gleich auch, ob es zu einer Zugriffslösung für die Länder kommt oder ob der bisher zentral wichtige Artikel 84 des Grundgesetzes ganz abgeschafft oder nur eingeschränkt wird, eines aber muss klar sein: Die notwendige Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben kann es allerdings nur geben, wenn die finanzielle Kompensation für die Länder sichergestellt ist. Eine Föderalismusreform, die die möglichen Hauptgewinner, die Länder, hinterher finanziell ausbluten lassen würde, wird nicht tragfähig sein. Das gilt, auch wenn eine wirkliche Reform der Finanzverfassung mit mehr Eigenverantwortung der Länder wegen der scharfen Interessengegensätze zwischen arm und reich unter den Ländern auf absehbare Zeit nicht erreichbar sein wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, fast zum schärfsten Konfliktfeld zwischen dem Bund und den Ländern hat sich in den letzten Monaten die Mitwirkung der Länder in der Europapolitik auf der Grundlage von Artikel 23 des Grundgesetzes entwickelt. Da ist von Bundesseite von der angeblichen „Europauntauglichkeit“ oder – milde ausgedrückt – der nur bedingten „Europatauglichkeit“ des deutschen Föderalismus die Rede. Aber keiner der vom Bund in der Debatte vorgebrachten
Vorwürfe an die Adresse der Länder hat einer Überprüfung standgehalten.
Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die jetzige wie auch schon die frühere Bundesregierung selbst wegen des ungebrochenen Ressortegoismus keine europatauglichen Strukturen der Bundesregierung aufgebaut haben, beispielsweise durch die Bündelung in einem Europaministerium.
Auch wenn vielleicht die neue bayerische Landesvertretung in Brüssel ein paar Schuhnummern zu groß und zu vornehm ist und die Töne von Herrn Stoiber bei der Einweihung etwas zu laut geraten sein mögen, ist die flotte Schlagzeile im aktuellen „Spiegel“ dieser Woche vom – Zitat – „kleinkarierten Größenwahn der Länder“ in Sachen Europa völlig fehl am Platz.
Man kann von der EU nicht auf der einen Seite Subsidiarität und die Einbeziehung und Respektierung der regionalen und lokalen Ebene einfordern, wenn es um die Europäische Verfassung geht, und dann die deutschen Länder aus Brüssel fern halten und an dem Katzentisch verweisen wollen, gerade auch wenn es um Kernkompetenzen der Länder in Europa geht. Das geht nicht zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Uwe Thaysen hat vor wenigen Wochen in der Zeitschrift für Parlamentsfragen geschrieben, dass entweder bei einem Scheitern des Reformwerks die Bewegung für den Föderalismuskonvent der Landtage, den Lübecker Konvent, deren „letztes Hurra“ gewesen sei oder aber bei einem erfolgreichen Abschluss die Landtage aus dieser föderalen Reformbewegung zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik als Mitsieger hervorgehen können. Dann aber in der darauf folgenden politischen Praxis kommt eigentlich erst die Bewährungsprobe für die Landtage. Füllen die Landtage dann nämlich ihre eventuell dann neu errungenen Befugnisse nicht aus, dann werden sie rasch der Überforderung bezichtigt werden, und dann würde – Ironie des Schicksals – die Föderalismusreform vielleicht zum Pyrrhussieg des Landesparlamentarismus.
Meine Damen und Herren, abschließend erzeugen wir also mit unserer heutigen Debatte zusätzlichen Druck, damit nicht nur das politische System in Deutschland auf der Bundesebene insgesamt handlungsfähiger und entscheidungsschneller wird, sondern auch der Föderalismus in Deutschland revitalisiert wird mit starken, selbstbewussten und kompetenzstarken Landtagen. Zeigen wir uns aber auch hinterher der neuen Mitverantwortung gewachsen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 18. Juni 2004 wird als ein Tag von historischer Tragweite in die Geschichte Europas eingehen. Die
Europäische Union wird durch einen Vertrag der Mitgliedstaaten zum ersten Mal eine Verfassung erhalten.
Erst damit wird der Anspruch aus dem Vertrag von Maastricht, nämlich nicht nur eine Europäische Gemeinschaft, sondern eine Europäische Union zu sein, verwirklicht. Aber der Erfolg der Regierungskonferenz, die Europäische Verfassung, ist wiederum beinahe untergegangen im Kleinklein der Verhandlungen, der Kompromisspapiere der irischen Präsidentschaft und dann auch der schwer lesbaren Zusammenfassung als Ergebnis dieser Regierungskonferenz.
Leider ist zum Ende dieser Regierungskonferenz über das große Ereignis hinaus wenig von Transparenz und Bürgernähe zu sehen gewesen. Nur für Spezialisten war erkennbar, wann welche Regelungen und wie in Kraft treten.
Was im Europäischen Verfassungskonvent unter breiter Beteiligung der Parlamente aller Stufen der Europäischen Union ausgearbeitet und vereinbart worden ist, ist auf der Regierungskonferenz in Brüssel angesichts aller Bedenken wieder etwas kleiner geredet worden.
Aber die bloße Tatsache, dass die 25 Mitgliedstaaten in der Lage waren, sich nach dem 1. Mai, nach der Erweiterung und vor allem nach dem gescheiterten Anlauf vom Dezember 2003 zu einigen, und das wenige Tage, nachdem die geringe Wahlbeteiligung und vielerorts der Erfolg extrem europaskeptischer Parteien gezeigt hatten, dass ein Großteil der Unionsbürgerinnen und -bürger erhebliche Probleme mit den Strukturen und der Politik der Europäischen Union haben, ist zweifellos und unbestreitbar ein großer Erfolg, ein Nachweis von Handlungsfähigkeit, wenn auch unter Schmerzen.
Diese Schmerzen haben sich nicht zuletzt in der Vielfalt der Interpretationen über das Ergebnis ausgedrückt, nämlich was eigentlich diese Europäische Union mit einer eigenen Verfassung jetzt sei und in Zukunft sein soll.
Die Debatte über diese so genannte Finalität der Europäischen Integration, über das Ziel also, ist nach wie vor nicht entschieden. Sie wird wohl auch in den nächsten Jahren weniger durch formelle Einigungen als durch faktisches Handeln und faktische Entwicklungen entschieden werden.
Dabei kommt der Verfassung eine ganz entscheidende Rolle zu. Mit der Verfassung vollzieht die Union – ob das alle Staaten so wollen oder nicht – faktisch und unumkehrbar einen Quantensprung hin zur weiteren Vertiefung der Einigung.
Die Europäische Union wird mit dem Vertrag über eine Verfassung handlungsfähiger, demokratischer und transparenter. Sie wird in allen Bereichen, zum Beispiel mit der Aufnahme der Charta der Grundrechte und dem europäischen Bürgerbegehren, auch bürgernäher werden.
Aus der ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft und der Friedensgemeinschaft wird eine Wertegemeinschaft mit gemeinsamen Grundwerten und politischen Zielen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verfassung der EU wird auch für die Regionen und damit für die deutschen Länder ganz besondere Bedeutung erlangen und Wirkungen zeigen, von der Bedeutung, die die Aufnahme der kommunalen Selbstverwaltung in die Verfassung für die Kommunen haben wird, einmal ganz abgesehen.
Das Prinzip der Subsidiarität – durch Druck der deutschen Länder im Vertrag von Maastricht erstmals aufgenommen – wird durch diese Verfassung ganz konstitutiv für die EU, indem über die Bestimmungen der Verfassung hinaus in den Zusatzprotokollen über die Rolle der nationalen Parlamente und zum Frühwarnsystem zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ganz konkrete Verfahrensregelungen vereinbart worden sind.
Diese ermöglichen es den nationalen Parlamenten und ihren Kammern, damit auch dem Deutschen Bundesrat, unmittelbar im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union frühzeitig aktiv zu werden, wenn aus ihrer Sicht die EU ihre Kompetenzen überschreitet bzw. eine europäische Regelung nicht sinnvoll und notwendig ist.
Der Ausschuss der Regionen (AdR) wird danach die Chance erhalten – sofern er sich als handlungsfähig erweist –, in allererster Instanz zur Hüterin des Prinzips der Subsidiarität zu werden. Er wird ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof erhalten, sollte er bei einem Gesetzesvorhaben der Union einen Verstoß gegen dieses Prinzip feststellen.
Aber hier gilt es auch, ganz schnell im AdR Verfahrensregelungen zu finden, die es ermöglichen, aus der Flut europäischer Gesetzesvorhaben rechtzeitig subsidiaritätsrelevante Materialien herauszufiltern und entschieden reagieren zu können.
Genau dieselben Anforderungen werden auch an Bundestag und Bundesrat zu stellen sein. Die Fristen zur Reaktion sind relativ kurz bemessen.
Ich komme zum Schluss.
Die gegenwärtigen geschäftsordnungsmäßigen Abläufe sind diesen Fristen nicht gewachsen. Sinnvoll wird wohl nur sein, dass auch die jährlichen Arbeitsprogramme der Kommission schon viel stärker auf die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips eingehen, damit sich der AdR und die nationalen und regionalen Parlamente frühzeitig darauf einstellen können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich an die Schlussfeststellung des Herrn Ministerpräsidenten anschließen. Mit diesem Vertrag über die Verfassung wird ein Teil der europäischen Vision Wirklichkeit. Das ist eine Vision, die unsere Väter gehabt haben. Sie haben aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs politische Konsequenzen gezogen. Diese Verfassung ist ein Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der Gesamtvision. Das wird nicht abschließend sein. Das wird den Prozess weiterbefördern. Das wird die Integration vertiefen.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das von Ministerpräsident Beck erneuerte Angebot aufgreifen, dass die Landesregierung bereit ist, im innerstaatlichen Verhältnis und im inneren Verhältnis der Verfassungsorgane in Rheinland-Pfalz mit dem Landtag eine Vereinbarung über die Beteiligung des Landtags an dem Subsidiaritätsfrühwarnsystem auszuarbeiten. Ich glaube, wir sind als erstes der deutschen Länder diesen Weg gegangen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Wir werden darüber zu reden haben, in welcher Form das geschehen soll, ob in einer weiteren Vereinbarung oder ob wir die Regelung in unserer Verfassung über die Beteiligung des Landtags in europapolitischen Fragen ergänzen müssen. Diese Fragen stellen sich auch in Bezug auf das Grundgesetz. Das ist die Frage der europapolitischen Mitwirkung des Bundesrates in diesem System.
Herr Abgeordneter Wiechmann, ich warne an dieser Stelle ausdrücklich davor, dass das Ratifizierungsverfahren dazu genutzt wird, um aus der Sicht des Bundestages und des Bundesrates die Bundesregierung quasi angesichts dieses historischen Projektes einer Europäischen Verfassung quasi in Geiselhaft zu nehmen, indem man Forderungen aufstellt, die so nicht umzusetzen sind. Beispielsweise ist die Forderung aus der CDU zu nennen, dass allein schon der Beschluss der europäischen Gremien über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung der deutschen Parlamente bedarf.
Das kann nicht sein. Das Projekt der Europäischen Verfassung ist so groß, dass es an diesen Fragen – wie auch, liebe Frau Kollegin Schmidt, an der Frage, ob jetzt
ein ausdrücklicher Gottesbezug in diese Verfassung aufgenommen wird – nicht scheitern darf.
Ich darf in diesem Haus aber vielleicht doch noch einmal zitieren, über was eigentlich geredet wird, was in der Präambel in der Verfassung steht, die jetzt zum Schluss vereinbart worden ist. Dort heißt es „schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen, Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, als universelle Werte entwickelt haben“. Ich glaube, das ist wirklich nicht nur konsensfähig in Europa, sondern das greift wirklich die tragenden Säulen der europäischen Werteordnung auf und setzt auch ethische Maßstäbe für die Entwicklung.
Ein letzter Punkt: Auch hier ist wieder die Frage eines Referendums angesprochen worden. Ich habe hier den Text der Verfassung, wie er vom Konvent vereinbart worden ist, plus das, was jetzt auf der Regierungskonferenz in Brüssel ergänzend und ändernd beschlossen worden ist. Über welchen Teil dieses komplizierten Werkes mit so vielen Dimensionen, über die hier diskutiert worden ist, wollen Sie eine Abstimmung machen? Ich halte es in dieser Situation schon für gefährlich, dass beispielsweise in Großbritannien angesichts der dortigen Stimmung jetzt aus innenpolitischen Gründen ein Referendum angesetzt worden ist.
Für völlig überzogen aber und dem Grundverständnis dieser Europäischen Union, nämlich auch der Gleichwertigkeit der Staaten in Europa widersprechend, halte ich die Idee eines europaweiten Referendums. Sie werden bei den Freunden in Malta, die gerade beigetreten sind und 380.000 Einwohner haben, natürlich große Freude auslösen, wenn Sie sagen, dass Ihre Stimme – jede einzelne – genauso gewichtet wird wie jede einzelne Stimme von 65 Millionen wahlberechtigten Deutschen. So kann Europa – zumindest noch nicht – nicht funktionieren.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Gölter, die Größe der Herausforderung, die Sie beschrieben haben, sehen wir genauso. Ich denke, es war auch der Grundtenor der Regierungserklärung, dass wir vor einer bis dahin historisch noch nicht da gewesenen Größe der Herausforderung stehen.
Es führt ab dem 1. Mai kein Weg daran vorbei. Wir müssen noch europäischer werden. Noch weniger als in der EU der 15 werden wir es uns in der EU der 25 leisten können, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nur national oder regional zu denken.
Die Frage, wo wir im Gefüge und im Wettbewerb der 25 Staaten stehen und ob unser Standort zukunftsfähig genug ist, um unseren Wohlstand zu erhalten, muss uns alle leiten und umtreiben: die Politiker, die Gewerkschaften, die Unternehmer, die Handwerker, die Selbs tständigen, eigentlich alle Menschen in Deutschland.
Das größere Europa wird den Zwang verstärken, nicht stillzustehen, sondern die Veränderungen energisch in Angriff zu nehmen, die notwendig sind, um die wirtschaftliche Dynamik zurückzugewinnen, die wiederum erst einen handlungsfähigen Staat und Sicherheit, insbesondere auch soziale Sicherheit für alle Menschen, ermöglicht.
Insofern hat die AGENDA 2010 nicht nur ganz abstrakt etwas mit den Folgen der Globalisierung und den dem ographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft zu tun, sondern auch mit den neuen Herausforderungen des neuen Europas der 25.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister Bauckhage, Ihre Regierungserklärung 79 Tage vor dem Termin der größten Erweiterung, die die Europäische Union je erfahren hat, war notwendig und hat ein Zeichen gesetzt, ein Zeichen, indem Sie nicht nur die Chancen und Herausforderungen beschrieben haben, die für uns darin stecken, sondern indem Sie
deutlich gemacht haben, dass die Landesregierung, aber auch die rheinland-pfälzische Wirtschaft sich schon früh auf die Erweiterung eingestellt und sich mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Aktionen darauf vorbereitet haben.
Sie haben zu Recht beispielsweise auf das gemeinsame Wirtschaftsbüro in der Woiwodschaft Oppeln und auf das Baltische Büro verwiesen, das seit fünf Jahren auf dem Hahn arbeitet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben es gehört, Europa hat ein spannendes und zugleich entscheidendes Jahr vor sich. Am 1. Mai treten zehn Länder der EU bei; die größte Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union. Damit wird die Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig und dauerhaft überwunden.
Der Prozess der demokratischen Umwälzung im Osten Deutschlands und in den Staaten Mittel- und Osteuropas von 1989/1990 war von Anfang an mit der Perspektive einer Einbettung dieser Staaten in den Prozess der europäischen Einigung verbunden. Die Vision der streikenden Arbeiter der Danziger Lenin-Werft von 1980 war immer auf Polens Zugehörigkeit zum demokratischen Westeuropa gerichtet.
Ohne die von Willy Brandt angestoßene und gegen heftigste innenpolitische Widerstände durchgesetzte neue Ostpolitik, ohne die Politik der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn Deutschlands, ohne die Ostverträge, ohne das Symbol des Kniefalls von Willy Brandt im Warschauer Getto und ohne den KSZE-Prozess wäre die historische Wiedervereinigung Europas, die wir jetzt erleben dürfen, nicht möglich gewesen.
Sie wäre allerdings auch nicht ohne die demokratische Revolution der Völker und ihre Bereitschaft, einen historisch beispiellosen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozess auf sich zu nehmen, wie es ihn bisher noch nicht gegeben hat, möglich gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklung der EU ist historisch ein einmaliger Prozess, der uns nach Jahrhunderten von Krieg und Zerstörung jahrzehntelang Frieden und Wachstum in Europa gesichert hat.
Die gemeinsame Erfahrung der Kriege des 20. Jahrhunderts und deren Ursachen sind einer der großen Antriebe zur Vereinigung Europas gewesen. Europa hat daraus weltweit beispielslos Lehren gezogen, die eine Wiederholung dieser Katastrophen unmöglich machen sollen und unmöglich machen werden.
In Westeuropa haben die Feinde von einst mit der Europäischen Union eine Gemeinschaft von Staaten geschaffen, deren Ideal und Leitmotiv die Freiheit des Individuums war, ist und bleiben wird.
In konsequenter Anstrengung sind die Barrieren beseitigt worden, die die Märkte der Nationalstaaten voneinander abgeschottet haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa ist heute aber weit mehr als der größte offene Binnenmarkt der Erde. Europa ist auch eine Wertegemeinschaft, und die europäische Einigung ist ein Vorbild für andere Weltregionen geworden.
Die jetzt zum 1. Mai anstehende größte Erweiterung der Union dient der dauerhaften Sicherung dieser Friedensordnung und der politischen Stabilität Europas. Damit wird sie bei allen schwierigen internen Debatten und ungelösten Strukturfragen der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik die Rolle Europas in der Welt stärken.
Dass wir in Westeuropa seit der demokratischen Revolution in Osteuropa seit 1990 schon eine große, wenn auch wegen der Konversionsprobleme nicht immer unproblematische Friedensdividende durch die zurückgehenden oder zumindest eingefrorenen Militärausgaben einstreichen konnten, sollten wir alle nicht vergessen.
Wir haben schon profitiert. Auch das gehört zur Gesamtrechnung dazu.
Der gemeinsame Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird weit nach Ost- und Südosteuropa ausgedehnt. Das bedeutet nicht nur ein Mehr an persönlicher Freiheit der Menschen in Europa, sondern auch die Verstärkung des Kampfes gegen die organisierte grenzüberschreitende Kriminalität und damit ein Mehr an persönlicher Sicherheit und rechtsstaatlicher Sicherheit für die Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, die Übertragung der Standards der Europäischen Union im Bereich des Umweltschutzes auf die Beitrittsstaaten – auch wenn in dem einen oder anderen Fall vielleicht zu lange Übergangsfristen vereinbart worden sind – wird nicht nur die gesamte Umweltbilanz Europas verbessern und für die Harmonisierung von Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten sorgen, sondern sie wird auch einen Innovationsschub in diesen Ländern auslösen, der für unsere Wirtschaft erhebliche Chancen beinhaltet.
Meine Damen und Herren, das Verbindende der europäischen Gesellschaften manifestiert sich in der Frage, ob Europa demokratisch, feudal oder diktatorisch regiert wird, ob das Individuum durch Menschenrechte geschützt und mit Bürgerrechten ausgestattet ist, ob alle Menschen in gleichem Maß an politischen Entscheidungen teilhaben können und ob Minderheiten – auch ein großes europäisches Thema – Schutz genießen und ihre Lebensverhältnisse menschenwürdig sind.
Herr Minister Bauckhage hat vom Wettbewerb als dem Grundprinzip wirtschaftlicher Innovation und Prosperität in der Europäischen Union gesprochen und davon, dass der Wettbewerb der Garant für besondere Anstrengungen der Menschen in den Beitrittsstaaten sei. Der Wettbewerb ist sowohl innereuropäisch als auch global wichtig. Wir müssen uns ihm stellen. Er muss aber einge
bettet werden in einen Ordnungsrahmen, der einen fairen Wettbewerb ermöglicht und den Menschen soziale Sicherheit bietet. Es geht um die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Europa. Vor allem geht es aus unserer Sicht aber auch um die Sozialstaatlichkeit im alten und im neuen Europa und um das, was wir in Deutschland als soziale Marktwirtschaft geschaffen haben. Wir wollen ein Europa, in dem alle Menschen die Chance haben, ein Leben in Freiheit und Würde zu führen. Der Wettbewerb kann und darf nicht durch ein bodenloses Sozialdumping geführt werden, der dann einen Prozess des allgemeinen Sozialabbaus auslösen würde. Das wäre den Menschen bei uns nicht zu vermitteln.
Meine Damen und Herren, Herr Minister Bauckhage hat in Bezug auf die Beitrittsstaaten von dem für Investoren aus Deutschland positiven Standortfaktor der niedrigen Steuersätze und davon gesprochen, dass von diesem Wettbewerb der Steuersysteme alle profitieren werden. Auch das ist in einem bestimmten Maß richtig. Genauso nur zum Teil richtig wäre es aber auch, würde man als positiven Standortfaktor davon sprechen, dass die Steuerverwaltungen in den meisten der Beitrittsstaaten ineffizient und noch gar nicht in der Lage bzw. willens sind, alle zustehenden Steuern einzutreiben.
Mit fairem Wettbewerb scheint es mir nicht vereinbar, auf der einen Seite Steuerdumping und einen Verzicht auf Steuereinnahmen zu betreiben und auf der anderen Seite sich von den Staaten, die man steuerlich gnadenlos unterbietet, über deren Nettozahlung zum EUHaushalt regionale Strukturpolitik, die Kohäsionspolitik, finanzieren zu lassen. Diese Rechnung kann und darf auf Dauer nicht aufgehen.
Meine Damen und Herren, die gegenwärtig nach der Vorstellung der finanziellen Vorausschau der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2007 bis 2013 geführte heftige Debatte über die Frage, ob die Erweiterung eine Erhöhung des EU-Haushalts um nahezu 40 % auf 1,24 % des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union rechtfertigt oder sogar unabdingbar notwendig macht, hängt natürlich vor allem mit dem Streit um den Stabilitätspakt, mit den Sparvorgaben der Europäischen Kommission vor allem mit dem Nettozahler Deutschland zusammen. Die Situation der öffentlichen Haushalte in Deutschland lässt eine Ausweitung der deutschen Zahlungen an den EU-Haushalt aus unserer Sicht nicht zu. Herr Dr. Gölter, es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, Ihre Position in Bezug auf die Obergrenze darzustellen.
Es ist wichtig, an dieser Stelle deutlich zu machen, wie zerrissen die CDU/CSU in dieser Frage ist. Herr Pöttering plädiert dafür, die Obergrenze bei 1,24 % festzulegen, während Herr Wissmann und Herr Austermann die
Genauso unstreitig ist, dass die neuen EU-Staaten Anspruch auf unsere Unterstützung haben. Sie müssen mit Mitteln der Gemeinschaft zum wirtschaftlichen Aufbau, zur Modernisierung ihrer Infrastruktur und zur Qualifizierung ihrer Arbeitskräfte unterstützt werden.
Nur wenn bei ihnen zu Hause im eigenen Land die Bedingungen sichtbar besser werden, werden die Menschen zu Hause bleiben, auch wenn ihr Lebensstandard immer noch unter dem Lebensstandard in den hoch entwickelten Regionen in Mittel- und Westeuropa liegt. Die Kohäsionspolitik der Europäischen Union ist also das notwendige Gegenstück zu den vereinbarten maximal siebenjährigen Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte. Gerade für Deutschland als unmittelbaren Nachbarn ist nur durch diese Einschränkung der jetzige Zeitpunkt der Erweiterung überhaupt sozial verträglich.
Daraus folgt, dass wir bereit sein müssen zu akzeptieren, dass die künftige Regional- und Strukturpolitik der Europäischen Union sich auf die ärmsten Gebiete konzentrieren muss, deren Bruttoinlandsprodukt unter 75 % des EU-Durchschnitts liegt. Für uns – darauf hat Herr Minister Bauckhage zu Recht hingewiesen – wird das bedeuten, dass die bisherigen Ziel-2-Gebiete in Zukunft weniger oder gar keine Förderung mehr bekommen werden. Das darf nicht abrupt geschehen, sondern in einem gleitenden Übergang und mit mehr eigenständigen Spielräumen bei unserer eigenen Regional- und Strukturpolitik. Die erfolgreichen Maßnahmen im Rahmen der Ziel-3-Förderung des Europäischen Sozialfonds, bei dem es um die Qualifizierung der Menschen geht, sowie die erfolgreiche grenzüberschreitende Gemeinschaftsinitiative INTERREG müssen auch in Zukunft erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Ich denke, eine Mehrheit der Bevölkerung trägt den Gedanken der Erweiterung mit und hat die Erweiterung immer begrüßt. Es gibt aber auch sehr viel Skepsis in der Bevölkerung, die es gilt abzubauen. Es gilt zu werben für die großen vor uns liegenden Anstrengungen infolge von mehr Wettbewerb und mehr Konkurrenz und für die darin liegenden Chancen. Die Zahl, die Herr Bauckhage genannt hat, springt schon ins Auge, dass der deutsche Handel mit den mittel- und osteuropäischen Staaten mittlerweile das gleiche Volumen erreicht hat wie der Handel mit den Vereinigten Staaten. Das macht die Chance der Schaffung dieses Binnenmarkts mit rund 450 Millionen Menschen gerade für die rheinland-pfälzische Wirtschaft deutlich.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Braun, ich möchte nur eines klarstellen, weil aus Ihren Ausführungen herüber kam, als würden wir ab dem 1. Mai in ein völlig neues Umfeld treten. Ich will nur den letzten Punkt ansprechen, den Sie genannt haben, bei dem es um die Zukunft der EU-Regionalpolitik und damit verbunden auch um die Finanzplanung der EU ab 2007 geht.
Man muss sagen, dass bisher schon über die vergangenen Jahre hinweg und verstärkt auch im Jahr 2004 – verstärkt im ersten Halbjahr – in einem erheblichen Umfang, nämlich im Umfang von zweistelligen Milliardenbeträgen Beiträge für die Heranführung der Beitrittsstaaten an die EU im Bereich der regionalen Strukturpolitik geflossen sind. Hier ist schon über die vergangenen Jahre hinweg einiges geschehen. Dies allerdings mit dem Ergebnis, dass in vielfacher Weise die Beitrittsstaaten, die jetzt hinzukommen, nicht in der Lage waren, die Mittel, die für die regionale Strukturpolitik bereitgestellt worden sind, abzurufen. Das hatte den positiven Effekt, dass die Mittel wieder an die nationalen Haushalte zurückverteilt wurden. Selbst in der Obergrenze von 1 % ist also noch erhebliche Luft in Bezug auf diese Punkte enthalten.
Ich komme zum zweiten wichtigen Punkt. Auch die wirtschaftlichen Herausforderungen sind nicht neu. Seit knapp vier Jahren sind etwa 95 % des gesamten Handels zwischen der EU und den Beitrittsstaaten bereits liberalisiert. Hier gibt es weitgehende Gleichheiten in den Handelsbeziehungen. Sie haben einige Effekte erwähnt, die in den letzten Jahren auch in verschiedenen Bereichen der rheinland-pfälzischen Wirtschaft stattgefunden haben.
Man muss nach außen noch einmal deutlich machen, dass der 1. Mai nicht der große Bigbang ist, wo plötzlich etwas ganz Neues entsteht. Die eigentlichen Herausforderungen ab dem 1. Mai sind weniger die wirtschaftspolitischen, sondern mehr die finanz- und strukturpolitischen Herausforderungen.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Braun, ich fand Ihre Ausführungen zu den Regelungen, wie sie jetzt im Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag für die OnlineAngebote der öffentlich-rechtlichen Sender gelten sollen, schon etwas merkwürdig und auch sehr ambivalent. Es wäre meiner Meinung nach auch von Ihrer Seite an dieser Stelle sinnvoll gewesen, klar zu sagen, dass die programmbezogenen Online-Angebote einen notwendigen Bestandteil dieses Funktionsauftrags in einer Zeit darstellen – wir schreiben das Jahr 2003 –, in der es zu einer weitgehenden Konvergenz unterschiedlicher
Plattformen kommt. Es ist der falsche Weg, den Öffentlich-Rechtlichen – so wie das lange diskutiert wurde – im Grunde genommen generell diese Möglichkeit zu beschneiden.
Das hindert mich nicht daran, die Anmerkung zu machen, dass die Formulierung, wie sie im neuen § 11 Abs. 1 gewählt ist, natürlich sehr interpretationsbedürftig ist. Die Begründung ist ein notwendiger Kompromiss zwischen sehr weit auseinander gehenden Positionen der Staatskanzleien gewesen. Mit der Gleichsetzung von Druckwerken und Mediendiensten ist das keine dem Jahr 2003 und dem erreichten Stand der Angebote entsprechende Formulierung.
An dieser Stelle muss auch gesagt werden, dass es sehr große Unterschiede in der Wahrnehmung dieses Auftrags im Bereich der Online-Dienste gibt. Es gibt eine klare Grenzziehung – das ist weniger eine Sache des Südwestrundfunks als vielleicht des ZDF –, die an mancher Stelle notwendig ist. Dann wiederum muss man aber auch sagen: Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender, ein Landesrundfunksender wie der SWR, mittlerweile in seinem Briefkopf „Hörfunk, Fernsehen, Internet“ stehen hat, dann ist das eine Positionsbestimmung, die auch fragwürdig und eigentlich durch den Inhalt dieses Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrags nicht gedeckt ist. Auch hier wäre etwas Selbstkritik vonseiten der Anstalten notwendig.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, man sollte auch in diesem Kreis noch einmal sagen, worum es bei Open-Source-Software eigentlich geht.
Es geht um Software, deren Quellcode offen gelegt ist, auf der keine Patente ruhen und an der auch – beispielsweise im Bereich Linux – eine weltweite Gemeinde an deren Weiterentwicklung und Umsetzung in ganz konkrete Anwendungen arbeitet, im Gegensatz zu einer proprietären Software, wie sie beispielsweise von Microsoft bekannt ist.
Herr Kollege Dr. Braun, eigentlich hätten wir erwartet, dass Sie Ihren Antrag zurückziehen und nicht zur Aussprache stellen; denn es ist doch ganz klar: Sie rennen offene Türen ein. Sie erwecken mit Ihrem Antrag den Eindruck, als hätten Sie das Thema „Open-SourceSoftware“ erst für das Haus entdeckt.
Der Innenminister hat Ihnen doch in der Innenausschusssitzung deutlich gemacht, dass die Landesregierung bereits im letzten Jahr über ihren Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnik und über die gebildete Arbeitsgruppe die Potentiale innerhalb der Landesverwaltung für die Anwendung von Open-SourceSoftware ausloten soll, es also unterwegs ist und läuft.
Wenn Sie den Eindruck erwecken, als sei von vornherein klar, dieser Einsatz von Open-Source-Software werde zu erheblichen millionenschweren Kosteneinsparungen führen, sollten Sie vielleicht das Ergebnis der Untersuchung abwarten, auch dasjenige, das die Bundesregierung und der Bundesinnenminister im Zusammenhang mit dem Vertrag mit IBM über die Anwendung von Linux auf den Weg gebracht haben.
Es gestaltet sich etwas schwieriger, als es im ersten Augenblick den Anschein hatte.
Der zweite Punkt ist, es ist nicht so, als gebe es auf den Rechnern in Rheinland-Pfalz nur MicrosoftAnwendungen. Rheinland-Pfalz hat auch positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit in vielen Feldern mit Microsoft gemacht, aber im Bereich der Server gibt es im erheblichen Umfang – das gilt insbesondere auch, wenn man das im nationalen Maßstab umsetzt – Anwendungen und Plattformen beispielsweise auf Linux.
Der Grundgedanke, der hinter der Entscheidung der Stadt München steht – sie haben eine Kostenrechnung für sich gemacht, ohne allerdings die Migrationskosten einzubeziehen –, aber auch die hinter der Entscheidung beispielsweise von Staaten wie Brasilien oder, um das letzte zu nennen, Japan, China und Singapur, die sich dieser Tage zusammengeschlossen haben und gemeinsam auf Linuxbasis Open-Source-Software als „AntiWindows“ entwickeln wollen, ist, dass jedes Monopol schlecht ist.
Jedes Monopol führt dazu, dass man dem Partner ausgeliefert ist und einem die Konditionen diktiert werden. Das gilt bei Microsoft insbesondere bei den Lizenzbedingungen beispielsweise im Office-Bereich, aber auch in dem Bereich, in dem es darum geht, die Unterstützung für Windows NT auslaufen zu lassen und die Anwender, bei denen es läuft, zu zwingen, überwiegend auf Windows 2000 umzusteigen.
Jedes Monopol ist schlecht. Deshalb ist es sinnvoll, Monopole zu brechen. Wir wollen einen offenen und von Vielfalt geprägten Weg in die Informationsgesellschaft, nicht zuletzt, weil auch gerade die Viren- und Wurmangriffe der letzten Wochen gezeigt haben, wie empfindlich NT-Strukturen sind, wenn nur eine Plattform eingesetzt wird.
Die Sicherheitsrisiken sind bekannt, die insbesondere auf den Microsoft-Plattformen vorhanden sind. Wer sich nur einem Partner in diesem Bereich ausliefert, hat nicht nur Kosten, sondern auch Sicherheitsrisiken, weshalb Vielfalt auf jeden Fall der beste Weg ist.
Wir unterstützen die Landesregierung bei ihren Bemühungen. Es muss ein sehr ausgefeiltes Konzept sein. Es lässt sich nicht einfach über die Rasenmähermethode entscheiden, dass Windows durch Linux ersetzt wird. Es muss sehr genau abgewogen werden.
Wir erwarten den Bericht der Landesregierung gegen Ende des Jahres und unterstützen das Grundanliegen Ihres Antrags nachdrücklich. Wir erwarten, dass alle Potenziale entsprechend ausgeschöpft werden.
Vielen Dank.
Herr Kollege Dr. Braun, das, was Sie angesprochen haben, werden Sie erst haben, wenn Sie konkrete Anwendungen ausgeschrieben haben. Es gab das Beispiel in München, wo es einen Bieterwettbewerb der besonderen Art zwischen Microsoft und SuSe – beispielsweis e im Hinblick auf Linux – gegeben hat. Das werden Sie wirklich erst dann erhalten.
Ein Punkt ist auch noch wichtig, damit klar wird, die Geschichte ist nicht ganz so einfach. Gegenwärtig wird im Europäischen Parlament über die Patentierbarkeit von Software-Anwendungen, von Software-Lösungen gesprochen. Ein ganz schwieriges Unterfangen, das dazu führen könnte, dass beispielsweise die ganze Grundlage für das Wirtschaftsmodell von Linux hinfällig wird, weil auf einen Kern von Linux einige Firmen Patentansprüche anmelden.
Das andere ist der völlig offene Ausgang der Prozesse in den USA von SEO gegen IBM, in denen es darum geht, inwieweit Teile von Linux auf Unix basieren und damit dem Patentschutz und dem Zugriff von SEO, für dieses Verfahren finanziell von Microsoft gefüttert werden –, also völlig uneigennützig –, unterliegen würden.
Das ist etwas komplizierter, als Sie es relativ schlicht dargestellt haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vereinigte Europa wird am 1. Mai 2004 in einem historischen Schritt so groß, wie es vor dreizehn Jahren noch niemand zu hoffen gewagt hätte. Es wird zu diesem Zeitpunkt – so hoffen wir es wohl alle – endlich eine Verfassung und nicht nur ein Dickicht von institutionellen Verträgen haben, eine Verfassung, die deutlich macht, dass die Europäische Union mehr ist als nur ein Binnenmarkt, sondern eine Wertegemeinschaft, die auf den positiven Traditionen europäischer Geschichte aufbaut und die Grundlagen für die Erhaltung und Fortentwicklung des europäischen Gesellschafts- und Kulturmodells legt.
Dass aus der Erweiterung keine kritische Überspannung der Handlungsfähigkeit und der Integrationskraft wird, das war und ist die große Herausforderung für diese neue Verfassung.
Der Entwurf für eine künftige Verfassung der Europäischen Union, den der Konvent zur Zukunft Europas am Freitag, den 13. Juni, als Ergebnis von anderthalb Jahren Diskussionen und Verhandlungen vorgelegt und dem Europäischen Rat in Thessaloniki als Grundlage für die kommende Regierungskonferenz übergeben hat, ist aus unserer Sicht ein großer Schritt zu mehr Transparenz, Bürgernähe und Demokratie.
Das gilt auch schon, wenn heute und morgen der Konvent noch nachsitzt und die konkreten Regelungen für die einzelnen Politikbereiche und Institutionen im Teil III des Verfassungsentwurfs erst jetzt abschließend berät.
Heute können wir feststellen, dass die Konventsmethode sich weitgehend bewährt hat und die Europäische Union – wenn der Verfassungsvertrag von der Regierungskonferenz so bestätigt werden sollte – wirklich demokratischer, handlungsfähiger, transparenter und bürgernäher werden wird,
so wie wir es 2001 im Entschließungsantrag mit unseren Erwartungen an den Europäischen Rat von Laeken und an den Konvent gefordert haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa wird bürgernäher. Durch die Aufnahme der Charta der Grundrechte in die Verfassung werden die Bürgerinnen
und Bürger einklagbare Grundrechte gegenüber der Union erhalten.
Erstmals können die Unionsbürgerinnen und -bürger, die bisher lediglich innerhalb der Union das kommunale Wahlrecht besitzen, über das Instrument des europäischen Bürgerbegehrens direkt Einfluss auf die EUGesetzgebung nehmen.
Bürgernäher, demokratischer und transparenter wird die Europäische Union aber vor allem durch die Stärkung des Europäischen Parlaments, mit der Einführung der nahezu vollständigen Mitentscheidung und der Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Parlament,
aber auch durch die Öffentlichkeit der Ratssitzungen bei Gesetzesbeschlüssen und die weitgehende Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip. Das gilt, auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, wenn gerade diese Bestimmung sofort und nicht erst zum Jahr 2009 in Kraft treten würde.
Bürgernähe hat in unseren Überlegungen immer mit den Prinzipien von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu tun gehabt. Nur das, was auf der Ebene der Regionen und der Staaten nicht wirkungsvoll geregelt werden kann, darf einer Regelung durch die Europäische Union zugeführt werden.
Die jetzt verankerte Achtung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung und die Anerkennung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt ist für uns künftig deshalb eine wesentliche Maßgabe und gleichzeitig Begrenzung für die Europäische Union.
Die Verteilung der Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten wird darüber hinaus auch ohne – wie von uns ursprünglich gefordert – abschließenden Kompetenzkatalog wesentlich klarer als bisher geregelt. Auch wenn dem Ausschuss der Regionen kein Organstatus und lediglich ein Klagerecht in eigener Betroffenheit eingeräumt worden ist, handelt es sich dennoch um einen wesentlichen Fortschritt, den – auch aus der Sicht des AdR – kaum jemand erwartet hat.
Vor allem das jetzt im Protokoll zum Verfassungsvertrag vereinbarte Frühwarnsystem gibt den nationalen Parlamenten und damit auch dem Bundesrat die Möglichkeit, frühzeitig die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips bei der EU-Kommission einzufordern, sofern die jeweiligen Bedenken von einer qualifizierten Minderheit in den Nationalstaaten geteilt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einräumung eines Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof auch für einzelne Kammern eines nationalen Parlaments gibt dem Bundesrat durchaus eine scharfe Klinge in die Hand. Das gilt, auch wenn den Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis keine eigene Klagebefugnis eingeräumt worden ist.
(Glocke des Präsidenten)
Ich komme zum Schluss.
Jetzt kommt es innerstaatlich in Deutschland darauf an, dass die Landtage für ihre nach dem Protokoll mögliche Beteiligung an dem europapolitischen Frühwarnsystem mit den Landesregierungen und dem Bundesrat eine praktikable Lösung finden.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, in der heutigen Debatte gab es vor allem zwei wesentliche Feststellungen, die auch für den weiteren Fortgang und als Auftrag an die Landesregierung von besonderer Bedeutung sind. Das eine ist, dass in diesem Haus eine positive Gesamtwürdigung des Verfassungsentwurfs über alle Fraktionen hinweg vorhanden ist, auch wenn die letzten Einzelheiten heute und morgen noch in Brüssel, insbesondere in Teil III, erar
beitet werden. Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil die Landesregierung im weiteren Verfahren sowohl im Bundesrat als auch in der Regierungskonferenz – auch dort wird der Bundesrat mitbeteiligt werden – dieses mitnimmt. Das ist das eine.
Das andere war eine ganz wichtige Aussage von Herrn Ministerpräsident Beck. Die Landesregierung hat das Angebot gemacht – in Bezug auf die im Protokoll über die Anwendung der Prinzipien von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit eingeräumte Möglichkeit, dass die zweiten Kammern der nationalen Parlamente ihre regionalen Parlamente in einen Konsultationsprozess in dem Frühwarnsystem mit einbeziehen –, sehr rasch zu praktikablen Lösungen zu kommen.
Das wird nicht einfach werden. Die Abläufe sind so kompliziert, wie sie sind. Das bedeutet, dass innerhalb von sechs Wochen nach Zuleitung eines Gesetzentwurfs der Europäischen Kommission der Prozess bis in den Bundesrat abgewickelt sein muss. Das heißt, es wird eine große Herausforderung für dieses Parlament darstellen, Wege und Verfahrensweisen zu finden, die die Einwirkung des Landtags ermöglichen. Das wird schwierig werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der neuen ersten Verfassung wird der Versuch nicht abgeschlossen sein, die für unser Europa prägende Einheit in der Vielfalt und die Vielfalt in der Einheit immer neu auszutarieren. Anders ausgedrückt: Die Frage ist, wie viel Europa die Nationalstaaten und die Regionen vertragen und aushalten, die für das Denken der meisten Bürger immer noch die zentrale staatliche Kategorie sind, und – umgekehrt – wie viel Nationalstaat ein handlungsfähiges Europa verträgt. Das wird im Lauf der weiteren Entwicklung von Erweiterung und Vertiefung noch oft neu zu beantworten sein. Wir haben erst die erste Etappe auf diesem Weg geschafft.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Böhr, ich stimme Ihnen zu, dass dieser Prozess auch im innerstaatlichen Bereich parlamentarisiert werden muss. Nur wird das gewaltige Anforderungen an uns, an die Parlamente in Deutschland stellen. Die Frage, wie das tatsächlich zu bewerkstelligen sein wird, ist die andere Frage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ministerpräs ident Beck hat zu Recht anlässlich des heutigen 58. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs auf die in der europäischen Geschichte beispiellose friedenspolitische Leistung der europäischen Integration hingewiesen. Wenn heute jemand von Europa spricht, meint er in der Regel damit die Europäische Union als Raum des Friedens und des Wohlstands, die als gegenwärtiges
Stadium das friedliche Zusammenleben und das Zusammenarbeiten und das Zusammenwirtschaften der meisten Staaten und Völker dieses einst heillos zerstrittenen Kontinents ermöglicht.
Mit der Erweiterung um die zehn neuen Staaten zum 1. Mai 2004 und ihrem jetzt beginnenden Vorlauf tritt die Europäische Union in ein völlig neues Stadium ein, ein Stadium mit vielen Chancen, aber auch vielen Risiken. Die Risiken liegen in der Möglichkeit der Überspannung und Überforderung der Institutionen der Union und ihrer politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, im Verlust von Handlungsfähigkeit und der Fähigkeit zur notwendigen weiteren Vertiefung. Dieser mögliche Verlust des inneren Zusammenhalts der Union angesichts auch der Spannweite der politischen und kulturellen Tradition, Erfahrung und des riesigen Wohlstandsgefälles, insbesondere zu den neuen Staaten, könnte das bisher Erreichte wieder gefährden.
Die Chancen der Erweiterung bestehen nicht nur in der politischen und wirtschaftlichen Befriedung des Kontinents, sondern gerade auch im globalen Wettbewerb, in der Größe der neuen Union, dem geographischen Raum, der Zahl der 480.000 Millionen Einwohner und der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Binnenmarkts, eigentlich auch in der möglichen politischen Stärke in der internationalen Politik und nicht nur in der globalen Wirtschaftspolitik von WTO, GATT und GATS, allerdings nur, wenn es gelingt, effektive Entscheidungsstrukturen und eine auch bei 25 oder 27 Staaten funktionierende europäische Entscheidungskultur zu entwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Union wird – das erscheint sicher – aus dem kaum nachvollziehbaren Dickicht vieler Verträge und noch mehr Vertragsänderungen befreit und eine Verfassung erhalten, keine einfache, aber doch eine lesbare und für die Bürger verständliche Verfassung. Die Grundforderung, die auch der rheinland-pfälzische Landtag in seiner Entschließung zum Europäischen Rat von Laeken und zum Europäischen Konvent im November 2001 aufgestellt hat, war die nach größerer Handlungsfähigkeit und Bürgernähe auch und gerade bei 25 Mitgliedsstaaten. Unsere Forderung war, dass also die künftige europäische Verfassung Mängel der bisherigen Konstruktionen der Institutionen, der Machtverteilung zwischen Ihnen und der eingesetzten Rechtsinstrumente beseitigen sollte. Darüber hinaus sollten die Entscheidungsprozesse für die Bürger transparenter und stärker demokratisch legitimiert werden.
Nach den heftigen Turbulenzen der letzten Wochen durch die einseitig auf eine Stärkung und Voranstellung des Rates und damit der Staaten und der intergouvernementalen Methode abzielenden Vorschläge von Konventspräsident Giscard d‘ Eastaing scheint mit den am 23. April vorgelegten Vorschlägen des Konventspräsidiums eine Lösung in Sicht, die den Anliegen der Stärkung der Handlungsfähigkeit, der Transparenz und von mehr Demokratie zwar nicht in dem Umfang, wie von uns zu Beginn gefordert, aber doch durchaus Rechnung trägt.
Nicht nur aus der auch interessengebundenen Sicht der Nationalstaaten, der Regionen und der Kommunen war unsere Forderung nach einer deutlichen Kompetenzab
grenzung, nach effektiverer Verankerung der Prinzipien von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ganz zentral. Die meisten Bürger Europas – Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen – haben zu Recht eine starke Abneigung gegen eine europäische Zentrale, die ihnen den Eindruck vermittelt, als wolle sie alles und alles möglichst umfassend und einheitlich regeln, und dann auch noch insbesondere von den Regionen und Kommunen das Ganze mit einem gewaltigen Aufwand an zusätzlicher Bürokratie und Kosten umsetzen und verwalten lassen. Dieser allumfassende Anspruch wäre geeignet, die viel zitierte Vielfalt in der Einheit zu zerstören und damit den produktiven Wettlauf der Ideen und Lösungen zu unterbinden. Hier sind beim gegenwärtigen Stand der Beratungen des Konvents doch die größten Fragezeichen angebracht, nicht weil Vorschläge im Raum stehen, die neue Zuständigkeiten der Union vorschlagen, beispielsweise in der Außenund Sicherheitspolitik, im Bereich der Inneren Sicherheit, der justiziellen Zusammenarbeit und der Asyl- und Einwanderungspolitik, oder auch – sehr umstritten – der Wirtschaftspolitik; denn aus unserer Sicht sind das zum überwiegenden Teil bisher versäumte notwendige Konsequenzen aus der grundsätzlichen Entscheidung für eine politische Union, für eine Wirtschafts- und Währungsunion, für den Binnenmarkt und für die Freizügigkeit des Verkehrs von Menschen, Waren, Kapital und Dienstleistung, Dinge, die bei den früheren Regierungskonferenzen versäumt worden sind.
Bei all diesen Zuständigkeiten gibt es noch Probleme bei der Abgrenzung nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Was auf der anderen Seite fehlt, sind wirkliche Zuständigkeiten, die die eigentlich notwendige Ergänzung der Wirtschaftsunion um Elemente einer Europäischen Sozialunion ermöglichen könnten.
Im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip bereitet nicht nur der gegenwärtige Vorschlag zu den ausschließlichen Zuständigkeiten der Union ganz erhebliche Probleme, sondern auch vor allem die Kategorie der geteilten Zuständigkeiten und der ergänzenden Tätigkeiten sowie die nicht ganz beseitigte Binnenmarktharmonisierungskompetenz. Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht auf dieses Einfallstor für eine Kompetenzkompetenz der Europäischen Union hingewiesen. Das sind Einfallstore für eine immer stärkere Expansion in die Kompetenzen der Nationalstaaten, insbesondere auch der Regionen.
Deshalb muss noch klarer als bisher im Entwurf zu Artikel 8 der Verfassung festgelegt werden, dass neue Zuständigkeiten der Union nur auf dem Weg der begrenzten Einzelermächtigung beschlossen werden können. Entgegen der Anregung und Empfehlung der Plenardebatte des Konvents Anfang Februar spielt mittlerweile die regionale und lokale Dimension im gegenwärtigen Stand der Verfassungsdebatte nur eine ziemlich untergeordnete Rolle. Der Entwurf des Subsidiaritätsprotokolls bezieht zwar den Ausschuss der Regionen mit in das Frühwarnsystem ein und räumt ihm ein Klagerecht in Fragen der Subsidiarität ein, gibt ihm aber keinen Organstatus, bezieht die Regionen und Kommunen auch nicht in die Verpflichtung der Kommission zum regelm äßigen Dialog ein, ebenso auch die Wirtschaftspartner
und die Sozialpartner. Die gegenwärtigen Entwürfe verweisen bei den Zielen in Artikel 3 der Verfassung an keiner Stelle auf die Sicherung der regionalen und kulturellen Vielfalt hin.
Die Frage, die hier angesprochen worden ist, eines eigenständigen Einspruchsrechts oder gar Klagerechts des Bundesrats und damit – Herr Kollege Böhr, Sie haben das angesprochen – die Rolle der Länderparlamente in diesen Prozess, sind Dinge, bei denen ich denke, dass das durchaus im Rahmen des vorgelegten Protokolls in innerstaatlichem Recht gelöst werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die gewachsene und bewährte Struktur der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen öffentlichen Interesse, also der Daseinsvorsorge auf der regionalen und kommunalen Ebene, die einen Grundpfeiler des europäischen Sozialmodells darstellt, nicht abgesichert werden soll, berührt die grundsätzliche Frage, ob das neue Europa der 25 auch ein s oziales Europa sein soll.
Europa – das haben Sie auch betont, Herr Ministerpräsident – ist aus unserer Sicht mehr als nur ein Binnenmarkt mit politischem Überbau zur Regelung von Märkten und Handelsströmen.