Dieter Klöckner
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Last Statements
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser südliches Nachbarland bezeichnet sich selbst gern als Musterländle. Die Baden-Württemberger werben selbstironisch mit dem Slogan: Wir können alles, außer Hochdeutsch. –
Der Innenminister des Landes, Heribert Rech – das ist der, der im Herbst mit dem Vorschlag zur Erlaubnis des Wendens auf der Autobahn bundesweit Schlagzeilen machte –, hat in seinem Gesprächsleitfaden ein kontraproduktives Muster zur Integration geliefert und damit zugleich den an sich pfiffigen Werbespruch konterkariert. Zu Recht hat dieser Erlass des Ministeriums in weiten Teilen der Republik Kopfschütteln ausgelöst und zu zahlreichen Protesten geführt.
Neben politisch Verantwortlichen aller Couleur haben insbesondere namhafte Verfassungsrechtler Bedenken über die Rechtmäßigkeit dieses Fragenkatalogs geäußert, widerspricht er doch nach deren Auffassung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie. Mehmet Kilic, der Vorsitzende der Bundesausländerbeiräte, sieht,
wie ich meine, völlig zu Recht darin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Anhand zweier Beispiele wird klar, dass es sich bei einigen der Fragen nicht um die sicher notwendige Loyalitätserklärung zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung handelt, sondern um eine unzulässige Gesinnungsprüfung oder besser Gesinnungsschnüffelei.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich: „Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte mit einem Mann zusammenleben“. Wie reagieren Sie? – Oder: „Hätten Sie bei bestimmten Berufen Schwierigkeiten, eine Frau als Autoritätsperson anzuerkennen? – Was glauben Sie, wie viele unserer Mitbürger ohne Migrationshintergrund durch diesen Test fallen würden, wenn sie nicht schon bereits deutsche Staatsbürger wären?
Besonders diskriminierend müssen Muslime diesen Fragebogen empfinden; denn der Leitfaden ist speziell für Einwanderer aus den 57 Staaten, die der Islamischen Konferenz angehören, konzipiert, wie einige der 30 Fragen verraten. Beispielsweise die Frage Nr. 17: „Ihre volljährige Tochter, ihre Frau möchte sich gern so kleiden wie andere deutsche Mädchen und Frauen auch. Würden Sie versuchen, das zu verhindern?“ –
Trotz aller Dementis seitens des baden-württembergischen Innenministeriums, dass die Gespräche nicht nur mit Muslimen geführt würden, zeigten die genannten und andere Fragen das Gegenteil. Im Interesse einer einheitlichen Handhabung bei der Einbürgerung sollte der so genannte Gesprächsleitfaden der BadenWürttemberger in den Rundordner.
Wenn ich solche Nachrichten lese oder höre wie im vorliegenden Fall des Gesprächsleitfadens, bin ich immer wieder froh, im liberalen Rheinland-Pfalz zu leben.
Im Jahr 2004 sind in unserem Bundesland 6.564 Frauen und Männer eingebürgert worden. Die Zahlen des Jahres 2005 lagen noch nicht vor. Dabei hat sich die Praxis in den zurückliegenden sechs Jahren seit der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes bewährt. So lautet die Stellungnahme des Innenministeriums zu den Meldungen aus Stuttgart. So ist es selbstverständlich, dass deshalb auch keine Änderungen beabsichtigt sind.
Wer deutscher Staatsbürger werden will, muss die Gewähr bieten, dass er die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Fundament für das friedliche Zusammenleben der Menschen in unserem Staat akzeptiert und sich dazu bekennt. In einem Informationsblatt sind die Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes aufgeführt und ausführlich erläutert. Wer sich hierzu im Einzelnen bekennt: Achtung der Menschenrechte, vor allem das Recht jedes Menschen auf Leben und freie Entfal
tung und Gleichbehandlung (hierzu zählt auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau) – so in dem Informationsblatt –, die Souveränität des Volkes, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte und das Mehrheitsprinzip und die Chancengleichheit für alle Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition, erfüllt aus unserer Sicht die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft.
An dieser Stelle zitiere ich gern Bülent Arslan, den Vorsitzenden des deutsch-türkischen Forums DTF in der CDU, der über den Leitfaden aus Baden-Württemberg sagte – ich zitiere –: „Ein Fragebogen, in dem nur negativ ausgeschlossen wird, was mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist, zeigt, welches unnormale Verhältnis viele Deutsche zur nationalen Identität haben.“
In dem Zusammenhang spricht er auch von einer Ausgrenzung durch Generalverdacht. Das gilt Gott sei Dank nicht für Rheinland-Pfalz. Das ist gut so. Diese Landesregierung bietet auch die Gewähr dafür, dass dies weiterhin so bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau KohnleGros, Sie müssten einmal den Titel des Themas der heutigen Aktuellen Stunde lesen. Dort steht: „Gesprächsleitfaden Baden-Württemberg“.
Sie haben nur gesagt, es müsse etwas getan werden. Aber Sie sind inhaltlich überhaupt nicht darauf eingegangen.
Ich würde gern einmal wissen, welche Vorstellungen Sie über das hinausgehend haben, was der Herr Innenminister vorgetragen hat und was seit sechs Jahren in Rheinland-Pfalz Praxis ist. Sie wollen im Grunde genommen – – –
Herr Dr. Weiland, ich finde es schon interessant, wenn eine unionsgeführte Landesregierung im Nachbarland einen solchen Gesprächsleitfaden herausgibt.
Heute Morgen im Frühstücksfernsehen hat sich der hessische Innenminister Bouffier wohlwollend geäußert und gesagt, man sollte noch darüber hinausgehen.
Nein. Ich denke, Sie haben den 26. März im Hinterkopf und wollen im Grunde genommen Zugeständnisse an den Populismus machen.
Meine Fraktion hält es für sehr notwendig, dass dieses Thema erörtert wird. Es ist bundesweit in der Diskussion. Das können Sie wohl nicht leugnen.
Ich denke, es ist nicht mehr als recht, von den Politikern der CDU im Land zu erfahren, wie sie zu dieser Sache stehen.
Dazu hat Frau Kohle-Gros keine Äußerung gemacht.
Ich sehe darin keine Polemik. Ich glaube, dass ich eine klare Sachbeschreibung gegeben
und auch klar herausgearbeitet habe, dass RheinlandPfalz einen sehr liberalen und vor allen Dingen verfassungsrechtlich klaren Kurs geht.
Das ist die entscheidende Frage. Ich denke, das sollte man im Parlament auch einmal klar und deutlich sagen. Da hilft Ihr lautes Zwischenrufen auch nichts, Herr Dr. Weiland.
Der Innenminister hat klar gesagt – dem braucht man eigentlich nur noch wenig hinzuzufügen –, es geht darum, die Inhalte dessen, was eine freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmacht, denjenigen, die einen
Antrag auf Erteilung der Staatsbürgerschaft stellen, nahe zu bringen und auch dieses Verständnis klar abzufragen.
Meines Wissens wird das in Rheinland-Pfalz gemacht. Wenn Sie etwas anderes wissen, dann bringen Sie es bitte vor.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bekanntlich ist die Prostitution eines der ältesten Gewerbe der Welt. In unterschiedlichen Kulturen findet man eine breite Palette von Ursachen und Erscheinungsformen dafür.
Gemeinsam ist in allen Fällen von Prostitution jedoch eines. Die Frau wird zum Objekt. Sie wird zum reinen Gegenstand von Angebot und Nachfrage und zum Spielball skrupelloser Menschen verachtender Machenschaften.
Mit enormer krimineller Energie wird die Ware „Frau“ weltweit gehandelt und vermarktet. Milliarden, wenn nicht sogar Billionen Euro werden pro Jahr mit der Prostitution umgesetzt. Wirtschaftliche Not von Frauen wird schamlos ausgenutzt, um mit ihnen Geld zu machen.
Alle Ereignisse, die mit großen Menschenansammlungen verbunden sind, haben schon immer die Verstärkung der Prostitution zur Folge gehabt. Es gibt dafür nicht wenige Beispiele in der Geschichte. Auch ein Großereignis wie die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft bildet sicher keine Ausnahme.
So alt wie die Prostitution ist auch der Kampf gegen sie. So haben sich eine Reihe von Organisationen und Einzelpersonen in offenen Briefen, Pressemitteilungen und Eingaben an die Öffentlichkeit und an Institutionen gewandt, um damit zu werben und Unterstützung einzufordern gegen zu befürchtende Auswüchse im Bereich der Prostitution.
Ich nenne als Beispiele das Schreiben des Deutschen Frauenrats an den Deutschen Fußballbund und die Nationalspieler, den Appell des Bundesvorstands der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland, kfd, an Bundespräsident Horst Köhler und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, oder die Erklärung der Jungsozialisten in der SPD, die die vom Frauenrat angekündigte Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ begrüßt.
Dabei bedauern beide zu Recht, ebenso wie die stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Claudia Bogedan, dass der DFB das notwendige Maß an Solidarität mit den betroffenen Frauen und damit seine soziale Verantwortung vermissen lässt. Man glaubt, UNICEF und den SOS-Kinderdörfern diese Aufgabe übertragen zu können.
An dieser Stelle ist besonders SOLWODI zu nennen. SOLWODI hat ein dreigliedriges WM-2006-Konzept ausgearbeitet. Zum einen besteht dies aus einer Prävention in den Herkunftsländern der potenziellen Opfer, die anhand falscher Vorstellungen nach Deutschland gelockt werden.
Das große Netzwerk, das Schwester Dr. Lea Ackermann inzwischen weltweit aufgebaut hat, wird sicher diese notwendige Aufklärungskampagne fördern.
Ebenso unterstützenswert ist die Informationskampagne mit Spendenaufruf zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Besondere Erwähnung verdient die mehrsprachige Hotline, die bundesweit zur Verfügung steht, um Opfern von Menschenhandel Rat und Hilfe anzubieten.
Diese Initiative von SOLWODI, die sich die Betreuung von Opfern des Menschenhandels auf die Fahne geschrieben hat, wird zu Recht von der Landesregierung jährlich mit 100.000 Euro unterstützt.
Rheinland-Pfalz setzt sich mit Entschlossenheit gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ein. Betreuung und besondere Schutzmaßnahmen für Opferzeuginnen bei Gefahrenlage, die unterhalb der Schwelle von Zeugenschutzprogrammen liegen, gehören ebenso dazu wie
das Kooperationskonzept zur Bekämpfung des Menschenhandels in Rheinland-Pfalz, das der Vernetzung aller verantwortlichen Stellen dient, also vorwiegend Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel SOLWODI.
Da sich eine bei der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands aktive Dame mit der Bitte an mich gewandt hat, nähere Informationen über das Thema „Prostitution während der Fußballweltmeisterschaft“ einzuholen, habe ich mich umgehend kundig gemacht.
Die Frau hatte eine Meldung aus Dortmund zugrunde gelegt, nach der vor Ort so genannte Verrichtungsboxen – hässliches Wort – errichtet werden sollten. So genannte Sexgaragen gibt es danach bereits.
Nach meinen Recherchen gibt es so etwas in RheinlandPfalz nicht. Zwar ist die Zahl der so genannten Terminwohnungen gestiegen, und in Kaiserslautern sind drei Bordelle eröffnet worden, jedoch stehen dem auch eine große Zahl von Schließungen dieser Terminwohnungen entgegen.
Für die im CDU-Antrag formulierten erschreckenden Ausmaße von Menschenhandel und Zwangsprostitution habe ich hierzulande erfreulicherweise keine Belege gefunden. Es handelt sich wohl um ein Schreckensszenario der CDU.
Dass Handlungsbedarf in Sachen Menschenhandel und Zwangsprostitution bei der Gesetzgebung besteht, wird nicht bestritten. Das wurde von den politisch Verantwortlichen in Berlin auch aufgegriffen.
Im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU steht unter Ziffer 5.2 – das können Sie auf der Seite 121 des Koalitionsvertrags nachlesen –: „Die Strafvorschriften gegen die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern, namentlich durch so genannte Freier, sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu novellieren“.
Ich erspare mir den Rest. Das können Sie nachlesen.
Ich wollte zum Schluss noch auf ein ganz aktuelles Thema in Sachen Prostitution hinweisen. Das ist mir wichtig.
Sicher haben Sie auch in der heutigen Ausgabe der „Rheinzeitung“ von den Vorwürfen gegen den Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier – der Linkspartei zugehörig – aus Neuwied gelesen, der laut dieser Pressemeldung seit zehn Jahren wissentlich und seelenruhig Mietgelder einstreicht – wörtliches Zitat –, „die mit Prostitution verdient werden“.
Dazu schreibt der Chefredakteur treffend: „Man muss kein Moralapostel, man muss nur ein Mensch mit Werten sein, um zu wissen, Prostitution ist mieseste Ausbeutung in einer ihrer zerstörerischsten Formen. Wer
das unterstützt (und sei es „nur“ als Vermieter), der ist nicht tolerant, sondern amoralisch.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für jeden von uns ist wohl kaum etwas bedrückender als eine völlig unsichere Lebenssituation, besonders dann, wenn man Verantwortung für Kinder zu tragen hat.
So kann sich sicher jede und jeder in diesem Haus vorstellen, wie es jemandem zumute ist, der nur geduldet in diesem Land lebt, mancher schon seit über einem Jahrzehnt – sicher kennen Sie auch solche Fälle –, und nicht weiß, wie es weitergeht: Kann ich in diesem Land bleiben oder muss ich mir eine Existenz in meiner Heimat aufbauen? Was ist mit meinen Kindern?
Diese Ungewissheit über viele Jahre ohne gesicherten Aufenthaltsstatus wirkt zermürbend, Integration bleibt verwehrt.
Es ist ein Leben zwischen Hoffen und Bangen. Dies gilt auch ebenso für die Fälle, in denen eine erforderliche und unvermeidliche Ausreisepflicht nicht durchgesetzt wird. Hier entstehen gleichfalls immense Probleme für alle Betroffenen, Lebensplanung ist auch hier nicht möglich.
Das heute zu beratende Landesaufnahmegesetz wird entscheidend mit dazu beitragen, einem größeren Personenkreis – wir reden von immerhin 2.700 Menschen – eine notwendige Zukunftsplanung für sich und seine Familien zu ermöglichen, sei es hier in Deutschland oder in seiner Heimat.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf errichten wir einen weiteren Meilenstein bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes in Rheinland-Pfalz.
An dieser Stelle verdient die Landesregierung, insbesondere Karl Peter Bruch und sein Vorgänger Walter Zuber, ein großes Lob für die bisher geleistete Arbeit bei der Lösung humanitärer Fragen.
Sie handelt konsequent im Sinn der Zielsetzungen des Zuwanderungsgesetzes.
Zu diesen Maßnahmen gehören die Landesinitiative „Rückkehr 2005“, durch die den Kommunen zusätzlich 5 Millionen Euro zur Finanzierung von Rückkehrmaßnahmen zugewiesen wurden, und der Härtefallfonds, der ebenso dabei helfen soll, so genannte nach geltendem Recht unlösbare Fälle einer endgültigen Lösung zuzuführen, sowie die Beratungshilfestellen.
Die zeitliche Limitierung der Erstattungsregelung auf drei Jahre ist in jedem Fall begrüßenswert; denn nur dadurch wird ein Anreiz geschaffen, zügig eine Statusklärung nach endgültiger Ablehnung des Asylantrags herbeizuführen.
Nur so kann entweder die notwendige Integration greifen oder die gegebenenfalls unabwendbare Ausreisepflicht durchgesetzt werden.
Ohne klare und zeitlich begrenzte Erstattungsregelungen ist eine Statusfeststellung in angemessenem Zeitrahmen nicht gewährleistet. Drei Jahre müssen wahrlich für eine entsprechende Klärung ausreichen.
Der vorliegende Gesetzentwurf bringt insgesamt Vorteile sowohl für die Kommunen – ich nenne in diesem Zusammenhang die schon erwähnte Vereinfachung, die Glättung der durch die Euroumstellung entstandenen
Beträge sowie den Wegfall von Zuständigkeiten der Landkreise und kreisfreien Städte – als auch eine zeitnahe Lösung für die betroffenen Menschen, was ich für ganz besonders wichtig halte. Also ist dieses Gesetz ein Beitrag für mehr Humanität. Deshalb stimmen wir diesem Gesetz zu.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bund und Land Hand in Hand ist ein sicherlich bewährter und von einer großen Mehrheit getragener Grundsatz unseres föderal verfassten Staatswesens.
Im politischen Alltag findet dieser in vielfältiger Weise Anwendung, so zum Beispiel, wenn Bundesgesetze auf Landesebene heruntergebrochen werden.
Irgendetwas muss die CDU-Landtagsfraktion dabei aber wohl missverstanden haben; denn sie hat diesen Grundsatz auf einen ganz anderen Bereich angewandt.
Ihre Große Anfrage vom 24. März 2005 zur Situation muslimischer Frauen und Mädchen in Rheinland-Pfalz ist fast wortgleich identisch mit der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, namentlich der Abgeordneten Rita Pawelski, Maria Eichhorn usw., vom 15. Juli 2004, also gerade einmal ein gutes Jahr alt.
Pardon, ich berichtige mich, Ihre Bundestagskolleginnen haben 78 Fragen formuliert, die CDU-Landtagsfraktion 79, also eine mehr.
Kompliment, das war schon eine wahre Fleißarbeit, das Wort „Bundesregierung“ jeweils durch „Landesregierung“ zu ersetzen.
Ein 79tel der Anfragen sind Eigenkreationen. Das sind roundabout einmal schlappe 1,2 %.
Damit setzen Sie eine schon öfters von Ihnen geübte Praxis fort. Abschreiben ist bei Ihrer Fraktion im Moment in.
Bei einer Examensarbeit wären Sie mit einer sechs, ungenügend, glatt durchgefallen.
Sie machen es doch nicht einfach besser.
Selbst die der Presse gegenüber geäußerte empörte Reaktion auf eine aus Ihrer Sicht von Ahnungslosigkeit und Unkenntnis der Landesregierung geprägte Beantwortung der Großen Anfrage ist fast deckungsgleich mit der Ihrer Bundestagskollegin. Lediglich der Name Rita Pawelski ist durch Simone Huth-Haage auszutauschen.
Sie werfen der Landesregierung vor, von den 79 Fragen nur 54 beantwortet zu haben. Das stimmt keineswegs. Wenn die Landesregierung auf Ihre Anfragen schreibt, der Landesregierung lägen keine belastbaren empirischen Daten vor oder der Landesregierung lägen keine Erkenntnisse vor, weil keine statistische Erfassung erfolgt – Sie haben es selbst genannt – oder weil die Daten zur religiösen Zugehörigkeit nicht erfasst würden, dann sind das ganz klare Antworten.
Sie wissen doch selbst oder sollten es zumindest wissen, was in Artikel 4 unseres Grundgesetzes steht: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ –
In Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 136 Abs. 3 der Weimarer Verfassung heißt es: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ –
Gott sei Dank sind die Religionsgemeinschaften in unserer freiheitlichen Grundordnung grundsätzlich kein Ob
jekt staatlicher Beobachtung oder Erfassung. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, Fragen wie „Wie hoch ist die Scheidungsrate bei muslimischen Ehepartnern in Rheinland-Pfalz? Welcher Ehepartner reicht vorwiegend die Scheidung ein?
Wie hoch ist der Anteil von Studentinnen und Studenten aus muslimischen Familien, die eine Hochschulausbildung absolvieren, getrennt nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit?“
sowie zahlreiche anderer solcher Fragen inhaltlich zu beantworten, es sei denn, man verlangt von der Landesregierung statt belegbarer Fakten Mutmaßungen und Spekulationen, Frau Huth-Haage.
Die CDU erwartet wohl nicht, dass die Landesregierung gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen soll.
In einem Einwanderungsland wie Deutschland – lange genug haben die Christlichen Demokraten diese Tatsache geleugnet – treffen unterschiedliche Nationalitäten, Kulturen, Denkweisen, Mentalitäten, Sozialisationen und natürlich auch Religionen aufeinander.
Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Gemenge von Problemen, die auch niemand wegdiskutieren will.
Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens und Klammer einer lebendigen Gesellschaft sind unser Grundgesetz und unsere Rechtsordnung, die für alle bindend sind.
Eine sehr großen Bedeutung kommt dabei der Sprache zu. Sie ist der Schlüssel zu einem funktionierenden Gemeinwesen und eine klare Voraussetzung für eine gelungene Integration.
Am 1. Januar 2001 ist mit dem Zuwanderungsgesetz eine umfassende Neuordnung des deutschen Ausländerrechts in Kraft getreten. Bedauerlicherweise sind viele Reformvorschläge meiner Partei am Widerstand der CDU/CSU gescheitert.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die leider abgelehnte Forderung von Staatsminister Zuber nach einer so genannten Altfallregelung für die über 200.000 bereits langjährig in Deutschland lebenden geduldeten Menschen. Hierbei haben sich die Christlichen Demokraten auch durch das große Engagement der beiden Kirchen nicht zu einer Änderung bewegen lassen.
Dennoch hat der erzielte Kompromiss letztendlich eine Verbesserung gegenüber der bis dahin geltenden Praxis gebracht. Bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes hat Rheinland-Pfalz eine vorbildliche Arbeit geleistet.
Mit der Einrichtung der Härtefallkommission sind in Rheinland-Pfalz die rechtlichen Grundlagen geschaffen worden, um in besonderen Einzelfällen humanitären Belangen stärker als bisher Rechnung zu tragen.
Inzwischen hat die Härtefallkommission schon etliche positive Entscheidungen herbeigeführt, die den betroffenen Einzelpersonen und Familien Rechtssicherheit gebracht haben und eine vernünftige Zukunft und Lebensplanung ermöglichen.
Für Bleiberecht aus humanitären Gründen sind den Ausländerbehörden bereits im Dezember 2004 entsprechende Anwendungshinweise zur Verfügung gestellt worden. Es ist erfreulich, dass in den ersten fünf Monaten dieses Jahres über 900 Personen erstmals ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach § 25 Aufenthaltsgesetz erteilt werden konnte.
Wer bei uns bleiben will und soll, der muss aber auch seinen Integrationswillen und seine Integrationsfähigkeit deutlich unter Beweis stellen. Seit Beginn dieses Jahres wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der bundeseinheitliche Integrationskurs durchgeführt. Im ersten Halbjahr 2005 konnten von den rheinlandpfälzischen Ausländerbehörden erfreulicherweise bereits über 4.100 Zulassungen ausgestellt werden.
Aus der Antwort des Chefs der Staatskanzlei auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Siegrid Mangold-Wegner vom 20. Juni 2005 über Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz geht ebenso wie aus der Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 1. Juli 2005 über Integration in Rheinland-Pfalz – Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes hervor, wie umfangreich die Maßnahmen der Landesregierung für eine Integration der betroffenen Menschen sind.
Um nur einige Fakten und Zahlen zu nennen: In 181 Kindergärten findet das Programm „Zusätzliche Sprachförderung von Kindern im Kindergartenalter ohne hinreichende Deutschkenntnisse“ statt.
304 Kindergärten führen zusätzliche Erziehungskräfte für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und von Aussiedlerkindern. Muttersprachlicher Unterricht findet in 395 Kindergärten des Landes in 15 Sprachen statt.
Ich könnte die Liste der Maßnahmen noch lange fortsetzen, aber dazu reicht die Zeit leider nicht aus.
Beim Lesen des umfangreichen Textes der Großen Anfrage der Fraktion der CDU drängte sich mir an vielen Stellen die Frage nach der politischen Motivation der Fragesteller auf. Zu den wichtigen Fragen unserer Gesellschaft gehören selbstverständlich die Rechte der Frauen.
In allen Kulturen, auch der christlich-abendländischen, gab und gibt es leider auch heute noch vielfältige Formen der Unterdrückung von Frauen.
Ich war diese Woche beim Sozialdienst katholischer Frauen. Wenn man dort erfährt, wo der Großteil der Gewalt in engen sozialen Beziehungen stattfindet, dann sollten Sie sich vor Ort überzeugen. Dort bekommen sie interessante Antworten.
Dafür gibt es eine große Palette von Ursachen, die sich natürlich auch in unserer Gesellschaft mit einem großen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund widerspiegelt.
Frau Huth-Haage, unabhängig von der Herkunft eines Menschen und seinem soziokulturellen Hintergrund gelten unsere Gesetze uneingeschränkt. So genannte Ehrenmorde, die Sie angesprochen haben, Genitalverstümmelungen oder Zwangsheiraten müssen und werden auch mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt und geahndet. Darüber besteht absoluter Konsens unter allen demokratischen Parteien.
Was ich aber keineswegs akzeptabel finde – und dies kritisiere ich an der heute zu diskutierenden Großen Anfrage der CDU –, ist der eindimensionale Blick auf die Religion. Die Art der Fragestellung impliziert einen homogenen Islam, der so nicht existiert. So wird ein einfaches oder – um es besser zu sagen – vereinfachendes Bild des Islam gezeichnet. So undifferenziert sollte man doch nicht eine große Weltreligion und ihre Anhänger betrachten.
Auch der Islam und die Muslime sind, um mit Theodor Fontane zu sprechen, ein weites Feld. Ich habe selbst durch meine Tätigkeit einen recht tiefen Einblick in die islamische Welt. Darin finden Sie eine sehr große Bandbreite von sehr fortschrittlich eingestellten und äußerst liberal denkenden Leuten bis hin zu tief in der Tradition verhafteten Menschen mit sehr konservativem Beharrungsvermögen. Mit anderen Worten, alle Facetten unserer Gesellschaft spiegeln sich auch unter den muslimischen Mitbürgern wieder, wenn auch – das gebe ich zu – mit unterschiedlichen Gewichtungen, was den Anteil der eher konservativen Traditionalisten angeht. Die Gründe dafür liegen eher in Fragen der Bildung und der sozialen Herkunft als in der religiösen Orientierung.
Entscheidend ist dabei aber eines: Die überragende Mehrheit der Muslime in unserem Land lebt gesetzestreu. Eine verschwindend geringe Minderheit zeigt die Erscheinungsformen, die Sie zum Mittelpunkt Ihrer Ausführungen machen.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihre Anfrage in populistischer Weise in weiten Bevölkerungskreisen vorhandene Vorurteile über die Muslime bedienen soll.
Gestatten Sie mir noch einen Satz, Herr Präsident.
Der russische Schriftsteller Lew Kopelew schreibt in seinem Buch „Tröste meine Trauer“: „Toleranz verlangt nicht danach, Unstimmigkeiten und Widersprüche zu verschleiern. Im Gegenteil, sie fordert, die Unmöglichkeit eines umfassenden einheitlichen Denkens anzuerkennen und darum fremde und gegensätzliche Ansichten ohne Hass und Feindschaft zur Kenntnis zu nehmen.“ Dies ist ein bemerkenswerter Satz. Im Sinne dieses Ausspruchs sollten wir alles tun, um die notwendige Integration der Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern und damit auch die Gleichstellung aller Frauen zu erreichen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Atomar abrüsten – Abzug aller Atomwaffen aus Rheinland-Pfalz – Drucksache 14/4152 –, der Antrag der Fraktionen der SPD und FDP, Abzug von Atomwaffen aus RheinlandPfalz – Drucksache 14/4159 –, sowie der Alternativantrag der Fraktion der CDU, Nordatlantisches Verteidigungsbündnis (NATO) und Reduktion von Atomwaffen – Drucksache 14/4192 –, wurden durch Beschluss des Landtags vom 3. Juni 2005 (nachzulesen im Plenarpro- tokoll 14/96) an den Innenausschuss überwiesen.
Der Innenausschuss hat die Anträge in seiner 37. Sitzung am 14. Juni 2005 beraten. Der Innenausschuss empfiehlt die Ablehnung der Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Fraktion der CDU und die Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten drei Wochen des Bundestagswahlkampfs führt die NPD eine gezielte Aktion zur Gewinnung von Erst- und Jungwählern durch. Unter dem Motto „Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker“ werden kostenlos so genannte Schulhof-CDs verteilt. Für diese am Ersten dieses Monats gestartete bundesweite Kampagne sollen – so eine Pressemitteilung der NPD – bis zu 200.000 Exemplare des Tonträgers in Umlauf gebracht werden. Auch in Rheinland-Pfalz kam es in etlichen Kommunen bereits zu solchen Verteilaktionen, vorwiegend an Schulen. Mit dieser Form der Wahlwer
bung versucht die NPD auf subtile Weise Einfluss auf unsere jungen Menschen zu nehmen. Dass diese Vorgehensweise nicht ernst genug genommen werden kann, zeigt ein Blick auf den sächsischen Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr. Unter dem Titel „Schnauze voll! Wahltag ist Zahltag!“ wurden in den letzten vier Wochen des Wahlkampfs 30.000 CDs gratis verteilt. Mit 9,2 % der Stimmen erreichte die NPD ihr bisher bestes Wahlergebnis und zog mit zwölf Abgeordneten in den Landtag ein. Unter ihren Wählern war auch ein hoher Anteil Jugendlicher. Das ist sicher für alle demokratisch gesinnten Menschen ein schockierendes Wahlergebnis.
Dieser Erfolg in Sachsen hat die NPD sicher mit dazu ermutigt, – ihr damaliger Wahlkampfleiter, Peter Marx, agiert in Rheinland-Pfalz als Landeschef dieser Partei –, auch in anderen Ländern – so auch in unserem Land Rheinland-Pfalz – diese Masche zu versuchen. Diese Aktion sollte – ich bin mir sicher, sie wird auch – nicht nur auf den energischen Widerstand der nach NPDDiktion linken Spießer und Pauker stoßen, sondern sie stößt auf den Widerstand aller aufrechten Demokraten.
In Sachsen konnte die Staatsanwaltschaft Halle an der Saale Anfang August 2004 mit einem Beschlagnahmebeschluss die massenhafte Verbreitung der CD vereiteln, obwohl sie weiter unter der Hand verbreitet wird. Die braunen Verführer haben daraus gelernt. So sind die Texte inzwischen so verfasst, dass ein juristisches Verbot der Verbreitung zumindest schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Gerade das aber macht diese CD-Aktion umso gefährlicher. Jeder von uns weiß, entweder aus eigener Erinnerung an die Jugendzeit oder durch die Erfahrung mit Kindern und Enkeln, wie stark die Musik Stimmungen und Gefühle beeinflusst. Über die eingängige Musik werden die Texte transportiert und finden somit Eingang in die Gedankenwelt junger Menschen.
In geschickter Weise hat die NPD diese CD zusammengestellt. Neben mehr oder weniger klassischen Rocksongs finden sich auf ihr Protestsongs im Stil von Liedermachern. Sie geht mit einer sanften Ballade dann über zur abschließenden Nationalhymne, deren drei Strophen stimmungsvoll von einem Chor gesungen werden.
Ich glaube, nicht nur mir dreht sich dabei der Magen um, wenn man feststellen muss, wie unsere Nationalhymne als Verpackung für braunes Gedankengut missbraucht wird.
Innenminister Bruch hat bereits am 15. August 2005 der Presse gegenüber erklärt, dass die Sicherheitsbehörden des Landes in dieser Richtung besonders sensibilisiert und engagiert seien, und – so der Minister wörtlich – dieser Entwicklung gilt es weiterhin mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und mit unvermindertem Nachdruck entgegenzuwirken. Dabei hat er auch die Priorität hervorgehoben, mit der die Zielgruppe der Jugendlichen über die Hintergründe und Gefahren des Rechtsextremismus informiert werde.
Mit repressiven Maßnahmen wird man sicherlich die eine oder andere CD einziehen können. Aber niemand wird so blauäugig sein anzunehmen, dass nicht dennoch auf uns allen bekannte Art und Weise die Tonträger Verbreitung finden. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich alle Betroffenen – das sind neben der Politik insbesondere Eltern und Lehrer – inhaltlich mit dem vermittelten Gedankengut der Rechtsextremen auseinander setzen.
Gruppen wie „Carpe Diem“, die auf subtile Weise antisemitische Stereotypen verbreiten, oder „Faustrecht“, die die Macht des Kapitals anprangern, oder zum Beispiel „Nahkampf“, die auf sozialdarwinistischen Vorstellungen beruhende Werte vertreten, oder gar Frank Rennecke, der wohl bekannteste Liedermacher des neonazistischen Spektrums, der von dem Mädel mit der Fahne singt, das trotz der Niederlage am Kriegsende 1945 die Fahne vom Deutschen Reich aufrechthält: Es ist eine wahrlich wirre Mixtur unausgegorener Gedanken und diffuser Weltbilder, mit der wir die jungen Menschen nicht allein lassen dürfen. Die Lieder bzw. Texte bedürfen der Entwirrung, um durch die kritische Auseinandersetzung mit ihnen deren Menschenverachtung und undemokratischen Inhalt zu entlarven. Dann wird schnell klar, wes Geistes Kinder die Produzenten dieses Machwerks sind. Deren Gedankengut darf nie mehr Boden greifen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der ersten Beratung im Plenum und der Behandlung im Innenausschuss sprechen wir heute zum dritten Mal zu dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über ein Landesgesetz zur Einrichtung einer Härtefallkommission in Rheinland-Pfalz.
In den vorgenannten Sitzungen habe ich bereits ausführlich die Stellungnahme der SPD-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf dargestellt. Eigentlich ist damit bereits alles Wesentliche gesagt.
So möchte ich heute noch einmal kurz auf die aus uns erer Sicht entscheidenden Punkte eingehen.
Das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz sieht die Möglichkeit der Einrichtung von Härtefallkommissionen durch die Bundesländer vor. Rheinland-Pfalz hat sich, wie fast alle Bundesländer, für eine solche Regelung entschieden.
Das ist nicht selbstverständlich. Sie wissen, dass es Bundesländer gibt, die keine Regelung getroffen haben.
Niedersachsen beispielsweise. Hamburg ist das einzige Bundesland, das ein Gesetz verabschiedet. Da muss man wissen, es sieht recht restriktive Regelungen vor, beispielsweise Einstimmigkeit bei den zu treffenden Entscheidungen. Humanitäre Institutionen sind in der Kommission nicht vorgesehen.
Mit § 23 a des Aufenthaltsgesetzes sind die Rechtsnormen bereits geschaffen worden.
Die Aufgabe der Bundesländer besteht jetzt darin, über die Besetzung der Härtefallkommission, deren Verfahrensweise und die Ausschließungsgründe zu befinden. Dazu brauchen wir kein eigenes Gesetz. Die vorliegende Verordnung der Landesregierung regelt dies detailliert.
Darauf komme ich noch.
So werden in der Verordnung konkrete Gründe aufgeführt, die die Annahme eines Härtefalls in der Regel ausschließen.
Dazu gehören die Personen, die das Vorliegen eines Ausreisehindernisses selbst verschuldet haben, diejenigen, die unmittelbar vor der Antragstellung illegal, visumsfrei oder mit Besuchsvisum eingereist sind sowie Personen, bei denen ein Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht, und die, bei denen ein Grund vorliegt, der eine Regelausweisung nach § 54 Aufenthaltsgesetz rechtfertigt.
Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN macht hierzu beispielsweise keine weiteren Ausführungen, übernimmt vielmehr in § 10 Abs. 3 ausschließlich den bereits im Bundesgesetz vermerkten Ausschließungsgrund: im Fall vorliegender Straftaten von erheblichem Gewicht.
Eine sinnvolle Arbeit der Härtefallkommission ist wohl nur möglich, wenn – das geschieht durch die Auslassungsgründe – definiert wird, was per se kein Härtefall ist. An dieser Stelle wiederhole ich, was ich schon bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs gesagt habe. Es war die rheinland-pfälzische Landesregierung – namentlich der damalige Innenminister Walter Zuber –, die sich für eine Altfallregelung eingesetzt hat. Leider ist diese, wie wir wissen, nicht zustande gekommen.
Es ist aber – das wissen Sie genauso gut wie ich, Herr Marz – nicht möglich, diese nunmehr quasi isoliert auf Landesebene einzuführen, was offensichtlich auch eine Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs ist.
Bereits beim letzten Mal habe ich Ihnen im Plenum durchaus ehrenwerte Absichten unterstellt, jedoch auch darauf hingewiesen, dass man mit einem Zuviel des Guten oft das Gegenteil erreicht.
In der Begründung zu § 6 – Sie haben auch darauf hingewiesen – Ihres Gesetzentwurfs schreiben Sie über den vorgesehenen Vorprüfungsausschuss, dieser diene der Beschleunigung des Verfahrens.
Meiner Meinung nach ist genau das Gegenteil der Fall.
Mit diesem Vorprüfungsausschuss und damit auch mit dem sich in der Folge ergebenden Prozedere entsteht ein unnötiger Bürokratie- und Zeitaufwand, der weder im Interesse der Entscheidungsträger und noch weniger im Sinn der davon betroffenen Menschen sein kann.
Fazit: Die Verordnung der Landesregierung regelt in angemessener und praktikabler Weise die Arbeit der Härtefallkommission. Das ausgewogen besetzte Expertengremium – Sie sehen es anders; wir denken, es ist ausgewogen – wird flexibel und unbürokratisch tätig sein.
Die Härtefallkommission hat zudem nur Beratungsfunktion. Dies sollten wir nicht vergessen.
Die letzte Entscheidung liegt beim zuständigen Innenm inister. Dass die Kommission ebenso wie der Minister sich weitestgehend an integrationspolitischen und humanitären Gesichtspunkten orientieren werden, steht für meine Fraktion außer Zweifel.
Dafür bietet die bisherige Ausländerpolitik der Landesregierung die Gewähr. Aus den genannten Gründen lehnt deshalb die SPD-Fraktion den vorgelegten Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach sehr langen und äußerst kontrovers geführten Diskussionen und Verhandlungen kam es im vergangenen Jahr endlich zu einem längst überfälligen Zuwanderungsgesetz. Sein In-Kraft-Treten am 1. Januar 2005 bringt Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Insbesondere für die Betroffenen ist dadurch eine bisher oftmals nicht möglich gewesene Lebensplanung gewährleistet. Jeder, der Kontakt zu ausländischen Familien mit Kindern hat, weiß um die große seelische Belastung, die sich durch die Ungewissheit über die eigene Zukunft und besonders die der Kinder ergibt.
Vor diesem Hintergrund war es gerade der ehemalige Staatsminister Walter Zuber, der sich im Rahmen der Innenministerkonferenz stets unermüdlich für eine so genannte Altfallregelung eingesetzt hat – leider vergeblich, wie wir alle wissen. Dafür kam keine Mehrheit zustande.
Die SPD-Fraktion wird weiterhin die Bemühungen in diese Richtung unterstützen; denn wir können sicher sein – an dieser Stelle greife ich ein Wortspiel von Ministerpräsident Kurt Beck anlässlich der Verabschiedung von Walter Zuber auf –, dass durch den Ministerwechsel kein Bruch im humanitären Engagement der Landesregierung entsteht. Albert Schweitzer hat das Wort geprägt: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird. – Das wird auch über das Jahr 2006 hinaus die Maxime der SPD-geführten Landesregierung sein, die im Übrigen eine der liberalsten Ausländerpolitiken im Kreis der Bundesländer betreibt.
So war schon frühzeitig für die rheinland-pfälzische Landesregierung klar, eine Härtefallkommission einzurichten. Vorgestern hat der Ministerrat eine entsprechende Landesverordnung gemäß § 23 a Aufenthaltsgesetz beschlossen. Dadurch besteht nunmehr die Möglichkeit, vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn
die Härtefallkommission darum ersucht. Wir haben also ein Bundesgesetz, das jetzt auf Landesebene durch Verordnung umgesetzt werden soll. Wozu brauchen wir dann noch ein eigenes Gesetz?
Die vorliegende Verordnung ist aus Sicht der SPDFraktion die geeignete Form, um humanitären Belangen im Ausländerrecht noch stärker als bisher Rechnung zu tragen. Sicher kann man über die Zusammensetzung einer solchen Kommission unterschiedlicher Meinung sein. Das ist fast zwangsläufig so. Nach meiner Überzeugung und der meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen bietet die in der Verordnung festgelegte Zusammensetzung unzweifelhaft die Gewähr, dass diese unabhängige Sachverständigenkommission ausschließlich an den Menschen orientierte Lösungen finden wird.
Die letzte Entscheidung liegt beim zuständigen Ressortminister. Deshalb habe ich keine Bedenken, dass wie bisher die beste und damit humanste Regelung getroffen wird.
Mir liegt ein Schreiben des Innenministeriums vom 17. Dezember 2004 an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vor, das für die Kreisverwaltungen sowie die Verwaltungen der kreisfreien Städte bestimmt ist. Darin werden die Ausländerbehörden eindringlich gebeten, von der zwangsweisen Durchsetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und Duldungen zu erteilen, soweit im Einzelfall nach einer vorläufigen Prüfung eine realistische Chance auf die Erteilung eines Aufenthaltsrechts nach dem 1. Januar 2005 besteht. Dies gilt insbesondere für Fälle einer möglichen Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen. Des Weiteren wird unter Nummer 2 gebeten, die sich bei der Erteilung von Aufenthaltsrechten ergebenden Ermessensspielräume unter besonderer Berücksichtigung integrationspolitischer und humanitärer Gesichtspunkte soweit vertretbar zugunsten des Ausländers zu nutzen.
Der gesamte Tenor der Verordnung des von mir zitierten Rundschreibens, aller Verlautbarungen seitens des Innenministeriums und der Landesregierung sowie die Kenntnis über die verantwortlichen Personen bzw. Institutionen, die die Härtefallkommission bilden werden, bieten die Gewähr, dass im Sinn der betroffenen Menschen Entscheidungen gesucht und gefunden werden.
Ich weiß sehr wohl, dass eine Oppositionspartei bei einer Verordnung keinen direkten Einfluss auf den Inhalt hat. Das liegt in der Natur der Sache. Deshalb wurde der
Gesetzentwurf von Ihnen eingebracht. Ich will der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstellen, dass sie es damit sicher gut gemeint hat. Manchmal kann es des vermeintlich Guten aber auch zu viel sein. Dann wirkt es sich eher kontraproduktiv aus.
Der indische Dichter und Philosoph Rabindranath Tagore hat es so formuliert: Wer zu geschäftig Gutes tut, hat nicht die Zeit, gut zu sein.
Diese Verordnung ist gut und hilft den Menschen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 29. April 2004 ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss – federführend – und auch an den Rechtsausschuss überwiesen worden.
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 27. Sitzung am 13. Mai 2004, in seiner 28. Sitzung am 24. Juni 2004, in seiner 29. Sitzung am 16. September 2004 und in seiner 33. Sitzung am 17. Februar 2005 beraten.
In der 29. Sitzung am 16. September 2004 hat der Innenausschuss ein Anhörverfahren durchgeführt.
Da der federführende Innenausschuss die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen hat, fand eine Beratung im mitberatenden Rechtsausschuss gemäß § 83 Abs. 6 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags nicht statt.
Der Innenausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist und wozu dient die Folter? In einem bemerkenswerten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat Professor Dr. Thomas Scharff, der Mittelalterliche Geschichte an der Technischen Universität Braunschweig lehrt, diese Frage aufgeworfen und dazu wie folgt Stellung genommen.
Mit Ihrem Einverständnis möchte ich zitieren: „Es dürfte unstrittig sein, dass Folter immer, auch wenn sie reglementiert ist“ – so der Autor –, „in extremer Weise Machtausübung des Folternden oder seiner Auftraggeber gegenüber dem Gefolterten ist.
Dadurch wird Herrschaft hergestellt, inszeniert und aufrechterhalten. Durch ihre abschreckende Wirkung trifft dabei die Tortur nicht nur den Gefolterten, sondern hat insgesamt zeichenhaften Charakter.
Außerdem zielt die Folter mehr als alles andere direkt auf den Körper des Menschen und dient dazu, diesen Körper und die Persönlichkeit des Gefolterten zu zerstören. Dadurch wird dieser andere, der auch immer Gegner ist, bekämpft und ausgegrenzt, im extremen Fall entmenscht.“
Auf legale Weise wurde in Prozessen von der Antike bis weit in die Neuzeit gefoltert. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zur Abschaffung der Folter in den meisten europäischen Staaten.
Über zwei Jahrhunderte hatte es gebraucht, bis sich die Vorstellungen von der Würde des Menschen und seiner körperlichen Integrität im westlichen, christlichabendländisch geprägten Europa durchsetzen konnten.
1522 war es Juan Luis Vives, ein Schüler des Erasmus, der erstmals die Abschaffung der Folter aus humanistischen Gründen gefordert hatte. Aber wie wir alle aus der
Geschichte wissen, bedeutete die offizielle Abschaffung der Folter keineswegs ihr Ende.
Gerade im 20. Jahrhundert blühte die Folter in Europa in schrecklicher Weise auf, nicht nur in diktatorisch geführten Staaten, sondern auch in demokratisch verfassten Ländern; in diesen zwar meist nicht staatlich angeordnet, aber zumindest von einer mittleren Ebene gebilligt oder sogar angeordnet.
Und heute? Nach den glaubhaften Angaben von staatlichen und Nichtregierungsorganisationen, die weltweit Folter bekämpfen, wird in mehr als der Hälfte der 192 Staaten nach wie vor gefoltert. Das ist eine beschämende Vorstellung, die einen schon an der Fortentwicklung des Homo sapiens zweifeln lässt.
Gerade die Berichte über Misshandlungen und Folterungen im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib durch amerikanische Militärangehörige zeigen deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist, Folter weltweit zu ächten.
Diesem Ziel dient das neue Zusatzprotokoll zur UN-AntiFolter-Konvention. Bisher haben 21 Staaten dieses Protokoll unterzeichnet, darunter aus Europa die skandinavischen Staaten, Großbritannien, Österreich, Italien, Albanien, Malta, Kroatien, Rumänien und SerbienMontenegro.
Es tritt aber erst in Kraft, sobald es von 20 Vertragsstaaten ratifiziert wurde. Bisher haben mit Albanien, Malta und Großbritannien erst drei Staaten die Ratifizierung vorgenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bisher sehr stark und in vorderster Front für dieses Zusatzprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, erniedrigende und unmenschliche Behandlung oder Strafe eingesetzt und es im Dezember 2002 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.
Das ausgesprochen starke Engagement Deutschlands ist daher geradezu Verpflichtung, die Ratifizierung voranzutreiben.
Ansonsten würde das bisherige Verhalten Deutschlands in dieser Frage als bloßes Lippenbekenntnis gewertet.
Da die Zuständigkeit für die angesprochenen Einrichtungen Strafvollzug, Polizeigewahrsam, psychiatrische Einrichtungen, Pflege- und Altenheime sowie Einrichtungen zur geschlossenen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zum großen Teil bei den Ländern liegt, sind diese auch vorrangig gefragt, was die Ausgestaltung des Präventivmechanismus anbelangt.
Deshalb ist es begrüßenswert, dass alle vier im Landtag von Rheinland-Pfalz vertretenen Fraktionen den vorliegenden Antrag mittragen, dies besonders vor dem Hintergrund, dass vor noch nicht allzu langer Zeit – es ist
gerade einmal vier Monate her – der Vorsitzende der größeren Oppositionsfraktion, Dr. Christoph Böhr, Verständnis für das Vorgehen des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner geäußert hat, der im Fall des entführten Jakob von Metzler dem Angeklagten mit Gewalt gedroht hatte, um den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren.
Es habe sich, so wird Dr. Böhr in der „Mainzer Rheinzeitung“ vom 1. März 2004 zitiert, um einen übergesetzlichen Notstand gehandelt. Zwar hat er gleichzeitig betont, das Folterverbot dürfe jedoch nicht infrage gestellt werden, aber das ändert meiner Ansicht nach nichts an dem zuvor geäußerten Verständnis für die Folterandrohung von Herrn Daschner.
Meine Fraktionskollegin Beate Reich hat damals in einer Presseerklärung dankenswerterweise diese Äußerung von Herrn Dr. Böhr und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller gerügt, der sich ähnlich geäußert hatte. Diese rechtsstaatlich höchst bedenkliche Position wurde in der vorletzten Sitzung des Rechtsausschusses von Ihnen bekräftigt, was zu Recht Bestürzung bei den meisten Kollegen ausgelöst hat, Frau KohnleGros.
Besonders abscheuliche Verbrechen, wie Terrorismus oder Entführung und Verbrechen an Kindern oder Sexualdelikte, sind verdammenswert und müssen zweifelsfrei mit aller Härte des Gesetzes verfolgt und geahndet werden, aber niemals dürfen dabei die verfassungsmäßigen Grundlagen verlassen werden.
Wir wissen alle, dass der Standard freiheitsentziehender Einrichtungen in unserem Land sehr hoch ist. Aus diesem Grund denken auch manche, Besuche eines noch zu bildenden Ausschusses seien überflüssig. Diesen Kritikern muss man klar entgegenhalten, dass es hierbei nicht vordergründig um die Installierung eines zusätzlichen Kontrollgremiums geht, sondern vielmehr um eine Einrichtung nationaler Präventionsmechanismen.
Für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls durch die Bundesrepublik Deutschland sprechen eine Vielzahl von Gründen, sowohl was die internationale Wirkung angeht als auch für die Botschaft an die Menschen in unserem Land. Folter in jeglicher Form darf niemals als Instrument der Wahrheitsfindung in bestimmten Fällen, um Schlimmeres zu verhindern, wie etliche Zeitgenossen rechtfertigend vorbringen, angewendet werden.
Ihre Abschaffung muss als Teil eines Prozesses verstanden werden, in dem sich die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft herausgebildet haben. Die SPDFraktion wird daher dem vorliegenden Antrag zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den zurückliegenden Tagen und Wochen wurde in vielfältiger Weise und an zahlreichen Orten des schrecklichen Genozids vor zehn Jahren in unserem Partnerland Ruanda gedacht. Die Ermordung von bis zu
1 Million Tutsi und oppositioneller Hutu stellt einen der grausamsten Völkermorde in der jüngeren Menschheitsgeschichte dar. Aus diesem Grund hat die UNVollversammlung entschieden, dass der 7. April eines jeden Jahres als internationaler Gedenktag begangen werden soll.
Am vergangenen Montag fand in der Stiftskirche von Treis-Karden ein Gedenkgottesdienst statt, zu dem das Land Rheinland-Pfalz, die Botschaft der Republik Ruanda sowie der Verein Partnerschaft Rheinland-Pfalz – Ruanda eingeladen hatten. In bewegender Weise haben sowohl die Geistlichkeit in ihrer Predigt als auch Staatsminister Zuber und die anderen Redner in ihren Ansprachen die Erinnerung an das grausame Geschehen vor nunmehr einem Jahrzehnt wachgerufen.
Es hat wohl niemanden unberührt gelassen, als Herr Robert Masozera, der Geschäftsträger der Botschaft von Ruanda, in einer sehr bewegenden Rede von den früher bereits erfolgten Versuchen einer Auslöschung der Tutsi sprach, die 1959, 1960, 1963, 1992 und 1993 bereits unternommen wurden und meist nur Vier-ZeilenMeldungen in der Weltpresse hervorgerufen haben.
Somit war 1994 nur der Höhepunkt der Umsetzung dieser grausigen Pläne. Innerhalb von nur 100 Tagen ab der Nacht vom 6. zum 7. April 1994 wurden 1 Million Tutsi und befreundete Hutu auf bestialische Weise ermordet. Dies geschah unter den Augen einer nicht handelnden internationalen Gemeinschaft.
Daher ist der Völkermord von Ruanda auch nicht eine rein nationale oder afrikanische Angelegenheit. Die ganze Welt schaute dem Genozid zu. Die ganze Welt war gewarnt, aber keiner wagte einzugreifen und den Menschen in Gefahr zur Hilfe zu kommen. Dieser Mitschuld der internationalen Gemeinschaft müssen wir uns stets bewusst sein.
Anlässlich der zehnjährigen Wiederkehr des Genozids gilt das Gedenken allen unschuldigen Opfern – den Kindern, Jugendlichen, Mädchen, Frauen, alten Menschen, selbst Schwangere waren betroffen. Zugleich aber würdigen wir die Überlebenden, die dem Genozid entkommen sind. Diese Waisen, Witwen, Verwundeten und Traumatisierten haben die Last und die Folgen des Völkermords allein zu tragen. Ihre Bereitschaft, trotz der erlebten Grausamkeiten durch die Täter mit diesen eine Versöhnung anzustreben und für ein friedvolles Miteinander zu wirken, macht sie – ich zitiere Herrn Botschaftsrat Masozera – zu den wahren Helden.
In seiner Ansprache betonte er auch – das empfanden alle Teilnehmer am Gedenkgottesdienst gerade vor dem Hintergrund der geäußerten Enttäuschung und der Vorwürfe an die internationale Gemeinschaft als wohltuend –, dass gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere gegenüber Rheinland-Pfalz eine Dankbarkeit für die tatkräftige Begleitung Ruandas auf seinem schweren Weg in eine neue Zukunft zum Ausdruck kommt.