Herbert Helmrich

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Last Statements

Herr Dr. Born, Sie haben eben gesagt, Minister Holter hat zu Anfang der Legislaturperiode „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ versprochen. Ich frage Sie, erinnere ich mich richtig, dass die PDS vor vier Jahren im Wahlkampf gesagt hat, 20.000 Arbeitsplätze?
Erinnere ich mich richtig, dass sie dann zurückgestuft haben
auf 5.000, als sie in der Regierung waren?
Und erinnere ich mich richtig,
dass sie weiter zurückgegangen sind auf 1.000 und dann Sozialhelfer in den Schulen eingestellt worden sind?
Und ist die Zahl, die ich kenne, richtig, dass dann in Rostock 12 eingestellt worden sind und im Lande noch 7?
Erinnere ich mich da richtig?
Heiße Luft!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen zur Drucksache 3/1930, die das Datum vom vorigen Jahr trägt: 21.02.2001. Der Tagesordnungspunkt ist also ein Jahr und vier Monate alt. Das spielt eine gewisse Rolle, weil ich, wie ich glaube, zunächst zum Beginn des Sachverhaltes und dieses Tagesordnungspunktes sprechen muss, und erst dann zum jetzigen Stand. Und dann wollen wir mal sehen, ob das blinder Aktionismus ist, Herr Minister.
Ich habe gesagt, die Drucksache ist ein Jahr und vier Monate alt. Sie trägt das Datum 21. Februar vorigen Jahres. Wir hatten sie 14 Tage vorher eingebracht. Und dann plötzlich fünf Tage nach unserer Einbringung tagt das Kabinett und beschließt schnell die Einsetzung der so genannten IMAG, der interministeriellen Arbeitsgruppe. Da sind die Daten, die Sie in Ihrer Rede hatten, Herr Minister, falsch. Dafür können Sie nichts, das ist Sache des Innenministers.
Also am 27. Februar waren die Kabinettssitzung und Einsetzung der IMAG. Am 02.03. dann, sehr schnell hinterher, haben Sie die Leute aus den Ministerien zusammengeholt und dann hat sich die IMAG konstituiert, denn wieder fünf Tage später, am 7. März, war nämlich die Sitzung im Innenausschuss.
Wie schnell die Regierung arbeiten kann, wenn wir einen Antrag stellen,
haben Sie sehr schön gezeigt. Das heißt, wir haben das Ganze überhaupt erst mal angeschoben.
Ich will nicht sagen, dass die Regierung gar nichts gemacht hätte, nein, nein. Sie hätte sicherlich irgendwas auch von alleine gemacht, aber angeschoben haben wir sie erst mal.
Das muss doch von den Daten her klargestellt werden.
Die Daten, Herr Minister – da Ihnen das nicht ganz so geläufig sein wird –, sind im ersten Bericht der IMAG, in dem steht, 8. Kabinettssitzung am 27. Februar und konstituierende Sitzung am 2. März. Deshalb stimmen bei Ihnen die Daten nicht und da soll man das mal nicht in den Januar schon vorverschieben.
Das Grobraster dessen, was zu dem Sachverhalt ja allgemein bekannt ist: Es sind über 4.000 Dienststellen, die im Lande verloren gehen,
dabei fast 2.000 in Eggesin.
Was das für Folgen hat, darüber haben wir auch hier oft genug geredet, bis hin zum Lehrstellenverlust in den Handwerksbetrieben, die dort bei der Bundeswehr sonst arbeiten könnten.
Die Bundesebene hat dazu gesagt: Wir machen Konversion, großzügig. Das heißt, wir sind bereit, die Flächen,
die Truppenübungsplätze, die Kasernen, die dadurch frei werden, günstig zu privatisieren oder sonst irgendwie günstig durch andere nutzen zu lassen. Wir haben in Pasewalk, in Eggesin, in Ueckermünde so viel Gewerbegebiet ausgewiesen – das können sie alles billig kaufen –, da hilft uns zunächst mal die Konversion vom Bund gar nichts. Im Übrigen sagt der Bund: Strukturpolitik – was sich da ändert? Strukturpolitik ist Landessache!
Dann setzt sich die IMAG zusammen, wie hier gesagt, als sie konstituiert worden ist. Die interministerielle Arbeitsgruppe setzt sich zusammen
und sagt: Wir werden beim Bund natürlich dafür sorgen, dass er schön was macht bei der Konversion, was uns nicht hilft. Und wir: Nein, nein, unsere Sache, Landessache ist das natürlich nicht. Wir legen kein gesondertes Programm zur Stützung der geschädigten Gemeinden auf,
sondern die Gemeinden sind darauf angewiesen,...
Ihr könnt euch ja da unten unterhalten, dann hör ich auf hier oben.
... also die Gemeinden seien darauf angewiesen, im Rahmen der sonstigen Förderprogramme sich etwas einfallen zu lassen, Projekte zu entwickeln und Anträge zu stellen. Aber die interministerielle Arbeitsgruppe wird sich darum kümmern. Sie hat inzwischen zwei Berichte vorgelegt. Und immer wieder wird gesagt, so wie eben auch der Minister: Die Kommunen müssten phantasievoll sein. Das ist ja alles richtig. Ohne Ideen und Engagement der Kommunen, sagt der Minister, wird es nicht gelingen. Natürlich liegen die Probleme und liegt das Elend bei uns in den Wahlkreisen und bei den Kommunen. Wir sind die Letzten, die die Hunde beißen.
Und unser Antrag sollte beizeiten – was die Vorbereitung betrifft, wenn jetzt die Truppen im Herbst abziehen – etwas vorbereiten. So will ich nicht verhehlen, dass aufgrund dieses Antrages, den wir vor anderthalb Jahren eingereicht haben, inzwischen einiges geschehen ist. Das Erste, und ich glaube, das war vielleicht das Wichtigste, ist sehr ordentlich gelaufen, Herr Vorsitzender Friese. Das war die umfangreiche öffentliche Anhörung.
Bei dieser ordentlichen Anhörung des Landtages sind dann noch einmal alle Probleme aufgelistet worden. Und wenn ich jetzt hier zum Land und zur Regierung spreche, darf ich nur sagen: Wir haben dort auch allerhand in die
ser Anhörung gehört und Sie können im Bericht nachlesen, was Brandenburg macht
und insbesondere was in den alten Bundesländern gemacht worden ist, was ja auch Dinge sind, aus denen wir ein bisschen lernen können. Insbesondere das International Center of Conversion hat ebenfalls Stellung genommen und sozusagen aus internationaler Sicht gesagt: Damit können die Gemeinden allein nicht fertig werden. Und um das zu betonen, dem gilt unser Antrag.
Was geschehen ist:
Man muss sagen, die interministerielle Arbeitsgruppe hat zweimal getagt, einmal im November vorigen Jahres, immerhin von März bis November einmal getagt, der erste Anstoß war ja gemacht, und dann ist es wieder liegen geblieben. Und dann haben sie noch einen zweiten Bericht gemacht im April. Das können Sie nachlesen, jeweils drei, vier Seiten, äußerst dürftig. Von den Kommunen, von denen Sie immer sagen, die sollen was bringen, hat die Stadt Stavenhagen ein umfangreiches Werk vorgelegt, in dem alle Möglichkeiten, die die Stadt Stavenhagen selbst sieht,
erörtert worden sind. Der Landkreis Uecker-Randow hat zusammen mit der Uni Greifswald ein umfängliches Gutachten vorgelegt. Und wir haben darüber hinaus jetzt im Frühjahr noch mal den Vorschlag nachgelegt für die bessere Verkehrsanbindung dieses Raumes, der natürlich überhaupt nur dann mit den Grundstücken der Bundeswehr etwas anfangen kann, wenn wir da Gewerbe oder Industrie ansiedeln können. Um das zu können, brauchen wir eine anständige Verkehrsanbindung.
Zu all dem hat die interministerielle Arbeitsgruppe bisher nicht mit einem Wort Stellung genommen!
Sie haben lediglich – auf einer Seite Ihrer Rede von knapp drei Seiten haben Sie sich
belobigt – gesagt: Wir haben einen Regionalmanager oder ein Regionalmanagement eingesetzt.
Das war nun sozusagen die Idee des Landkreises Uecker-Randow und das können Sie im Antrag des Landkreises Uecker-Randow nachlesen. Wenn das nun das Einzige ist, womit Sie sich hier behübschen können, ist das ein bisschen dürftig.
Aber nun zurück zu unserem Antrag, der ja im Ausschuss abschließend jetzt behandelt worden ist, und zum letzten Bericht der IMAG.
Wir haben einen Beschluss vorgelegt mit acht Einzelpunkten, schon damals im Detail. Sie haben zu einem ein
zigen Punkt eben Stellung genommen und haben gesagt: Die Entscheidung des Verteidigungsministers, die Umstrukturierung, das könne man heute nicht mehr ablehnen.
Da will ich Ihnen zum Teil sogar Recht geben, man kann sich darüber streiten, man kann auch heute noch dagegen sein,
man kann sich auch der Stimme enthalten, aber das Ding liegt ja auch im Ausschuss seit anderthalb Jahren.
Und da darf ich nun zum Ausschuss kommen. Die Anhörung war ganz gut, aber dann ist es ja doch wohl etwas schleppend behandelt worden. Und nun lese ich Ihnen vor, was in dem zweiten, etwas besseren, aber immer noch sehr dürftigen Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe steht: „Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Landesregierung die Probleme der Regionen, die durch die Bundeswehrstrukturreform besonders betroffen sein werden, fest im Blick hat.“
„Die erforderlichen Planungen befinden sich auf einem guten Weg.“
„In erster Linie werden aber die Kommunen Ideen und konkrete Projekte entwickeln müssen.“ Das zieht sich durch alle Papiere, das haben Sie auch jetzt dem Minister wieder aufgeschrieben.
„Die Landesregierung wird dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten behilflich sein.“
Letzter Satz: „Die IMAG zur Bundeswehrstrukturreform wird ihre Arbeit fortsetzen.“
Und fast gleichlautend, das ist die Synchronisation zwischen den die Regierung stützenden Mehrheitsfraktionen und der Regierung, da sind wir wieder bei der Öffentlichkeitsarbeit,
da hat das eine gewisse Rolle gespielt:
Den Antrag haben wir mehrheitlich mit den Stimmen von SPD und PDS abgelehnt. Das ist das, was uns jetzt auch gleich passieren wird.
Und der letzte Satz endet, die nach der abschließenden Beratung im Innenausschuss eingegangene Stellungnah
me des Finanzausschusses auch ablehnen. Aber der Innenausschuss hat in der abschließenden Beratung auch festgestellt, „dass die Bewältigung durch die Bundeswehrstrukturreform aufgetretenen Probleme noch nicht abgeschlossen sei.“
Und das ist nun das Ende, was ich sagen will. Die IMAG sagt, wir werden schön weiterarbeiten.
Der Innenausschuss sagt mehrheitlich, weil es ja auch richtig ist und er gar nichts anderes sagen kann: Probleme bestehen natürlich noch. Die Landesregierung, der Minister hat es eben vorgelesen und sagt, die Landesregierung hat ihre Schularbeiten gemacht. Und nun lehnen Sie unseren Antrag ab – acht Punkte mit Detailvorschlägen. Sie hat kein Fitzchen Vorstellung, was sie denn nun eigentlich wirklich machen will!
Wir werden weiterarbeiten und die Probleme fest im Blick haben.
Die Landesregierung hat ihre Aufgaben gemacht. Und die Ausschussmehrheit sagt,
die aufgetretenen Probleme sind noch nicht abgeschlossen.
Wir haben acht Punkte und deshalb beantragen wir nunmehr, Frau Präsidentin, zu unserem Antrag alle acht Punkte einzeln und gesondert abzustimmen.
Wenn die Mehrheit des Ausschusses zu dem Problem – und die Probleme kennen Sie ja, die haben Sie sich ja vor Ort angeguckt –
nicht mehr zu sagen hat, als dass die Probleme noch bestehen, und unsere konkreten Vorschläge alle ablehnt, keinen eigenen Antrag einbringt, zu dem wir Stellung nehmen könnten, und die Landesregierung sich hinstellt und sagt, wir haben unsere Schularbeiten gemacht, dann kann ich nur sagen – und Sie reden ja immer von Wahlkampf –,
dass das für uns ein Thema ist, bei dem die Mehrheit der Menschen in den betroffenen Gemeinden nicht der Mehrheit in diesem Landtag folgen wird, sondern uns.
Und deshalb beantrage ich, dass Punkt für Punkt alle acht Einzelpunkte einzeln abgestimmt werden. – Danke sehr.
Gucken Sie mal in die Geschäftsordnung! Wir können am Podium des Hauses beantragen, einen Gesamtbeschluss
in Einzelpunkten abzustimmen.
Dann fragen Sie doch den Vorsitzenden des Rechtsausschusses! Wir können auch eine Rechtsausschusssitzung machen.
Danke sehr, Herr Präsident!
Ich wollte zur Geschäftsordnung sprechen, zu dem Paragraphen, den Sie gerade alle gelesen haben. Da steht drin, dass Sie die Frage so stellen sollen, dass sie mit Ja und Nein beantwortet werden kann. Und Sie stellen die Frage: Wie stimmt ihr über den Antrag der CDU ab?
Der Ausschuss empfiehlt abzulehnen.
Und im nächsten Absatz darf jeder den Antrag stellen, und das tue ich jetzt hier, diese Frage, die unterteilbar ist, zu unterteilen in die acht Punkte und über jeden Punkt einzeln abstimmen zu lassen.
Und wenn Sie das ablehnen, so steht es in der Geschäftsordnung, entscheidet darüber der Antragsteller. Und der Antragsteller ist die CDU-Fraktion und nicht der Ausschuss.
Und dieses Verfahren möchte ich hier stehen haben – mehr nicht! Nicht im Gespräch im Ältestenrat, das steht nicht bei uns im Protokoll, und vom Ältestenrat kriegen wir keine Protokolle.
Ich möchte hier dieses Verfahren Punkt für Punkt. Sie entscheiden und sagen, die Frage lautet: Antrag der CDUFraktion, der Ausschuss empfiehlt, den Antrag der CDU abzulehnen. Dann meldet sich Helmrich und stellt den Antrag: die unterteilbare Frage – wollt ihr dem zustimmen, in acht Punkte zu unterteilen?
Ja, gut. Nur, ich wollte es eben so auch im Protokoll stehen haben. Und nun müssen Sie fragen, ob Widerspruch dagegen besteht.
Ich habe den Widerspruch vernommen und ich bitte Sie entsprechend der Geschäftsordnung, dem Antragsteller jetzt
die Gelegenheit zu geben, darüber zu entscheiden, wie abgestimmt werden soll. So steht es in der Geschäftsordnung.
Die CDU-Fraktion bittet darum, über ihren Antrag jetzt entscheiden zu dürfen, wie in welchen Punkten entschieden werden soll.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir einen Tagesordnungspunkt hatten, wo wir uns in etlichen Punkten nicht so ganz einig sind, kommen wir nun wieder mal zu
einem Tagesordnungspunkt, wo wir uns weitgehend einig sind.
Der Vorsitzende des Rechts- und Europaausschusses Herr Kreuzer hat zu der Drucksache 3/3020 den Beschluss, den wir hier vorgelegt haben als Rechtsausschuss, schon im Einzelnen erörtert. Ich brauche die einzelnen Punkte, die die anderen Ausschüsse zu dieser Gesamtdrucksache, möchte ich sagen, beigetragen haben, nicht noch einmal im Einzelnen vorzutragen. Ich möchte nur an dieser Drucksache hervorheben, das ist nicht die erste Drucksache dieser Art, die als Anlage unseren Gesamtbeschluss noch einmal auf Polnisch enthält. Das ist äußerst ungewöhnlich, zeugt aber von dem Maß an Zusammenarbeit, das wir inzwischen mit der polnischen Seite geschaffen haben.
Ich, dessen Wahlkreis unmittelbar vor den Toren von Stettin liegt, wie Sie ja wissen, bin besonders glücklich darüber, weil wir als Europaausschuss – deswegen legen wir auch hier die Gesamtdrucksache, zu der ja alle anderen Ausschüsse zugearbeitet haben, vor – gleichzeitig für Europafragen zuständig sind und damit auch für die EUOsterweiterung. Deshalb ist die Zuständigkeit dafür bei uns gelandet und ich möchte – ebenso, wie Herr Kreuzer das getan hat – allen insbesondere zunächst einmal im Rechtsausschuss dafür danken, dass wir uns in dieser grenzüberschreitenden Arbeit im Ausschuss sehr einvernehmlich zusammengefunden haben.
Ich darf die Aktivitäten, die über diese Drucksache hinausgehen, noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen: Das war zunächst die Beschlussempfehlung zu den Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Bereiche bei uns im Lande, die unmittelbar an der Grenze liegen. Begonnen hatte das Ganze ursprünglich einmal mit einer Sitzung von polnischen und deutschen Abgeordneten in Krugsdorf und diese Zusammenarbeit hat sich dann doch in den letzten drei Jahren sehr intensiviert. Auch der Präsident des Landtages hat einen sehr wichtigen Beitrag dazu geleistet. Nicht nur, dass er nach Stettin gefahren ist, den persönlichen Kontakt aufgenommen hat und unsere Region und die Region um Stettin hat sich hier im Lande vorgestellt – immer jeweils unter Beteiligung des Woiwoden, heute des Marschalls noch und früher des Sejmikvorsitzenden und auch jetzt des Sejmikvorsitzenden –, er hat darüber hinaus auch unsere Tätigkeit dadurch unterstützt, dass er gesagt hat, jawohl, für diese Tätigkeit, Reisekosten und Fazilitäten, die der Landtag dazu zur Verfügung stellen muss, das wird geschehen.
Das alles ist mit Grundlage gewesen für die Arbeit, die wir haben tun können. Und ich erwähne, weil es für unsere Region von besonderer Bedeutung ist, auch das Haus der Wirtschaft, das gemeinsam von den Deutschen und den Polen in Stettin getragen wird. Ob diese Tätigkeit es rechtfertigt, in der nächsten Legislaturperiode – wozu es ja Bestrebungen schon in dieser Legislaturperiode gab – einen gesonderten Europaausschuss zu bilden, das will ich hier nicht beantworten. Ich habe mich jedenfalls in dieser Legislaturperiode immer noch dagegen ausgesprochen.
Das soll dann ein neuer Landtag beschließen, und zwar ein neuer Landtag, in dem ich nicht mehr sein werde. Wie einige andere schon in dieser Sitzung, darf auch ich mich
von der Parlamentsarbeit hier im Landtag verabschieden und von meiner langjährigen Parlamentsarbeit überhaupt. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen für die Zusammenarbeit danken. Ich habe, was meine subjektive Sicht anbetrifft, mehr Freunde – Freunde ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber das, was gleich danach kommt –, aber mehr Freunde als Feinde in diesem Landtag gefunden und gesammelt. Meine Arbeit hier in Mecklenburg-Vorpommern hat mir sehr viel Freude gemacht. Ich wünsche Ihnen alles Gute in der nächsten Legislaturperiode.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der eben genannten Drucksache haben wir einen Antrag eingebracht, mit dem wir den Ministerpräsidenten auffordern, die Geschehnisse um die spezielle Einstellung von Herrn Klinger hier noch einmal zu erläutern, darüber hinaus aber auch, um von der Regierung, und zwar aus dem Munde des Ministerpräsidenten, noch einmal zu hören, wie denn insgesamt die Einstellungspraxis ausgeübt worden ist und wie sich die besonderen Vereinbarungen der Koalition auf diese Einstellungspraxis ausgewirkt haben.
Auch wenn allen Beteiligten die Rechtsgrundlagen im Grunde genommen klar sind, möchte ich zur Einbringung unseres Antrages diese Rechtsgrundlagen noch einmal zusammenstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes wird angeknüpft bei der Einstellung von Bewerbern in ein öffentliches Amt an besondere Anforderungen, nämlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, und verlangt deren gleichmäßige Handhabung.
Gleichmäßige Handhabung! Geeignet im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer, charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehört darüber hinaus die Fähigkeit und die innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Das alles sind keine leeren Formeln, sondern bedürfen immer sehr genau der Prüfung, auch wenn das in Routinefällen oft nicht ausreichend gemacht wird.
Für die spezielle Fallgruppe bei Einstellungen ist zu berücksichtigen, durch eine frühere Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR wird die Integrität des Betroffenen sowie seine innere Bereitschaft, Bürgerrechte zu respektieren und sich rechtsstaatlichen Regelungen zu unterwerfen, nachhaltig in Frage gestellt. Ein solcher Mitarbeiter erfüllt in der Regel nicht die Voraussetzungen des Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst.
Um das zu beurteilen, ist eine einzelfallbezogene Würdigung, bei der neben der konkreten Belastung für den Arbeitgeber auch das Maß der Verstrickung zu berücksichtigen ist, vorzunehmen. Der Arbeitgeber hat deshalb ein Fragerecht hinsichtlich derartiger Tätigkeiten bei der Einstellung. Dies ist im Einigungsvertrag alles im Detail erläutert bis hin zu einem Sonderkündigungsrecht, wenn das bei der Einstellung unterlassen worden ist.
Die Landesregierung hat in ihrem Beschluss vom 23.02.1999 ausgeführt, dass eine etwaige Tätigkeit als offizieller oder inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit beziehungsweise des Amtes für Nationale Sicherheit Gegenstand des Einstellungsverfahrens bleibt. Im Rahmen einer allerdings differenzierteren Vorgehensweise soll eine Überprüfung erstmals einzustellender Personen durch eine Anfrage beim Bundesbeauftragten zwar nicht mehr in jedem Fall erfolgen, was wir schon kritisch sehen, wie Sie wissen, die Anfrage soll nach dem Beschluss aber unter anderem dann erfolgen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit mit
dem MfS oder AfNS vorliegen sowie bei Einstellung in den höheren Dienst oder Begründung vergleichbarer Angestelltenverhältnisse.
Dieses Überprüfungsverfahren wurde jedoch nicht, wie ich oben gesagt habe, gleichmäßig gehandhabt, sondern sehr unterschiedlich. Und dazu ist unsere Anfrage. Das bitten wir die Regierung noch mal hier im Landtag näher zu erläutern.
So hat das Arbeitsministerium im Rahmen des Einstellungsverfahrens des Verwaltungsangestellten Ronald Klinger, wie der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren von Herrn Klinger und dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes MecklenburgVorpommern zu entnehmen ist, bewusst – bewusst! – gegen den Beschluss der Landesregierung verstoßen. Das heißt, ein Ministerium hat sich nicht an den Beschluss der Landesregierung, wie die Überprüfungsverfahren gehandhabt werden sollen, gehalten.
Moment, ich muss immer erst abwarten, bis der Zwischenruf aufgenommen worden ist.
Das Ministerium hat die Einstellung unter Verletzung des in diesem Beschluss festgelegten Verfahrens vorangetrieben und damit gleichzeitig die Verletzung des Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz bewusst in Kauf genommen.
Ich brauche die Einzelheiten, die bekannt sind, insbesondere über das Sondierungsgespräch am 03.09.1999 zwischen Herrn Minister Holter und Herrn Klinger, und zwar auch in der Version des Arbeitsministeriums, nicht noch einmal im Detail zu wiederholen. Jedenfalls sind die einzelfallbezogene Würdigung und die ausreichende Befragung nicht erfolgt, sonst hätte die Einstellung nicht erfolgen dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weise noch einmal hin auf die Ergebnisse, die uns vom Landesrechnungshof in den letzten Tagen zugegangen sind. Ich will nicht alles zitieren. Ich will nur den Vorsatz sagen und der stimmt – Herr Dr. Schoenenburg, erstaunlicherweise für Sie, für mich zwingend notwendig – mit dem überein, was ich gesagt habe. Im Bericht des Landesrechnungshofes heißt es nämlich: „Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Arbeitsministerium bei der Einstellung von Herrn Klinger seine nach Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz notwendige Eignung für den öffentlichen Dienst nicht hinreichend geprüft hat.“
Man müsste jetzt noch einmal das teils klägliche und für Verletzte teils dramatische Bild aus den Presseveröffentlichungen wiederholen. Und ich kann nur sagen, wer an diesem Verfahren in der Weise beteiligt war, wie wir es alle kennen, es ist für die Landesregierung insgesamt, mehr kann ich hier zur Einführung nicht sagen, beschämend. Wir bitten den Ministerpräsidenten inständig, diese Dinge hier zu erläutern. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weise nur, was ich hier in aller Breite nicht ausführen kann, auf das Gespräch vom 03.09.1999 hin, in dem nach den Zeugenaussagen Herr Minister Holter mehr erfahren hat, als er später zugegeben hat.
Was aber den Vorwurf an uns betrifft, wir würden mit der Vergangenheit und mit solchen Überprüfungen hier unsensibel umgehen, ich habe ausdrücklich in meiner Einbringung unseres Antrages gesagt, wir bitten um Erklärungen. Und ich will es jetzt mal etwas lockerer sagen: Warum denn dieses Geeiere?
Zunächst kommt Klingers Vergangenheit an die Öffentlichkeit, darauf sieht Holter keinen Grund, ihn zu entlassen. Dann erfolgt als Drittes eine öffentliche Debatte. Schließlich veranlasst dann die Regierung, die unter Druck gerät, drei Staatssekretäre sollen das überprüfen. Drei Staatssekretäre geben eine Empfehlung, ihn wohl doch zu entlassen. Wir hören, Herr Holter will dieser Entlassungsempfehlung nachkommen. Herr Holter wird, ja, von wem denn wohl, von seiner eigenen Partei stabilisiert, die sagt, lass das. Daraufhin geht Holter einen Tag später
an die Presse und sagt, er wird nicht entlassen. Darauf hören wir vom Ministerpräsidenten, dass er der Presse gesagt hat, was Holter macht, ist rechtswidrig. Und einen Tag später gehen Herr Holter und der Ministerpräsident an die Presse und sagen, er wird entlassen. Dieses Rumgeeiere, das Sie der Öffentlichkeit dargeboten haben, haben wir kritisiert als eine miserable Art und Weise des Umgangs mit der Vergangenheit von Herr Klinger.
Und Sie haben ihn in die Öffentlichkeit gezerrt – nicht wir!
Sie haben auf eine Art und Weise mit dem Fall rumjongliert, um Ihren eigenen Kopf zu retten. Und dann sich hierher zu stellen und zu sagen, bei uns ist alles wunderschön,
wir machen das alles so, wie es auf dem Papier steht, und auf den Fall selbst gehen Sie nicht ein, das geht nicht. Und darum haben wir um Aufklärung gebeten, um diese Aufklärung zum Fall Klinger, diese Rumeierei, er wird entlassen, er wird nicht entlassen, und zum Schluss greift ihn sich der Ministerpräsident am Schlafittchen, tritt mit ihm gemeinsam vor die Presse und dann sagt er, er wird entlassen.
Und dann verlieren Sie den Arbeitsgerichtsprozess.
Warum? Weil das Arbeitsgericht feststellt, so die mündliche Begründung, der Herr Klinger hat es beizeiten gesagt,
er hat ihn nicht arglistig getäuscht, der Holter hat es gewusst. Und deshalb durfte er nicht entlassen werden. So sind die Dinge richtig gestellt.
Aber immer, Herr Backhaus!
Wer hier steht, der hat immer den besseren Standort bei solchen Geschichten.
Nein, das weiß ich nicht,...
... weil ich weder in einer solchen Kommission gesessen habe noch solche Papiere gesehen habe.
Nein.
Nein.
Nein!
Ich hatte welche. Ich habe bei dem Staatssicherheitsdienst gesessen – im Gefängnis.
Ich hatte Kontakt, ja. Ich meine, ich will...
Das können wir machen.
Ja, ja, aber...
Ich habe Ihnen gesagt, ich weiß es nicht.
Aber dann die letzte. Das reicht nun langsam.
Wie bitte?
Soll ich Ihnen sagen, was er war? Ehrenamtlich zugeordneter Arbeitsrichter. Das weiß jeder.
Wie bitte?
Ja, die Frage ist nämlich nicht zulässig. Ich kenne die Urteile nicht. Also, danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde vieles, was der Vorredner gesagt hat, wiederholen. Aber in Situationen wie der jetzigen und vielleicht gegenüber fast Tauben kann man immer wieder dasselbe nicht oft genug wiederholen.
Unter dem letzten Tagesordnungspunkt haben wir in zwei Fällen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen 16 Mitglieder der SPD-Fraktion und die Anklageerhebung gegen zwei weitere Mitglieder der SPD-Fraktion nicht genehmigt. Der Landtag insgesamt hat sich damit zugunsten dieser Landtagsabgeordneten auf die Immunität gestützt. Dies kommt selten vor. In der Regel genehmigt der Landtag Ermittlungen und Anklageerhebungen. Die Immunität soll die Arbeit der Staatsanwaltschaften nicht behindern. Auch Abgeordnete können sich strafbar machen, wie jeder andere Bürger, und sie müssen dann auch, wie jeder andere Bürger, zur Verantwortung gezogen werden. Daran besteht kein Zweifel.
In beiden vorliegenden Fällen handelt es sich jedoch nicht um Vorwürfe, die auch jeden anderen treffen könnten, wie etwa um Verkehrsdelikte, Unterhaltsdelikte oder Wirtschaftsdelikte. Hier handelt es sich vielmehr um Vorwürfe, die nur Abgeordnete treffen können, um Vorwürfe, die sich auf ihre Arbeit als Parlamentarier beziehen. Es geht um die Frage, ob öffentliche Gelder, die den Fraktionen zufließen, zweckwidrig verwandt worden sind. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Fraktionsgelder seien vorsätzlich veruntreut worden, indem damit Parteiarbeit gemacht worden sei.
Die Arbeitskosten der Parlamente, der Fraktionen und der Abgeordneten können nicht durch Mitgliedsbeiträge abgedeckt werden und es soll auch nicht durch zu hohen Einsatz von Spenden eine Abhängigkeit von Spendern entstehen. Deshalb erhalten die Parlamente und Fraktionen Mittel vom Staat für ihre Arbeit. Mit diesem Geld dürfen die Fraktionen die Öffentlichkeit informieren und gegebenenfalls auch mit den Fraktionen anderer Parlamente zusammenarbeiten. Die Fraktionen dürfen dieses Geld nicht benutzen, um damit Parteiaufgaben zu erledigen.
Die Grundfrage, die es zu klären gilt, besteht darin, wann Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen eine unzulässi
ge Verwendung für Parteiaufgaben darstellt. Dies richtet sich in erster Linie nach Parlamentsrecht. Der Vorwurf und die weiter zu untersuchenden Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gehen dahin, oben genannte Mitglieder der SPDFraktion hätten Fraktionsmittel unzulässig für Parteiarbeit eingesetzt. Dies sei durch eine Zeitungsanzeige geschehen, die von den oben erwähnten Fraktionsmitgliedern der SPD beschlossen worden sei.
Unsere beiden Beschlüsse, die wir im letzten Tagesordnungspunkt gefasst haben, hatten einen Vorlauf: Das Ansinnen der Staatsanwaltschaft wurde dem Landtag in zwei sehr knapp gehaltenen Schreiben übermittelt. Der Text reichte dem zuständigen Rechtsausschuss nicht aus. Die Staatsanwaltschaft soll derartige Anträge plausibel darlegen. Weil das nicht geschehen ist, hatte der Rechtsausschuss weiteren Klärungsbedarf. Für ein schriftliches Verfahren war die Zeit zu kurz, weil der Landtag unverzüglich entscheiden soll. Telefonische Erörterungen wären uns sicher als ein Versuch der Einflussnahme ausgelegt worden. Deswegen hat der Rechtsausschuss einen kurzen und offiziellen Weg gewählt und wollte die Staatsanwälte einladen. Da jedoch für diese vom Justizminister die erforderliche Aussagegenehmigung nicht in Aussicht gestellt wurde, ist dies unterblieben.
Zur Rechtsausschusssitzung konnten deshalb nur der Justizminister und der Generalstaatsanwalt eingeladen werden. Anderthalb Tage vor dieser Sitzung teilte der Justizminister jedoch mit, dass es auch ihnen versagt sei, „Einzelheiten aus den entsprechenden Verfahren darzulegen und zu erläutern“. In dieser Sitzung kam es dann auch nicht zu einem Gespräch, in dem die Anträge der Staatsanwaltschaft hätten nachgebessert werden können.
Es bleibt das Geheimnis des Justizministers, warum er selbst schweigt und den Beamten der ihm nachgeordneten Behörde, genannt Staatsanwaltschaft, keine Aussagegenehmigung erteilt. Dabei wird offensichtlich übersehen, dass dem Landtag nicht nur ein Ja oder Nein zu den Anträgen zu Gebote steht, sondern, über eine reine Plausibilitätsprüfung hinaus, auch das Recht, die Vorwürfe auf ihre juristische Schlüssigkeit zu überprüfen. Man wird überlegen müssen, ob die Regierung – hier in Gestalt des Justizministers mit der ihm nachgeordneten Behörde – als Verfassungsorgan ihren Pflichten gegenüber dem Landtag als einem anderen Verfassungsorgan nachgekommen ist. Dem Landtag jedenfalls blieb also nichts anderes übrig, als den Immunitätsriegel vor die Anklageerhebung und weitere Ermittlungen zu schieben.
Der Landtag und die in ihm vertretenden Fraktionen wollen aber auch in der Sache selbst Stellung nehmen und haben deshalb den Beschluss auf Drucksache 3/2935 eingebracht. Nach Auffassung des Landtages und der in ihm vertretenden Fraktionen – wie wir das eben schon von der SPD-Fraktion gehört haben – wird nach den dem Landtag zugegangenen Schreiben besonders das Parlamentsrecht unzureichend berücksichtigt. Was bedeutet das?
Die Bürger in Europa haben im Laufe der Geschichte gegen den Obrigkeitsstaat den Parlamentarismus und das Parlamentsrecht erkämpft. Wir stehen in der Tradition dieser Entwicklung in Europa. Von England her, dem Mutterland des Parlamentarismus, haben die Parlamente fünf klassische Funktionen, wie etwa die Gesetzgebungsfunktion – die bekannteste – und die Kontrollfunktion gegen
über der Regierung. Die hier interessierende Funktion, die auch die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, nannten und nennen die Engländer „expressive function“, auf Deutsch übersetzt, die Artikulationsfunktion.
In den Parlamenten sollen die Landesprobleme, die Interessen der Bürger, die politischen Auffassungen der Abgeordneten, der Fraktionen und der Parteien zum Ausdruck gebracht werden. Ich sage bewusst, der Parteien, denn die Wählerinnen und Wähler entsenden in die Parlamente Abgeordnete selten ohne Parteizugehörigkeit, in aller Regel mit Parteizugehörigkeit. Die Bürger entscheiden darüber, in welcher Stärke die Parteien in den Parlamenten vertreten sind. Als Parlamentarier sind die Gewählten je nach Parteizugehörigkeit in Fraktionen organisiert. In den letzten 150 Jahren haben sich die Parlamente zu Fraktionsparlamenten entwickelt. Die klassischen Parlamentsfunktionen werden zum Teil von den Fraktionen wahrgenommen. Auch sie sind deshalb durch diese klassischen Funktionen definiert. Dementsprechend sind auch die Fraktionen mit ihren Rechten und Pflichten im Abgeordnetengesetz besonders geregelt. Dies gilt auch, wie oben und von meinem Herrn Vorredner schon erwähnt, für ihre Öffentlichkeitsarbeit.
Die Fraktionen haben jährlich einen Rechenschaftsbericht über die Herkunft und Verwendung ihrer Geld- und Sachleistungen aus dem Landeshaushalt vorzulegen. Darin ist auch der Ausgabenposten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit enthalten. An der Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit kann also überhaupt kein Zweifel bestehen. Die Frage kann also nur lauten: Wann werden dadurch Parteiaufgaben wahrgenommen? Es geht also um die Trennung der Öffentlichkeitsarbeit der Parteien von der Öffentlichkeitsarbeit der ihnen zuzuordnenden Fraktionen.
Nun eine Wiederholung dessen, was mein Vorredner schon gesagt hat, noch mal mit meinen Worten: Nachdem oben schon angesprochen wurde, dass die Wählerinnen und Wähler bei Wahlen Abgeordnete fast ausschließlich mit Parteizugehörigkeit und auch nach Parteizugehörigkeit in den Landtag entsenden, sind diese auch in den Parlamenten in den Fraktionszusammenschlüssen deutlich wiederzuerkennen. Ein Blick auf die einzelnen Abgeordneten mag dies noch konkretisieren. Dort sitzen selbstverständlich die jeweiligen Parteivorsitzenden, hier im Landtag Herr Ringstorff als SPD-Vorsitzender, Herr Rehberg CDU und Herr Ritter als PDS-Vorsitzender. In anderen Landtagen ist es nicht anders. Im Bundestag sind und waren es zum Beispiel Herr Westerwelle, Herr Gysi, Frau Roth, Frau Dr. Merkel, Herr Lafontaine und jetzt an seiner Stelle der Bundeskanzler Schröder. Hier im Landtag sitzen, wie überall, weitere Mitglieder der Landesvorstände der hier vertretenen Parteien, Kreisvorsitzende und Ortsvorsitzende sowie weitere Mitglieder aus den Gliederungen der Parteien. Sie sind in den Landtag gewählt worden, um dort als Einzelne und gemeinsam in ihren jeweiligen Fraktionen die Politik zu betreiben, für die sie gewählt worden sind.
Diese Personenidentität in den Parteien und Fraktionen macht deutlich, dass nach unserer Verfassung beide, die Parteien und die nach Parteizugehörigkeit organisierten Fraktionen, aufs Engste miteinander verbunden sind. Dies ist nach den Verfassungen von Bund und Ländern und nach den Wahlgesetzen so gewollt. Dem steht nicht entgegen, dass Parteien und Fraktionen zum Teil unterschiedliche Aufgaben haben, nur zum Teil, und dass sie
gesonderte Kassen führen und führen sollen. Sie erhalten beide öffentliche Mittel – die Parteien besonders für Wahlen und Wahlkämpfe in Form von Wahlkampfkostenerstattung und die Parlamente und Fraktionen für ihre Parlamentsarbeit. Diese Mittel müssen jeweils nach den speziellen Aufgaben der Empfänger zweckgebunden verwandt werden. Die Trennung der Mittelverwendung ist nicht schwierig beim Erwerb von Sachmitteln wie Computern, Fotokopiergeräten oder bei der Anmietung von Räumen und so weiter. Ebenso lässt sich die Trennung bei den Angestellten und der Herkunft ihrer Entgelte transparent machen.
Eine derartig klare Trennung wie bei Sach- und Personalausgaben ist jedoch bei politischen Äußerungen in der Öffentlichkeit kaum möglich. Wer sich als Abgeordneter in einer Versammlung in seinem Wahlkreis äußert, tut dies als Abgeordneter, als Fraktionsmitglied und auch als Parteimitglied. Das lässt sich nicht trennen. Sie können von unserem Fraktionsvorsitzenden Herrn Rehberg ebenso wie von den anderen Parteivorsitzenden nicht erwarten, dass er je nach Funktion mal eine Fraktionskappe, mal eine Parteikappe und mal die Kappe eines einfachen Fraktionsmitgliedes trägt. Es lässt sich nicht vermeiden, dass er bei seinen Äußerungen manchmal alle drei Kappen übereinander tragen müsste. Nicht zu Unrecht sagt man, dass Gesetze und Landtagsbeschlüsse geronnene Politik seien, und zwar geronnene Politik, die im Wahlkampf von den Parteien zugesagt worden ist.
Diese Fakten, die sich aus den Vorschriften der Verfassung und der Wahlgesetze zwingend so ergeben, machen schlagartig deutlich, dass sich daraus wahnsinnige Schwierigkeiten ergeben müssen, die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und die Öffentlichkeitsarbeit der dazugehörigen Fraktionen voneinander zu trennen und unterscheidbar zu machen. Für die Wählerinnen und Wähler muss die Kontinuität einer Politik, die sie mit einer Partei und ihren Abgeordneten gewählt hat, auch in der Parlamentsarbeit sichtbar werden. Dazu gehört die Öffentlichkeitsarbeit sowohl der Parteien als auch der Fraktionen. Deshalb hat auch das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, in dem es um die Abgrenzung der Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen und den sie tragenden Parteien ging, erklärt, dass nicht auszuschließen ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung auch den jeweils mit ihr verbundenen Parteien zugute kommt. Das Öffentlichkeitsgebot und das Transparenzgebot, die für jede Politik gelten und ganz besonders für die Parlamente und ihre Fraktionen, lassen sich nur durch Öffentlichkeitsarbeit erfüllen. Deshalb ist auch die expressive function, also die Artikulationsfunktion, eine Aufgabe der Parlamente, die schon frühzeitig in der Parlamentsgeschichte betont worden ist.
Diese klassische Artikulationsfunktion wird mit verschiedenen Mitteln erfüllt. Die über unmittelbare politische Äußerungen – worüber ich bisher gesprochen habe – hinausgehende Öffentlichkeitsarbeit umfasst Pressegespräche, Druckschriften, Flugblätter, Versammlungen, öffentliche Aufrufe und auch Zeitungsannoncen und so weiter. Auch für diese Mittel der Öffentlichkeitsarbeit gilt die Schwierigkeit der oben dargestellten Abgrenzung.
Obwohl sich also die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und die der ihnen zugeordneten Fraktionen vielfach überschneiden müssen, gibt es auch Bereiche, in denen sich aus der zum Teil auch unterschiedlichen Aufgabenstellung Abgrenzungsmöglichkeiten ergeben. Den Parteien
steht es in erster Linie zu, über Legislaturperioden hinaus die Parteiorganisation zu entwickeln, die Parteistrukturen zu organisieren und zu finanzieren und längerfristige Parteiprogramme zu erarbeiten. Diese Aufgaben haben die Fraktionen nicht.
Außerdem treten die Parteien mit ihren Kandidaten zu den jeweiligen Wahlen an und organisieren und betreiben den Wahlkampf. Hierfür werden ihnen auch Kosten erstattet. Das bedeutet, dass auch die Wahlkampffinanzierung nicht Aufgabe der Fraktionen ist. Sie sollen sich also in dieser Zeit mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht aktiv in die Parteiarbeit einschalten und deshalb auch ihre Etats für Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfzeiten nicht besonders ausweiten, um Wahlwerbung zu betreiben. Dabei darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass natürlich auch in dieser Zeit die Fraktionen noch bestehen, bis nach der Wahl ein neuer Landtag zusammentritt. Sie dürfen sich also mit ihrer Arbeit auch in dieser Zeit zu Wort melden. Klar ist jedoch, dass in der Vorwahlzeit und im eigentlichen Wahlkampf die Landtags- und Fraktionsarbeit stark in den Hintergrund tritt.
Das bedeutet, dass es also einerseits typische Aufgabenstellungen für die Parteien und typische Aufgabenstellungen für die Fraktionen gibt und dass es andererseits besonders in der Öffentlichkeitsarbeit Bereiche gibt, in denen sie sich zwingend überschneiden. Nach diesem Grobmuster ist dann detaillierter von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die für diese Öffentlichkeitsarbeit ausgegebenen Mittel zweckentsprechend oder zweckwidrig ausgegeben worden sind. Wo sich die Öffentlichkeitsarbeit zwingend überschneidet, wird in erster Linie der Absender, das heißt die Urheberschaft entscheiden. In zweiter Linie wird es bei der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen darauf ankommen, dass sie einen Bezug zur Arbeit in den Landtagen und in den Fraktionen hat. Dabei sind die Aufgaben der Fraktionen – je nachdem, ob sie zu den so genannten Regierungsfraktionen oder zu den Oppositionsfraktionen zählen – unterschiedlich, wie es auch im Abgeordnetengesetz ausdrücklich hervorgehoben wird. Die Arbeit in den Oppositionsfraktionen ist auch darauf gerichtet, Alternativen zur Regierungspolitik zu entwerfen, wie es im Abgeordnetengesetz steht, also auch programmatisch zu arbeiten, und dies natürlich auch in der Öffentlichkeit publik zu machen. Überschneidungen liegen auf der Hand. Außerdem ist im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland in Bund und Ländern den Oppositionsfraktionen in erster Linie die Regierungskontrolle zugewachsen. Wegen ihrer besonderen Situation erhalten sie an öffentlichen Mitteln auch einen extra Oppositionsbonus.
Dies sind nur einige, wenn auch besonders wichtige Gesichtspunkte, nach denen sich die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien und Fraktionen trennen lässt und nach denen sich die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen richten muss.
Grundsätzlich muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass die Fraktionen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit sich in der Informations- und Mediengesellschaft mit ihren Äußerungen zu Wort melden und auch behaupten müssen. Das gilt nicht nur etwa für Darstellungen im Internet, sondern auch für die Darstellung in allen anderen Medien. Die Öffentlichkeitsarbeit darf auch nicht nur langweiligen und buchhalterischen Charakter haben. Sie muss in der Massenmediengesellschaft auch ansprechend sein und so dargeboten werden, dass sie auch Aufmerksamkeit
erregt. Der politische Diskurs und der Dialog mit den Wählerinnen und Wählern kann nur gelingen, wenn er sich aller Medien angemessen bedient. Vor diesem Hintergrund sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu beurteilen.
Wie sieht es nun mit dem Antrag aus gegen die Herren Dankert und Schlotmann, um wegen der vorsätzlichen Veruntreuung von Fraktionsgeldern die Immunität aufzuheben? Wie ich oben bereits erläutert habe, ist die Artikulationsfunktion und damit die Öffentlichkeitsarbeit eine Grundfunktion von Parlamenten und Fraktionen. Über die Personenidentität und die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten habe ich schon gesprochen.
Neben der Personenidentität ist – wie auch schon erörtert – die gleichgerichtete politische Zielsetzung von großer Bedeutung. Sie kommt mit der Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck und die Arbeit der Fraktionen kommt damit auch meist der entsprechenden Partei zugute. Andererseits kann die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion der Partei auch schaden. Wir haben alle genügend Beispiele dafür. Da die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme auch im Hinblick auf Parteien abgeben, erwarten sie auch, dass die entsprechende Parteiauffassung im Parlament zu Gesetzen und Beschlüssen gerinnt.
Sieht man zunächst vom Inhalt ab, ist das Hauptkriterium, wonach Partei- und Fraktionsarbeit in einer Broschüre, einem Faltblatt oder einer Zeitungsanzeige zu unterscheiden sind, der jeweilige Absender. Das heißt, eine Anzeige, die den Parteivorsitzenden oder den Parteivorstand als Absender ausweist, darf nicht aus Fraktionsmitteln bezahlt werden. Im vorliegenden Fall war jedoch die Anzeige, entsprechend dem Beschluss der Fraktion, deutlich als Anzeige der SPD-Fraktion gekennzeichnet. Der Bezug zur Landtags- und Fraktionsarbeit war auch gegeben, weil diese Anzeige eine Antwort auf eine CDUAnzeige war, die sich aus einem Streit über einen Landtagsbeschluss ergab. Bei Anzeigen der CDU, bei denen ich mich etwas besser auskenne, waren die deutlichen Bezüge Landtagsdebatten und -beschlüsse, etwa zum Transrapid, zu Bundeswehrstandorten, zur Abwanderung und so weiter.
Wenn also diese Kriterien der Urheberschaft und des Bezuges zur Fraktionsarbeit erfüllt sind und dennoch von der Staatsanwaltschaft angenommen wird, es habe sich dabei um Parteiarbeit gehandelt, muss sie sich mit dem Inhalt auseinander setzen. Wie oben dargelegt, ist die inhaltliche Trennung der Öffentlichkeitsarbeit am ehesten dort möglich, wo unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Abgrenzungsproblematik ist von der Staatsanwaltschaft nicht einmal gesehen, geschweige denn behandelt worden.
Die sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft ergebende Behauptung, die Anzeige sei Parteiarbeit, lässt das Erfordernis der Begründung vermissen.
Dazu wäre außerdem, wie oben dargelegt, eine Auseinandersetzung mit dem Parlamentsrecht erforderlich.
Neben der Frage der inhaltlichen Abgrenzbarkeit kann inhaltlich auch eine Prüfung wegen eines etwaigen strafbaren Inhalts erfolgen. Wenn es sich etwa um einen Aufruf zur Rassendiskriminierung handeln würde oder um eine verleumderische Beleidigung, dann könnte sich die Staatsanwaltschaft mit dem Inhalt befassen. Derartiges steht hier aber gar nicht zur Debatte. Darüber hinaus könnte man daran denken, dass Äußerungen und Darstellungen in Broschüren oder auch in Anzeigen unsachlich erscheinen. Aber auch darauf beruft sich die Staatsanwaltschaft nicht. Damit würde sie sich auch auf ein gefährliches Gleis begeben. Sie müsste sich dann nämlich eventuell mit inhaltlichen Entgleisungen auseinander setzen und müsste den politischen guten oder schlechten Stil prüfen. Das ist oft Geschmackssache, sicher aber keine Prüfungsaufgabe von Staatsanwaltschaften. Andererseits könnte man daran denken, dass versucht wird, bei der Sachdarstellung inhaltliche Wertungen vorzunehmen. Das läge aber schon dicht bei inhaltlicher Zensur. Über schlechte Darstellungen – zu groß, zu klein oder geschmacklos – mag man sich auch ärgern. Das mögen auch Fehler sein, aber, meine Damen und Herren, kein strafbares Verhalten.
Wie sich eine Fraktion darstellt und wie das auf eine Partei zurückwirkt, mag der Wähler entscheiden. Nach meiner Auffassung liegt auf der Basis der herrschenden Meinung bei den Herren Schlotmann und Dankert, auch wenn man von der gleich zu behandelnden Indemnität absieht, kein strafbares Verhalten vor.
Nun sei auf die Ermittlungen gegen die 16 Fraktionsmitglieder eingegangen. Der Fraktionsvorsitzende Schlotmann und der Fraktionsgeschäftsführer Dankert haben der Fraktion die bewusste Zeitungsanzeige vorgeschlagen und die anwesenden Fraktionsmitglieder, also sie selbst und die weiteren 16 Mitglieder, haben dem zugestimmt. Damit erschien die Anzeige auf Fraktionskosten und mit der Unterschrift der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Für derartige Beschlüsse gilt, über die oben dargelegten Grundsätze hinaus, noch eine Besonderheit des Parlamentsrechts. Abgeordnete dürfen im Parlament und in seinen Ausschüssen beziehungsweise Beschlussgremien für den Inhalt ihrer Worte und Beschlüsse nicht bestraft werden. Ihnen steht der persönliche Strafausschließungsgrund, der Indemnität genannt wird, zur Seite. Dieser Grundsatz beziehungsweise dieses Freiheitsrecht der Parlamentarier ist in der Verfassung ausdrücklich geregelt und findet nach der Verfassung seine Grenze nur an verunglimpfenden Beleidigungen.
Der umfassendste finanzwirksame Beschluss, den die Parlamentarier alljährlich beschließen, ist der jeweilige Haushaltsplan in den Ländern beziehungsweise im Bund. Wenn der Haushaltsplan nicht den entsprechenden Verfassungsgrundsätzen entspricht, kann, falls eine Fraktion klagt, das zuständige Verfassungsgericht den Haushaltsplan oder Teile davon für verfassungswidrig und damit für rechtswidrig erklären. Für die Teilnahme an derartigen Beschlüssen gilt der Indemnitätsschutz, weil sonst Abgeordnete immer damit rechnen müssten, dass sie irgendetwas übersehen und dass sie mit einem Strafverfahren überzogen werden könnten. Eine derartige Abstimmungsunsicherheit soll durch die Indemnität beseitigt werden.
Das Gleiche gilt für das freie Wort im Landtagsplenum und in seinen Beschlussorganen. Durch Ermittlungs- und Strafverfahren gegen alle anwesenden Mitglieder von Beschlussorganen dürfen derartige Beschlusseinheiten nicht ausgehebelt werden. Fraktionen zählen nach allgemein herrschender Meinung zu derartigen Beschlussgremien, weil die Fraktionen zum Teil die klassischen Parlamentsaufgaben teils erfüllen und teils vorbereiten.
Ein derartiges Verfahren gegen alle anwesenden Mitglieder eines Beschlussgremiums wegen eines dort gefassten Beschlusses, wie hier gegen die Mitglieder der SPD-Fraktion, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben. Der Grund ist einfach: Dem steht die Indemnität entgegen. Zur Begründung und zur Plausibilität des Antrages der Staatsanwaltschaft hätte diese auf die Indemnität eingehen müssen. Sie hat diesen Gedanken nicht einmal erwähnt. Der Indemnitätsschutz muss selbstverständlich auch in Bezug auf die Herren Dankert und Schlotmann zutreffen, denn sie haben sich an der Abstimmung in der Fraktion auch selbst beteiligt. Auch in Bezug auf Dankert und Schlotmann ist über die Indemnität kein Wort verloren worden.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, auch wenn man also vom Indemnitätsschutz absieht, ist nicht ersichtlich, wie diese Zeitungsanzeigen weiter Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Prüfungen sein sollten. Die Vorwürfe richten sich auf vorsätzliche Veruntreuung von Fraktionsgeldern zugunsten von Parteien und deren Aufgaben. Ich habe einige der zu prüfenden Fragen angesprochen, sie sind bedauerlicherweise in den sehr knappen Anträgen der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht angesprochen worden.
Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass zur Kontrolle von Ausgaben öffentlicher Mittel in Bund und Ländern die Rechnungshöfe zuständig sind. Der Landesrechnungshof prüft auch jährlich unsere Abrechnungen. Dabei werden die Ausgabenposten der Fraktionen geprüft und da auch der Posten für Öffentlichkeitsarbeit.
Landtag und Fraktionen werden also auf ihr Ausgabengebaren hin überprüft. Dies ist das Verfahren, das für alle Ausgaben öffentlicher Mittel vorgesehen ist. Wie dargelegt sind schon immer bestimmte politische Äußerungen und bestimmte Beschlussverfahren von der strafrechtlichen Überprüfung und Verantwortung ausgenommen. Dies habe ich schon dargelegt.
Selbstverständlich haben Parlamente und Fraktionen die Pflicht, die ihnen zufließenden öffentlichen Mittel zweckentsprechend zu verwenden. Daran besteht kein Zweifel. Andererseits müssen wir den erforderlichen Freiraum in der Massenmediengesellschaft für öffentliche Darstellung und zum öffentlichen Diskurs beanspruchen. Hierzu müssen auch die Parlamente sich selbst und ihre Arbeit beschreiben und definieren. In der gewaltenteilenden Demokratie sind sie eine Gewalt neben der Verwaltung und der Justiz. Nur in einem transparenten Dialog zwischen den Gewalten können die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten austariert werden.
Ich komme zum Schluss auf den Ausgangspunkt meiner Ausführungen zurück. Ich hatte davon gesprochen, dass unsere heutigen Beschlüsse im vorhergehenden Tagesordnungspunkt einen Vorlauf hatten. Wir haben die
Rechtserörterungen, die ich hier vorgetragen habe, in einem offiziellen Verfahren mit der Staatsanwaltschaft gesucht. Das wäre der Weg gewesen, auf dem Verfassungsorgane miteinander umzugehen haben. Nun waren wir gezwungen, übereinander zu reden und nicht miteinander, wie es sonst in nicht einfachen Ermittlungsverfahren üblich ist.
Eine Staatsanwaltschaft, die die Auffassung vertritt, als Angehörige der SPD-Fraktion den Ministerpräsidenten, zwei weitere Minister und 15 weitere Mitglieder der SPDFraktion auf die Anklagebank zitieren zu müssen, verändert damit zunächst das Arbeitsklima im Landtag.
Ferner verändert sie damit den öffentlichen politischen Diskurs, weil damit in unserer Massenmediengesellschaft Vorverurteilungen schon eine fast normale Folge sind. Gerade auch hiervor soll der Indemnitätsschutz, schon vor Einsetzen von Ermittlungen, bei Beschlüssen schützen.
Wenn dieser Vorgang in der Bundesrepublik bisher einmalig ist, mögen ja die Staatsanwaltschaft und der die Aufsicht führende Justizminister die Auffassung vertreten, sie müssten auch tapfer Neuland betreten. Das sei ihnen auch unbenommen. Dies beginnt aber nicht mit zwei kargen Schreiben – ich müsste sie eigentlich hier zeigen, eine halbe Seite das eine Schreiben –, die keine Begründung enthalten, und auch nicht zusätzlich dadurch, dass man sich dem Gespräch verweigert. Wer in einem solchen Fall glaubt, Neuland betreten zu müssen, muss sich auf der Seite der herrschenden Lehre befinden und sich nicht, wie jetzt wohl versucht wird, notdürftig auf einige abweichende Literaturstellen stützen, die in der Jurisprudenz immer zu finden sind.
Denn, meine Damen und Herren, Recht muss berechenbar bleiben.
Wer aber glaubt, Neuland betreten zu müssen, und einen Überraschungscoup landen will, der muss sich sagen lassen, dass das Gebiet des Parlamentsrechts zwischen zwei Verfassungsorganen kein Experimentierfeld ist
und Fraktionen vor Gericht keine Versuchskaninchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer über diesen Vorgang noch mehr nachdenken möchte, den bitte ich sich vorzustellen, dass dies bei fast gleichen Rechtsvorschriften auf Bundesebene etwa 250 bis 280 Abgeordnete der SPD- oder CDU-Fraktion im Bundestag betroffen hätte.
Um mich weiterer Äußerungen zu enthalten, um nicht grob zu werden, muss ich es Ihnen überlassen, darüber
nachzudenken, wie man so etwas nennen würde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein altes Sprichwort: Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.
Aber wer redet, muss auch die Antwort abkönnen.
Zunächst zum Fall Pofalla: Das ist etwas völlig anderes. Es ging um die Ermittlung in Straftaten, die auch jeder andere Bürger machen kann. Es ging nicht um Ermittlungen über Fragen, die nur Abgeordnete betreffen können.
Und dann wurde so unzureichend zitiert und so unzureichend erörtert, als gäbe dieser Fall für Ihre Auffassung irgendetwas her. Sie hätten darstellen müssen, dass gerade dieser Fall für den Minister und für die Staatsanwaltschaft ein Skandal ersten Ranges war.
Der Minister konnte seinen Kopf nur retten, indem der Generalstaatsanwalt gehen musste. Wir können in diesem Fall noch einige Male hier reden. Dann kommt es darauf an, wer hier seinen Kopf verliert oder noch retten kann.
Ich habe mich in meiner Rede aufs Äußerste zurückgehalten. Ich habe nicht ein scharfes Wort genommen, aber Sie zwingen mich dazu.
Herr Minister, Sie begrüßen unseren Beschluss, Sie begrüßen unseren Beschluss, den wir hier beschließen wollen, den wir beabsichtigen zu beschließen zur Abwehr dessen, was die Staatsanwaltschaft tut, und reden über die Zukunft, wie dieser Beschluss wirken könnte. Und Sie sagen, wir wollen uns, die Staatsanwaltschaften wollen sich aus dem Geleitzug der anderen Länder nicht ausklinken. Das ist doch bereits geschehen!
Und Sie sind die Aufsichtsperson und nichts sonst! Das ist durch Ihr Ministerium gelaufen. Ich habe sämtliche Papiere, jedenfalls den Schriftwechsel mit dem Präsidenten verlangt. Da ist der Sichtvermerk des Ministeriums drauf. Und das, was wir meinen, steht in unserem Beschluss. Und das begrüßen Sie. Das ist nichts anderes als derzeitige Rechtslage. Und hätten Sie sich das zu Herzen genommen, was in unserem Beschluss steht, dann hätten Sie über die Ermittlungen stolpern müssen – ich sage noch nichts von Weisung erteilen, auf die Schiene möchten Sie mich gerne haben –, Sie hätten stolpern müssen, Sie hätten in der Behörde Erörterungen führen müssen, was den Beschluss der SPD-Fraktion anbetrifft, Sie hätten die Indemnität erörtern müssen. Und wenn Sie wollen, werden wir die Akten einsehen. Und jedes jetzige Gutachten und jede jetzige Prüfung zur Indemnität, das lässt sich identifizieren, ob das vor einem Jahr im Herbst geschehen ist. Das kann nicht geschehen sein, sonst hätte man diese Ermittlungen nicht führen können und wollen.
Sie sprechen über die Zukunft und begrüßen, dass der Landtag natürlich seine Öffentlichkeitsarbeit haben muss, sprechen über Abgrenzungsprobleme. Wo sind denn die Prüfungen über die Abgrenzungsprobleme?
Und ich sage noch einmal und ich verletzte damit kein Amtsgeheimnis, die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass sie gegen 16 Abgeordnete der SPD-Fraktion ermitteln will wegen vorsätzlicher Untreue, steht auf anderthalb Seiten, davon steht auf einer Seite Gesetzestext und der Rest ist ein bisschen Schilderung. Nichts von Begründung! Hierfür hatten wir Gesprächsbedarf und Sie haben dieses Gespräch verhindert.
Ich habe nicht zu Unrecht in meiner Rede ganz vorsichtig gesagt, man müsse überlegen, ob der Minister hiermit seine Pflicht verletzt hat. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und dazu nichts sagen, über die Vergangenheit und das, was geschehen ist, und über die Tatsache, dass dies ein einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik ist und des
halb dieses Land, die Staatsanwaltschaft mit ihrem Minister aus der Phalanx der übrigen 16 Länder bereits ausgeschieden ist, wenn Sie darüber kein Wort sagen, sondern für die Zukunft den Beschluss des Landtages begrüßen, dann weichen Sie aus. Sie stellen sich nicht dem, was Sie in den letzten zwölf Monaten in der Sache getan haben.
Und wenn Sie das nicht tun, wird der Landtag überlegen müssen, ob er Akteneinsicht nimmt und Ihnen nachweist, was Sie getan haben oder was Sie unterlassen haben. Sie haben rechtzeitig davon gewusst, Sie haben offensichtlich die notwendigen Überlegungen in der Staatsanwaltschaft nicht veranlasst und ich bin sicher, ein zweiter derartiger Fall würde sich hier in Schwerin nicht wiederholen. So lernfähig sind Sie, glaube ich, mit der Ihnen nachgeordneten Behörde.
Und noch eins zum Eingreifen: Herr Minister, ich verstehe ja, dass Sie Richter waren und dass Sie als Richter jetzt Minister sind und dass von daher die Denke des Richters: „Ich bin unabhängige Justiz“, in Ihrem Kopf so fest ist, dass Sie mir selbst gegenüber mal gesagt haben, in diesem Fall müssen Sie für die Unabhängigkeit der Justiz sorgen. Das ist schierer Unsinn. Die Staatsanwaltschaft ist nicht Justiz. Die Staatsanwaltschaft geht zu Gericht und stellt dort Anträge. Die Staatsanwaltschaft ist die Ihnen nachgeordnete Behörde, der gegenüber Sie Aufsichtspflichten haben. Und die haben Sie vernachlässigt
und damit haben Sie Ihre Pflichten missachtet.
Oder Sie kommen noch einmal ans Podium und sagen uns, wie die Staatsanwaltschaft und Sie und diese Regierung – Sie haben es heute noch in der Hand – uns in den Geleitzug der anderen Länder wieder einordnen wollen. Sie haben es heute noch in der Hand, dass uns dieses einmalige Verfahren in der Bundesrepublik nicht zum Gespött macht, was bei anderen leider Gottes schon geschehen ist.
Der Zuruf eben, Herr Minister, treten Sie zurück, den will ich nicht wiederholen. Den will ich nicht wiederholen.
Dieses Lachen des Ministers, er kann lachen, er kann strahlen, er kann sich als Strahlemännchen fühlen, die Bilder sind alle festgehalten, das kann er später nicht abstreiten. So was nennt man schlicht und ergreifend arrogant.
Ich bin bereit, das jederzeit und überall zu wiederholen.