Protocol of the Session on November 15, 2001

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 72. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Bevor wir in die Beratungen eintreten, gestatten Sie mir noch einige Hinweise:

Meine Damen und Herren! Nach Verlust der Mitgliedschaft der Abgeordneten Frau Kassner durch Verzicht nach Paragraph 46 Absatz 1 Landeswahlgesetz wurde als Listennachfolgerin die Abgeordnete Frau Karin Schmidt festgestellt. Ich begrüße Sie, Frau Schmidt, ganz herzlich in unserem Haus und wünsche Ihnen viel Erfolg und uns eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Im Rahmen der gestrigen Sitzung hatte der Abgeordnete Riemann nach der Abstimmung in der Sache eingeworfen – Sie erinnern sich sicher an den Tagesordnungspunkt 12 –, dass er Überweisung beantragt habe. Da bereits in der Sache abgestimmt war, habe ich die Abstimmung nicht wiederholt. Ich habe den Vorgang aber nochmals geprüft.

Zur Klarstellung weise ich darauf hin, dass Sie, Herr Riemann, gesagt haben: „Und, Frau Finanzministerin, wenn Sie den zweiten Teil unseres Antrages ablehnen, wie Sie das hier gerade getan haben, dann widersprechen Sie internationalen Erfahrungen. Und das sollten wir vielleicht, wenn Sie sich heute nicht zu einer Zustimmung durchringen können, auch noch mal im Finanzausschuss beraten.“ Und an einer anderen Stelle führten Sie aus: „Meine Damen und Herren, aus den vorgenannten Gründen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Und wenn Sie das dann nicht können, dann sollten wir wenigstens überweisen und mit Experten darüber diskutieren. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.“ So weit das Zitat.

Dies war kein konkreter Überweisungsantrag, den Sie auch nicht alternativ für den Fall einer Ablehnung hätten stellen können. Außerdem war der Antrag nicht auf die Überweisung in bestimmte Ausschüsse gerichtet und damit in jedem Fall auch unbestimmt. Um an dieser Stelle in Zukunft Unklarheiten zu vermeiden, bitte ich darum, dass konkrete und klar formulierte Überweisungsanträge gestellt werden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land, Drucksache 3/2396.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land – Drucksache 3/2396 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Baunach von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Baunach.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vizepräsidentin Holznagel hat uns gestern mit dem Hinweis auf ein wichtiges Fußballspiel und mit dem Hinweis, dass der „Rote“ kommen würde, verabschiedet. Ich kann für mich feststellen – und ich denke, einige von Ihnen auch: Beides war gut.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Minister Till Backhaus: Das Spiel war auch nicht schlecht.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gegenwärtige Bevölkerungsentwicklung in unserem Bundesland gibt uns Anlass zur Sorge. Für das vergangene Jahr registrierte das Statistische Landesamt 9.478 aus unserem Land weggezogene Menschen. Die Tendenz ist leider anhaltend. Diese Entwicklung beeinflusst alle gesellschaftlichen Bereiche.

Meine Damen und Herren! Es steht also die Frage, ob und in welcher Form die Politik auf diese Entwicklung reagieren und gegensteuern kann. So vielschichtig die Ursachen für die gegenwärtige demographische Entwicklung sind, so umfassend müssen mögliche Reaktionen darauf sein. Und es liegt auf der Hand, dass es gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen bedarf, um eine Wende in der sorgenvollen Bevölkerungsentwicklung einzuleiten. Klar ist auch, dass Parlament und Regierung gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen über die jeweiligen Einzelinteressen hinaus konzertiert zusammenwirken müssen. Es ist den besonderen Herausforderungen angemessen, deutlich darauf hinzuweisen, dass der klare Blick für die gemeinsame Problemlage nicht durch parteipolitische und ideologische Scheuklappen – auch angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes – eingeengt werden darf.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Dabei appelliere ich an alle Mitglieder dieses Hauses, sich sachlich und konstruktiv an der Debatte im Plenum, in den Ausschüssen und in der Öffentlichkeit zu beteiligen. Im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Tagesordnungspunkt 15 möchte ich nur bemerken: Natürlich brauchen unsere Menschen Perspektiven zum Leben, Arbeiten und Wohnen in unserem Land. Darauf ist doch unsere Arbeit als Volksvertreter und die Arbeit der Landesregierung ausgerichtet. Ich glaube aber, dass politische Schlagworte wie „Ausbluten“, „extremes Wegbrechen von Humankapital“ und „schicksalsgegeben“ hier überhaupt nicht angemessen sind.

Meine Damen und Herren! Es ist das Anliegen der Koalitionsfraktionen, mit dem vorliegenden Antrag die Fragen zur Bevölkerungsentwicklung parlamentarisch aufzugreifen und in den Fachausschüssen Ursachen und Wirkungen unter Einbeziehung von Sachverständigen zu analysieren und erforderliche Gegenmaßnahmen zu beraten. Dem Hohen Hause sollen am Ende Empfehlungen für notwendige Anpassungsmaßnahmen unterbreitet werden. Auch angesichts der heftigen öffentlichen Debatte zu diesem Thema gehe ich davon aus, dass sich das Parlament mit diesen wichtigen Fragen zügig und ausführlich beschäftigen wird.

Meine Damen und Herren! Der für die Landesentwicklung zuständige Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung wird für den erforderlichen parlamentarischen Koordinierungs- und Abstimmungsprozess verantwortlich sein und – das sage ich als Vorsitzender – das ist gut so.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. – Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Born von der CDUFraktion. Bitte sehr, Herr Born.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die demographische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern gehört zweifelsohne zu den dramatischsten Entwicklungen im Land überhaupt. Das ist ein Thema, das sich nicht für oberflächlichen tagespolitischen Schlagabtausch eignet. Was hier notwendig ist, ist eine sorgfältigste Analyse der Ursachen und Wirkungen dieser Entwicklung. Es müssen die Perspektiven, die sich daraus ergeben, aufgezeigt werden und es müssen Konsequenzen für das politische Handeln daraus gezogen werden. Um es ganz deutlich zu sagen: Das ist ein Thema, das sich nun wirklich nicht für Dampfplauderer eignet, sondern gründlichste wissenschaftliche Untersuchungen erfordert. Es ist ein Thema, das beim besten Willen nicht für normale Ausschussroutine, schon gar nicht im Bauausschuss,

(Barbara Borchardt, PDS: Und Landesentwicklung.)

geeignet ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Wenn das so ist, meine Damen und Herren, dass dieses Thema solche Bedeutung hat –

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich denke, wir haben immer schöp- ferisch unsere Arbeit gemacht.)

und ich werde Ihnen gleich sehr klar sagen, dass ich mich formal mit Ihrem Antrag auseinander setzen werde, denn eine inhaltliche Auseinandersetzung ist aufgrund der Dürftigkeit dieses Antrages nicht möglich,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, na, na!)

aber wir werden Ihnen nachher unsere Alternativen

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ihr Antrag ist doch mindestens genauso dürftig.)

beim nächsten Tagesordnungspunkt dazu aufzeigen –, dann kann man diesen Antrag der Koalitionsfraktionen nur als hochnotpeinlich bezeichnen. Dieser Antrag erreicht schon fast Holter-Niveau: Transparenz versprechen

(Barbara Borchardt, PDS: Na, na!)

und Nebelkerzen werfen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: So ist es.)

Warum, das will ich Ihnen anhand der Genesis dieses Antrages aufzeigen. Diesen in Windeseile zusammengeschusterten Antrag zur demographischen Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern gäbe es – und da können Sie sagen, was Sie wollen – nicht ohne die CDU in diesem Landtag. Nachdem nämlich der Fraktionsvorsitzende unserer Fraktion Eckhardt Rehberg in seiner Landtagsrede zum Haushalt im September die Einsetzung einer Enquetekommission zur demographischen Entwicklung öffentlich gefordert hatte, wurde den Fraktionsvorsitzenden von SPD und PDS das Angebot unterbreitet, gemeinsam mit der CDU-Fraktion einen interfraktionellen Einsetzungsantrag in den Landtag einzubringen.

(Volker Schlotmann, SPD: Einen Blankoscheck.)

Meine Damen und Herren! Sie hören ja hier immer wieder von den Koalitionsfraktionen wohlklingende Bekenntnisse. Der verehrte Kollege Baunach hat eben auch gesagt, dass es bestimmte Probleme gibt, wo man zusammenarbeiten muss, und hier bei einem solchen zentralen Thema im Vorfeld einer Antragstellung das Angebot der CDU-Fraktion, das Gespräch des Fraktionsvorsitzenden mit seinen Fraktionsvorsitzendenkollegen, um hier eine adäquate Verfahrensweise zu erarbeiten, die es ermöglicht, diesem Thema auch wirklich gerecht zu werden. Und man kann es kaum glauben, selbst bei einem solchen Thema wird der Vorschlag von der SPD-Fraktion abgelehnt mit der Begründung, dass eine sachgerechte Arbeit und Erfüllung des Auftrags, so ist die formale Begründung, bis zum Ende der Wahlperiode durch eine Enquetekommission nicht gewährleistet sei und nicht sicher sei – Hören Sie bitte einmal ganz genau hin! –, ob der nächste Landtag die Kommission wieder einsetzen würde. Also solch intensive Selbstzweifel, dass nicht mehr ausreichend Abgeordnete oder zumindest Anhänger der bisherigen Fraktionen im Landtag sitzen könnten, dass man eine solche sinnvolle Kommission wieder einsetzt, die verwundern schon sehr, umso mehr, wenn man weiß, dass im Haushaltsentwurf der Koalition vorgesehen ist, in der nächsten Legislaturperiode wieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, und zwar im Bereich des Wirtschaftsministers.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Das kann ich mir nur so erklären, dass Sie offensichtlich über Kenntnisse verfügen, die der Opposition bisher nicht zur Verfügung stehen,

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

vielleicht hängt das mit aktuellen Berichterstattungen zusammen, dass Sie jedenfalls davon ausgehen, dass Sie so gewirtschaftet haben, dass der nächste Landtag sich auf jeden Fall wieder einen Untersuchungsausschuss zulegen müsste. Das ist schon bezeichnend genug. Aber dass eine Enquetekommission nicht weiterarbeiten könnte, weil der nächste Landtag plötzlich zu dem Ergebnis kommt, das ist alles nicht mehr so wichtig, also das ist schon eine sehr merkwürdige Logik.

Als Reaktion auf den Vorstoß der CDU-Fraktion haben SPD und PDS nun den vom Kollegen Baunach hier kurz erläuterten Antrag eingebracht, dass der Landtag sich in seinen Ausschüssen und nicht in einer Enquetekommission mit der Frage der Bevölkerungsentwicklung befassen möge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu dem Zeitargument Enquetekommission. Andere haben offensichtlich hier längst begriffen, was erforderlich ist, selbst wenn man konzediert, dass in Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere unter dieser Koalition alles sehr viel länger dauert, dann muss man doch mindestens zur Kenntnis nehmen, dass der Deutsche Bundestag bereits im Dezember 1992 die Enquetekommission

(Sylvia Bretschneider, SPD: Haben Sie Ihre Rede vertauscht? Das ist erst im nächsten Punkt dran.)

„Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik“ konstituiert hat, die ihren ersten Zwischenbericht im Juni 1994 vorlegte.

Frau Kollegin Peters, es ist – ach nein, Frau Bretschneider, Entschuldigung – manchmal ganz gut, wenn man doch versucht zuzuhören,

(Sylvia Bretschneider, SPD: Ja, ich höre Ihnen zu.)

denn sonst könnten Sie diesen Zwischenruf kaum machen. Ich habe gesagt, dass ich inhaltlich auf diesen dürftigen Antrag nicht eingehen werde,

(Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: Sie haben ja auch inhaltlich nichts zu melden, weshalb sollten Sie auch darauf eingehen?!)