Linus Förster

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Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen aus der Enquete-Kommission, Parlamentarier hier unten im Saal und die Experten oben auf der Empore, liebe Berufsjugendliche der drei Fraktionen und solche, die es gerne sein wollen.
Ich begrüße Sie bewusst so, weil „Jugend“ ein relativer Begriff ist, je nachdem, welche Definition man zugrunde legen möchte.
Der Herr Präsident ist das beste Beispiel.
Die „Jugend“ ist eine wunderbare Zeit und als solche nicht nur in der Werbung ein Ideal. Sie wird nicht nur von unverbesserlichen Anti-Agern in den Fokus gerückt, sondern ist auch abhängig von Charakter, Weltanschauung und Lebensstil, so, dass manche Mitglieder in der Enquete das Gefühl hatten, dass diese, als die alten Hasen Obermeier und Wägemann im Finale dazugekommen sind, jugendlicher wurde, als zu Beginn, als manche Youngster der CSU dabei waren.
Aber wir diskutierten in der Jugend-Enquete nicht primär unser eigenes Lebensgefühl; denn auch für die „Jüngsten“, also Frau Scharf-Gerlspeck, für die jugendpolitischen Sprecher oder die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings gilt der Spruch von Salvadore Dali, der sagte – sinngemäß vom Vorsitzenden eben zitiert – „das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört“.
es tatsächlich ernst meint und bereit ist, Zeit und weitere Ressourcen einzubringen. Das gilt uns in diesem Haus.
Wenn wir Wahlenthaltung, Parteienverdrossenheit etc. nicht akzeptieren wollen, dann wird es Zeit, eine entsprechende Jugendpolitik zu betreiben. So wird von den Jugendlichen als positiv erachtet, was Möglichkeiten zur Identitätsfindung, zur Identitätsstärkung und zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung bietet. Das Credo professioneller Jugendarbeit heißt daher: „An den Problemen ansetzen, die Jugendliche haben, und nicht an denen, die sie machen.“
Wer mit Jugendlichen zusammenarbeiten will, muss daher den Aufwand erbringen, der zur Gewinnung von Vertrauen nötig ist. Hierbei ergibt sich ein bedenklicher Zusammenhang: Je problembeladener und prekärer die individuelle Lebenssituation eines Jugendlichen ist, umso weniger Grundvertrauen bringt die jeweilige Person mit, umso mehr Misstrauen und umso weniger Frustrationstoleranz. Umso mehr Vorleistung ist nötig, um das Vertrauen dieser Jugendlichen zu gewinnen. Ist der Zusammenhang von Vertrauensgewinnung und Erfolgswahrscheinlichkeit situativer Intervention erkannt, wird klar, weshalb in der Jugendarbeit feste Bezugspersonen so wichtig sind.
Welche politischen Konsequenzen ziehen wir daraus? Die modische Projektorientierung in der Förderpolitik darf nicht zulasten einer Grundförderung und ausreichenden Ausstattung mit Fachkräften gehen. Für Jugendpolitik braucht es einen langen Atem, keine spektakulären Schnellschüsse. Deshalb war es aus der Sicht der SPDFraktion auch eine Katastrophe, dass die Regierung Stoiber bei ihrer Kürzungsorgie 2004 die Jugendarbeit wie den Denkmalschutz behandelt hat
und dass das Doppelpack Beckstein/Huber das bis heute nicht zurückgenommen hat.
Haben Sie Mut, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, und legen Sie die der Jugendarbeit weggenommenen 5 Millionen Euro wieder drauf. Und dann gibt es auf dieser Basis in zwei Jahren ein neues Jugendprogramm, das seine neuen Schwerpunkte mit nochmals fünf Millionen zusätzlich ausstattet und endlich mit Schwung und nicht mit Gekleckere umsetzt.
Ein klarer Konsens in der Enquete bestand darin, dass wir es mit einer zentralen Aufgabe für die Zukunft unserer Gesellschaft zu tun haben: die soziale Integration für am Rande stehende Jugendliche zu erreichen; für Jugendliche, die am Rande stehen bei der Bildungsförderung, im Ausbildungsmarkt, im Arbeitsmarkt, sozial und ökonomisch oder weil sie einen schwierigen Migrationshintergrund haben. Wir müssen diese Aufgabe endlich mit aller Kraft jugendpolitisch angehen und lösen; denn die Alternative hören wir schon, sie lautet: eine Politik des Einsperrens, des Wegsperrens und des Abschiebens. Das wird aber nie Politik der SPD sein.
tung vor den Grundwerten der Gesellschaft, wie etwa den Menschenrechten. Hier sei in trüber Erinnerung an den gestrigen Tag und an die dort stattgefundene Debatte zum Versammlungsrecht auch gesagt: Jugendliche schätzen auch ihre demokratischen Freiheiten, wie etwa das Demonstrations- und Versammlungsrecht, wie wir in sehr vielen Petitionen feststellen konnten.
Auch in Sachen „Frieden“ haben wir bei Jugendlichen eine sehr positive Haltung ausmachen können.
Die Jugend ist auch politisch, geht aber auf Distanz zu den politischen Parteien und zu den Politikern, wie sie diese zumeist erleben – jugendfern und desinteressiert, außer in unmittelbaren Wahlkampfzeiten, in denen man doch irgendwohin eingeladen wird und man sich profilieren kann.
Jugendliche wählen heute andere Organisationsformen und artikulieren sich anders. Das Engagement ist mehr themenbezogen, problemlösungsorientiert und basisdemokratisch. Starre Strukturen, wie sie sie in den meisten Parteien – also auch in unserer Partei – finden, finden bei jungen Menschen nur bedingt Akzeptanz. So kommt beispielsweise die aktuell aufgelegte Shell-Jugendstudie zu dem Befund, dass die große Mehrheit junger Menschen die Politik als schmutziges Geschäft sieht, als langweilig und dröge, als etwas, das keinen Spaß verspricht und kaum zum Mitmachen einlädt. Dies umso mehr, als aus der Warte der Jugendlichen Politik nicht als kompetent erachtet wird, wenn sie nicht in der Lage zu sein scheint, auf den ihnen wichtigen Problemfeldern – Arbeitslosigkeit, Umwelt, Drogen – wesentliche Reformen herbeizuführen. Wenn Politik aber die Kompetenz abgesprochen wird, Einfluss zu nehmen, ist es wiederum nicht verwunderlich, weshalb man sich nicht daran beteiligt.
Jugendliche können – genauer gesagt: dürfen – auch nicht unbedingt, selbst wenn man es wollte, wenn Sie an das Wahlalter denken. Und so denke ich, dass wir uns irgendwann in diesem Hohen Hause auch mit der Frage der Absenkung des Wahlalters beschäftigen sollten und müssten. Der Bayerische Jugendring schlägt eine Absenkung auf das Wahlalter 14 vor. Diese Empfehlung findet sich leider in den „Empfehlungen der Enquete“ nicht wieder. Vielleicht hätte das etwas Leben in die Diskussion gebracht. Aber das wollen wir hier nicht diskutieren.
Sehr verehrte Damen und Herren, Sie können sich aber sicher sein – richten Sie es den wenigen aus, die natürlich dieser Debatte fernbleiben –: Jugendliche sehen genau hin, wie Erwachsene mit ihnen umgehen, und haben ein feines Gespür dafür, ob sie einfach nur für politische Zwecke funktionalisiert werden sollen.
Symbolische Politik funktioniert bei Jugendlichen nicht, da die Jugendlichen Versprechen sehr genau auf ihre Ernsthaftigkeit hin prüfen und deren Einhaltung auch einfordern werden. Wer diese Versprechen nicht hält, erzeugt ein hohes Maß an Frustration und erhält oft keine zweite Chance mehr. Dann sind die Jugendlichen, wenn Sie so sagen wollen, beleidigt. Daraus folgt, dass nur derjenige dezidierte Jugendpolitik betreiben sollte, der
endlich durch eine auf Teilhabe und soziale Gerechtigkeit ausgerichtete Politik ausgeglichen werden muss.
In diesem Sinne ergänze ich mein Jugend-Fazit: „Jugendliche sind herbe cool, aber voll korrekt drauf!“ ganz ohne Jugend-Jargon im normalen SPD-Hochdeutsch mit: „Wenn man sie nur machen lässt und entsprechend fördert“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die JugendEnquete-Kommission des Bayerischen Landtags tagte in einem Zeitraum von drei Jahren und zwölf Tagen, wie der Vorsitzende gesagt hat. Was haben wir denn da geschafft? Vor Ihnen liegt eine Parlamentsdrucksache mit 264 Seiten. Darin lese, wer des Lesens mächtig.
Aber was machen wir nun damit? Was tun wir mit all dem geballten Wissen, den Fakten und Daten?
Die beste Antwort darauf könnte unser Herr Julius Heigl geben – die gute Seele unserer Enquete-Kommission, dem ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für seine im wahrsten Sinn des Wortes unparteiische Begleitung der Jugend-Enquete-Kommission danken möchte.
Er würde mit Hinweis auf § 45 a der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags, in dem die Enquete-Kommission legitimiert und erklärt wird, unsere Arbeit verorten zur „Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten“.
In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben natürlich die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission an den Bayerischen Landtag eine ganz besondere Bedeutung. Hier sei der kritische Einwurf erlaubt, ohne leugnen zu wollen, dass wir nach über drei Jahren und vor allem mit dem drohenden Ende der Legislaturperiode vor Augen einen schnellen Schlusspunkt setzen mussten, dass wir zur Beratung der Empfehlungen nur sechs Wochen Zeit hatten. Sechs Wochen von drei Jahren, zwölf Tagen, das sind gerade mal 3,7 % unserer Zeit. Das ist eindeutig zu wenig Zeit, um so umfangreiche Ergebnisse zu diskutieren, Schlüsse zu ziehen und zu beraten, welche Handlungen vonnöten wären, welche Aktionen anstehen sollten.
Auch wenn wir den gewissermaßen deskriptiven Teil, die Daten und Fakten sowie die Beantwortung der Fragen, weitgehend konsensfähig erarbeitet und formuliert haben, so war doch klar, dass wir in der Interpretation derselben und vor allem hinsichtlich Lösungsmöglichkeiten auseinanderliegen würden.
Wir fordern eine aktive, gestaltende und Geld investierende Jugendpolitik. Dazu muss natürlich die Jugendarbeit in der Breite ausgebaut werden und braucht es flächendeckend Projekte der präventiven und mobilen Jugendarbeit, Streetwork und Integrationsprojekte. Hier wurde in den letzten Jahren vieles gestrichen oder gekürzt. Wir brauchen eine Jugendsozialarbeit in und außerhalb der Schulen, rhythmisierte Ganztagsschulen, eine individuelle Förderung für jedes Kind und für Jugendliche in besonderen Problemlagen. Wir brauchen eine konkrete Unterstützung für die gesellschaftlichen Organisationen, die echte Integrationsleistungen für das Zusammenleben der Menschen unterschiedlichster Herkunft erbringen.
Wir haben im Rahmen der „Enquete vor Ort“ – als wir hinausgefahren sind, um vor Ort Jugendliche in ihren Lebenswelten zu treffen, etwa in Regensburg und Augsburg – sehr wohl wunderbare Beispiele erlebt, wie man richtig fördert, wie man Defizite beseitigen und Präventionsarbeit leisten kann.
Wenn wir in der nächsten Legislaturperiode über Bildung, über die Rolle und die Erfolge von Sprachförderung, über Integrations- und Förderprojekte sprechen werden, dann habe ich die Bilder von sogenannten Benachteiligten im Kopf, die in entsprechenden Maßnahmen und Projekten der präventiven und mobilen Jugendarbeit rappen, singen und tanzen, die von Streetworkern individuell betreut werden, die scheinbar ganz nebenbei Verantwortung übernehmen und Disziplin entwickeln, die alle möglichen sogenannten Sekundartugenden an den Tag legen, die ihnen einige Zeit vorher keiner zugetraut hätte.
Für eine erfolgreiche Jugendpolitik empfiehlt sich ein Umdenken: Anstatt Jugendliche als Störfälle und Verursacher von Problemfällen zu sehen, ist es erforderlich, deren Ressourcen, Fähigkeiten und Stärken zu betrachten und an diesen anzusetzen. Diese jungen Menschen sind eben nicht unwillig. Sie brauchen aber frühzeitig die richtige individuelle Unterstützung, dann nehmen sie auch gerne ihre mögliche Rolle in der Gesellschaft wahr.
Wir dürfen und sollten die Jugend nicht romantisch verklären. Aber wir haben es heute auch nicht mehr mit einer „Null-Bock-Generation“ zu tun. Wir müssen heute – im Sinne der Shell-Jugendstudie – von einer „pragmatischen Generation“ sprechen. Pragmatisch ist diese junge Generation letztlich aber nicht aus Jux und Tollerei oder guter Laune, sondern weil junge Menschen Pragmatismus als Notwendigkeit erkennen, um in einer Welt einen Platz zu erobern, deren Möglichkeiten unbegrenzt erscheinen; Möglichkeiten aber, die sich für viele Jugendliche schnell als äußert eingeschränkt erweisen, sei es der Zugang zu guten Bildungsabschlüssen oder zum Arbeitsmarkt, seien es finanzielle oder politische Teilhabechancen.
Deshalb legt die SPD-Fraktion einen sehr großen Wert darauf, deutlich zu machen, dass die sozio-ökonomischen Benachteiligungen, von denen das Leben vieler junger Menschen gekennzeichnet ist, auch in Bayern
und kommen zu anderen Bewertungen und damit auch anderen Rückschlüssen.
So war es für uns wahrlich ein Graus – ich muss das so sagen –, dass beim Kapitel D Jugend und Bildung deskriptiv und in dieser finalen Hektik weitgehend aus Schriften des Bildungsministeriums zitiert werden musste. Deshalb distanziert sich die SPD von den bildungspolitischen Darstellungen, soweit sie die Situation an Schulen in Bayern einseitig aus Sicht der Staatsregierung beschreiben.
Dass der Themenbereich Bildung nicht zuletzt bei den Empfehlungen zu einem Eklat hätte führen können, wurde durch heftigste Verhandlungen, durch eine sehr diplomatische Hand des Schreibers des Kapitels und nicht zuletzt auch durch das gut geführte Händchen unseres Vorsitzenden verhindert. Ich meine das nicht ironisch. Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich die Leistung von Sepp Zellmeier in der Führung der Jugend-EnqueteKommission betonen. Unter seiner Leitung machte es richtig Spaß, zu arbeiten.
Mein Dank gilt nicht nur ihm, sondern auch den neuen Kolleginnen und Kollegen im zweiten finalen Teil. Ich glaube, in vielen Fällen konnten wir Parteigrenzen ein bisschen verwischen in der Erarbeitung von Fakten und bei der Erarbeitung von Kompromissen. Auch die Experten haben unter mal ein bisschen mehr und mal ein bisschen weniger Augenrollen dazu beigetragen, zu Kompromissen zu finden.
Nur, wie gesagt, beim Kapitel D hat das nicht richtig geklappt, aus meiner Sicht vor allem auch durch den zunehmenden Versuch der Ministerien, auf die Arbeit der Enquete-Kommission Einfluss zu nehmen, insbesondere in der Schlussphase. Ich empfand das eindeutig als massiv – in Klammern mit Blick auf die Tribüne gesagt: Wir verstehen uns –, zumal ich das Gefühl hatte, dass das oftmals zum Ziel hatte, Dinge zu beschönigen, wo klare, bisweilen auch unangenehme Analysen angesagt waren. Eine saubere Trennung von Legislative und Exekutive war für mich nicht gegeben. Die Experten auf der Tribüne werden auch hierzu die Augen rollen, weil ich diesen Hinweis öfter gebracht habe. Die Enquete-Kommission ist ein Instrument der Legislative zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten – Herr Heigl lässt grüßen – und keine Spielwiese für die Exekutive.
Das wäre genauso, als würde der Minister für Bildung, Jugend und Sport oder sein Staatssekretär sich an dieses Rednerpult stellen und uns Parlamentariern sagen, wie
Gott sei Dank, das macht ja auch die Parteienlandschaft irgendwo interessant.
Klar, die Handlungsempfehlungen wurden von unseren Experten teilweise in knochenharter und schweißtreibender Arbeit sowie in schlaflosen Nächten erarbeitet.
Ihnen sei an dieser Stelle noch einmal ganz, ganz herzlich gedankt.
Aber es bleibt unbestritten, dass wir schon noch mehr hätten leisten können, wenn wir für diesen Part mehr Zeit gehabt hätten.
Als äußerst unglücklich empfand ich es auch, dass in den sechs finalen Wochen auch noch die Beratungen zum Bildungskapitel anstanden. Ahnend, welch schreckliches Hauen und Stechen uns bei der Behandlung von bildungspolitischen Themen bevorstehen würde, wollten die jugendpolitischen Sprecher im Vorfeld der EnqueteKommission, also Bernd Sibler, Thomas Mütze und ich, dieses Thema gerne ausklammern.
Aber darum kommen Sie natürlich nicht herum. Wenn Sie den ungeheuer wichtigen außerschulischen Bildungsauftrag der Jugendverbände oder die Zeit, die junge Menschen angesichts notwendiger Ganztagsschulen mit der Freizeitgestaltung verbringen, streifen wollen, dann kommen Sie immer auf das Thema Bildung zu sprechen,
Bildung als elementarer Inhalt, als grundlegend prägendes Element im Leben eines jungen Menschen.
Aber – der Vorsitzende hat es gesagt – wir haben uns auf die jugendpolitischen Themen konzentriert,
Trotzdem haben wir von der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag frühzeitig darauf hingewiesen, dass hier die parteipolitischen Unterschiede so gravierend sind, dass Darstellungen im Konsens nicht möglich sind. Natürlich können wir die Darstellung des Status quo in Bayern nicht leugnen, wollen es auch nicht. Aber wir sehen natürlich manche Fakten in einem anderen Licht
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich in meinem Redebeitrag vor allem auf die Petitionen eingehe, die die Falken, die Stadtjugendringe Augsburg und Regensburg – denn Kollege Obermeier hat hier auch den Stadtjugendring Regensburg als positives Beispiel besonders hervorgehoben –, der BDKJ und als Dachorganisation der Bayerischen Jugendverbände der Bayerische Jugendring formuliert haben. Diese Organisationen haben ihre Petitionen im Namen der bayerischen Jugendverbände an uns adressiert. Gestatten Sie mir, dass ich darauf eingehe, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um Massenpetitionen handelt, die von irgendjemand initiiert oder gar vorgeschrieben wurden, sondern dass es sich hierbei, wie der Herr Kollege Obermeier selber angemerkt hat, um fundierte Beiträge zu einer Gesetzesinitiative handelt, die sich „Versammlungsgesetz“ nennt.
Ich möchte versuchen, in deren Sinne, aber auch ein wenig aus Sicht der SPD-Fraktion im Bayerischen Land
Das Gesetz ist stark verbesserungsbedürftig. Wir haben in unseren Änderungsanträgen auch die Bedenken aus der Jugendarbeit aufgenommen. Ohne diese Änderungen ist das Gesetz nicht zustimmungsfähig.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Oktober 2007 wird sicherlich als ein wichtiger Monat in die Annalen der Europäischen Union eingehen, denn zwei wegweisende Entscheidungen prägten diesen Monat. Erstens. Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich – nach jahrelangem, zähem Ringen – in Lissabon erwartungsgemäß auf einen Reformvertrag geeinigt.
Zweitens. Ministerpräsident Beckstein hat für Dr. Markus Söder für alle etwas unerwartet das Amt des Bayerischen Europaministers gefunden.
Die historische Wahrheit gebietet es an dieser Stelle, darauf hinzuweisen, dass zuerst Dr. Söder Minister wurde und erst danach der Vertrag von Lissabon vereinbart wurde, und zwar in seinem Beisein!
Respekt, Herr Minister Söder! Was Ihren ebenso kundigen wie langjährigen Vorgängern im Amt – Bocklet, Sinner, Frau Professor Männle und Müller – verwehrt blieb, wurde bereits am dritten Tag Ihrer Amtszeit geschafft: Europa aus der Krise zu führen.
Kein Wunder, dass Sie sich dann selbst zum „Bayerischen Außenminister“ erhöht haben. Sie befördern sich somit in die Reihe der tatsächlichen bayerischen Außenminister Graf Montgelas, Ludwig Freiherr von der Pfordten oder Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das von Ihnen benannte Thema dieser Aktuellen Stunde lautet „Regierungskonferenz – Europas Reform im Interesse Bayerns nutzen“. Als ich aber gestern Abend die Vorabmeldung
der Deutschen Presse-Agentur zu unserer heutigen Plenarsitzung las, war ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob es Ihnen wirklich um Bayerns Nutzen geht; denn dort steht unter der Überschrift „Landtag diskutiert Türkei“ Folgendes – ich zitiere –:
Nach den Spannungen an der türkisch-irakischen Grenze will Europaminister Söder den Widerstand der CSU gegen einen EU-Beitritt des Landes bekräftigen.
Ich hoffe, das ist ein Irrtum gewesen und Sie wollen heute den Landtag unter dem anderen Thema nicht zur Bühne der altbekannten Propaganda machen; dann hätten Sie den neuen EU-Reformvertrag nämlich gründlich missverstanden. Denn auch nach der Vertragsreform entscheidet über einen Beitritt der Türkei oder einen sofortigen Stopp der Beitrittsverhandlungen noch immer nicht der Bayerische Landtag.
Damit wir uns an dieser Stelle nicht falsch verstehen: Auch wir Sozialdemokraten befürworten den Beitritt dieser Türkei, wie sie sich heute darstellt, nicht. Aber der Beitritt der Türkei steht aus unserer Sicht in absehbarer Zeit auch nicht auf der Tagesordnung. Deswegen nun zurück zum Thema dieser Aktuellen Stunde, der EU-Regierungskonferenz. Auch wir Sozialdemokraten haben das Ergebnis von Lissabon mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen. Ich glaube, es wurde ein Durchbruch erreicht. Der Stillstand, der aus der Verfassungskrise nach zwei gescheiterten Referenden entstanden ist, kann damit überwunden werden. Die EU kann handlungsfähiger, demokratischer, transparenter und nicht zuletzt bürgernäher als bisher werden.
Wir begrüßen – da kann ich mich wunderbar meiner Vorrednerin Frau Professor Männle anschließen – auch die großen Neuerungen wie die Mehrheitsentscheidungen, die Schaffung eines Amtes eines gewählten EU-Präsidenten und eines Quasi-Außenministers, die Stärkung des Europäischen Parlaments, die Rechtsverbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta und die Einführung eines Bürgerbegehrens. Das alles kann helfen, Europa voranzubringen und vor allem Europa seinen Bürgerinnen und Bürgern nahezubringen.
Als bayerische SPD-Landespolitiker begrüßen wir ebenso wie die CSU wesentliche Fortschritte für die Regionen und Kommunen, aber vor allem auch die Stärkung der nationalen Parlamente, die Aufwertung und Stärkung des Ausschusses der Regionen, die Verbesserung der Kompetenzabgrenzungen, aber da brauche ich die Aussage meiner Vorrednerin nicht zu wiederholen.
Ich möchte zwei Dinge – aus Zeitgründen vielleicht noch pointierter – herausarbeiten: die Subsidiarität und das kommunale Selbstverwaltungsrecht. Denn es geht hier auch darum, welchen Nutzen wir daraus für Bayern ziehen.
Der neue Reformvertrag mit seinen Bestimmungen zur Subsidiaritätskontrolle, den Klagemöglichkeiten vor dem EuGH und einer klaren Kompetenzabgrenzung bietet für
ein Land wie Bayern bessere Möglichkeiten der Mitgestaltung und damit auch eine Chance, um die Akzeptanz der EU bei den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und den Kommunen wieder zu erhöhen. Damit rückt – um es in Anspielung an Worte unseres ehemaligen Ministerpräsidenten zu sagen – Brüssel näher an Bayern heran.
Die nun erweiterte Einspruchsfristverlängerung beim Frühwarnsystem von sechs auf acht Wochen sollte es aber dann auch der Bayerischen Staatsregierung möglich machen, ihren Gesetzgeber einzubeziehen, statt wie bislang oft ohne die entsprechende Rückkoppelung mit dem Gesetzgeber zu agieren. Denn für das Setzen der Regeln ist bei uns in Bayern immer noch der Bayerische Landtag und nicht die Staatsregierung zuständig.
Frau Professor Männle hat auch gefordert, dass wir hier als Parlament diese Chancen nutzen und die Sache an uns heranziehen. Deswegen fordern wir, dass wichtige europapolitische Entscheidungen nicht nur von der Staatsregierung, dem Ministerpräsidenten und einem Küchenkabinett getroffen werden, sondern in die entsprechenden parlamentarischen Gremien kommen, dort beraten und entschieden werden, auch wenn die Gefahr besteht, dass wir mit Unmengen von Papier zugemüllt werden, wie Sie, Frau Professor Männle, gesagt haben. Aber dann werden wir halt im Ausschuss noch ein bisschen länger tagen müssen.
Neu ist weiter die Tatsache, dass die Subsidiaritätskontrolle auf die lokale Ebene ausgeweitet wird. Das ist für mich ein ganz entscheidender Fortschritt; denn wenn wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger für Europa gewinnen wollen, müssen wir der Ebene, die ihnen am nächsten ist, ein größeres Mitspracherecht geben. Dies wird mit dem Reformvertrag gewährleistet.
Das führt mich nahtlos zur kommunalen Selbstverwaltung – zugegeben, das ist keine bayerische Besonderheit. Aber kommunale Selbstverwaltungen sind innerhalb der EU eine Besonderheit, die es nur in Deutschland, Österreich und Südtirol gibt. Daher verstehen auch viele ausländische Nachbarn unsere Sorge um die kommunale Daseinsvorsorge nicht, weil sie die Daseinsvorsorge anders regeln. Aber bei uns ist die Sorge der Bürgerinnen und Bürger groß, wenn es um die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung und der Stromversorgung geht.
In einem Zusatzprotokoll zur Daseinsvorsorge ist festgehalten, dass die Städte und Gemeinden bei der Ausgestaltung und Organisation von Leistungen der Daseinsvorsorge mehr Freiheiten haben. Außerdem wird die kommunale Selbstverwaltung im Reformvertrag ausdrücklich verankert. Das stärkt die Rechtsposition der Städte und Gemeinden und ihrer kommunalen Unternehmen.
Wenn nun also die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof diese Vorgaben nach europäischem Primärrecht beachten müssen, muss das auch heißen, dass zum Beispiel die kommunale Zusammenarbeit nicht durch die
Ausweitung des Europäischen Vergaberechts verhindert werden darf.
Problematisch bleibt für mich der Passus, dass Brüssel ermächtigt wird, Näheres zur Daseinsvorsorge in einer Verordnung zu regeln. Die auf der kommunalen Ebene gewonnene Organisation, die Entscheidungsfreiheit darf auf diese Weise nicht wieder eingeengt werden. Hier ist hoffentlich das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Der Reformvertrag ist so weit gut, so weit es eben unter den gegebenen Umständen geht. Aber gerade hinsichtlich der Daseinsvorsorge sind noch viele Detailvereinbarungen offen. Hier müssen wir uns bedingungslos hinter die Interessen unserer bayerischen Kommunen stellen. Wir sind ihre Interessenvertreter, und wir haben diese Rolle wahrzunehmen.
Herr Minister Söder, daher meine Bitte: Machen Sie das auch Ihren Parteifreunden im Europäischen Parlament klar! Ich sage das nicht ohne Grund: Es gab leider in der Vergangenheit – zum Beispiel bei den Fragen Trinkwasser und Daseinsvorsorge – Fälle, in denen das Abstimmungsverhalten ihres CSU-Landesgruppensprechers und seiner Kollegen in Straßburg und Brüssel mit deren öffentlichen Bekundungen vor Ort in Bayern nicht deckungsgleich waren. Stellen Sie das ab!
Sorgen Sie dafür, dass Handeln in Brüssel und Reden in Bayern endlich übereinstimmen, bzw. klarer gesagt, dass in Brüssel so gehandelt wird, wie zu Hause in Bayern geredet wird.
Die Verhandlungen um die Daseinsvorsorge werden die Nagelprobe sein, ob Sie, Herr Minister, der Interessenwahrer der Kommunen sind – und nicht der Wirtschaft.
Wie gesagt, wir erkennen den Reformvertrag durchaus als Fortschritt an. Aber ich verhehle nicht, dass meine Freude eher verhalten ist. Gemessen an den Erwartungen, die mit dem Verfassungsprozess der letzten Jahre verbunden waren, hat es auch Rückschritte und Kompromisse gegeben, die ich natürlich bedauere. Keine Hymne, keine Flagge, keine Aufnahme der Grundrechtecharta, und auch bei einigen Sozialdemokraten wird sich die – bei Ihnen wahrscheinlich stärker vertretene – Frage des Gottesbezuges stellen.
Der Reformvertrag ist lediglich eine staubtrockene, nüchterne Regelsammlung und verzichtet auf alles, was das Ziel befördern könnte, „Europa eine Seele“ zu geben, wie es Jacques Delors einmal gefordert hat.
Ich weiß, das sind Zugeständnisse an die zahlreichen Kritiker und Blockierer. Aber ich sehe darin auch eine Gefahr – oder zumindest ein Manko; denn wir sollten
nicht vergessen, dass Substanz und Symbolik in Europa eng verbunden sind, insbesondere wenn es das Ziel ist, die Bürgerinnen und Bürger auch emotional für die EU zu gewinnen; denn wir in Bayern haben zur Symbolik einen besonderen Bezug.
Mit der Streichung des Wortes „Verfassung“ geht für mich auch eine Vision für die Europäische Union verloren. Die Bezeichnung „Europäische Verfassung“ sollte eigentlich deutlich machen, dass die Europäische Union mehr ist als ein Binnenmarkt und eine Währungsunion.
Mit der Verbannung der Symbole aus dem Vertrag werden den Bürgerinnen und Bürgern wichtige Merkmale der Identifikation mit der Europäischen Union vorenthalten. Die EU wird landläufig als „Brüssel“ und als lebloses, bürokratisches Gebilde wahrgenommen werden, wenn wir dem nicht entgegensteuern. Aber ich meine, wir können hier durchaus noch etwas tun. Es ist uns Deutschen sicherlich unbenommen, die blaue EU-Flagge mit den zwölf gelben Sternen, die „Ode an die Freude“ als Hymne, den Euro als gemeinsame Währung usw. weiterhin und noch verstärkt als Zusammengehörigkeit und europäische Identität stiftende Symbole herauszustellen.
Ich fordere Sie, Herr Minister Söder, auf, dies im Kreis Ihrer Europaministerkollegen voranzutreiben. Dann können Sie vielleicht doch noch von einem bloßen Außen-Generalsekretär zu einem richtigen Europaminister werden.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehren Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN hat Ihre Redebeiträge thematisch aufgesplittet. Als Kollege Mütze nach vorne ging, dachte ich, er würde vielleicht als jugendpolitischer Sprecher das Wort ergreifen, da das Thema Drogen und Sucht auch uns in der JugendEnquete-Kommission des Bayerischen Landtags intensiv beschäftigt. Ich will damit aber nicht sagen, dass Drogen und Sucht jugendspezifische Themen sind. Das wäre ein falscher Rückschluss. Wir beschäftigen uns vor allem damit, weil man gegenüber den jungen Menschen eine besondere Verantwortung hat. Ich möchte als jugendpolitischer Sprecher aus dieser speziellen Sicht ein paar Dinge ergänzen, aber keine langen und umfassenden Ausführungen zum Thema illegale Drogen machen. Ich werde mich auch nicht zum Nikotin äußern; denn das Thema hatten wir bereits beim vorigen Tagesordnungspunkt behandelt. Ich werde mich weitestgehend auf das Thema Alkohol konzentrieren.
Ich möchte Ihnen einige Überschriften aus der heutigen Ausgabe meiner Heimatzeitung zitieren: „Immer mehr
Kinder saufen bis zum Exzess“. Diese Schlagzeilen kennen Sie auch – wahrscheinlich aus Ihren Heimatzeitungen oder dem Pressespiegel des Bayerischen Landtags. Die Schlagzeile steht heute im Zusammenhang mit der hier schon mehrfach erwähnten Tagung „Voll drauf – neue Formen jugendlichen Alkoholkonsums“ unter Führung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing, gestern in Berlin.
Während sich alle Zeitungen und Zeitschriften hier mit der Zunahme von Alkoholismus und von exzessivem Alkoholkonsum auseinandersetzen, hat mich eine Passage aus der Antwort der Staatsregierung in der Interpellation etwas irritiert. Ich zitiere: „Den Daten der bayerischen Jugendgesundheitsstudie 2005 zufolge ist der Trend regelmäßigen Alkoholkonsums für die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen … ebenfalls leicht rückläufig.“ – Also: Entwarnung, alles nicht so schlimm, die Artikel in der Tagespresse pure Übertreibung. Ja und Nein sage ich an dieser Stelle.
Zunächst müssen wir uns einig werden, worüber wir sprechen. Ich beziehe mich auf die Jugendgesundheitsstudie 2005; wir haben sie, Herr Kollege Mütze, in der JugendEnquete-Kommission behandelt. Ich halte die Antwort der Staatsregierung auf die in der Interpellation gestellte Frage für verharmlosend. Denn was heißt denn „regelmäßiger Alkoholkonsum ist rückläufig“? Erfasst werden hier diejenigen, die mindestens einmal wöchentlich Alkohol trinken. Der bedenkliche Umstand, dass sich die Trinkgewohnheiten ändern, findet kaum Berücksichtigung – Stichwort: Komasaufen, Flatrate-Partys. Diese will und brauche ich nicht; darüber sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Ich brauche aber auch keine neuen Verbote, denn ich meine, ordnungsrechtlich ist das meiste richtig geregelt. Es ist aber eine Überwachung notwendig, damit die bestehenden Vorgaben eingehalten werden.
Den ordnungsrechtlichen Rahmen haben wir zwar, aber er wird zu wenig genutzt. Wie erklären Sie sich sonst, dass wir laut der Bundesstudie – Minister Bernhard hat es ebenso genannt – eine Verdoppelung der akuten Alkoholvergiftungen registriert haben, und zwar von 9500 auf 19 400, sich aber die Zahl der erfassten Verfahren gemäß § 27 Jugendschutzgesetz mit jährlich circa 200 in den letzten fünf Jahren kaum verändert hat? Im Jahre 2000 hatten wir 325 erfasste Fälle. Es ist scheinheilig, immer wieder nach einem solchen Vorfall nach verschärften Gesetzen zu rufen, aber die bestehenden rechtlichen Rahmen nicht entsprechend auszufüllen.
Fakt ist: 40 000 Jugendliche in Bayern leiden unter der Lebenssituation, die sie durch Alkoholabhängigkeit in der Familie erfahren müssen. Die Anzahl von Gewaltdelikten, die unter Alkoholeinfluss begangen werden, hat sich in den letzten zehn Jahren in absoluten Zahlen verdoppelt – so die Antwort. Dabei ist Alkohol längst nicht ein Problem der sozialen Unterschicht; vielmehr haben auch Jugendliche aus den Wohlstandsgruppen Rauscherfahrungen. Es ist wichtig, diese Tatsache als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen. Es ist kein Problem, das in der Disko oder in der Kneipe auftritt und dort
behoben werden muss und kann. Wir müssen vor allem präventiv und aufklärerisch wirken – zu Hause, in Jugendverbänden, Vereinen und der Schule. Ich denke, wir sind dabei vor allem in der Schule gefragt. Wenn ich Drogen in der Schule als Stichwort nenne, dann stelle ich fest: Sie haben in der Antwort zu der Interpellation auf Seite 49 ordnungspolitisch geprägte Ausführungen gemacht – der Minister hat es ja gesagt –: die Null-Toleranz-Variante. Wer kifft, dealt oder dergleichen, der fliegt. Für diejenigen, die dealen – auch ich bin dieser Meinung – ist das der richtige Weg; für diejenigen, die kiffen, halte ich es aber für den falschen Weg. Für die Kiffer brauchen wir Hilfestellungen durch die für die Schule Verantwortlichen.
Wie ist es im Unterricht? – Lediglich in der Realschule wird das Thema in Sozialkunde behandelt. Im Lehrplan für das Gymnasium hat man das für das Fach Sozialkunde wohl schon aufgegeben. Im Gymnasium und der Hauptschule ist das Thema aus gesellschaftlicher Sicht nicht relevant, sondern lediglich im Religionsunterricht ein Thema, vielleicht deswegen, weil der CSU-Nachwuchs eher auf den Herrn Hochwürden hört als auf seine Lehrer.
Ein schöner Schlusssatz lautet so: Wir werden Sie mit den Ergebnissen der Jugend-Enquetekommission konfrontieren und dann auf Ihre Unterstützung hoffen; denn die Antwort auf die Flatrate-Generation kann man nicht mit Flatrate-Haushalten liefern.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, lassen Sie mich Ihnen, bevor ich mich sehr wohl kritisch mit Ihrer Regierungserklärung auseinandersetze, vorab ein Kompliment aussprechen.
Die Bayerische Staatsregierung schafft es immer wieder, Berlin den Weg zu weisen oder zuvorzukommen. Während die Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratspräsidentin erst morgen früh um 9 Uhr im Deutschen Bundestag ihre Regierungserklärung zur Europapolitik abgibt, tun Sie das 18 bzw. 19 Stunden vorher, damit Frau Merkel rechtzeitig weiß, was Frau Müller will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber ein klein wenig Essig in den Wein gießen. Sie, Frau Ministerin, haben sehr viel Wichtiges gesagt, aber wenig Neues, viel Altes, Bekanntes zu Altbekanntem. Warum es dazu aber eigens einer Regierungserklärung bedarf, entzieht sich meinem Verständnis. Vieles von dem, was Sie ausgeführt haben, fi ndet aber unsere volle Zustimmung. Ich verweise zum Beispiel auf Ihre Ausführungen zu den Anforderungen eines Verfassungsvertrages, zur Stärkung der nationalen Parlamente, zur Rolle der Regionen, zum Subsidiaritätsfrühwarnsystem, zur Stärkung des Ausschusses der Regionen, zur Ausführung der Entscheidungen mit qualifi zierter Mehrheit im Rat, zur Erfüllung der Beitrittskriterien und nicht zuletzt zur konsequenten Fortsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung usw. All das ist in diesem Hause aber schon x-mal und auch beinahe schon von jedem gesagt worden, auch von uns beiden, Frau Ministerin.
Ähnliches gilt für Ihre Ausführungen zu Bulgarien, Rumänien und der Türkei. Wenn Sie uns hier schon keine neuen Impulse präsentieren wollen, so ersparen Sie uns doch bitte die traditionellen Wiederholungen Ihrer altbekannten Forderung nach verschlossenen Türen für die Türkei und
die Debatte über Schutzklauseln und Sanktionen gegen die neuen Mitglieder Bulgarien und Rumänien.
Als hier vor einigen Wochen ein Dringlichkeitsantrag der CSU zu dieser Thematik behandelt wurde, haben sich einige von uns in der Fraktion noch gedacht, dass Sie an diesem Tag einfach Probleme hatten, ein gutes Thema für einen Dringlichkeitsantrag zu fi nden und deswegen dieses Thema gebracht haben. Da Sie nun aber schon wieder damit ankommen, haben wir das Gefühl, dass Sie sich partout weigern wollen, einige Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Der Modus für diese Fragen ist klar geregelt und auf dem Weg. Der Prozess des Monitorings läuft, die Verhandlungen laufen ergebnisoffen. Bayern kann anmahnen, muss es aber nicht. Mit Blick auf unseren Gast, den bulgarischen Generalkonsul, mit dem ich vor ein paar Tagen ein sehr interessantes Gespräch zu diesem Thema führen durfte, kann ich nur anmerken: Diese verbalen Attacken bringen uns nicht wirklich weiter,
weder hinsichtlich Bulgarien und Rumänien noch im Fall von Siemens noch im Fall der Türkei. Hierzu möchte ich anmerken, dass Ihr Parteikollege Ramsauer nach seinem Türkeibesuch ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass man die Verhandlungen unbedingt weiterführen soll und muss, weil sonst in der Türkei ein Rollback zugunsten der islamistischen Fundamentalisten und zum Schaden Europas drohen würde. Ich will mich hier aber nicht wiederholen – das ist alles in den Landtagsprotokollen längst nachzulesen. Ich will deswegen auch nicht weiter darauf eingehen.
Auffällig und bemerkenswert ist für mich an dieser Stelle aber, was Sie heute nicht gesagt haben:
kein Wort zur aktuell größten Gefahr für einen Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft; kein Wort zur gegenwärtig größten Gefährdung der EU durch die Androhungen eines polnischen Vetos. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie Klartext sprechen.
Da mich auch der Herr Ministerpräsident gerade sehr kritisch angesehen hat: Wir Bayern können das doch tun. Sie haben doch sonst auch keine Hemmungen, der Bundesregierung zu sagen, wo die Politik entlanggehen soll.
In diesem Fall geht es um eine klare Arbeitsteilung; denn ich meine, Sie müssen nicht so diplomatisch zurückhaltend sein wie die immerhin noch amtierende EU-Ratspräsidentin.
Und deshalb sage ich, um auf die Dramatik dieser Situation zurückzukommen: Wer wie die polnische Spitze
schwadroniert – Zitat – „Es ist wert, für die Quadratwurzel zu sterben“, redet aus meiner Sicht nicht nur absoluten Stuss, sondern handelt historisch unverantwortlich.
Diese Frage ist keine Kleinigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der frühere Präsident des Europaparlaments, Dr. Klaus Hänsch, hat gestern sinngemäß gesagt: Wenn die Reform an Polen scheitert – und die Gefahr ist gegenwärtig nicht gering –, dann droht ein Auseinanderfallen der EU. Das, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf einfach nicht passieren.
Ich komme nun zum Stichwort „Verfassungsprozess“ und zu einem weiteren Punkt, der mir sehr wichtig erscheint. Die Überarbeitung des Verfassungsvertrags, wie sie beispielsweise Sarkozy und Blair vorschreiben, darf in keinem Fall so aussehen, dass die Elemente des Vertrags, welche die soziale Dimension Europas defi nieren, unter den Tisch fallen. Wer einen solchen Versuch unternimmt, der wird nicht nur auf den hartnäckigsten Widerstand der Sozialdemokratie stoßen, sondern der hat nicht begriffen, dass damit jede Chance auf eine Akzeptanz des Vertrags in der Bevölkerung schwindet. Wir brauchen aber die Zustimmung der Bevölkerung mehr denn je, wenn wir die EU zukunftsfähig machen wollen. Deshalb hätte ich heute und hier zu dieser zentralen Frage gerne bayerische Impulse gehört und verspürt.
Wenn die Dinge, die Sie als die Parameter für das Soziale an Europa defi nieren und bei denen wir mit Ihnen übereinstimmen, ausreichen sollen, dann können wir uns für die Diskussion um das, was Sie in Ihrer Rede „Nizza plus“ genannt haben, auf einiges gefasst machen. Dieses Thema ist vom gleichen Charakter wie viele Politikfelder und europapolitisch relevante Fragen geprägt, die Sie angeschnitten haben: Sie verharren schon fast ein wenig im Allgemeinen, werden wenig konkret und scheinen sich damit zufriedenzugeben, hier eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen zum Besten zu geben, denen kaum einer – das muss ich dazusagen, auch wir nicht – widersprechen kann.
Sie hätten aber heute hier im Plenum in Ihrer Erklärung gerade für die Diskussion um das soziale Europa wirkliche Impulse für Europa geben können. Doch dafür, Frau Ministerin, hätten Sie über Ihren Schatten springen und auch solche Themen wie die Notwendigkeit einer europaweiten Mindestbesteuerung von Unternehmen und die dafür erforderliche Schaffung einer einheitlichen Bemessungs- und Erfassungsgrundlage diskutieren müssen.
Außerdem hätte mich interessiert, was Sie davon halten, dass zum Beispiel in Deutschland 2,5 Millionen Menschen für Löhne arbeiten, die nicht einmal ausreichen, um sich selbst und die eigene Familie über die Runden zu
bringen. In 20 der 27 Mitgliedstaaten der EU gibt es gesetzliche Mindestlöhne, auch in Staaten, die in den letzten 15 Jahren eine rasante ökonomische Entwicklung erlebt haben wie Irland oder Spanien oder sämtliche neuen EUStaaten. Aus den betroffenen Ländern sind uns so gut wie keine Stimmen bekannt, die dafür plädieren würden, diese Regelungen wieder abzuschaffen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, spricht nichts gegen die Einführung branchenbezogener Mindestlöhne im Sinne einer umfassenden Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auch in Deutschland.
Wenn wir eine EU mit Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit wollen – und das wollen wir –, dann brauchen wir einen fairen Wettbewerb in diesen Bereichen und nicht den Wettlauf um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen.
Leider gibt mir auch das, was Sie zum Thema „Klimaschutz, Energiepolitik und Nachhaltigkeit“ gesagt haben, nur wenig Anlass zu Euphorie. Dabei kann ich nicht abstreiten, dass die Dinge, die Sie in diesem Zusammenhang gesagt haben, oftmals richtig sind; aber hier von bayerischen Impulsen für Europa zu sprechen, kommt dem Versuch gleich, eine Mücke mit einem Elefanten zu vergleichen.
Dass Klimaschutz nur gemeinsam und multilateral gelingen kann und alle großen Akteure eingebunden werden müssen, wenn es gelingen soll, ein vernünftiges Nachfolgeprotokoll zum Kyoto-Protokoll zu verabschieden, weiß mittlerweile fast jedes Kind. Wir fragen uns an dieser Stelle, ob wir in Bayern wirklich alles dafür tun, um aktive Klimapolitik zu fördern und nachhaltig zu handeln. Nutzen wir in Bayern wirklich alle Ressourcen und Möglichkeiten, von denen wir hier eine größere Fülle haben als andere Bundesländer? – In meiner Heimatstadt Augsburg wird an der neuen Universität gerade ein neues Informatikgebäude mit einer riesigen Dachfl äche errichtet. Ich frage mich, warum man diese Dachfl äche nicht mit einer Solarthermieanlage ausstattet und so Heizkraft und Warmwasser eigenständig und regenerativ erzeugt. Warum legt die Staatsregierung kein Programm auf, das die Installation von Solarthermie- oder Photovoltaikanlagen auf allen Gebäuden des Freistaates zur Selbstversorgung und Netzeinspeisung vorsieht, die neu errichtet, grundlegend umgebaut oder saniert werden? Die SPD-Fraktion fordert dies schon seit Jahren, fordert ein energetisches Sanierungsprogramm der freistaatlichen Liegenschaften. Darauf haben in der vorangegangenen Aktuellen Stunde die Kollegen Frau Biedefeld und Wörner hingewiesen.
Glücklicherweise tut sich in Bayern einiges in Sachen Photovoltaik, Kraft-Wärme-Kopplung, Nutzung von Biomasse und Wasserkraft. Meistens bleiben die Impulse dafür aber privaten Initiativen überlassen und kommen nicht von der Staatsregierung. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass Klimaschutz nicht an den Grenzen aufhört. Warum fördert der Freistaat nicht in größerem Ausmaß grenzüberschreitende Projekte zum Klimaschutz von
Kommunen und Landkreisen? – Mir fällt spontan das Dreiländereck Westallgäu/Vorarlberg/Aargau rund um den Bodensee ein, das ich von einer Informationsreise, die ich zusammen mit dem Europaabgeordneten Wolfgang Kreissl-Dörfl er gemacht habe, kenne. Dort gibt es viele separate Projekte, deren Betreiber in der Fläche viel effi zienter und erfolgreicher arbeiten könnten. Damit würde es auch gelingen, grenzüberschreitend Wissen und Forschungsergebnisse zu nutzen, etwa aus dem Energieinstitut Vorarlberg in Dornbirn. Forschung und Entwicklung sind ohnehin der Schlüssel zur Entwicklung, von der Sie immer behaupten, dass Sie sie wollen, die Sie aber oft nur halbherzig unterstützen.
Frau Müller, Sie haben zu Recht gesagt, dass Forschung und Entwicklung zentral für die Zukunftschancen unserer Kinder sind. Warum fördern Sie dann nicht intensiver einen der besten Cluster, den wir in Bayern haben, nämlich die Umwelttechnologie?
Zukunftsfähige Forschung und Entwicklung gehen weit über das hinaus, was wir bisher im klassischen Sinn darunter verstehen. In Zukunft wird es immer wichtiger sein, die Entwicklung von Maschinen, Verfahren und Produktionsweisen zu forcieren, die weniger Energie verbrauchen. Wenn man alleine den Energieverbrauch zur Erzeugung von Lebensmitteln in Bayern betrachtet, dann stehen einem schnell die Haare zu Berge. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das zwar extrem ist, aber das ich bezeichnend fi nde: Eine Fabrik in Parsberg bei München stellt tiefgefrorene sogenannte Burritos her. Der eine oder andere von Ihnen kennt sie vielleicht aus mexikanischen Restaurants; es ist nicht die mexikanische Variante der Weißwurst, sondern es ist eine mexikanische Spezialität. Bis ein einziger dieser Burritos in die Verpackung gelangt, werden 60 Liter Wasser verbraucht. Die Fabrik stellt an einem Tag fast 500 000 Burritos her, verbraucht also mehr als sechs Milliarden Liter Wasser pro Jahr für die Herstellung eines Tiefkühlproduktes, das man sicherlich nicht dringend braucht, auch wenn es dem einen oder anderen sehr wohl schmecken mag. In den anderen Staaten wird mit einer enormen Geschwindigkeit und viel Mitteleinsatz geforscht und entwickelt, sodass wir unsererseits die Anstrengungen verstärken müssen, wenn wir nicht die Führungsstellung Bayerns verlieren wollen. Machen wir uns nichts vor: Wenn wir genau hinsehen, dann erkennen wir, dass wir sie in manchen Bereichen fast schon verloren haben. Beispielsweise haben deutsche Hersteller den weltweiten Trend hin zu Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfi lter und generell zu kraftstoffsparenden Modellen nicht früh genug erkannt,
regelrecht verschlafen.
Hier muss mit allen Mitteln geforscht, entwickelt und müssen Produkte zur Marktreife gebracht werden, auch um bayerische Arbeitsplätze zukunftssicher zu machen.
Energieeffi zienz und Energieverbrauch sind existenzielle Themen, bei denen es nicht ausreicht, einige unverbindliche Aussagen zu machen, wie wir sie heute schon in der Aktuellen Stunde gehört haben.
Wer sich mit dem Thema beschäftigt, wird feststellen, wie unsinnig und kontraproduktiv es ist, die öffentliche Daseinsvorsorge dem Markt uneingeschränkt zu öffnen, wie es leider einige EU-Abgeordnete aus den Reihen der Union wollen. Ich möchte positiv festhalten – man kann schließlich auch einmal die Gemeinsamkeiten betonen –, dass in diesem Hause Konsens darüber besteht, dass die Trinkwasserversorgung nicht privatisiert wird. Schauen Sie sich beispielsweise die Situation in London an; rein private Unternehmen investieren so gut wie nichts in die Infrastruktur. Die Folge ist, dass in London das Wasser knapp wird, wenn es zwei Wochen lang nicht regnet, auch deshalb, weil die Leitungen so porös sind, dass durchschnittlich 57 % des geförderten Trinkwassers versickern. Zum Vergleich: Hier in München gehen auf dem Weg zum Endkunden durchschnittlich 5,7 % verloren. Glücklicherweise ist die Statistik so, dass ich es leicht ausrechnen kann; das ist gerade einmal ein Zehntel der Menge, die in London verloren geht.
Bei Gas- und Stromleitungen sieht es nicht viel besser aus. Lassen wir also die Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge da, wo sie am besten aufgehoben ist: bei den Kommunen.
Aber die Staatsregierung und die CSU fokussieren sich lieber darauf – wie wir es heute zum Beispiel auch vom Kollegen Pschierer gehört haben –, immer wieder längere Restlaufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke mit der Begründung zu fordern, dass sie quasi CO2-neutral und deshalb wichtig für den Klimaschutz seien. Wer so etwas behauptet, möchte entweder die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht führen oder weiß es schlicht nicht besser. Das ist etwa so, wie wenn man in Bezug auf die Atomkraft sagen würde: Zigaretten sind ungefährlich, nur der Rauch macht uns krank.
Obwohl die Regierungserklärung viel enthielt, dem wir zustimmen können, hätten Sie, Frau Ministerin, der Regierungserklärung lieber einen anderen Titel geben sollen. Von dem, was Sie gesagt haben, war nichts falsch, aber ich habe die wesentlichen Impulse aus Bayern vermisst, zu denen Bayern wahrlich fähig wäre. Es waren allgemeinverbindliche Absichtserklärungen. Diese machen Europa nicht fl otter. Es zählt nur verbindliches, konkretes Handeln. Eine Rede und auch eine noch so lebendige Debatte bringen uns nicht weiter. Weiter kommen wir nur, wenn wir draußen politisch aktiv handeln.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Kollegin Schorer ganz richtig ausgeführt hat, haben wir gestern im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten einen Antrag beraten, der im letzten Plenum als Dringlichkeitsantrag eingebracht worden war. Aktueller Anlass war der 50. Jahrestag der Römischen Verträge, welche sie auf diese Art und Weise auch ein wenig feiern wollten.
Wir hätten diesem Antrag gestern zugestimmt, wäre da nicht der eine Satz gewesen: „Eine Mitgliedschaft der Türkei wird abgelehnt.“ Darauf, und anscheinend nur darauf, kam es Ihnen an. Der Rest war, wie Sie, Frau Professor Männle, ausgeführt haben, in gewisser Weise schöne Prosa, mit der Sie die EU und ein wenig auch die deutsche Ratspräsidentschaft loben wollten.
Ich falle auch noch darauf rein und sage: Wir brauchen eine symbolische Politik, und Prosa gehört dazu.
Gut, dann nehme ich das insoweit zurück. Herr Kollege Hoderlein hat es als Prosa zusammengefasst. Aber
ich falle darauf herein und sage noch: Wir brauchen ein wenig symbolische Politik, und Prosa kann auch mal positiv dazugehören. Ich hätte zugestimmt, hätten Sie den Satz mit der Türkei gestrichen.
Wenn Sie uns heute wieder einen Dringlichkeitsantrag mit solcher Prosa vorlegen werden, würde ich wahrscheinlich wieder auf Sie reinfallen und dies grundsätzlich unterstützen. Aber mir ist bewusst geworden, wohin Sie wollen. Denn wir alle wissen: Das Böse lauert immer und überall und vor allem im Osten und Südosten Europas.
Aber dann vermisse ich auch das konsequente Eintreten Ihrer Fraktion gegen das organisierte Verbrechen und Korruption in anderen Regionen.
Man hört, dass es auch in den Vorstandsetagen eines Münchner Weltunternehmens dergleichen geben soll.
Aber wir sind der Meinung: Lassen Sie uns lieber in die Ferne schauen.
Zur Sache. Mal ganz ehrlich: Ich kann nicht genau erkennen, welches konkrete Ziel Sie mit dem vorliegenden Antrag verfolgen und welche Forderungen Sie ganz konkret erheben wollen. Einerseits fordern Sie eine strengere Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen Bulgariens und Rumäniens gegenüber der EU. Aber, Frau Kollegin Schorer, wenn es diese Kontrolle nicht schon gäbe, dann würde es jetzt auch keinen Monitoring-Bericht der EUKommission geben, der die anderen Mitgliedstaaten der EU und die Öffentlichkeit darüber informiert, wie es um die Reformfortschritte in den beiden Staaten bestellt ist.
Andererseits fordern Sie – und in diesem Punkt sind wir absolut Ihrer Meinung –, dass die beiden neuen EU-Mitglieder bei ihren Anstrengungen nachdrücklich unterstützt werden sollen. Aber was jetzt? Wenn Sie im gleichen Atemzug schon wieder konkrete weitere Schutzmaßnahmen der EU gegen diese Staaten einfordern, machen Sie diese Argumentation aus meiner Sicht unglaubwürdig. Da müssen Sie sich schon entscheiden, was Sie nun wollen: Unterstützung oder Schutzmaßnahmen, und welche Sanktionen sollen es dann, bitte schön, sein? Da fehlen mir konkrete Vorschläge und Forderungen, und diese wären ganz nützlich, um darüber zu diskutieren.
Im Übrigen sollten Sie wissen, dass etwa im Bereich der Polizei und des Justizwesens bayerische Beamte in Bulgarien Unterstützungsarbeit leisten, wenn es um den Auf- und Ausbau moderner, transparenter und effizienter Strukturen geht. Das kann sich durchaus sehen lassen. Kollegin Schorer hat an ein paar Punkten auch ausdrücklich gelobt, wo erfolgreiche Maßnahmen durchgeführt werden.
Nichtsdestotrotz sind wir der Meinung, dass Versäumnisse angeprangert, nötigenfalls auch mit aller Härte und
Konsequenz sanktioniert werden müssen. Wenn Sie aber in Ihrer Rede von einer Verlangsamung reden oder in Ihrem Antrag so schön schreiben:
„Angesichts von Berichten über eine deutliche Verlangsamung der Reformanstrengungen in beiden Ländern nach dem Beitritt bekräftigt der Landtag seine Forderung nach der schnellstmöglichen Anwendung konkreter Schutzmaßnahmen nachdrücklich.“,
wüsste ich gerne, welche Berichte der EU an uns vorbeigegangen sind, ob Sie, Frau Ministerin, da eventuell weitere Erkenntnisse haben, die der Ausschussvorsitzende Runge und die Opposition nicht haben. Oder ich müsste mich doch fragen, ob Sie in der CSU-Fraktion Quellen aus zweiter Hand oder dem, was man vom Hörensagen mitbekommt, mehr glauben als dem offiziellen Monitoring-Bericht der EU-Kommission.
Ansonsten meine ich, dass es sicherlich besser wäre, erst den Bericht, der Ende Mai erscheinen wird, abzuwarten und dann auf der Basis von konkreten und verlässlichen Fakten über das weitere Vorgehen zu beraten und zu entscheiden.
Nun gut, ich glaube, dass Sie im Landtag und vielleicht auch als Signal an einige Wähler und Wählerinnen draußen im Bayernland einfach bemüht sind, das Thema „Hardliner der EU“ strategisch zu besetzen. Da lohnt sich dann eine saubere Doppelstrategie mit hier drohen, dort intensiv Hoffnung nähren und als Speerspitze für neue Erweiterungen, zum Beispiel in Richtung Kroatien – Kollege Kobler ist ganz aktiv in Bulgarien – zu wirken.
Ukraine, gutes Beispiel. Danke.
Erlauben Sie mir noch einen anderen Erklärungsansatz. Vielleicht liegt es zurzeit einfach am Wesen Ihrer Partei, wo alles im Fluss ist und jede Position gleich zweifach besetzt wird,
wie beispielsweise mit mehreren Parteivorsitzenden oder mehreren Meinungen.
Kommen wir noch einmal auf Ihren Dringlichkeitsantrag von gestern zurück, das ist ein gutes Beispiel. Gestern bestand die CSU im Bayerischen Landtag noch ausdrücklich auf dem Satz: „Eine Mitgliedschaft der Türkei wird abgelehnt.“ Punkt. Klipp und klar. Gleichzeitig verkündet Ihr Berliner Landesgruppenchef Ramsauer, dass
die Verhandlungen mit der Türkei unbedingt ergebnisoffen weiterzuführen sind
und dass jedes Zurückstoßen der Türkei nur den reformfeindlichen Kräften diene und mahnt zur Mäßigung. Ja, als ob er gewusst hätte, was die CSU im Bayerischen Landtag parallel macht.
Leider ist Schnappauf jetzt nicht mehr da, sonst könnte ich mich genauso, wie er es vorhin gemacht hat, an Sie wenden und sagen: Da müssen Sie sich schon einmal entscheiden, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, was Sie eigentlich wollen.
Hätten Sie es lieber bei der Prosa belassen, dann hätten wir großkoalitionär zugestimmt. Aber diesem Antrag können wir nicht zustimmen, denn er ist in unseren Augen ein Schaufensterantrag. Das Thema wird an gegebener Stelle mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit zu diskutieren sein.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag hat sich die CSU-Fraktion große Mühe gemacht, um die europapolitischen Forderungen aus bayerischer Sicht an die von beiden großen Parteien gemeinsam getragene Bundesregierung zu richten. Diese Mühe ist an sich lobenswert.
Aber lassen Sie mich einleitend dazu sagen: Im Sinne Ihrer fundamentalen, teilweise aus meiner Sicht fundamentalistischen Forderungen wäre es viel zielführender und erfolgversprechender gewesen, wenn Ihr Parteivor
sitzender Dr. Edmund Stoiber das Angebot von Bundeskanzler Schröder und Staatspräsident Chirac, Präsident der EU-Kommission zu werden, nicht abgelehnt hätte, sondern wenn er sich getraut hätte. Stellen Sie sich, meine Damen und Herren von der CSU, doch mal vor, wie die EU heute in Ihren CSU-Augen dastehen würde, wenn Edmund Stoiber an ihrer Spitze stünde und unseren Kontinent nach bayerischen Vorstellungen zu ordnen versuchte!
Was für eine verpasste Chance für Europa und für uns, aus Ihrem Antrag – Papier ist geduldig – kraftvolle Wirklichkeit werden zu lassen.
Der Vorsitzende Ihrer Partei ist ja auch nicht nach Berlin gegangen, wo er jetzt als Präsident des EU-Ministerrats während der kommenden deutschen EU-Präsidentschaft im Besonderen all das hätte durchsetzen können. Nun bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihre Forderungen auf Papier zu schreiben und sie zu Protokoll zu geben.
Lassen Sie uns also über Ihren Antrag reden. Ihr umfangreicher Forderungskatalog enthält auch aus unserer Sicht unbestreitbar viel Richtiges. Denn es stimmt: Wer viel aufzählt, was ihm europapolitisch in den Sinn kommt, wird naturgemäß auch einige Treffer landen. Auch wenn er mir teilweise so vorkommt, will ich Ihren Antrag nicht als „Bauchladen“ von Forderungen bezeichnen. Aber ein bisschen viel ist es schon, was Sie unseren Ministerinnen und Ministern in Berlin und insbesondere unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel da für ein halbes Jahr aufbürden. Das haben Sie auch selbst schon gesagt, Herr Kollege Zeller.
Ich meine: Weniger, das aber gescheit, wäre mehr gewesen. Aber vielleicht erwarten Sie gar nicht wirklich, dass alle Ihre Forderungen erfüllt werden. Vielleicht ist Ihr Forderungskatalog gar nicht an Berlin und Brüssel adressiert, sondern für den Hausgebrauch hier im Bayerischen Landtag bestimmt. Das wäre angesichts Ihrer Lage auch gar nicht ganz unverständlich; denn wer sich in der eigenen Fraktion über so nahe liegende Dinge wie die Ladenschlussöffnungszeiten in Bayern nicht einigen kann, schweift dann vielleicht lieber in die Ferne. Da können Sie sich vielleicht auch in Ihrer Fraktion einigen.
Ich meine, Sie verkennen ein wenig – das ist mein grundlegender Einwand –, dass eine EU-Ratspräsidentschaft nicht vorrangig dazu bestimmt und deswegen auch nicht dazu geeignet sein kann, eigene nationale und regionale Interessen besonders gut durchzusetzen; denn ange
sichts der vielen Interessengegensätze im Europa der 27 und zwischen den EU-Organen wird man schon von einem Erfolg sprechen können, wenn die Präsidentschaft als ehrlicher Makler bemüht ist, Europa als Ganzes aus seiner, wie Sie selbst schreiben, schwierigen Phase herauszuführen, wir Europa in den wichtigsten Politikfeldern neue Impulse geben können und neues Vertrauen bei seinen skeptischen Bürgern schaffen können. Denn es ist richtig: Die EU ist in einem schwierigen Fahrwasser.
Die deutsche Ratspräsidentschaft fällt in eine Zeit vielschichtiger Herausforderungen. Die Europaskepsis in vielen Mitgliedstaaten ist gewachsen, auch bei unseren Bürgerinnen und Bürgern in Bayern. Wir brauchen die dringend erforderlichen Antworten auf Fragen der Globalisierung, und zwar nicht nur auf die wirtschaftspolitischen Fragen, sondern auch auf die sozialpolitischen; darauf lege ich als Sozialdemokrat besonderen Wert. Es geht um die Bekämpfung des bedrohlichen Klimawandels und um die Gegenwart und um die Zukunft des Erweiterungsprozesses, um den Umgang mit unseren Nachbarn, um die Fragen der Vertiefung und vor allem auch um die Wiederbelebung des Verfassungsprozesses, ohne den sich eine politische Union dieser Größe einfach nicht managen lässt.
Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft sind groß. Man wird ihnen aber nicht mit einer Bauchladenpolitik gerecht werden können, sondern nur mit einer Konzentration auf wenige Schwerpunktfelder, die dem übergeordneten Ziel dienen, der EU als Bewahrer von Wohlstand in einem sozialen Europa und als global verantwortlicher Friedensmacht neue, kräftige Impulse zu geben.
Lassen Sie mich deswegen auf einige Punkte aus dem CSU-Antrag eingehen. Denn ich halte ihn sehr wohl für diskussionswürdig, wenn auch nicht für meine Fraktion für zustimmungsfähig.
Sie, meine Damen und Herren von der CSU, fordern, dass die EU die Führungsrolle beim Klimaschutz übernehmen und die umwelttechnologischen Potenziale Europas, die wirklich immens sind, nutzen soll. Das können wir nur ganz dick unterstreichen. Kollegin Paulig wäre jedoch nach der Ablehnung des Dringlichkeitsantrags sicherlich etwas überrascht und würde sozusagen ihre Stirn in Falten legen. Aber jetzt, ein paar Minuten nach Ablehnung des Dringlichkeitsantrages wird die CSU zu einer fundamental wichtigen Erkenntnis gelangt sein; sie wird hoffentlich eine andere und vernünftigere Haltung einnehmen, wenn es darum geht, die Forschung und Investitionen im Bereich der regenerativen Energien und der Energieeffi zienz staatlicherseits zu fördern, und zukünftig unsere Anträge in dieser Richtung unterstützen.
Zum Thema EU-Finanzpolitik. – Sie, lieber Kollege Zeller, treten dafür ein, dass in der Agrarpolitik eine generelle Kofi nanzierung der Beihilfen und der Strukturfonds durch die Mitgliedstaaten erfolgen soll. In der Konsequenz besteht aber doch letztlich die Gefahr, dass sie dem Bund einen Berg von Kosten aufhalsen, der seinen Haushalt
radikal und nachhaltig belasten würde. Sie können doch nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, mit gewissem Recht die Konsolidierung des Bundeshaushalts fordern und gleichzeitig die Konsolidierung, die unser Bundesfi nanzminister energisch betreibt, mit großspurigen Forderungen aktiv be- und verhindern.
Zum Thema Bürokratieabbau und Subsidiarität. – Ich glaube, dass Sie die Zustimmung aller drei Fraktionen dieses Hohen Hauses fi nden werden, wenn Sie fordern, dass das EU-Gemeinschaftsrecht im Interesse und zum Wohl aller in der EU vereinfacht und entstaubt werden muss. Es ist absolut notwendig und wichtig, dass wir, die wir hier vor Ort Verantwortung tragen, die EU-Kommission dabei unterstützen. Allerdings habe ich am Dienstag im Ausschuss mit einem gewissen Unverständnis und mit Verwunderung feststellen müssen, dass diese Kooperation in manchen Bereichen bei Ihnen nicht ganz so weit reicht, wenn es darum geht, die Steuerzahler und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wofür die Gelder der EU vor Ort hier in Bayern verwendet werden und wer diese Mittel erhält.
Bei der Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie, die wir in unserem Antrag gefordert haben, hat bei Ihnen leider die Unterstützung gegenüber Brüssel aufgehört.
Wenn hier Transparenz und Übersichtlichkeit wirklich für jeden gewährleistet sind, wird es uns auch leichter fallen, den Menschen in Bayern gesetzliche Maßnahmen plausibler zu machen. Darüber hinaus werden viele auch erkennen, dass Deutschland nicht nur der berühmte Zahlmeister Europas ist, sondern dass hier vor Ort viele sinnvolle Projekte nur mithilfe der EU überhaupt realisiert werden können.
Da wir alle ein großes Interesse daran haben – davon gehe ich aus –, dass die EU in der Bevölkerung wieder an Vertrauen gewinnt, kann ich Sie nur noch einmal dazu auffordern – wie viele andere –, die Transparenzinitiative der Kommission aktiv zu unterstützen und zu ihrer Umsetzung beizutragen.
In der Phase der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gibt es viel zu tun. Ich möchte das in drei Schwerpunkte fassen: Die Sicherung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zukunft Europas. Hierzu zählen insbesondere Maßnahmen für mehr Beschäftigung und nachhaltiges Wachstum, eine nennenswerte Förderung von Forschung und Innovation, eine sichere, aber auch eine umweltverträgliche Energieversorgung, Investitionen
in Umwelttechnologien und umweltschonende Mobilität. Aus unserer Sicht wäre es ein großer Erfolg, wenn es unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu nennenswerten Fortschritten in der Klimapolitik käme. Die Zeichen stehen im wahrsten Sinne auf Sturm, sodass der Handlungsbedarf allmählich von jedem eingesehen werden müsste.
Zu diesem Aufgabenfeld gehört für uns aber auch, dass das soziale Europa in den Mittelpunkt gerückt wird. Im Mittelpunkt des Europa-Verständnisses der SPD-Fraktion steht nicht der Markt, sondern der Mensch.
Das europäische Sozialmodell gehört zu unseren größten Errungenschaften. Es muss im Sturm der Globalisierung nicht nur verteidigt, sondern ausgebaut werden. So treten wir für eine verpfl ichtende, konsequent durchgeführte Gesetzesfolgenabschätzung auf soziale Auswirkungen bei neuen Gesetzgebungsverfahren und bei der Anwendung europäischen Rechts ein, die die Auswirkungen neuer Regelungen auf die Menschen im Blick hat. Wir treten für eine Festigung und Weiterentwicklung von Arbeitnehmerrechten in einer grenzüberschreitenden, sich verfl echtenden europäischen Volkswirtschaft ein. Wir fordern Maßnahmen, die einen fairen Standortwettbewerb sicherstellen. Einen Wettlauf nach unten bei den Steuern darf es nicht geben. Deshalb soll die deutsche Ratspräsidentschaft in dieser Hinsicht auf Fortschritte drängen, zum Beispiel auf eine einheitliche und gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Unternehmensbesteuerung.
Ein zweiter Schwerpunkt sollten die Stärkung der inneren Sicherheit und der Ausbau der europäischen Rechtsordnung sein. Dazu haben Sie in Ihrem Antrag durchaus richtige Forderungen gestellt. Einiges davon ist bereits Realität. Unsere Bürger erwarten entschiedene Zusammenarbeit beim Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität und mehr Sicherheit trotz offener Grenzen. Unsere Stichworte sind dabei eine enge polizeiliche Zusammenarbeit und Stärkung von Europol, eine kohärente Migrations- und Asylpolitik, mehr Rechtssicherheit für Bürger und Unternehmen. Sie schreiben in Ihrem Antrag, keineswegs dürfe eine generelle Vergemeinschaftung der Bereiche Justiz und Inneres erfolgen. Damit tragen Sie Eulen von München nach Berlin. Das fordert niemand; aber Papier ist geduldig.
Ein dritter Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft wird die Fortentwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sein müssen. Dazu gehören der Ausbau von Sicherheit und Stabilität in der Nachbarschaft der Europäischen Union auf dem Balkan, die Fortentwicklung der europäischen Nachbarschaftspolitik gegenüber Ländern, die wir nicht in die EU aufnehmen können, aber an deren demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung wir großes Interesse haben, zum Beispiel der Ukraine.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf einen wesentlichen Dissens hinweisen. Sie schreiben in einem Satz: Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wird abgelehnt. Ihr Parteivorsitzen
der fordert den Abbruch der Beitrittsgespräche, weil sich die Türkei hinsichtlich Zyperns – wahrlich, das wollen wir nicht leugnen – nicht vertragskonform verhält. Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist das für mich schierer Fundamentalismus. Dass Sie diesen Satz in Ihrem Dringlichkeitsantrag so salopp formulieren, reicht für mich schon, um den Antrag abzulehnen.
Dazu fällt mir eine Karikatur in der „Süddeutschen Zeitung“ ein, die in diesem Zusammenhang Edmund Stoiber treffend als „Erdogan aus Wolfratshausen“ karikierte.
Auch die SPD-Fraktion meint, Herr Kollege Zeller, dass es keine Automatismen für einen Beitritt geben darf. Die Türkei muss die Verträge erfüllen, sie muss sich in ihren Positionen bis zum Jahresende bewegen, sonst sind Konsequenzen unvermeidlich – das ist keine Frage. Sie hingegen fordern aber von vornherein und entgegen der Politik aller EU-Regierungen, einschließlich der Regierung Merkel, dass die Türkei nie und nimmer in den europäischen Schoß aufgenommen werden darf.
Wenn Ihre Parteifreundin und Bundeskanzlerin Angela Merkel den „Erdogan aus Wolfratshausen“ beim Wort nehmen würde, was sie klugerweise nicht tut, dann hätte sie schon zu Beginn ihrer EU-Ratspräsidentschaft einen wahren Scherbenhaufen vor sich.
Die Verhandlungen mit der Türkei sollen weitergehen, weil es uns allen nützt, wenn sich die Türkei im Sinne der europäischen Werte entwickelt und eine Brücke zwischen dem Westen und dem Islam sein kann, statt gefährlich ins nationalistische und islamistische Lager ihrer östlichen Nachbarn abzudriften.
Wenn schon sonst in nichts sollten sich der Erdogan aus Ankara und der „Erdogan aus dem Loisachtal“ in dieser Frage einig sein. Die EU-Ratspräsidentschaft bietet uns in Deutschland und in Bayern die Chance, den Beweis dafür anzutreten, dass wir zu Recht immer wieder – und immer noch – als Motor für eine positive Entwicklung Europas bezeichnet werden. In diesem halben Jahr sollten wir die Chance nicht verpassen, neben dem legitimen Eintritt für unsere eigenen Interessen unter schwierigen Rahmenbedingungen Impulse zu geben, dass Europa wieder angesehener, handlungsfähiger und zukunftssicherer gemacht wird. Für das Gelingen dieser großen, ambitionierten Aufgabe bedarf es aber all derer, denen Bayern, Deutschland und Europa am Herzen liegen. Lassen Sie uns deshalb nicht nur diskutieren, sondern entschlossen handeln.
Herr Staatssekretär Dr. Bernhard, stellvertretend für die Bayerische Staatsregierung frage ich Sie:
Wie definiert die Bayerische Staatsregierung den Bildungsauftrag für Zoos, wie er sich nach der EU-Richtlinie über die Haltung von Wildtieren in Zoos vom 29. März 1999 und ihrer geforderten Umsetzung im Bayerischen Naturschutzgesetz in der Fassung vom 23. Dezember 2005 ergibt, und welche Mittel stellt der Freistaat für die Wahrnehmung von Bildungsaufgaben in Zoos zur Verfügung?
Ich sage es ganz direkt: Geben Sie mir doch einen Tipp, wie ich für den Augsburger Zoo die Bezahlung eines bisher freigestellten Lehrers, der zukünftig für den Bildungsauftrag des Augsburger Zoos nicht mehr freigestellt wird, ermöglichen kann.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einsetzung der Enquetekommission war von dem gemeinsamen Willen dieses Hauses getragen. Fraktionsübergreifend haben wir den umfassenden Aufgabenkatalog erarbeitet. Unser gemeinsames Ziel war, die Perspektiven der jungen Generation zu verbessern – dazu muss man die Perspektiven kennen und analysieren – und Handlungsoptionen für unsere Politik in Bayern und im Bayerischen Landtag zu fi nden und zu erarbeiten. Wir halten an diesem gemeinsamen Wollen fest.
Ich möchte an dieser Stelle ein ausdrückliches Lob für unsere gute und harmonische Zusammenarbeit in der Enquetekommission unter den drei Fraktionen aussprechen. Dass wir dort gut zusammengearbeitet haben, heißt allerdings nicht, dass wir in dem einen oder anderen Punkt nicht auch einen inhaltlichen Dissens hatten oder das eine oder andere Mal nicht gestritten hätten. Aber gerade in Bezug auf Dissens und Streiten fehlt uns etwas, worum wir uns zukünftig vielleicht bemühen sollten, wenn wir in der Enquetekommission unterschiedliche Meinungen haben.
Wir brauchen zukünftig mehr Öffentlichkeit für unsere Anliegen in der Kommission.
Wir werden sehr oft auf unsere Arbeit angesprochen. Aber es wird zu wenig wahrgenommen, was wir in der Enquetekommission erarbeiten.
Ich vermisse hier jetzt ein bisschen die vielleicht betroffenen Ministerien: Familie, Bildung, Jugend. Diese
Bereiche sind jetzt durch niemanden vertreten, der unsere Ausführungen anhören könnte. Ich hoffe, die Anwesenheit von Justiz- und Innenministerium sind kein Zeichen dafür, wie die Jugend gesehen wird.
Entschuldigung! Ich bin von unserem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass wir von der Enquetekommission anscheinend Angst haben, dass wir bald nicht mehr Jugendliche sind, weil wir unter Kindern Menschen bis zu 30 Jahren verstehen. Entschuldigen Sie also bitte, dass ich Sie für die Hochschule nicht entsprechend erwähnt habe.
Lassen Sie mich zu meinem ernsten Anliegen zurückkommen. Ich appelliere an alle, dass wir die Arbeit, die wir in der Enquetekommission leisten, in Zukunft offensiver nach außen tragen. Es möge uns gelingen, die Jugendpolitik mehr zu einem öffentlichen Thema in unserem Diskurs zu machen. Das entspricht auch dem Anliegen, einen lebendigeren Landtag zu schaffen. Ich denke, die Art und Weise, wie wir bisher mit unseren Meinungsverschiedenheiten umgegangen sind, können wir auch in der Öffentlichkeit austragen und beweisen. Das erwarten auch die jungen Leute von uns, ebenfalls die Jugendorganisationen. Wenn wir die Diskussion öffentlich austragen, zeigt das auch, dass wir der Jugend einen entsprechenden Wert und ein Stimmgewicht in unserer politischen Diskussion zuschreiben.
Das soll uns aber auch nicht weiter daran hindern, sondern uns darin bestärken, zu versuchen, zu gemeinsamen Handlungsempfehlungen zu kommen. Ob uns das gelingt, wenn es um das Geld geht, bleibt offen; das hat der Herr Vorsitzende schon angedeutet. Vielleicht werden wir es schaffen, den schwarzen Haushaltsblock für Kinder und Jugendliche ein wenig aufzuweichen.
Lassen Sie uns als gemeinsames Ziel eine Vision formulieren. Ich gebe ja zu: Manchmal nervt es mich, wenn die Staatsregierung immer und überall meint, Bayern sei die Nummer eins und müsse Weltspitze sein. Aber unter diesem Gesichtspunkt fordere ich uns alle auf: Lassen Sie uns gemeinsam danach streben, zu beweisen, dass Bayern das kinder- und jugendfreundlichste Land in Deutschland, nein, in ganz Europa ist.
Die Enquetekommission kann aufzeigen, wie das möglich gemacht werden kann und wie man ein solches Ziel operationalisieren kann. Voraussetzung ist allerdings, dass wir einen Perspektivenwechsel vornehmen. In der Enquetekommission versuchen wir das. Wir versuchen, die Themen aus der Perspektive der jungen Menschen zu behandeln. Das ist manchmal nicht ganz leicht. Denn unsere Kommission ist nicht mehr die allerjüngste. Auch die Experten sind nicht unbedingt die allerjüngsten. Aber wir versuchen – der Herr Vorsitzende hat es schon gesagt –, möglichst oft junge Leute in unsere Sitzungen einzuladen und dort zu Wort kommen zu lassen. Wir wollen auch zu Jugendprojekten hinausgehen. Als Parteien wollen wir eigene Veranstaltungen machen. Deren