Protocol of the Session on May 10, 2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 42. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Vor Eintritt in die Tagesordnung ist es durchaus angemessen, wenn wir in der Reihe der Gedenktage, die uns an die Ereignisse des Jahres 1945 erinnern, heute dem 8. Mai, dem eine besondere Bedeutung zukommt, gedenken.

Das Kriegsende vor 60 Jahren ist für uns Anlass, der Opfer des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ehrenvoll zu gedenken.

Wir trauern um die weit mehr als 55 Millionen Menschen, die gewaltsam ihr Leben verloren, darunter nicht nur viele Soldaten aus allen Nationen, sondern auch – wie man heute schätzt – über 20 Millionen Zivilpersonen; ebenso die massenhaft Ermordeten in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern sowie alle, die für ihren mutigen Widerstand hingerichtet wurden.

Adolf Hitler erklärte kurz vor seinem Selbstmord am 30. April:

Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das deutsche Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das deutsche Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.

Welche Verachtung gegenüber dem eigenen Volk! Umso unverständlicher, ja absurder, wenn bis in unsere Tage -hinein Unverbesserliche Hitler und sein Regime immer wieder verharmlosen, ja gar noch verherrlichen. Schon deshalb ist es besonders wichtig, sich diese Wirklichkeit des Naziregimes immer wieder in Erinnerung zu rufen.

Trotz der erdrückenden und grauenvollen Bilanz des Zweiten Weltkriegs ist der 8. Mai 1945 für viele ein Tag, den sie mit zwiespältigen Gefühlen und unterschiedlichen Bewertungen verbinden. Viele Zeitungen in unserem Land haben in der vergangenen Woche die letzten Kriegstage und das Kriegsende in der jeweiligen Heimatregion geschildert. Dafür danke ich den Redaktionen und Verlegern ausdrücklich. Damit wird Geschichte besonders konkret. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit diesmal insgesamt offener und intensiver geführt wurde als noch beim 50. Jahrestag.

Welche Dramen haben sich an vielen Orten um die Entscheidung „friedliche Übergabe oder Kampf bis zum Letzten“ entwickelt! Heldenhafter Mut mit nicht selten töd

licher Konsequenz und blindwütiger, menschenverachtender Fanatismus haben häufi g miteinander gerungen. In diesem Sinne war etwa der Einmarsch der Amerikaner in unseren Heimatorten oft eine Befreiung von tödlicher Willkür.

Die Diskussion um die Einordnung des 8. Mai 1945 bleibt im Spannungsfeld zwischen „Niederlage“ und Befreiung. Die Sicht der Sieger war eindeutig. Nach einer Direktive für die amerikanische Militärregierung vom 10. Mai 1945 war Deutschland ausdrücklich „nicht besetzt zum Zweck seiner Befreiung, sondern als besiegter Feindstaat“.

Das vorherrschende Gefühl der Soldaten in den Kriegsgebieten und der Bevölkerung zu Hause war sicherlich Erleichterung darüber, dass das Töten und die tödlichen Gefährdungen ein Ende hatten. Ein prägendes Gefühl war Angst – Angst vor dem, was kommt; Angst, in einem völlig zerstörten Land materiell und ideell vor dem Nichts zu stehen; auch Angst vor Vergeltung und Rache der Siegermächte für die verbrecherische Politik des NS-Regimes.

Eindeutig ist auch, dass die Kraft fehlte, sich von innen heraus vom Joch der Diktatur zu befreien. Dies gehört zur ganzen Wahrheit und darf auch nachträglich nicht verwischt werden. Die lange Zeit bestehender Ignoranz und Verdrängung, die verkrampfte Haltung gegenüber den Männern und Frauen des Widerstandes dokumentieren dies bleibend. Wir haben Jahrzehnte gebraucht, bis wir dazu die richtige Einstellung gefunden und die Bedeutung gerade als Grundlegung für die neue freiheitliche Demokratie begriffen haben. Die Befreiung von der Diktatur musste von außen kommen, vor allem von den Amerikanern und den alliierten Streitkräften.

„Erlöst und vernichtet in einem“ seien die Deutschen 1945 gewesen, sagte Theodor Heuss einige Jahre später. Erlöst waren sie von den langen, schrecklichen Bombennächten, erlöst auch von der Tyrannei eines beispiellosen Unrechtsregimes, aber auch vernichtet: Wer sah, wie die Städte unter Tonnen von Schutt begraben lagen, wer aus seiner Heimat fl iehen musste oder gewaltsam daraus vertrieben wurde, wer als Kriegsheimkehrer erfuhr, dass seine ganze Familie ausgelöscht war, der stand auch vor den Trümmern seines eigenen Lebens.

Für die Deutschen im Osten – auch dies darf jetzt nicht aus politischer Opportunität verschwiegen werden – brachte der 8. Mai 1945 zwar das Kriegsende, aber nicht die Freiheit. Für sie folgten auf die Diktatur des Nationalsozialismus Jahrzehnte der Unterdrückung im Kommunismus.

Für Millionen von Deutschen war das Ende des Krieges verbunden mit Flucht und Vertreibung, mit allen oft barbarischen Begleiterscheinungen. Auch dieses Unrecht, auch dieses Leid darf nicht vergessen werden – nicht, um mit gegenseitigen Aufrechnungen zu beginnen, sondern aus Respekt vor den betroffenen Menschen, als Wahrheit und Teil unserer und der gemeinsamen europäischen Geschichte.

In der historischen Rückschau war die oft zitierte „Stunde Null“ der Ausgangspunkt für Deutschlands Aufbau einer

stabilen demokratischen und freiheitlichen Ordnung und für seine Rückkehr in die Völkergemeinschaft. So wurde der 8. Mai 1945 zum Endpunkt eines schrecklichen Weges und zum Ausgangspunkt der glücklichsten Phase der deutschen Geschichte. Freilich galt dies für Jahrzehnte nur für den Bereich der westlichen Besatzungsmächte und der dann folgenden Bundesrepublik Deutschland.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, mein besonderes Gedenken und meine Würdigung gelten auch der Aufbaugeneration nach 1945, insbesondere den Millionen von Frauen, die oft allein stehend, allein erziehend, für sich und die Ihren ums Überleben kämpften und buchstäblich mit ihrer Hände Arbeit Trümmer räumten, Existenzen aufbauten und damit die elementarsten Voraussetzungen für ein neues Leben und einen neuen Abschnitt in unserer Geschichte schufen. Sie gelten den Politikern der Nachkriegszeit, in unserem Land Bayern ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland, die unter schwersten Bedingungen Stabilität und Ordnung gestalteten und die Rahmenbedingungen für den mühsamen Weg des Wiederaufbaus errichteten. Sie gelten den großen Staatsmännern wie Konrad Adenauer und seinen Partnern De Gasperi und Schumann, die mutig den Weg für ein friedliches Miteinander der europäischen Völker bahnten.

Zur Aufbauleistung unseres Landes gehört ganz wesentlich die Leistung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Zu meinen Kindheitserinnerungen zählt, dass die Flüchtlinge aus den Bunkern der früheren Munitionsanstalt Muna, dem heutigen Traunreut, Ziegel herausbrachen, um sich Häuser zu bauen. Welch starkes Symbol für Lebenskraft und Wiederaufbau, ganz im Sinne des Bibelwortes, dass Schwerter zu Pfl ugscharen werden.

Seien wir dankbar, dass wir in dieser Zeit leben und gestalten dürfen. Diese Dankbarkeit muss ihren konkreten Ausdruck fi nden in unserem Einsatz gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus, im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, für Freiheit und Demokratie.

In der gemeinsamen Erklärung der christlichen Kirchen in Deutschland zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges heißt es:

Wer das Gedächtnis verliert, verliert die Orientierung. Wir gedenken der Unheils- und Schuldgeschichte nicht, um auf ewig an sie gefesselt zu bleiben, sondern um ihren Bann zu brechen.

Deshalb ist dieses Kapitel unserer Geschichte auch mit den Gedenktagen dieses Jahres nicht abgeschlossen, kann es schon in unserem eigenen Interesse keinen Schlussstrich geben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gedenken wir der Opfer dieses schrecklichen Krieges in einer Schweigeminute.

(Schweigeminute)

Danke.

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch drei nachträgliche Glückwünsche aussprechen:

Am 22. April feierten Herr Kollege Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger und Herr Kollege Martin Sailer jeweils einen halbrunden Geburtstag. Am 24. April konnte Herr Kollege Heinrich Rudrof einen runden Geburtstag feiern.

Ich gratuliere allen drei Kollegen im Namen des ganzen Hauses herzlich.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Kein Geld für Luftnummern: gegen Steuerverschwendung für den regionalen Flugverkehr“ beantragt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen die Geschäftsordnung: fünf Minuten Redezeit für den ersten Redner bzw. die erste Rednerin, auf Antrag zehn Minuten. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Magerl.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das endgültige Aus für die zivile Mitnutzung des Militärfl ughafens Lagerlechfeld wird von uns ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Dank gilt an dieser Stelle den vielen in über einem Dutzend Bürgerinitiativen engagierten rund um den Flughafen Wohnenden, die klar und deutlich Nein zu dieser unsinnigen Planung gesagt haben und deren Widerstand jetzt von Erfolg gekrönt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es war seit langem klar, dass es für diese Planung kein tragfähiges, belastbares Finanzierungskonzept gibt. Wenn jetzt also so getan wird, als sei der Bundesverteidigungsminister kein Freund der Region, dann ist das ein ziemlich untauglicher Versuch, von der Tatsache abzulenken, dass eigentlich nie Geld für diese Planung vorhanden war.

Ich zitiere aus einem der vielen Schreiben, die rechtzeitig von Berlin aus in die Region gegangen sind. In diesem Falle handelt es sich um einen Brief von Herrn Staatssekretär Kolbow an Herrn Albert Schmidt, GRÜNE-Fraktion im Bundestag, vom Januar 2005, in dem der Staatssekretär klar und deutlich erklärt:

Herr Bundesminister Dr. Struck hat am 5. Oktober 2004 eine zivile fl iegerische Mitbenutzung des Militärfl ugplatzes Lechfeld unter Aufl agen gebilligt. Eine Voraussetzung dafür war unter anderem das Einhalten der Vorgabe, dass der Bun

deswehr keine zusätzlichen Kosten aus einer zivilen Mitbenutzung entstehen dürfen. Der bayerische Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu wurde mit gleichem Datum darüber informiert, dass die aus den gesetzlichen Vorgaben zur munitionstechnischen Sicherheit entstandenen Erstellungskosten für die erforderliche Anpassung der militärischen infrastrukturellen Gegebenheiten nicht unerheblich und in Gänze durch einen zivilen Betreiber zu übernehmen sind.

Das heißt, Berlin hat von vornherein klar und deutlich erklärt, dass alle Kosten, die entstehen – und die Kosten werden nicht unerheblich sein –, vom zivilen Betreiber zu übernehmen sind.

Mit Fug und Recht haben die örtlichen Landräte in dem Gespräch im Wirtschaftsministerium dann endgültig gesagt, dass sie nicht bereit sind, sich an diesem Fass ohne Boden zu beteiligen. Das war letztlich das Aus. Es war aber von Anfang an klar, dass Herr Wiesheu hier auf dem Holzweg war und dass er die Region immer weiter in diese Planung hineingetrieben hat, obwohl von vornherein klar war, dass dafür kein Geld vorhanden ist.

Das Aus von Lagerlechfeld ist für uns Anlass, auch die anderen Planungen – sei es Memmingerberg oder sei es Hof – kritisch zu betrachten. Mit unserer Kritik an diesen Planungen – das haben wir schon öfter betont – stehen wir nicht allein. So hat zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrtunternehmen am 4. Oktober 2004 Herrn Wiesheu klar und deutlich geschrieben: „Vor dem Hintergrund der sehr leistungsfähigen Flughäfen Nürnberg und München in Bayern sehen wir keine Notwendigkeit für einen weiteren Ausbau von Flughäfen, insbesondere nicht von Hof/Plauen.“

In dieser Organisation sind einige große Luftfahrtgesellschaften zusammengeschlossen. Wenn diese Gesellschaften schon sagen, dass sie keinen Ausbau des Flughafens wollen, frage ich: Für wen soll dieser Flughafen überhaupt ausgebaut werden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Lufthansa schreibt in ihrem Politikbrief zur Thematik „Regionale Flughäfen als teure Prestigeobjekte“: „Flughäfen sind heute vielerorts regionale Prestigeobjekte wie Schwimmbäder in den Siebziger- und Achtzigerjahren.“

Im Januar 2005 heißt es ebenfalls im Politikbrief: „Subventionen von Kleinstfl ughäfen – unverantwortliche Verschwendung gesamtwirtschaftlicher Ressourcen.“

(Beifall bei den GRÜNEN)