Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 77. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der CSU vorschlagsberechtigt. Sie hat bekanntlich das Thema „Ländlicher Raum braucht Schulen mit Zukunft“ beantragt.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße natürlich ganz besonders die hier im Plenarsaal persönlich Anwesenden zu einem sehr wichtigen Thema: „Ländlicher Raum braucht Schulen mit Zukunft“. „Der ländliche Raum hat Vorrang“, so steht es im Landesentwicklungsplan, und Schulen im ländlichen Raum haben Vorrang und haben Zukunft. – Ich werde mich jetzt auf grundlegende Sachverhalte beschränken; die nachfolgenden Kollegen der CSU-Fraktion werden speziell auf einige Themen eingehen.
Die demografische Entwicklung, die rückläufigen Schülerzahlen sind eine Tatsache, und der Herausforderung, dass diese zahlenmäßige Entwicklung regional unterschiedlich verläuft, müssen wir uns stellen. Nachdem der größte Teil Bayerns ländlicher Raum ist, ist das heutige Thema mehr denn je vollauf berechtigt.
Zur Redlichkeit gehört, zu sagen, dass wir auch die Fakten betrachten, die unter dem Motto stehen: Bayern bleibt auch bei der Bildung vorne! Und – das an die Kolleginnen und Kollegen der Opposition gewandt – es ist eben eine Tatsache, dass man unter anderem im „Handelsblatt“ vom 22.03.2006, wo die Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zur Universität untersucht wurden, zu dem Schluss kommt: Bayern ist bei der Bildung vorne.
Mit Blick auf den Doppelhaushalt – hierüber haben wir gestern einige Ausführungen schon zur Kenntnis genommen – ist ebenfalls nachweisbar: Wir haben in Bayern ein Plus für die Bildung.
Jetzt geht es um die wesentlichen Grundsätze. Hier, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist ein eindeutiges Bekenntnis zum dreigliedrigen Schulsystem einmal mehr angebracht. Ich erteile ausdrücklich den Ideen einer Regionalschule, die durch eine Zusammenlegung von Hauptschule und Realschule ermöglicht werden soll, eine Absage. Sie wird unermüdlich besonders von den Kollegen der SPD gefordert. Man kann hier mit einem einfachen Blick auf die Sachverhalte nur feststellen: Bei fünfmal so vielen Hauptschulen wie Realschulen würde eine sehr erfolgreiche Schulart, nämlich die Realschule, mit ihrer hohen Qualität völlig von der Bildfläche verschwinden. Ich kann nur feststellen: Mit uns, mit der CSU-Fraktion nicht!
Ich stelle fest: In der Sache wäre das eine völlig untaugliche Nivellierung und in der Fläche vom zahlenmäßigen Sachstand – wie gerade erläutert – völlig unrealistisch.
Es käme zudem einer Einführung der Gesamtschule gleich, die überall, wo sie gewaltsam eingeführt wurde, nachweisbar gescheitert ist.
Das ist alles nachweisbar, und es ist in der Tat – das ist leider so, auch wenn die Zwischenrufe der Opposition vermuten lassen, dass hier eine andere Einstellung herrscht – eine Einheitsideologie, die am Wohl der Kinder völlig vorbeigeht. Ein Teil der Kinder würde unterfordert, der andere überfordert, und nur wenigen würde man gerecht werden können. Das ist nicht die Bildungspolitik, die wir vertreten haben wollen.
Zum Weiteren, werte Kolleginnen und Kollegen – da können Sie jetzt wieder uneingeschränkt zustimmen –: Wir wissen, dass die demografische Entwicklung besondere Herausforderungen an das sogenannte flache Land stellt.
Aber da, verehrte Kollegin Tolle – guten Morgen auch an Sie –, ist der Schlüssel und die Antwort auf die Frage, was wir tun müssen: der bestmögliche Erhalt der Schulstandorte bei hoher Qualität. Genau diesen zweiten Ansatz lässt manchmal die eine oder andere Wortmeldung von Ihnen vermissen.
Denn besonders bei den Grundschulen ist dieser Erhalt mit einer hohen Priorität zu sehen. Dabei sind jahrgangsübergreifende Klassen pädagogisch in jeder Hinsicht vertretbar – selbstverständlich mit den entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen. Wir müssen auch überdenken – hier haben wir einen Antrag auf den Weg gebracht –, wie man mit Schulverbünden, durch eine erweiterte Zusammenarbeit mit der kommunalen Seite, mit der Schulverwaltung insgesamt und mit den Schulen selbst diese wohnortnahen Grundschulen so gut wie nur möglich erhält.
Sie werden dazu noch einiges von den Kollegen hören. Ich erweitere das: Auch auf die Hauptschulen bezogen werden wir uns mit einem zentralen Blick auf das hohe Qualitätsniveau, das wir nicht nach unten nivellieren
Aber noch einmal: Hohe Qualität steht in der Bedeutung an erster Stelle und hat in jeder Hinsicht Vorrang vor irgendwelcher Ideologie, die gegen das Wohl der Kinder gerichtet ist.
Damit wäre auch der Hinweis dringend notwendig, dass ein einseitiges Schielen auf Übertrittsquoten, die regional unterschiedlich sind, nicht unbedingt zielführend ist. Denn die Eltern entscheiden sich in manchen Regionen Bayerns eben bewusst für die eine oder andere Schulart, die nicht „Gymnasium“ heißt, und diese bewusste Entscheidung der Kinder und der Eltern für eine andere Schulart ist anzuerkennen.
In diesem Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass bereits 43 % der Schüler über den beruflichen Weg, über Mittlere Reife, Fachoberschule oder Berufsoberschule zum Hochschulzugang kommen. Das sehr gute Angebot wird weiter ausgebaut. Der Minister hat die Schaffung einer beruflichen Oberschule angekündigt. Es ist ein Thema, das wir auch mit dem nächsten Doppelhaushalt mit Leben erfüllen werden.
Bei dieser Gelegenheit ist auch ein Hinweis notwendig auf die von der Opposition immer angeprangerte Schließung von Teilhauptschulen. Hier ist eben der Blick auf die Qualität – ich muss das so noch einmal betonen – wichtig; wir müssen den Blick auf die Qualität richten: Wenn der Status quo qualitätsmäßig nicht mehr im Sinne der Kinder erhalten werden kann, weil eben die Schülerzahlen zu stark zurückgehen, dann muss hier auch entsprechend gehandelt werden, und davon werden wir uns auch von der Opposition nicht abschrecken lassen; denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine Schule ohne Schüler.
Wenn zu wenige Schüler an einer Hauptschule sind – ja, Herr Kollege Pfaffmann, auch Sie müssen das zur Kenntnis nehmen –, verschärft sich eben diese Problematik. Aber: Wir müssen in unserem Flächenstaat Bayern auf die hohe Qualität achten, und dabei muss die Opposition endlich einmal anerkennen, dass unsere Kinder unterschiedliche Begabungen und Neigungen haben.
Da ist eben ein gegliedertes Schulwesen mit entsprechend vorhandenen Durchlässigkeiten weit besser geeignet als ein sozialistischer Einheitsrasen,
wo jeder auf ein Niveau hin über einen Kamm geschert wird. Dass es natürlich wehtut, wenn man dieses Argument an den Kopf bekommt, verstehe ich.
Ich habe jetzt von einem begabungsgerechten gegliederten Schulwesen mit entsprechenden Rahmenbedingungen, die auf dem flachen Land – ich betone das – anders sind als in Ballungsgebieten, gesprochen. Dort müssen eltern- und schülergerecht andere Schwerpunkte gesetzt werden.
Der bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsbetreuung, von Ganztagsangeboten ist selbstverständlich auch für unsere Fraktion ein wichtiges Anliegen zur Stärkung der Schulen insgesamt, auch dadurch, dass wir die Verantwortung zur Basis hin übergeben, sodass dort eine erweiterte Handlungsfähigkeit besteht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, entscheidend ist bei allen Maßnahmen die Schaffung eines guten Schulklimas, eines guten Lernklimas. Entscheidend sind das Wohlfühlen, die Stärkung der Schülerpersönlichkeit, die Lern- und Leistungsbereitschaft und ein verantwortungsbewusstes Miteinander aller an der Schulfamilie beteiligten Personen.
Damit komme ich auf die Zielgerade. Der ländliche Raum braucht Schulen mit Zukunft. In einer Zeit des Wandels – darüber sind wir uns alle einig – stellt sich hierbei eine ganze Reihe von Aufgaben. Diese werden wir der Opposition zum Trotz aktiv, kreativ und erfolgreich angehen. Wir haben hier, wie ich feststellen darf, eine eindeutige, klare Linie. Ich habe in der letzten Ausschusssitzung ein GoetheZitat gebraucht, das ich im Plenum wiederholen darf, weil es zur klaren Linie passt, dass wir auch Dinge, die hier schon einige Male gesagt worden sind, wiederholen. Goethe hat am 16. Dezember 1828 an Eckermann geschrieben: „Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum immer wieder gepredigt wird.“
Der Irrtum ist all das, was von der Opposition über Presseorgane oder über Verlautbarungen in den verschiedenen Sitzungen kommt. Wir haben unsere Linie. Wir bekennen uns zum ländlichen Raum. Wir bekennen uns zu einer hohen Qualität und wir bekennen uns zur Zukunft der bayerischen Schulen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Waschler hat wieder einmal wie so oft das hohe Qualitätsniveau der bayerischen Schulen gepredigt. Ich empfehle ihm die Lektüre der „Süddeutschen Zeitung“ von heute. Dort haben die katholischen und evangelischen Organisationen bitter beklagt, dass der Ausschluss von Bildungschancen der Grund für die topaktuelle Thematik der neuen Armut vor allen Dingen von Kindern sei. Darf ich Sie daran erinnern, dass in Deutschland Bildungspolitik Ländersache ist? Darf ich Sie daran erinnern, dass genau Sie für die Situation verantwortlich sind, wenn Kinder von Bildungschancen ausgeschlossen werden?
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie nicht auf die Bundesregierung schieben, weil gerade Sie – wir übrigens auch – immer wieder stolz und froh sind, dass Bildung im föderalen System Ländersache ist. Sie sind verantwortlich dafür, wenn Kinder von Bildung und somit von Zukunftschancen ausgeschlossen werden. Das zu dem Thema hohes Qualitätsniveau der bayerischen Schulen.
Sie haben jetzt Ihr Herz für den ländlichen Raum, für die wohnortnahe Schule entdeckt. Dazu kann ich nur sagen: Bravo, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU! Die entscheidende Frage ist aber, wie glaubwürdig die CSU in dieser Diskussion ist. Das ist die entscheidende Frage.
(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) – Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU))
Sie versuchen nämlich ein weiteres Mal – das kennen wir schon –, die Familien und die Regionen hinters Licht zu führen. Die vergangenen Wochen und Monate haben dies deutlich gezeigt. Ich will das noch einmal darstellen.
Im Frühjahr haben wir hier das Landesentwicklungsprogramm diskutiert. Wir haben damals beantragt – die Formulierung können Sie in den Drucksachen nachlesen –: Das Leitmotiv für die Schulentwicklung im ländlichen Raum ist der Erhalt der wohnortnahen Schule.
Das haben Sie hier abgelehnt, Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Es gehört schon einiges dazu, sich jetzt hier hinzustellen und das Gegenteil zu behaupten. Sie wollen die wohnortnahe Schule erhalten. Können Sie mir erklären, warum Sie dann 472 Teilhauptschulen in ganz Bayern geschlossen haben oder noch schließen werden? Das sind 30 % der Schulstandorte für Hauptschulen in Bayern. Das zum Thema Erhalt der wohnortnahen Schule.