Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 9. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Am 14.12.2003 verstarb Herr Max Klotz, der dem Landtag als Abgeordneter der Bayernpartei von 1950 bis 1958 angehörte. Er wurde 85 Jahre alt.
Am Neujahrstag verstarb im Alter von fast 86 Jahren in Wasserburg am Bodensee Herr Dr. Georg Ludwig Oeckler, der von 1954 bis 1962 als Mitglied der SPDFraktion dem Bayerischen Landtag angehörte. Herr Dr. Oeckler war Mediziner und nahm als Truppenarzt am Zweiten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg war er Mitglied und zeitweise Stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Landesgesundheitsrates. Während seiner Zeit im Parlament gehörte er den Ausschüssen für Ernährung und Landwirtschaft sowie für sozialpolitische Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Kriegsfolgegeschädigten an. Maßgeblich beteiligt war er 1956 an der Änderung des Ärztegesetzes. Herr Dr. Oeckler blieb dem Bayerischen Landtag auch nach seinem Ausscheiden noch verbunden und war im Vorstand der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter aktiv.
Am 10. Januar verstarb kurz nach Vollendung seines 96. Lebensjahres Herr Peter Zink. Er gehörte dem Landtag als Mitglied der SPD-Fraktion von 1954 bis 1974 an. Peter Zink war sozialdemokratisches Urgestein: Bereits 1928 leitete er die sozialistische Arbeiterjugend in seiner Heimatstadt Erlangen. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, blieb Peter Zink seiner politischen Überzeugung treu und wurde deshalb in Dachau inhaftiert. Aufgrund seiner ungebeugten Haltung zog ihn nach 1945 die amerikanische Militärregierung zur Gründung von Betriebsräten in seiner Heimat heran. Im Bayerischen Landtag brachte Peter Zink seine Fachkompetenz, die er sich durch seine berufliche Tätigkeit als Konstrukteur erworben hatte, im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr ein. In welchem Maße er das Vertrauen seiner Mitbürger besaß, lässt sich auch daran ablesen, dass er von 1946 bis 1963 dem Stadtrat von Erlangen angehörte, 1972 Ehrenbürger seiner Heimatstadt und 1974 Ehrensenator der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen wurde.
Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Angedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf nun noch eine Reihe nachträglicher Gratulationen aussprechen. Einen halbrunden Geburtstag feierten am 19.12. Herr Kollege Peter Welnhofer, am 19.01. Frau Kollegin Margarete Bause und am 21.1. Herr Kollege Engelbert Kupka. Runde Geburtstage begingen am 26.12. Herr Kollege Dr. Sepp Dürr, am 27.12. Herr Kollege Johannes Hintersberger, am 07.01. Frau Kollegin Prof. Ursula Männle und am 23.01. Herr Kollege Dr. Manfred Weiß.
Ihnen allen wünsche ich im Namen des Hohen Hauses und auch persönlich alles Gute, Gesundheit und viel Glück und Erfolg bei der Ausübung Ihrer parlamentarischen Tätigkeit.
Erklärung des Herrn Landtagspräsidenten Alois Glück aus Anlass des Gedenktages für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermordes
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Heute vor 59 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Der frühere Bundespräsident Prof. Roman Herzog hat dieses Ereignis 1996 zum Anlass genommen, den 27. Januar zum „Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermordes“ zu erklären. Heute finden dazu sowohl in Dachau als auch an anderen Gedenkstätten Bayerns Veranstaltungen statt. Das Ziel ist, die Erinnerung wach zu halten an diese Gewaltherrschaft und ihre Folgen. Nicht als Reduzierung unserer Geschichte auf dieses schwärzeste Kapitel, nicht als Fixierung darauf.
Das Ziel ist eine Erinnerung, aus der Wachsamkeit und Verpflichtung wachsen. Erinnerung, die uns Vergangenheit und Gegenwart besser verstehen lässt; Erinnerung gegenüber den Verfolgten und Getöteten, aber auch Wachsamkeit gegenüber Terror, Verfolgung und Rassenwahn; Wachsamkeit heute und für die Zukunft.
Es gibt keine Kollektivschuld und kein „Tätervolk“, es gibt aus dem Geschehen heraus allerdings eine gemeinsame kollektive Verpflichtung.
Die einmalige Dimension des Geschehenen kann auch nicht relativiert werden durch Vergleiche oder Verrechnungen mit anderen schrecklichen Ereignissen und Verbrechen in der Welt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Gedenktag ist wie andere in der Gefahr, eine Pflichtübung zu werden, die uns immer weniger wirklich berührt, zumal das Geschehene nicht nur zeitlich immer weiter weg ist, es ist, so wie es tatsächlich war, ja tatsächlich auch unvorstellbar. Selbst Berichte über das Geschehene und Erlebte erreichen uns nur bedingt.
Etwas anders wird dies, wenn der Bericht mit einem konkreten Menschen verbunden ist, den wir kennen.
In einer Sitzung des Rundfunkrates gab mir im Jahre 1999 der Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern im Rundfunkrat, Otto Schwerdt, ein Büchlein mit dem Titel: „Als Gott und die Welt schliefen“.
Als ich nach einiger Zeit das Buch zu lesen begann, erfuhr ich erstmals, dass dieser liebenswürdige, immer freundliche Mann, mit dem ich nun schon einige Jahre im selben Gremium war, in Auschwitz und in der Folge in weiteren Vernichtungslagern war und Unvorstellbares10 erlebt hat. Der Bericht war damit nicht mehr allgemein, sondern all diese geschilderten Erlebnisse waren mit diesem konkreten Menschen verbunden und sie erhielten damit für mich eine andere Konkretheit und Eindringlichkeit.
Es gibt inzwischen viele Mahnmale für die Verfolgten und Ermordeten, Zeichen der Erinnerung an den Holocaust in aller Welt. Dies sind die Orte, von denen wir schweigsam aber auch betroffen und verändert zurückkehren.
Auch die Aufzeichnungen von Otto Schwerdt lassen uns verstummen. Sein Bericht ist ebenfalls ein Mahnzeichen, ein „Feld der Erinnerung“, auf das er uns mit einer beeindruckenden seelischen Kraft führt. Wer von uns möchte ermessen, wie viel seelische Kraft es braucht, um als Opfer an die Orte des Grauens zurückzukehren, wie viel Mut und Tapferkeit, um als Opfer über das unermessliche Leiden und das mörderische Handeln der Täter zu sprechen, zu schreiben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Ein kleiner Auszug aus diesem Buch soll uns aus dem Allgemeinen in das Konkrete führen. Otto Schwerdt schildert die Ankunft in Auschwitz-Birkenau so:
Der Zug bleibt stehen. Die, die noch leben, geben jetzt keinen Laut von sich. Es ist unerträglich ruhig. Ich höre nur noch das schwere Atmen der anderen. Wo sind wir und was wird mit uns geschehen? Diese Frage hämmert in meinem Kopf. Die Angst wird immer größer. Ich sehne mich nach meiner Mutter.
An den vorderen Waggons schieben sie die Türen auf. Durch die Waggonwand gedämpft – Schreie, Weinen, Gebrüll. Ich höre Stimmen, die ich nie mehr vergessen werde. Unsere Tür wird aufgerissen. Plötzlich ist alles ganz laut.
„Raus, raus“, schreien die SS-Männer. „Schneller“! Sie ziehen uns aus den Waggons, Häftlinge in gestreiften Kleidern und mit rasierten Köpfen helfen der SS, uns nach draußen zu treiben. Ihre Gesichter sind grau und leer. Was haben sie hier schon alles gesehen und erlebt, dass sie so mechanisch, ja fast teilnahmslos mit uns umgehen? Es ist, als würden sie durch uns hindurch sehen. Sie nehmen uns nicht wahr.
Mit der letzten Kraft springe ich aus dem Waggon. Zurück bleiben die Toten. Wie Vieh, das auf dem Transport zum Schlachthof verendet ist, liegen die Körper auf dem Boden des Güterwaggons. Gebrüll und hektische Stimmen: „Hier stehen bleiben“! Wir stehen an der Rampe von Auschwitz-Birkenau. Wir stehen da, verlassen. Ein SS-Arzt geht musternd an uns vorbei. Dann dreht er sich um und stellt sich vor uns hin. Jetzt müssen wir langsam an ihm vorbeigehen. Bei jedem Einzelnen zeigt er mit dem Finger nach rechts oder links. Das ist die erste Selektion. Ältere Menschen, zierlich und schwach Aussehende, Mütter mit Kindern schickt er auf die linke Seite. Junge, noch kräftig aussehende Menschen auf die rechte, nach Frauen und Männern getrennt. Die kahlköpfigen Häftlinge tragen die toten Leiber aus den Waggons und legen sie neben die linke Menschenreihe auf den Boden. Plötzlich ist mir klar: Links bedeutet Tod, rechts Leben. Rechts Arbeitslager, links Gas.
Nackt stehe ich vor ihnen. Die Nazis haben mir alles genommen, was mir lieb und wichtig war: meine Familie, meine Freunde, meine Menschenwürde. Was können sie mir noch antun?
Ich muss lernen, mit dem Leid und den Grausamkeiten umzugehen, die ich täglich sehen und auch erleben werde. Meine Seele darf daran nicht zerbrechen. Ich muss sie schützen. Wenn mein Körper und mein Geist aufgeben wollen, soll sie mich wieder zurückholen. Jeden Tag muss ich versuchen, den nächsten durchzustehen. Ich weiß noch nicht, was mich hier in Auschwitz erwarten wird. Ich weiß nicht, ob ich überleben werde, aber ich sollte es wenigstens versuchen.
Otto Schwerdt schildert dann den Alltag in dieser unvorstellbaren Welt der Grausamkeit, der Entmenschlichung. Wir erleben Untiefen des Menschen im Existenzkampf, aber auch Zeichen der Menschlichkeit in dieser Hölle. Der Bericht ist auch eine Lektion über unvorstellbare Abgründe des Menschen.
Otto Schwerdt überlebt zusammen mit seinem Vater den Holocaust. Seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder werden von den Nationalsozialisten ermordet.
Dieser konkrete Bezug zu einem Leben soll uns helfen, die Unverbindlichkeit des Allgemeinen zu überwinden und nicht der Routine der Gedenktage zu verfallen.
Mit größtem Respekt sehe ich, wie Otto Schwerdt und andere Leidensgenossen, die den Holocaust überlebt haben, am Aufbau unseres Gemeinwesens mitarbeiten, ohne Hass die Erinnerung wach halten und gleichzeitig Brücken schlagen. – Dafür danke ich ihnen herzlich.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zum ehrenden Gedenken an alle Menschen, die der Tyrannei und dem barbarischen Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und dem Völkermord zum Opfer gefallen sind, von Ihrem Platz zu erheben.
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema: Die Gruft-Affäre – Hat der Finanzminister gelogen? In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Das, was Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und Sie von der Staatsregierung, in den letzten Tagen in der so genannten Gruft-Affäre geboten haben, war an Peinlichkeit, an Verlogenheit und an Heuchelei wirklich nicht mehr zu überbieten.
Wir konnten Zeugen von innerparteilichen Grabenkämpfen werden, die sich schnell zu Grab- und Gruftkriegen entwickelt haben. Da wurden genüsslich alte Rechnungen beglichen, und derweilen haben an
dere dummdreiste Lügen aufgetischt. Und über dem Ganzen windet sich ein Ministerpräsident, der spätestens jetzt von seiner verdrängten Vergangenheit eingeholt wird.