Thomas Poreski

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Last Statements

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Bera tung des SodEG debattieren wir die Umsetzung eines Bun desgesetzes, dessen Zielsetzung sehr zu begrüßen ist. Zur Ab wendung einer Insolvenz – nur darum geht es übrigens – wer den den sozialen Dienstleistern maximal 75 % des Referenz umsatzes gewährt.
Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei den Antragstel lenden in der Regel Kostenminderungen um 25 % u. a. durch Kurzarbeit, Homeoffice und geringere Sachkosten gibt, wenn der Betrieb einer sozialen Einrichtung teilweise oder vollstän dig eingestellt werden muss oder musste.
Das Gesetz ist relativ aufwendig. Das zeigen auch die Erfah rungen mit dem Gesetz in anderen Bundesländern. Der Mi
nister hat schon gesagt: Nicht abgedeckt vom SodEG sind auch coronabedingte Mehrausgaben bei den sozialen Dienst leistern, obwohl dies häufig ein Auslöser für Probleme ist. Da rüber sind wir in der Koalition auch – jetzt abseits des heuti gen Tagesordnungspunkts; das kann ich an dieser Stelle aber sagen – in einem guten und konstruktiven Gespräch. Und wie Sie mich kennen, mache ich selten Ankündigungen, die kei ne Substanz haben.
Wir, das Land, haben die sozialen Einrichtungen auch bisher in vielfältiger Weise unterstützt, sodass ich davon ausgehe, dass das SodEG bei uns vor allem eine komplementäre Funk tion haben wird. So haben wir z. B. ein Programm für gemein nützige Vereine umgesetzt.
Wichtiger noch: Die kommunalen Kostenträger haben in der Regel – manche im Nachgang – die Entgelte vollständig wei terbezahlt, um die Strukturen aufrechtzuerhalten und weil in vielen Fällen die Leistungen coronabedingt immerhin in ge ringerem Umfang oder anders erbracht wurden, z. B. digital.
Ein wesentlicher Grund, warum das SodEG bei uns weniger zentral ist, ist der vorbildliche Pakt des Landes mit den Kom munen. Denn dadurch wurden diese ertüchtigt, ihrer Verant wortung für die Daseinsfürsorge und die Daseinsvorsorge bei den Pflichtleistungen und auch bei den freiwilligen Leistun gen in vollem Umfang gerecht zu werden.
Wir, das Land, ersetzen den Kommunen alle Steuerminder einnahmen im Jahr 2020. Zum einen werden bei der Gewer besteuer die Verluste zu 55 % vom Land und zu 45 % vom Bund getragen. Darüber hinaus erhalten die Kommunen vom Land exakt die Steuermittel, die sie nach der Steuerschätzung vom Herbst 2019 erwarten konnten.
Damit will ich nicht ausdrücken, dass es künftig keinen Nach steuerungsbedarf geben wird. Je nachdem und je nach den Er kenntnissen werden wir auch künftig gemeinsam dazulernen und nachsteuern. Denn wir wollen, dass die soziale Infrastruk tur in unserem Land und in unseren Kommunen in vollem Umfang erhalten bleibt. Die Infrastruktur ist und bleibt ein Stützpfeiler für den sozialen Zusammenhalt.
Ich bedanke mich herzlich.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dieses Jahr hat Spuren hinterlassen – nicht zuletzt bei Kindern und Jugendlichen, bei manchen am ganzen Körper, bei vielen an der Seele. Es hat uns in Erinne rung gerufen, wie zerbrechlich viele Errungenschaften in un serem Land sind. Denn Baden-Württemberg ist eigentlich ein wunderbarer Ort für Kinder und Jugendliche.
Gerade in diesen Zeiten sind sie mehr denn je darauf ange wiesen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bewahrt wird, und darauf, dass unsere bürgerschaftlichen und sozial politischen Strukturen tragen. An vielen Stellen haben sich diese in der Krise bewährt, an einigen haben wir alle dazuge lernt.
Gute Politik fängt dabei ganz früh an. Um junge Eltern und ihre neugeborenen Babys zu begleiten, haben wir das Landes programm STÄRKE neu aufgestellt. Mit Frühen Hilfen und offenen Angeboten stehen wir Kindern und Eltern mit Rat und Tat zur Seite, und wir stärken ihre Eigenverantwortung. Wei terführend haben wir eine Rahmenkonzeption Familienbil dung gefördert, die nun in drei Landkreisen und einer Stadt modellhaft umgesetzt wird.
Um mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen, haben wir das Jahr 2020 zum Schwerpunktjahr „Starke Kinder – chancen reich“ gemacht.
Mit insgesamt 5 Millionen € fördern wir Projekte gegen Kin derarmut. Ein Beispiel: Die Werkstatt PARITÄT betreut in neun Städten Kinder ab Klasse 5 mit einer festen Bezugsper son, um deren Lebenssituation zu stabilisieren und einen vor zeitigen Schulabbruch zu verhindern.
Ja, es ist leider wahr: Auch im wohlhabenden Baden-Würt temberg lebt fast jedes sechste Kind in Armut. Das nehmen wir Grünen nicht hin.
Im Land fördern wir kommunale Netzwerke gegen Kinderar mut. Sie müssen zum landesweiten Standard werden.
Auf Bundesebene streiten wir für eine wirksame Kindergrund sicherung, damit keine Familie arm ist, nur weil dort Kinder leben.
Mittlerweile fordern dies 15 von 16 Bundesländern. Bis da hin war es ein langer Weg. 1999 habe ich für die grüne Bun destagsfraktion das erste Konzept für eine Kindergrundsiche rung entwickelt. Jetzt wollen es fast alle; nur Bayern verwei gert sich nach wie vor.
Soziale Arbeit beugt sozialer Ausgrenzung vor. Die Jugend sozialarbeit leistet eine wichtige Präventions- und Unterstüt zungsarbeit. Sie eröffnet Lebenschancen, wo diese aufgrund der persönlichen Lebensumstände verbaut scheinen. Damit beugen wir auch Gewalt und Kriminalität vor. Wir wollen sie deshalb bedarfsgerecht ausbauen.
Gerade am Stuttgarter Eckensee, wo die mobile Jugendarbeit vor wenigen Jahren eingestellt wurde, hätten wir sie dringend gebraucht. Es ist gut, dass sie nun wieder aufgenommen wird.
In der Sondersituation der Pandemie leiden viele Jugendliche und auch viele junge Erwachsene darunter, dass sie die High speed-Phase ihres Lebens nicht wirklich ausleben können. Ih re sozialen Kontakte sind nicht nur in der Freizeit, sondern z. B. auch im Studium maximal reduziert. Gerade die Perso nengruppe zwischen 14 und 30 Jahren müssen wir deswegen in den kommenden Monaten verstärkt in den Blick nehmen. Wir brauchen eine offene Debatte darüber, was wir diesen jun gen Menschen bieten können.
Kinder, Jugendliche und Familien sind auf offene und öffent liche Räume angewiesen, die zu ihren Bedürfnissen passen. Das sind z. B. niedrigschwellige Angebote wie Stadtteil- und Familienzentren. Wir wollen für sie eine Koordinationsstelle auf Landesebene. Sie soll Städte, Gemeinden und Träger da bei beraten, Konzepte zu erstellen und Qualitätsstandards wei terzuentwickeln.
Ein zentrales Anliegen ist es, Kinder und Jugendliche vor jeg licher Form von Gewalt zu schützen.
Wir wissen inzwischen, dass im Schatten des Lockdowns im Frühjahr die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zugenom men hat.
Ich setze noch einmal an. Wir wissen inzwischen, dass im Schatten des Lockdowns im Frühjahr die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zugenom men hat.
Eine Konsequenz, abgesichert durch die Kinderstudie des Landes, ist, dass Kitas und Grundschulen nun pandemiege recht offen bleiben können.
Kinderschutz beruht auf zwei Prinzipien – das gilt in Pande miezeiten mehr denn je –: auf einer Erziehungspartnerschaft mit den Eltern und einer klaren Orientierung an der UN-Kin derrechtskonvention. Kinderrechte sind Menschenrechte.
Bereits Ende 2017 haben Land und Kommunen ein Kinder schutzkonzept für Baden-Württemberg unterzeichnet. Zwei von mir eingebrachte Anträge über die Strukturen und Pro zesse in den Jugendämtern zeigen: Die daraus entstandenen Angebote – sie sind freiwillig – sind gut.
Aber von einheitlichen, guten fachlichen und personellen Standards in der Jugendhilfe sind wir noch weit entfernt.
Ein Problemfeld, bei dem bundesweit noch sehr viel zu tun ist, ist die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendli che. Sie unterscheidet sich dadurch, dass sie nicht einfach auf einer Überforderung von Familien beruht, sondern planvolles Verhalten, gezielte Einschüchterung und Vertuschen beinhal tet, im privaten Umfeld ebenso wie in Vereinen und im Inter net. Wir wissen: In jeder Schulklasse sitzen im Schnitt zwei Kinder, die Opfer sexualisierter Gewalt sind oder waren.
Eine Antwort des Landes war nach dem schrecklichen Fall in Staufen die Kommission Kinderschutz, die im September 2018 unter dem Vorsitz von Sozialminister Manne Lucha ein gesetzt und mit gut 100 guten Einzelempfehlungen zu Ende gebracht wurde. Dies haben wir in der grünen Landtagsfrak tion parlamentarisch begleitet, in einer engen Kooperation zwischen Sozial- und Rechtspolitikern. Wir haben dazu zwei aufwendige Fachgespräche veranstaltet. Aus dem ersten Fach gespräch entstand ein Positionspapier der grünen Landtags fraktion mit dem Titel: „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder bekämpfen“.
Das zweite Fachgespräch haben wir vor genau zwei Wochen durchgeführt. Dabei haben wir uns mit Akteuren aus der öf fentlichen und privaten Jugendhilfe, aus der Justiz, der sozi alen Arbeit, der Psychologie sowie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen beraten. Das Ergebnis sind landespolitische Handlungsaufträge für die nächsten Jahre bei der Prävention, der Erkennung von Notlagen, der Beratung, der Therapie und der Strafverfolgung. In den Städten, Gemeinden und Land kreisen sollen landesweit verlässliche Netzwerke für Kinder schutz entstehen – von den Bildungseinrichtungen über freie Träger bis hin zu den Jugendämtern. Dafür wollen wir einen Masterplan Kinderschutz vereinbaren.
Nein.
Als ersten Schritt finanzieren wir eine Landeskoordinierung für die unabhängigen Fachberatungsstellen gegen sexualisier te Gewalt. Ein weiteres Stichwort ist die Funktion eines oder einer Landesbeauftragten gegen sexuelle Gewalt gegen Kin der. In der Familiengerichtsbarkeit wollen wir Fortbildung verbindlich machen und fordern eine angemessene Personal ausstattung. Die Strafverfolgung von sexueller Gewalt wol len wir personell und fachlich stärken. Wir fordern und för dern neue Instrumente, die eine effektive Strafverfolgung ebenso ermöglichen wie den Datenschutz. Die Beweissiche rung durch Opferschutzambulanzen wollen wir nach dem Vor bild der Gewaltambulanz Heidelberg landesweit ermöglichen und Kinder in Gerichtsverfahren vor einer Retraumatisierung schützen.
Prävention und Schutz sind davon abhängig, dass Kinder und Jugendliche konsequent beteiligt werden, dass ihr Wille zählt, dass sie ihre Rechte kennen und wahrnehmen. Deshalb sind Demokratiebildung und -beteiligung präventiver Kinderschutz. Wir wissen, Demokratie wird am besten erlernt, wenn sie re al erlebt wird. Mit dem „Masterplan Jugend“ stärken wir da her gezielt die Strukturen der offenen Jugendarbeit. Gegen über 2016 stehen dafür jährlich dauerhaft 10 Millionen € mehr zur Verfügung.
Mit der Reform der Gemeindeordnung haben wir erreicht, dass sich Kinder und Jugendliche in den Kommunen deutlich mehr einmischen können, etwa in Jugendgemeinderäten und Jugendforen. Das wollen wir ausbauen, und wir, die Grünen, wollen das Wahlalter auf allen Ebenen auf 16 Jahre senken.
Denn es ist die junge Generation, die von den heutigen Ent scheidungen am längsten betroffen sein wird, beispielsweise von den Lasten der Pandemiebekämpfung und vom Klima wandel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor 30 Jahren wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Es ist höchste Zeit, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
Ich danke unserem Sozialminister Manne Lucha dafür, dass er dies in der Landesjugendministerkonferenz klar vertritt. Starke Kinderrechte im Grundgesetz würden den Staat dazu verpflichten,
auf allen Ebenen konsequent
gegen Gewalt und gegen Kinderarmut vorzugehen.
Denn wir haben zwar schon vieles auf den Weg gebracht, aber noch sehr viel mehr vor uns.
Machen wir Kinder und Jugendliche gemeinsam stark.
Und übrigens, Herr Kollege Fiechtner, vielleicht zum Ab schluss, weil Sie jetzt drei Mal die gleiche Frage gestellt ha ben: Ja, Kinder sind Menschen. Frauen sind auch Menschen.
Aber das ist eine Konsequenz aus der Menschenrechtskon vention der Vereinten Nationen,
dass man gemerkt hat, man muss es für bestimmte Personen gruppen noch einmal genauer definieren.
Es ist eine Ausdifferenzierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die weltweit Konsens gefunden hat.
Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft.
Wenn Sie, Herr Fiechtner, diese zivilisatorischen Errungenschaften negieren, nehmen wir das zur Kenntnis.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, welches Bild Sie von der Pandemiebekämpfung haben. Mir kommt sie vor wie ein Marathonlauf durch gefährliches Gelände. Wir wissen nur un gefähr, wie lang die Strecke ist. Jedoch können wir mittler weile einschätzen, wie wir die Distanz am besten bewältigen: nicht durch Aktionismus, sondern durch besonnenes und ziel gerichtetes Handeln, für das unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht.
Genau diese Umsicht brauchen wir – keine Laut-Sprecher, keine kurzatmigen Effektheischer. Wir brauchen zudem Trans parenz, Mitbestimmung und offene Debatten.
Deshalb ist es gut, dass die Verordnung in Baden-Württem berg Gegenstand einer Parlamentsdebatte ist. Denn eines ist klar: Es gibt in dieser Pandemie kein Patentrezept, sondern immer nur eine verantwortungsbewusste Abwägung der mög lichen Pfade. Diese Abwägung gehört selbstverständlich ins Parlament.
Die Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen beschrei ben zum Teil Selbstverständlichkeiten. Liebe SPD, das, was Sie fordern, ist längst in der Mache.
In unserem Entschließungsantrag vom Donnerstag sind zu dem alle Grundsätze sauber formuliert.
Der Entschließungsantrag der FDP/DVP ist zudem fachlich falsch; denn es muss immer nicht zentralistisch, sondern vor Ort festgelegt werden, ob aufgrund der konkreten Lage ein Hotspot vorliegt.
Wir wissen viel mehr über die Gefahren und die Möglichkei ten ihrer Bekämpfung als noch vor wenigen Monaten. Die grün-schwarze Landesregierung und die sie tragenden Frak tionen sind ein lernendes System.
Auf diesem unsicheren Terrain gibt es keine Garantie, dass wir keine Fehler machen. Natürlich machen wir Fehler. Des wegen müssen Widersprüche und Fehler laufend, in einem ständigen Lernprozess erkannt und korrigiert werden. Wir müssen mit der breiten Bevölkerung und der Wissenschaft in einem ständigen Dialog bleiben und dürfen Widersprüche nicht als lästig abtun, sondern müssen sie als Ansporn dafür begreifen,
dass wir unsere Maßnahmen besser erklären, und zugleich als Ansporn dafür, dass wir auf wissenschaftlicher Basis immer neue und bessere Lösungen suchen.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschieht auch. Das Land hat auf Anregung von Winfried Kretschmann eine groß angelegte Kinderstudie in Auftrag gegeben. Diese ergab: Kin der unter zehn Jahren sind am Infektionsgeschehen kaum be teiligt. Auf dieser Grundlage können nun alle Bundesländer einen verantwortbaren Betrieb von Kitas und Grundschulen gewährleisten.
Wir sind im grün geführten Baden-Württemberg bisher rela tiv glimpflich durch die Krise gekommen. Baden-Württem berg war im Frühjahr immer unter den beiden meistbetroffe nen Bundesländern; inzwischen liegt Baden-Württemberg trotz seiner geografischen Lage nach den Zahlen des RKI auf Platz 6 – trotz der vielen Menschen, die täglich über die Gren ze kommen. Das Land hat unter Minister Manne Lucha, dem ich für seine Arbeit sehr herzlich danke, Schutzausrüstung be vorratet, zusätzlich zum Bundeskontingent fünf Millionen zu sätzliche Schnelltests organisiert und bereitet die Impfungen systematisch vor.
Die Bevölkerung hat in ihrer großen Mehrheit großes Ver ständnis für die Anti-Corona-Maßnahmen, auch für die jetzt notwendigen und verhältnismäßigen Einschränkungen. Aber auch tapfere Marathonläuferinnen und -läufer – ich komme
zurück zu meinem Bild – brauchen gelegentlich eine kleine Atempause. Dazu dienen die Lockerungen über Weihnachten, in verantwortbarer Kürze und mit dem Appell eines verant wortlichen Umgangs damit. Die weitere Perspektive muss ei nen Weg des Ermöglichens eröffnen.
Hart betroffene Berufs- und Wirtschaftsbereiche wie Kunst, Kultur und Gastronomie müssen besser unterstützt werden, als der Bund es bisher will, damit sie durchhalten.
Wir brauchen eine umfassende Schnellteststrategie, wie wir sie in den Pflegeheimen, im Gesundheitswesen, in Schulen und Kitas nun eingeleitet haben. Wir brauchen viel mehr schützende FFP2-Masken, wie sie vom Land nun millionen fach verteilt werden. Wir brauchen mehr technische Hilfsmit tel wie Luftreinigungsgeräte. Auch dafür gibt es nun ein Bud get.
Dennoch ist uns bewusst: Viele Heldinnen und Helden des Alltags sind inzwischen müde. Doch sie wissen auch: Durch halten lohnt sich. Voraussichtlich bis Mitte kommenden Jah res können sich die meisten Menschen, die dies wünschen, impfen lassen. Der Lohn der Anstrengung wird die schrittwei se Rückkehr in einen unbeschwerten Alltag sein. Für diese Wegstrecke schaffen wir heute eine wichtige Grundlage.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das inklusive Wahlrecht haben wir, die grün-schwarze Koalition, uns am Anfang der Wahlperio de vorgenommen. Heute werden wir es in Baden-Württem berg endgültig und dauerhaft verankern. Das ist eine erfreuli che Nachricht. Ich danke bei unserem Koalitionspartner ins besondere dem Kollegen Hockenberger für seine verlässliche und konsequente Unterstützung.
Der heutige Tag ist ein guter Tag für die bürgerlichen Rechte in unserem Land. Der Weg dorthin war nicht einfach. Wir ha ben zuerst auf Schwarz-Rot im Bund gewartet; denn die hat ten eine inklusive Bundesregelung angekündigt.
Wir wollten mit unserem Wortlaut keinen Widerspruch hier zu produzieren. Ansonsten hätten wir gleich nachbessern müs sen. Als sich in Berlin aber nichts tat, haben wir gemeinsam eine Übergangsbestimmung beschlossen, um für die Kommu nalwahl 2019 eine inklusive Regelung zu schaffen, die übri gens auch die kommende Landtagswahl noch umfasst hätte.
Schwarz-Rot wurde auf den letzten Drücker vom Bundesver fassungsgericht gezwungen, eine inklusive Wahl zum Euro paparlament zu ermöglichen, die zeitgleich mit unserer Kom munalwahl stattfand. Das war aber eine peinliche Situation. Während bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg selbstverständlich inklusiv, ohne Hürden und Diskriminierung gewählt werden konnte, war dies bei der gleichzeitig stattfin denden Europawahl nur auf gesonderten Antrag möglich, wenn Menschen eine gesetzliche Betreuung in allen Angele genheiten hatten – eine unnötige Behinderung.
Wie wir aus der Ersten Beratung wissen, ist einzig die AfD gegen ein inklusives Wahlrecht. Sie stellt sich damit gegen das Bundesverfassungsgericht, das klargestellt hat, dass eine gesetzliche Betreuung keine Vormundschaft und kein Krite rium dafür ist, ob jemand wahlmündig ist oder nicht. Dass die AfD dies nicht verstanden hat oder nicht verstehen will, lässt an ihrer eigenen Urteilsfähigkeit zweifeln.
Der Gesetzentwurf von SPD und FDP/DVP ist mit dem Bun desrecht nicht synchronisiert. Er ist bei den Themen Wählbar keit und Bürgermeisterwahlen weniger weitgehend und un konkreter als der Gesetzentwurf von Grün-Schwarz, auch wenn er im Großen und Ganzen die gleiche Zielrichtung hat wie unser Gesetzentwurf. Dies wurde auch in der Ersten Be ratung und in den Ausschussberatungen – das ist übrigens auch im Protokoll vermerkt – sehr deutlich. Daher ist es sehr verwunderlich, dass SPD und FDP/DVP ihren Entwurf wei ter aufrechterhalten.
Dennoch glaube ich, dass die demokratischen Parteien wie auch die Öffentlichkeit den heutigen Tag feiern können. Wir bekommen endlich ein widerspruchsfreies inklusives Wahl recht.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Corona-Verordnung benennt in § 1 drei wesentliche Ziele: Die Infektionsgefahren sollen wirk sam und zielgerichtet reduziert werden, die Infektionswege sollen nachvollziehbar gemacht werden, und die medizini schen Versorgungskapazitäten sollen aufrechterhalten werden. Damit schützen wir besonders gefährdete Menschen: Men schen mit Vorerkrankungen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen. Daraus resultieren die AHA-Regeln: Ab stand, Hygiene, Alltagsmaske. Das sind Dinge, die viele Men schen in diesem Land inzwischen sehr unaufgeregt als Rou tine in ihren Tagesablauf integriert haben. Sie tragen dazu bei, das Coronavirus mit möglichst geringen Einschränkungen ein zudämmen. Dabei geht es nicht nur um Ältere und Kranke; denn auch junge Menschen ohne Vorerkrankungen kann das Virus schwer treffen mit zum Teil dramatischen Langzeitfol gen.
Mit unserer Politik sind fünf zentrale Botschaften verbunden.
Die erste lautet: Wir halten Maß und Mitte, auch bei dieser Verordnung. Wir haben gezeigt, dass eine Demokratie in der Krise unter Wahrung bürger- und rechtsstaatlicher Grundsät ze schnell und angemessen reagieren kann.
Dass wir nicht wie gewohnt feiern können, tut auch uns Grü nen weh. Seit 40 Jahren sind wir im Landtag von Baden-Würt temberg vertreten. Unsere große Jubiläumsfeier ist jedoch dem Virus zum Opfer gefallen, wie auch so mancher Geburtstag in unseren Familien und Freundeskreisen. Doch wenn wir an die Bilder aus Bergamo oder an das denken, was jetzt bei spielsweise in Madrid passiert – Inzidenz über 700 –, dann können wir feststellen: Wir haben gemeinsam Schlimmeres verhindert. In Madrid gelten seit Montag Ausgangssperren für über 800 000 Menschen.
Sie dürfen ihre Wohnungen nur noch verlassen, wenn sie zur Arbeit oder in die Schule gehen oder wenn sie sich um kran ke und bedürftige Menschen kümmern. Parks und Spielplät ze werden wieder abgeriegelt. Das, meine Damen und Her ren, sind wirklich schwerwiegende Einschränkungen.
Davon sind wir in Deutschland und in Baden-Württemberg zum Glück weit entfernt. Wir handeln mit Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land vorsorgend, beson nen und verhältnismäßig. Wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder andere Hinweise ergeben, werden die Maß
nahmen entsprechend korrigiert, die Corona-Verordnung wird angepasst, und sie wird – die Frau Staatssekretärin hat es dar gestellt: einmalig in der Bundesrepublik – von unserer Regie rung hier offen zur Debatte gestellt. Das müsste sie nicht tun.
Die Landesregierung und die Landespolitik insgesamt sind ebenso wie die Wissenschaft ein lernendes System. Sie han deln jeweils nach bestem Wissen und Gewissen. Die Bürge rinnen und Bürger unseres Landes verstehen und schätzen das. Wir halten Maß und Mitte.
Meine zweite Botschaft ist: Wir haben einen Plan für den Fall eines Anstiegs der Infektionszahlen. Bereits im Juni hat die Landesregierung ein Ampelsystem etabliert. Es ermöglicht ein zielgerichtetes Vorgehen mit regionalen Beschränkungen dort, wo die Zahl der Neuinfektionen stark ansteigt. Liegt die Sie ben-Tage-Inzidenz bei 35 Neuinfektionen, dann springt die Ampel auf gelb. Weitere Maßnahmen werden ergriffen, wenn die Ampel rot ist, wenn der Inzidenzwert von 50 überschrit ten ist.
Mit dem Konzept der drei Pandemiestufen haben wir ein kla res Verfahren festgelegt und sind auch bundesweit beispiel gebend. Die Ressorts haben für die verschiedenen Lebensbe reiche Maßnahmen vorbereitet, die unverzüglich eingeleitet und umgesetzt werden können. Damit hat die Landesregie rung entschlossen und zugleich besonnen gehandelt, um die Krise zu meistern.
Nein. – Die dritte Botschaft ist: Die Änderungen, die zum heutigen Tag in Kraft treten, sind angemessen. Die Zahl der Neuinfektionen liegt in Ba den-Württemberg wieder auf dem Niveau vom April. Ich ha be Verständnis dafür, dass viele Menschen nach sechs Mona ten Pandemie müde sind, dass sie nach Angst und Unsicher heit wieder den Drang haben, unbeschwert zu leben. Aber das Virus ist noch da, die Pandemie ist leider nicht vorbei. Des wegen müssen wir Vorsorge treffen, damit uns im Winter kei ne weitere schwere Welle trifft.
Es ist deshalb wichtig, dass die Maskenpflicht auf weitere Be reiche ausgedehnt wird. Mit Maske in ein Restaurant zu ge hen ist besser, als in gar kein Restaurant gehen zu können, auch für die vielen Gastronomiebetriebe im Land. Wir wollen und werden vieles in verantwortbarer Weise ermöglichen, auch Weihnachtsmärkte, wenn die Kommunen dies nach der Situation vor Ort für verantwortbar halten. Aber ob es Alko holausschank auf Weihnachtsmärkten geben kann, muss sorg fältig anhand des jeweiligen Infektionsgeschehens geprüft werden. Den Alkoholausschank pauschal und undifferenziert zu bejahen, wie es die FDP/DVP verlangt, ist aus unserer Sicht fahrlässig. Das lehnen wir ab.
Das Gleiche gilt für Ihre Forderung, dass Gruppen von bis zu zehn Personen in Reisebussen ohne Mindestabstand auf Mas ken verzichten können sollten. Ihre Analogie zu Restaurants ist fachlich schlichtweg unhaltbar.
Ja, anderes Pandemiegeschehen.
Die vierte Botschaft lautet: Wir werden den Betrieb von Ki tas und Schulen sicherstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits im Mai habe ich hier im Plenum gesagt, dass Kinder, Jugendliche und ihre Famili en Anspruch auf unsere Solidarität und auf gezielte Unterstüt zung haben. Wir haben bezüglich der sozialen und emotiona len Folgen der Maßnahmen im März und April Bilanz gezo gen, und wir sind uns einig: Für viele Kinder, Jugendliche und deren Eltern war die Belastungsgrenze oft erreicht oder über schritten. Es gilt daher, größere oder gar flächendeckende Ki ta- und Schulschließungen zu verhindern.
Das ist im Pandemiestufenkonzept auch so vorgesehen. Kin der unter 14 Jahren sind zwar weniger infektiös – das hat ei ne große Metastudie mit Daten aus 32 Studien gezeigt; die „Süddeutsche Zeitung“ hat am Montag darüber berichtet –, aber Kinder und vor allem Jugendliche sind eben als Überträ ger nicht ausgeschlossen. Das RKI hat darauf hingewiesen, dass es bewiesene Übertragungen in den Schulen gibt. Die ersten Wochen seit den Ferien in Baden-Württemberg haben genau dies bestätigt.
Ich begrüße es deswegen, dass das Sozial- und das Wissen schaftsministerium einen multidisziplinären Arbeitskreis ein berufen, der sich mit den neuesten Erkenntnissen über die Ver breitung von Aerosolen beschäftigen und auch kurzfristig Handlungsempfehlungen geben wird. Dabei wird wie schon bisher immer aktuell überprüft, was möglich ist. Wenn ver antwortbar und mit einem guten Hygienekonzept, wird es auch wieder jahrgangsübergreifende AGs geben. Der betref fende Antrag der FDP/DVP ist somit überflüssig.
Vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen dürfen wir nichts unversucht lassen, die Ansteckungsgefahr in unse ren Kitas und Schulen zu verringern. Deshalb braucht es jetzt auch schnell einen wissenschaftlich begleiteten Modellver such, der untersucht, ob und wie Luftreiniger geeignet sind, in Klassenzimmern und Kitaräumen für eine effektive Verbes serung der Luft zu sorgen. Denn aus den Schulen kommen Rückmeldungen, dass die Empfehlungen zum regelmäßigen Lüften oft baulich nicht umsetzbar sind.
Meine fünfte und abschließende Botschaft: Wir sind und wir bleiben im Dialog mit der Bürgerschaft. Viele konstruktive und auch kritische Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bür gern haben uns in den vergangenen Wochen und Monaten er reicht. Wir bügeln diese Hinweise nicht einfach ab, sondern wir nehmen sie ernst. Sie haben an vielen Stellen dazu geführt, dass wir Maßnahmen besser begründet haben oder gemein sam mit der Wissenschaft und engagierten Bürgerinnen und Bürgern neue und dritte Lösungen gefunden werden. Die Po litik des Gehörtwerdens gilt auch in der Pandemie. Darauf können Sie sich verlassen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung ersetzen wir eine vorläufige Regelung
durch eine dauerhafte. Endlich! Denn allein die Tatsache, dass wir noch im Jahr 2020 – im Jahr 2016 war es auch nicht viel anders – über ein inklusives Wahlrecht beraten müssen, ist ei gentlich ein Irrwitz. Die Rechte von Menschen mit Behinde rungen und ihre Gleichstellung haben Verfassungsrang. Die UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrer Festschreibung selbstverständlicher Teilhaberechte ist in Deutschland seit 2009 geltendes Recht. Darin ist klar festgeschrieben: Wer durch eine Behinderung benachteiligt ist, hat das Recht auf einen Nachteilsausgleich, damit selbstverständliche Teilhabe individuell möglich wird.
Dafür haben wir im Land vieles auf den Weg gebracht. Nach unserem bundesweit besten Landesbehindertengleichstellungs gesetz und dem Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, das nun gegründet wird, werden wir auch bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes dazu beitragen, dass wir dem Ziel einer selbstverständlichen Inklusion näherkommen, etwa mit einer landesweit einheitlichen, personenzentrierten Bedarfs ermittlung für Selbstbestimmung und für klare Rechtsansprü che. Denn wir sagen: Wer hilfsbedürftig ist, hat Anspruch auf Unterstützung, damit ein selbstverständliches Miteinander möglich wird.
Im Betreuungsrecht gilt dieser Grundsatz schon seit den frü hen Neunzigerjahren, seit das Vormundschaftsrecht abgelöst wurde. Im Betreuungsrecht wird ein Mensch nicht mehr ent mündigt. Eine rechtliche Betreuung ist keine Bevormundung mehr, sondern eine gezielte Unterstützung in den Bereichen Vermögen, Gesundheit und Aufenthaltsrecht. Eine Betreuerin oder ein Betreuer handelt mit einer und bei Bedarf in Vertre tung einer betreuten Person, aber nie gegen sie oder über ih ren Kopf hinweg. Daraus folgt eigentlich zwingend: Wer die se Unterstützung beansprucht, darf seine bürgerlichen Rech te nicht verlieren.
Das war aber im Wahlrecht bis vor Kurzem anders. Da schim merte das alte Vormundschaftsrecht mit seiner Entmündigung durch. Wer Betreuung in allen Lebensbereichen beanspruchte, wurde pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen, unabhängig vom eigenen Willen, unabhängig von den eigenen Interessen. Diesen Missstand hat des Bundesverfassungsgericht im April 2019 beendet – zum Glück!
Bei der Umsetzung des inklusiven Wahlrechts waren wir im Land in einem Dilemma. Es ergibt Sinn, das Wahlrecht im Bund und im Land einheitlich inklusiv zu regeln. CDU und SPD kamen im Bund aber nicht rechtzeitig in die Pötte. Wir haben deshalb im Land im Jahr 2019, quasi in letzter Minute, eine Übergangsregelung geschaffen, die ein inklusives Wahl recht für die Kommunalwahlen im vergangenen Jahr sowie auch schon für die Landtagswahl im kommenden Jahr ermög licht hat bzw. ermöglicht. Damit haben wir im Land dem Ur teil des Bundesverfassungsgerichts entsprochen. Während der Bund peinlich hinterherhinkte, gab und gibt es nach diesem Urteil im Land keinerlei Wahlrechtsausschluss mehr.
Bei der Europawahl war es beispielsweise so, dass es die Be troffenen beantragen mussten. Stellen Sie sich vor: Ein allge meines gleiches Wahlrecht muss man beantragen! Das war bei der Kommunalwahl, die gleichzeitig stattgefunden hat, nach unserer Regelung eben nicht der Fall. Alles andere ist Sabi nes Märchenstunde – das muss ich schon sagen, Frau Kolle gin Wölfle.
Wir haben im Ergebnis ein durchgehend inklusives Wahlrecht erreicht. Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei unserem Ko alitionspartner, ganz persönlich bei Ulli Hockenberger, für die konstruktive und sehr sorgfältige Zusammenarbeit.
Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf bekommen wir nicht nur ein dauerhaft inklusives Wahlrecht, sondern auch ei nes, das mit dem verspätet auf den Weg gebrachten Bundes recht harmonisiert ist. Das ist ein wichtiger Schritt auf unse rem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Viele Barrieren müssen wir noch ge meinsam mit den Betroffenen abräumen. Der größte Teil des Weges liegt noch vor uns.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Kinder und Jugendliche sind system relevant. Sie und ihre Familien haben Anspruch auf unsere Solidarität und auf gezielte Unterstützung mit und nach Co rona. Wir haben in dieser Krise in vielen Bereichen schnell, engagiert und wirkungsvoll gehandelt, um die Menschen vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen und die wirtschaftli
chen Folgen der Coronakrise abzumildern. Darauf und auf die vielen verständigen Menschen in unserem Land können wir zu Recht stolz sein.
Zur Risiko-Nutzen-Abwägung gehört jedoch immer auch die ehrliche Betrachtung der Nebenwirkungen, die alle politischen Entscheidungen haben. Gerade weil uns Kinder und Jugend liche besonders am Herzen liegen, ist es an der Zeit, eine ers te Bilanz der sozialen und emotionalen Folgen zu ziehen und daraus zu lernen. Denn die Krise ist trotz aller Erfolge noch lange nicht überstanden.
Umso wichtiger ist es, dass wir auf die Verletzlichsten in die ser Gesellschaft schauen, dass wir kein Kind zurücklassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein kritischer Blick ist des wegen keine Majestätsbeleidigung, sondern Voraussetzung für gemeinsames Lernen. Ob es dafür immer Ihres rhetori schen Holzhammers bedarf, lieber Kollege Born, darf aller dings bezweifelt werden. Sie erinnern mich an ein Sprichwort, das der legendäre Psychologe Paul Watzlawick gern zitiert hat.
Er sagte:
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
Ja, wir kennen uns ja, nicht?
Wir sagen: Klartext und lösungsorientierte Verantwortlichkeit schließen sich nicht aus, sie gehören zusammen.
Zum Klartext gehört: Viele Kinder und Jugendliche verkraf ten die besonderen Belastungen der Coronakrise relativ gut, andere keineswegs.
Etwa 20 % der Schülerinnen und Schüler werden beim Home schooling nicht erreicht.
Kindern und Jugendlichen fehlt bei geschlossenen Kitas und Schulen nicht nur das Lernumfeld, sondern auch die ganzheit liche Förderung. Frühkindliche Bildung hat durch den Drei klang aus Bildung, Erziehung und Betreuung eine enorme Be deutung für die späteren Lebenschancen. Lange versäumte Zeiträume schlagen sich dementsprechend nieder.
Die Gewaltambulanz Heidelberg geht infolge der Kontaktbe schränkungen von einer Verdreifachung der Zahl der Kindes misshandlungen aus.
Ich komme dazu. – In sozialer Isolation steigt für Kinder und Jugendliche zudem das Risiko, Opfer sexualisierter Ge walt zu werden – im persönlichen Umfeld wie im Internet.
Selbst für die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen, denen es zu Hause richtig gut geht, ist die Belastungsgrenze oft erreicht oder überschritten, ebenso wie für ihre mit Home office und Homeschooling oft mehrfach geforderten Eltern. Deshalb ist es gut, dass Schulen, Kitas und andere Angebote nun nach den Kriterien des Infektionsschutzes Schritt für Schritt wieder geöffnet werden können.
Es liegt in der Verantwortung des Landes, diesen Prozess zu begleiten und mitzugestalten – mit einem strukturierten Dia log mit den Kommunen, den Schulen, den Eltern und den frei en Trägern. Wir brauchen also mehr als die Verständigung auf einen rechtlichen Rahmen, den die Verantwortlichen vor Ort dann irgendwie ausfüllen müssen.
Den brauchen wir auch. Das habe ich ja gesagt. – Das wäre viel zu kurz gesprungen.
Das Land kümmert sich aus guten Gründen – obwohl formal nicht zwingend zuständig – sehr wohl nicht nur um die Quan tität, sondern auch um die Qualität der Kinderbetreuung. Des wegen gibt es den pädagogisch bahnbrechenden Orientie rungsplan, deswegen gibt es zwei Pakte mit den Kommunen zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren und nun auch zu wichtigen Qualitätsfragen wie Leitungszeit und Sprachförde rung.
Deswegen beschränkt sich das Land nicht auf das schulische Lernen, sondern fördert auch sehr gezielt die Schulsozialar beit.
Für uns ist deswegen klar, was Krisenmanagement in dieser besonderen Lage bedeutet: Wir brauchen die Verständigung über Handreichungen und Konzepte und über einen Weg, wie aus Positivbeispielen – die gibt es! – landesweit handlungs leitende Standards werden. So ist zu klären, dass und wie mit allen Kindern Kontakt gehalten wird – über soziale Medien, über Telefon oder auch über reale Begegnungen.
Dabei helfen kann z. B. die preisgekrönte Regenbogen-App, mit der Kinder von drei bis elf Jahren intensiv mit ihren päd agogischen und sozialarbeiterischen Fachkräften kommuni zieren können. Alleinerziehende brauchen uneingeschränkt den Zugang zur erweiterten Notbetreuung und zum reduzier ten Regelbetrieb. Dies darf kein Hürdenlauf mehr sein.
Ebenso selbstverständlich muss sein, dass die Expertise der Lehrerinnen und Lehrer, der Erzieherinnen und Erzieher zählt. Sie wissen genau, welche Kinder und Familien einen beson deren Bedarf haben.
Mit den kommunalen Landesverbänden ist zu klären, wie Kin der an das kostenlose Kita- und Schulessen kommen – nicht nur im institutionellen, sondern auch im häuslichen Umfeld.
Die bisherigen Erfahrungen mit der Coronakrise erfordern auch eine Analyse des Handlungsbedarfs im Kinderschutz. Seine Umsetzung ist eine weisungsfreie Pflichtaufgabe der Stadt- und Landkreise, aber auch er braucht einen Qualitäts rahmen. Die grüne Landtagsfraktion wird die aktuellen Erfah rungen gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden und unabhängigen Expertinnen und Experten auswerten. Wir werden die Befunde mit den Empfehlungen der Kinderschutz kommission der Landesregierung und unseren Fachanhörungs ergebnissen abgleichen. Denn wir brauchen mehr denn je lan desweit verlässliche Kinderschutzstandards.
Die gezielten Lockerungen des öffentlichen Lebens müssen auch die Angebote der offenen Jugendarbeit, der Jugendbil dungsarbeit und der Jugendsozialarbeit umfassen. Dabei ist zeitnah zu klären, wie etwa Jugendfreizeiten und Zeltlager in verantwortlicher Weise gestaltet werden können. Das Sozial ministerium ist hier mit allen Akteuren im guten Gespräch.
Gutes Lernen wird auch künftig teilweise digital erfolgen. Wir brauchen deswegen verbindliche Vorgaben und Absprachen, wie Kinder in den kommenden Monaten durch ihre Lehrerin nen und Lehrer zu Hause qualifiziert unterrichtet werden. Lernpakete sind kein Unterricht. Es ist schön, dass die Schü lerinnen und Schüler jetzt wieder für wenige Stunden in die Schule kommen dürfen. Aber den Rest des Unterrichts kön nen wir nicht weiterhin den Eltern, der Kreativität einzelner Lehrkräfte und dem Zufall überlassen.
Deshalb ist es wichtig und richtig, dass sich die Koalition ges tern auf 65 Millionen € zusätzlich für die Bereitstellung digi taler Endgeräte verständigt hat. Das ist, glaube ich, bundes weit einmalig. Ich sage ganz flapsig: Wenn in Italien jedes Kind jeden Tag mehrere Stunden am Laptop unterrichtet wer den kann, dann können wir das auch.
Weiterhin notwendige Einschränkungen für den Betrieb von Kitas und Schulen müssen gut begründet werden. Nach allem, was wir wissen, ist das Risiko von Kindern und für Kinder durch Corona relativ gering – es ist aber nicht null. Die Kin derstudie des Landes, die uns Ende dieser Woche vorgestellt werden soll, wird uns eine weitere Orientierungshilfe geben. Entsprechend kann der Öffnungsprozess der Kitas angepasst werden: dialogisch abgestimmt und fachlich so gestaltet, dass wir den Bedürfnissen von Kindern und Familien und ebenso dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten gerecht werden. Auch hier braucht es eine koordinierende Hand des Landes.
Reden wir also ganz konkret über Hygieneregeln wie Hände waschen, Mundschutz für die Fachkräfte, über Abstandsre geln wie für die Kinderübergabe außerhalb der Kita, über das vermehrte Spielen draußen, über die Nutzung weiterer wenig genutzter Räumlichkeiten, über realistische Einsatzkonzepte für die Risikogruppe beim Personal und vor allem über flä chendeckende und systematische Testungen. Das ist nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch in Kitas möglich und nötig,
damit spätestens nach den Sommerferien wieder alle Kinder, die einen Anspruch darauf haben, ihre Kita besuchen können. Dies fordert auch die Initiative zur Gründung eines Landes elternbeirats für die Kindertagesbetreuung – und ich sage: zu Recht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen kreative, an gepasste Lösungen und klare Perspektiven, und diese finden wir, hier wie überall, gemeinsam mit den Betroffenen.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kern, Italien ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Warum habe ich das angesprochen? Ich glaube, es bricht uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir auch von einem Land wie Italien lernen, das hier einfach besser ist. Mir die Worte im Mund zu verdrehen finde ich nicht sehr originell.
Es bricht uns auch kein Zacken aus der Krone, wenn wir über Kitaöffnungen mit Infektionsschutz sprechen und da beispiels weise nach Dänemark schauen. Auch das würde sich lohnen, obwohl dieses Land so klein ist. Ich finde die Assoziation, es sei irgendwie schräg, solche Vergleiche zu machen, nicht nachvollziehbar.
Vielleicht ist aber wenigstens eines klar: dass in einer Krise wie der jetzigen nicht alles rundläuft, weil es eben keine Vor erfahrungen damit gibt, dass wir alle in einem Lernprozess sind. Dass solche Lernprozesse auch über offene Debatten stattfinden, ist nicht gerade sensationell, sondern notwendig. Wenn die SPD das befremdlich findet,
dann muss sie das mit sich ausmachen. Wir sagen: Gutes Kri senmanagement funktioniert nur mit Offenheit und Kritikfä higkeit.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Erste, was mir bei der Rede des Kollegen Stoch einfällt, ist, dass von den letzten 22 Jahren, seit 1998, die SPD 18 Jahre mit in der Bundesregierung ge sessen hat.
In der Coronakrise zeigt sich, worauf es tatsächlich ankommt:
auf gesellschaftlichen Zusammenhalt – darf ich bitte reden –, auf Solidarität, auf Humanität.
Ich würde gern meine Rede halten, Kollege Stoch. – Und es kommt auf verlässliche Struk turen an.
Dass wir verhältnismäßig gut durch die Krise kommen, ha ben wir ganz besonders denjenigen zu verdanken, deren Ar beit oft übersehen oder geringgeschätzt wird, beispielsweise den Beschäftigten in der Pflege, im Gesundheitssystem, in der Behindertenhilfe, in der Jugendhilfe, in der Kitanotbetreuung, in der Logistik und im Einzelhandel. Das sind Menschen, die jetzt unser Land am Laufen halten und dafür oft viel zu schlecht bezahlt werden.
Gleiches gilt für Lastwagenfahrerinnen und Lastwagenfahrer, Erntehelferinnen und Erntehelfer, Kassiererinnen und Kassie rer und für Reinigungskräfte. Sie sind systemrelevant. Dies gilt auch für viele andere Bereiche: Rettungsdienste, Polizei und Feuerwehr, Bundeswehr, Forschungseinrichtungen, Me dizinproduktehersteller oder die zahlreichen Krisenstäbe in den Kommunen und nicht zuletzt auch in den Ministerien.
Ihnen allen schulden wir nicht nur Dank, sondern auch ein Versprechen für die Zukunft: Anerkennung, Gleichberechti gung, bessere Arbeitsbedingungen – und oft auch bessere Löh ne; da stimme ich Ihnen übrigens zu.
Es spricht alles dafür, jetzt damit zu beginnen. Deshalb begrü ße ich die heutige Debatte ausdrücklich. Menschen in der Pfle ge und im Gesundheitswesen haben in den letzten Wochen Großes geleistet, auch unter Inkaufnahme von Gesundheits gefährdungen. Ich erinnere nur an den hohen Anteil des me dizinischen Personals bei den Neuinfektionen.
Deshalb ist es gut, dass jetzt, im Zusammenspiel mit dem Bund, eine Coronaprämie in Höhe von 1 500 € in der Alten pflege vereinbart wurde, an der sich das Land zu einem Drit tel beteiligt. In diesem Arbeitsfeld wird es auf absehbare Zeit noch besondere Belastungen durch Corona-Infektionen und Schutzmaßnahmen geben. Aber ich teile, wie auch mein Frak tionsvorsitzender Andreas Schwarz, die Auffassung, dass da mit Ähnliches für andere Personengruppen nicht ausgeschlos sen werden darf, etwa in der Krankenpflege, in der Eingliede rungshilfe, in der Kitanotbetreuung oder in der Arbeit mit psy chisch Kranken.
Wir sind offen für eine entsprechende Ausweitung.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, es bringt wenig, wenn Sie das hier im Landtag oder vor der Pres se fordern. Ihre beiden Parteien stellen die Bundesregierung.
Es braucht eine konkrete Ansprache Ihrerseits an Ihre Bun desebene, an den Genossen Olaf und an den zuständigen Mi nister Jens Spahn. Sonst bleiben Ihre Forderungen Symbol politik.
Einmalzahlungen sind gut; entscheidend sind aber nachhalti ge Verbesserungen: verlässlich greifende Tarifverträge, wirk same Mindestlöhne, eine verlässliche Personalberechnung im Gesundheitswesen statt statistisch ermittelter Mindeststan dards, der Schutz der Beschäftigten vor Infektionen und vor Überlastungssituationen. Hinzu kommen muss eine weiter verbesserte Ausstattung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Gewerbeaufsicht und des betrieblichen Gesundheitsma nagements – solidarisch finanziert, für uns Grüne verbunden mit einer Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen in dieser exis tenziellen Krise viele Heldinnen und Helden des Alltags erle ben. Ich möchte neben den schon erwähnten einige besonders hervorheben, etwa die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und ihr Personal. Denn für viele Menschen, die sich krank fühlten, waren sie die erste Anlaufstation. Altenpflegerinnen und Altenpfleger haben nicht nur ihren Job gemacht, sie wa ren für viele Heimbewohnerinnen und -bewohner lange die einzigen sozialen Kontakte, und sie haben unter enormem Druck auch diese Rolle hervorragend erfüllt.
Beschäftigte in der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe hat ten ohne ausreichende Schutzausrüstung direkten Menschen kontakt; denn wir konnten im Land anfangs nur den Mangel verwalten. Menschen im öffentlichen Dienst waren freiwillig am Wochenende auf Streife, um die Einhaltung der Maßnah men zu überwachen. Sie wurden zum Teil körperlich ange griffen. Eltern – verschärfte Bedingungen haben Alleinerzie hende – müssen Haushalt, Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut bringen und teilweise ihren Jahresurlaub und Zeit darüber hinaus opfern. Ehrenamtliche haben in der Nach barschaftshilfe Einkäufe für gefährdete Menschen übernom men. Studierende halfen in Krankenhäusern oder arbeiten frei willig bei Krisenhotlines mit. Führungskräfte in Unternehmen haben dem Land ihre Solidarität angeboten und bei der Be schaffung und Produktion von Schutzausrüstung sowie bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln mit angepackt. Reini gungskräfte fuhren und fahren noch immer Doppelschichten, um Orte zu desinfizieren. Wir sagen: Die Dankbarkeit, die wir diesen Menschen schulden, gilt auch für die Zeit nach Coro na.
Zu denen, die besondere Opfer bringen mussten und müssen, zählen zweifellos Kinder und Jugendliche. Mit einer starken Einschränkung sozialer Kontakte – Kinder brauchen Kinder –, mit beengten und teilweise prekären Verhältnissen, mit dem Wegfall des kostenlosen Mittagessens in der Schule oder der Kita und dem Fehlen von stützenden Strukturen in der offe nen Kinder- und Jugendarbeit hatten und haben sehr viele von ihnen zu kämpfen. Deswegen ist es gut, dass Schulen, Kitas und andere Angebote nun, nach Kriterien des Infektionsschut zes, Schritt für Schritt wieder geöffnet werden.
Viele Kinder und Jugendliche verkraften die besonderen Be lastungen relativ gut, andere hingegen nicht. Etwa 20 % der Schülerinnen und Schüler werden beim Homeschooling nicht erreicht. Die Gewaltambulanz Heidelberg geht infolge der Kontaktbeschränkung von einer Verdreifachung bei den Kin desmisshandlungen aus.
Deshalb ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die in dieser besonderen Situation Zivilcourage zeigen und eigenverant wortlich alle Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen. Ich rede von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, die täglich mit Schülerinnen und Schülern über soziale Medien Kontakt aufnehmen, um sie zu stützen und frühzeitig auch Hilfen anzubieten, ganz niederschwellig im Sinne von: „Fällt dir schon die Decke auf den Kopf? Sollen wir uns mal tref fen?“
Ich denke an Ehrenamtliche, die mit Unterstützung ihrer Kom mune oder des Landkreises die freien Mittel aus dem Bil dungs- und Teilhabepaket einsetzen, um benachteiligten Kin dern zu einem kostenlosen Mittagessen zu verhelfen. Und ich habe größte Hochachtung vor der Sozialamtsleiterin und dem Jugendamtsleiter, die den Fachkräften in den Kitas und Schu len vertrauen und für die eines ganz klar ist: Wenn ein Erzie her oder eine Lehrerin meldet: „Ich mache mir um ein Kind Sorgen“, dann kommt dieses Kind ganz selbstverständlich in die Notbetreuung, in mutiger und kreativer Auslegung der Vorschriften.
Sie alle sind Heldinnen und Helden des Alltags. Wir brauchen noch viel mehr von ihnen; denn sie haben verstanden: Frei heit ist nicht mit dem Recht des Stärkeren zu verwechseln. Nachhaltige Freiheit gibt es nur, wenn wir auf die Verletzlichs ten in dieser Gesellschaft schauen und wenn wir kein Kind zurücklassen.
Dass diese Erkenntnis über den Tag hinaus Bestand hat, ist nicht selbstverständlich. Wir stehen in vieler Hinsicht an ei ner Wegscheide. Schreiben wir alte Probleme fort und erzeu gen dadurch neue? Wir hören schon die Stimmen, die Klima schutz wieder als Luxusproblem diffamieren. Wir sagen je doch: Nur mit einer beherzten Zivilgesellschaft, nur wenn aus Bekenntnissen Wirklichkeit wird, nur wenn wir mutig und be sonnen handeln, werden wir nach der aktuellen Krise auch an dere große Herausforderungen bewältigen, allen voran die Klimakrise – die sich eben nicht wegimpfen lässt.
Ja, das gilt jetzt auch für Sie.
Machen wir uns ehrlich
Sie dürfen gern zuhören, bevor Sie kommentieren –: Die Robustheit von Wirtschaft, von Gesundheits- und Sozialsys temen und der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen sind kein Widerspruch. Sie sind fest miteinander verbunden.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das normale Leben geht ebenfalls weiter. Auch das ist wichtig und in diesem Fall zum Glück weniger dramatisch.
Die Rechtsaufsicht im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfe gesetzes war bisher beim Innenministerium. Künftig soll sie beim Sozialministerium angesiedelt sein. Wir verändern also nicht den Inhalt, sondern ausschließlich die zuständige Stelle.
Mutmaßungen, eine Rechtsaufsicht durch das Sozialministe rium würde automatisch in Richtung einer Fachaufsicht ge hen, sind unsinnig. Denn wir haben das beim Behinderten recht und beim Sozialhilferecht längst analog geregelt – oh ne jede Beschwerde. Die Anhörung hat uns in unserer Ein schätzung zusätzlich bestätigt.
Bei der Rechtsaufsicht geht es um rechtskonformes Verwal tungshandeln. Dafür ist die genaue Kenntnis der zugrunde lie genden Gesetze essenziell. Das Sozialrecht hat eigene Grund sätze, die in vielen juristischen Ausbildungen nicht vertieft werden.
In den dramatischen Kinderschutzfällen, in die wir als Abge ordnete Akteneinsicht hatten, war deshalb innerhalb der Lan desregierung immer das Sozialministerium zuständig. Das zu ständige Regierungspräsidium hat dann das rechtsaufsichtli che Verfahren durchgeführt. Auch das ändert sich nicht. Die Zuständigkeitsanpassung ist somit ein Beitrag zur Klarheit und Effizienz der Landesverwaltung.
Warum wir den Antrag der SPD zur SGB-VIII-Änderung jetzt nicht mit aufnehmen wollen – auch keine anderen –, haben wir ausführlich begründet. Einerseits geht es hier um eine sinnvolle Änderung, andererseits beinhaltet sie aber im Ge gensatz zu unserem Antrag keine organisatorische Korrektur, sondern eine Veränderung am Inhalt des SGB VIII. Wir ha ben eine Vielzahl von Änderungswünschen zum SGB VIII in haltlicher Art – vom besseren Selbstbehalt bei Ferienjobs von Heimkindern über einen Landesheimbeirat, die Ombudschaft und die Zusammensetzung des Landes-Kinder- und Jugend hilfeausschusses bis hin zu verbindlichen Ansprüchen auf Hil fen für Volljährige.
Es macht überhaupt keinen Sinn, hier jetzt einen Punkt her auszugreifen und wenige Monate im Landes-Kinder- und Ju gendhilfegesetz zu verankern. Denn aus dem Haus Giffey ist für dieses Halbjahr noch ein völlig neues Kinder- und Jugend hilfegesetz angekündigt. Das ist der richtige Ort. Und dann ist auch die richtige Zeit für inhaltliche Änderungen – nicht will kürlich, aber dann systematisch.
Vielen Dank.
Empathie hilft immer, Herr Kollege, das kann ich Ihnen auch aus Erfahrung sagen.
Kollege Rülke, ist Ihnen bekannt, dass in Europa vom Tesla Model S mehr Fahrzeuge verkauft werden als von der S-Klas se von Mercedes, gleiche Preisklasse?
Ist Ihnen bekannt, dass vom Tesla 3, der ja künftig auch in Brandenburg produziert wird, mehr verkauft wird als von der Limousine des 3er BMWs – alle Modelle zusammengerechnet –, als von der Limousine des Audi A 4 – alle Modelle zusammengerechnet – und als von der C-Klasse von Mercedes – alle Modelle zusammenge rechnet? Halten Sie das für erfolglos?
Vielen Dank. – Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ministerprä sident Kretschmann hat darauf hingewiesen: Neben dem öko logischen Klima muss uns gleichermaßen auch das soziale Klima am Herzen liegen.
Wir wollen – und wir stehen dafür –, dass sich Menschen in einer offenen Gesellschaft zu Hause fühlen. Die gesellschaft lichen Herausforderungen sind bekannt, von der Integration über die Demografie bis hin zum Wandel der Arbeitswelt. Ein fache Antworten gibt es nicht, aber viele gute Ideen und Kon zepte aus der Politik und der Zivilgesellschaft. Sie erhalten mit diesem Haushalt, auf den wir Grünen stolz sind, vielfäl tige Unterstützung.
2017 waren in Baden-Württemberg 19,1 % der unter 18-Jäh rigen armutsgefährdet, weniger als im Bundesdurchschnitt, aber für ein wohlhabendes Bundesland definitiv zu viel. Mit dem Schwerpunkt „Starke Kinder – Chancenreich“ wollen wir daher Kinderarmut bekämpfen und Teilhabe ermöglichen. Da zu erhöhen wir die Landesmittel zur Armutsbekämpfung um knapp 3 Millionen €.
Wir unterstützen Kommunen aktiv mit Geld und mit konkre ter fachlicher Unterstützung beim Aufbau von Präventions netzwerken gegen Kinderarmut, und das wirkt.
Ebenso wichtig ist der Schutz von Kindern vor Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation geht für Deutschland von einer Million Mädchen und Jungen aus, die sexualisierte Gewalt er lebt haben oder erleben. Das sind 130 000 in Baden-Württem berg, pro Schulklasse ein bis zwei missbrauchte Kinder.
Der Schutz vor Gewalt ist formal eine kommunale Aufgabe. Aber wie in anderen Bereichen engagiert sich das Land, um die kommunale Seite zu unterstützen und einheitliche Stan dards sicherzustellen. Dabei geht es z. B. um die Umsetzung der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Im Durchschnitt erlebt jede vierte Frau einmal in ihrem Le ben körperliche oder sexualisierte Partnerschaftsgewalt. Mit zusätzlich 12 Millionen € fördern wir daher Frauen- und Kin derschutzhäuser sowie Beratungsstellen gegen Menschenhan del und Prostitution.
Bald legt die Kinderschutzkommission der Landesregierung ihren Bericht vor. Als eine wichtige Konsequenz wollen wir landesweit unabhängige Fachberatungsstellen gegen sexuali sierte Gewalt gegen Kinder fördern, u. a. dadurch, dass wir ihnen eine Dach- und Koordinierungsstruktur finanzieren.
Wir halten unser Versprechen und erhöhen die Mittel im „Mas terplan Jugend“ gegenüber 2016 um jährlich 10 Millionen €. Ich zitiere dazu den Landesjugendring:
Mit dieser Entscheidung kann die Koalition nun mit Fug und Recht behaupten, dass während der grün-schwarzen Legislatur für die Jugendarbeit sehr gute Arbeit geleistet worden ist.
Weiter fördern wir die Schulsozialarbeit mit rund 28,5 Milli onen € im Jahr 2020 und 30 Millionen € im Jahr 2021.
Ein Projekt, das meiner Fraktion sehr am Herzen liegt, ist die dauerhafte Finanzierung einer unabhängigen Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe. Dies ist auch eine Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder und unterstützt heutige Kinder und Jugendliche dabei, ihre Interessen in der öffentlichen und frei en Jugendhilfe zu vertreten. Mit diesem Ansatz, der Dialog und Machtausgleich ermöglicht, stärken wir die Rechte von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.
„Mitmachen Ehrensache“ – meine Fraktion hat sich dafür starkgemacht, dass die Landesregierung das gleichnamige Projekt der Jugendstiftung in den kommenden Jahren unter stützt. So können noch mehr Jugendliche für das bürgerschaft liche Engagement gewonnen werden.
Wir erhöhen zudem die Landesförderung für das Freiwillige Soziale Jahr um jährlich 2,5 Millionen €, damit sich noch mehr junge Menschen engagieren können, und zwar frei und ohne Zwang.
Baden-Württemberg ist ein weltoffenes Land. Wir beurteilen Menschen nicht danach, woher sie kommen, sondern danach, wohin sie wollen. Deswegen ist es uns wichtig, dass das Land weiter über 1 000 Integrationsmanagerinnen und Integrations manager finanziert, dass junge Geflüchtete in der Schule und auf dem Weg in den Beruf unterstützt werden. Mit Erfolg: In der Region Neckar-Alb beispielsweise sind bereits 8 % aller Auszubildenden geflüchtete Menschen.
Der Flüchtlingsrat ist für die Landesregierung ein wichtiger Partner bei der Integration von Geflüchteten. Wir unterstützen ihn ebenso wie die psychosozialen Zentren, damit traumati sierte Menschen Hilfe finden.
Insgesamt stehen für die Integration jährlich 86,5 Millionen € zur Verfügung.
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonventionen bleibt ein Schwerpunkt unserer Politik. Wir stärken die familienent lastenden Dienste. Durch ein Sonderprogramm mit einem Vo lumen in zweistelliger Millionenhöhe sorgen wir dafür, dass mehr Menschen mit Behinderungen in der Landesverwaltung beschäftigt werden. Wir richten ein Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit ein, das Kommunen und freie Träger dabei unterstützt, Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden und im öffentlichen Raum zu schaffen.
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes wird uns weiter beschäftigen. Entscheidend ist, dass die Leistung bei den Men
schen mit Behinderungen ankommt, dass tatsächlich mehr Teilhabe ermöglicht wird. Wir freuen uns, dass es bei der Be darfsermittlung und dem Monitoring eine bahnbrechende Ei nigung mit den kommunalen Landesverbänden, den Wohl fahrtsverbänden und der Betroffenenvertretung gibt –
und nun auch einen fairen Ausgleich für die Verteilung der an fallenden Kosten.
Gesundheit ist mit über 580 Millionen € im Jahr das finanz stärkste Kapitel. Die Investitionsförderung für Krankenhäu ser ist die höchste in der Geschichte des Landes. Kein Bun desland engagiert sich mehr.
Ja.