Jasenka Villbrandt

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Last Statements

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist aber neu! Selbst die CDU stellt nicht mehr in Frage, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, selbst Herr Wansner nicht. Eine späte, aber sinnvolle Erkenntnis! Niemand kann mehr leugnen, dass wir z. B. bei Gesundheit und Altenpflege ohne Einwanderer und Einwanderinnen nicht mehr auskommen. Dass die ethnische Vielfalt Chancen, aber auch große Probleme bringt, das haben wir hier schon oft gesagt. Deshalb ist Integration eine der wichtigsten Aufgaben unserer Stadt. 40 Jahre lang wurde die notwendige Integrationsarbeit nicht gemacht. Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren. Unsere Stadt braucht dringend ein Leitbild. Sie muss ihr Bekenntnis zur Einwanderung kommunizieren und die Ziele der Integration klar definieren,
und zwar in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, im Jugendbereich, in der Gesundheits-, Senioren-, Flüchtlings-, Stadtentwicklungs- und Haushaltspolitik. Dafür brauchen wir den gemeinsamen und koordinierten Einsatz aller Bereiche der Gesellschaft.
Was hat diese Regierung, die mit vielen Versprechungen angetreten ist, bis heute tatsächlich gemacht? Liebe Linkspartei, wo bleiben die dringend benötigten kommunalen Beschäftigungsangebote, die mit Qualifizierung einhergehen? Bei den bewilligten Arbeits- und Strukturanpassungsmaßnahmen sind Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor unterrepräsentiert, von unausgegorenen Projekten für Jugendliche abgesehen, bei welchen Sie nicht einmal wissen, wie groß die Zielgruppe ist, geschweige denn, wie Sie diese konkret erreichen. Wo sind die Konzeptionen für die Zukunft? Sich die Proteste gegen Hartz IV für eigene Interessen warm zu halten, ist auf jeden Fall keine Konzeption. In der Altenpolitik haben Sie eine interkulturelle Öffnung erst groß angekündigt, dann aber nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt.
Leider ließe sich diese traurige Bilanz endlos fortführen.
Herr Wansner! Wie ist das an Ihnen vorbeigegangen? – Nach einem halben Jahr des Brütens lehnen SPD und Linkspartei.PDS mit fadenscheinigen Begründungen diese Anträge im Fachausschuss ab und kommen mit einem eigenen Antrag, der nur das beschreibt, was Ihr Integrationsbeauftragter gerade ausführt, und keinen Milimeter mehr. Ihr Antrag hat sich somit erledigt. Er zeigt, dass es Ihnen allein um die Rückendeckung Ihrer Senatorinnen und nicht um die verbesserte Integration geht. Das enttäuscht mich sehr. Ich vertrage andere Meinungen, aber kann es nur schwer hinnehmen, dass es in den Koalitionsfraktionen keine Person gibt, die die Integration interessiert. Eine einzige Person, die die Linkspartei.PDS hatte, Ihre bisherige flüchtlingspolitische Sprecherin, haben Sie mit Ihrem nicht vorhandenen Interesse, mit Ihrer Scheu vor Konflikten und Auseinandersetzungen, vergrault.
Meine Damen und Herren von Rot-Rot! Sie machen keine Integrationspolitik, sondern lassen den Integrationsbeauftragten die Integrationspolitik machen. Sie schaffen es noch nicht einmal, Ihren Innensenator Körting an die Leine zu nehmen, um den verheerenden Zuständen im Abschiebegewahrsam oder in der Ausländerbehörde ein Ende zu setzen. Sie sind nur Abnicker!
Ich finde eine solche Aussage ziemlich frech. Ehrlicherweise muss doch gesagt werden: Wer mehr Integration will, muss entweder mehr Geld ausgeben oder umschichten. Der Senat schweigt sich hingegen aus. Die Koaliti
onsparteien sehen das mittlerweile ähnlich. Wie kommt man sonst auf die Idee, einen Antrag zu stellen, das Integrationskonzept nach so kurzer Zeit weiterzuentwickeln? Besser wäre es wohl gewesen, einen Antrag zu stellen, das Konzept neu zu schreiben.
Meine Forderung lautet – erstens: Integration muss Chefsache werden. Der Integrationsbeauftragte, den ich übrigens herzlich grüße, muss vom Sozialressort abgezogen werden. Der Regierende Bürgermeister muss sich durch diese Verlagerung mehr einbringen. Der Integrationsbeauftragte kann dadurch die Koordinierung zwischen den Senatsverwaltungen besser übernehmen. Das ist sicherlich eine Aufgabe für den neuen Senat.
Zweitens: Wir müssen die Mahnungen des Integrationsbeauftragten ernst nehmen. Integrationsverläufe von Migrantinnen und Migranten und Eingebürgerten müssen besser dokumentiert werden. In den USA ist das schon längst der Fall. Die Daten können zum großen Teil auch im Internet abgerufen werden. In Deutschland hingegen werden mit der Einbürgerung keine Datenerhebungen mehr durchgeführt. Nur wer die Verläufe genau kennt, kann auf Kalamitäten reagieren.
Danke, Frau Präsidentin! – Ich habe eine Frage an den Innensenator: Herr Körting! Teilen Sie die Meinung des SPD-Abgeordneten Hillenberg, die Härtefallkommission solle anders besetzt werden, weil ihr ein konservatives Element fehle, zu viele Kirchenvertreter in ihr säßen und sie zu häufig eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen empfehle?
Herr Senator! Wie verfolgt der Senat das im Integrationskonzept für Berlin formulierte Ziel, von den Möglichkeiten des neuen Zuwanderungsgesetzes Gebrauch zu machen und Flüchtlingen, vor allem geduldeten Familien mit Kindern und Jugendlichen, eine Aufenthaltsperspektive zu geben? – Handeln tun Sie in der letzten Zeit jedenfalls anders.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Während alle Welt über Berliner Integrationspolitik diskutiert, schweigen sowohl der Regierende Bürgermeister als auch der CDU-Spitzenkandidat. Berlin macht Schlagzeilen, aber leider mit Problemen und nicht mit Problemlösungen.
Was sagt der Regierende Bürgermeister zu den überforderten Grundschulen und der Gewalt an den Hauptschulen? Bildung und Integration sind schließlich die Zukunftsthemen für Berlin. Was sagen der Bürgermeister und sein Herausforderer von der CDU zur drohenden Abschiebung der gut integrierten Familie Aydin? – Sie schweigen, weil sie keine Antwort haben, weil ihnen die Vision von einer Einwanderungsstadt Berlin fehlt.
Für den rot-roten Senat ist Integrationspolitik jedenfalls kein zentrales Anliegen. Das Thema scheint im Senat niemanden sonderlich zu interessieren. Wozu hat man schließlich einen Integrationsbeauftragten? Woanders hat man aber die Zeichen der Zeit längst erkannt. In Stuttgart wurden Immigration und Integration als wichtige Standortfaktoren zur Chefsache erklärt. Denn es ist klar, dass das Ansehen der Stadt in der Welt maßgeblich dadurch geprägt wird, wie sie mit der Welt umgeht. NRW hat einen Integrationsminister, und die Kanzlerin hat sich das Thema zu eigen gemacht. Sie will einen nationalen Integrationsgipfel einberufen und einen nationalen Aktionsplan erarbeiten.
Berlin ist die Einwanderungsstadt Deutschlands. Wir Grüne wollen, dass Berlin zur Modellstadt für gute Integrationspolitik wird.
Integration muss gelingen. Berlin kann sich keine Entwicklung leisten, in der soziale Probleme ethnisch überlagert und verfestigt werden, in der kulturelle Vielfalt nur als Belastung empfunden wird. Die Stadt braucht endlich auch ein Leitbild – Internationales Berlin – vielfältig und integrativ – und muss Maßnahmen zu dessen Umsetzung ergreifen. Viel Papier hat die rot-rote Koalition dazu beschrieben. Vieles davon ist auch nicht falsch, aber es bewegt nichts. Das muss sich ändern. Dafür wollen wir mit unserem Antrag die Weichen stellen.
Bildung ist der zentrale Schlüssel für gute Integration. Es geht darum, Sprachfähigkeiten schon vor der Einschulung zu verbessern, die Integration in der Schule voranzutreiben, die jungen Migrantinnen und Migranten beim Berufseinstieg zu unterstützen. Es geht aber auch darum, den öffentlichen Dienst für die Herausforderungen der Einwanderungsstadt fit zu machen. Der öffentliche Dienst braucht die Kompetenzen der Migranten.
Integration muss in Berlin Chefsache werden. Der Regierende Bürgermeister selbst muss den Leitbildprozess in die Hand nehmen. Es muss klar werden, dass nicht nur der Bau des Flughafens für die Stadt wichtig ist.
Wir brauchen eine kompetente Integrationsverwaltung. Die Ausländerbehörde gehört in ihrer derzeitigen Form abgeschafft. Dass sie nicht reformierbar ist, hat dankenswerterweise die Linkspartei erarbeiten lassen. Der zentrale Moloch muss wohnortnahen und kundenorientierten Büros in den Bezirken weichen. Die können dann auch gern Willkommenszentren heißen. Aber, anders als in Hamburg, sollten dort nicht nur erlesene Edelausländer respektvoll bedient werden, sondern alle.
Diese Einrichtungen gehören nicht länger in die Hand des Innensenators, der nur in sicherheitspolitischen Kategorien wie Kontrolle und Abschiebung denkt und handelt.
Die jüngsten Härtefälle haben dies gezeigt. Das schreckt ab und beschädigt das Ansehen Berlins als weltoffene Stadt.
Zu den Grundwerten unserer Verfassung, liebe CDU, gehört auch die Religionsfreiheit. Sie fordern zu Recht, dass Einwanderer die Religionsfreiheit achten, zugleich mobilisieren Sie aber gegen einen Moscheebau. Sie wettern gegen Extremismus und stoßen gleichzeitig ins Horn der Rechtsextremen.
Sie wollen hier hoch qualifizierte Einwanderer haben, aber qualifizierte und integrierte Flüchtlinge wollen Sie abschieben. Sie geißeln die Unterdrückung von Frauen und haben zu konkreten Maßnahmen gegen Zwangsheiraten überhaupt nichts beigetragen. Sie fordern Integrationslotsen und beschimpfen diejenigen, die eine solche Arbeit schon längst machen, als Sozialträumer und Ähnliches.
So kann man keine glaubwürdige Integrationspolitik machen. Da muss schon mehr kommen als ein paar mickrige Anträge und die üblichen Angriffe gegen Multikulti. Das will nur keiner mehr hören: Berlin braucht überzeugende Problemlösungen. – Danke für das Zuhören!
Merkwürdig fand ich Ihr Programm zur Rückkehr – genauer: ein abschließendes Rückkehrprogramm. Was soll das heißen? – Das ist Realitätsverweigerung pur.
Oder glauben Sie tatsächlich, dass Sie mit einem abschließenden Programm die Migrationsprobleme dieser Welt lösen können? – Ich meine, die CDU sollte noch einmal gründlich nachdenken und überlegen, ob das ein richtiger Ansatz sein kann.
Was legen uns die Grünen heute vor? – Ihr Antrag hat mich doch sehr verwundert. Zum einen enthält er eine Zusammenstellung von Maßnahmen, die man auch im Integrationspapier des Senats nachlesen kann. Es wird nur jeweils dazu gesagt, dass dort noch etwas mehr gemacht werden sollte. Das mag für eine Oppositionsfraktion legitim sein, aber mindestens zwei Drittel dieses Antrags sind nicht neu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun liegt nach langem Hin und Her ein Seniorenmitwirkungsgesetz zur Abstim
usw. Das liest sich wie eine Stellenausschreibung. Wir haben im Fachausschuss bereits darauf hingewiesen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen bestätigte unsere Kritik in diesem Punkt. Das kann so nicht akzeptiert werden.
Seniorenvertretungen dürfen nicht zu Lückenbüßern für Mängel in der Versorgung werden. Sie müssen bei den Entscheidungen frei bleiben und ihre Aktivitäten auch selbst bestimmen. Seniorenvertretungen sind als politische Interessenvertretungen selbstorganisierte, freiwillige Einrichtungen. Die Attraktivität, sich zu beteiligen, wird durch diese kleinteilige Aufgabenbeschreibung nicht erhöht, sondern eher verschlechtert.
mung vor. Die Entwicklung dieses Gesetzes zeigt aber, wie wenig der Senat und die beiden Koalitionsfraktionen von Mitwirkung und Beteiligung wirklich halten.
Frau Simon, Sie erklären in Ihrer Presseerklärung, dass das Gesetz ein Beitrag zur Stärkung der Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren sein sollte, beachten jedoch Mitbeteiligung und Meinungen dieser Bevölkerungsgruppe bei der Entstehung nur pro forma. – Ich möchte aus dem Brief der Landesseniorenvertretung vom 16. Mai 2006 etwas vorlesen:
Das von uns geforderte Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsgrundlagen berücksichtigt in der jetzigen Fassung keineswegs unsere dem Ausschuss mit Stellungnahme vom 14. März 2006 mitgeteilte Position.
Was ist das? – Dabei waren die Angebote und Signale für eine konstruktive Mitarbeit von allen Seiten deutlich, von der aktiven Seniorenvertretung und Organisationen bis zur Opposition.
Tatsache ist, dieses Gesetz wäre besser geworden, hätte man sich der Kompetenz und der Erfahrung der Fachleute bedient. Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für alle Bürger und auch für Seniorinnen und Senioren gibt es bereits, und diese sollten nur durch das Landesseniorenmitwirkungsgesetz rechtlich abgesichert werden.
Nein! – Diese Mitwirkungsmöglichkeiten sind jedoch unzureichend und entsprechen nicht dem wachsenden Interesse dieser Bevölkerungsgruppe. Von den bestehenden Möglichkeiten zur Partizipation macht der größte Teil der Berlinerinnen und Berliner jedoch keinen Gebrauch. Warum ist das so? Welche Gruppen sind das? Warum sind sie nicht vertreten? Warum beteiligen sie sich nicht? Muss ein neues Seniorenmitwirkungsgesetz nicht gerade die Stärkung der Teilhabe aller zum Ziel haben? Diese Fragen wurden im Zusammenhang mit dem vorliegendem Gesetzentwurf nicht diskutiert. Die Konsequenz ist: In diesem Gesetz wird sich nur ein kleiner Teil der Berlinerinnen und Berliner wiederfinden.
Wir haben im Fachausschuss der Gesetzesvorlage nur mit Bedenken zugestimmt. Das Ergebnis ist in seiner Gesamtheit glatt und harmlos. Es gibt nichts Zukunftsweisendes. Der Status quo wird nur beschrieben, die Seniorenvertretungen und der Landesseniorenbeirat gesetzlich geregelt.
Eine Sache ist falsch. Die in § 4 Abs. 4 aufgeführten Aufgaben – ich lese es einmal vor –:
Beratung und Unterstützung älterer Bürgerinnen und Bürger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche; Informationen über seniorenrelevante Gesetze und
deren Umsetzung; Kontaktpflege zu Pflegediensten, Heimbeiräten, Freizeitstätten (...)
Zu einem Landesseniorenbeauftragten – wie von der CDU in ihrem Antrag gefordert – hatten auch wir noch unbeantwortete Fragen und Skepsis. Es wäre jedoch der Sache angemessen gewesen, wenn sich die Koalitionsfraktionen und der Senat mit dieser Forderung ernsthaft auseinander gesetzt hätten. Das haben sie aber nicht.
Der Gesetzesentwurf bleibt insgesamt hinter den Erwartungen der Betroffenen und auch unserer Fraktion zurück. Es ist für diese Regierung und für diese Koalitionsfraktion ganz typisch, die Aufgaben auf andere zu verteilen, sich selbst jedoch jeder konkreten Verantwortung zu entziehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Langsam wird Deutschland vom Weltmeisterschaftsfieber erfasst. Die Bürger und Bürgerinnen freuen sich, alle Welt ist aufgeregt. Berlin hofft auf Besucher aus aller Welt, will gute Geschäfte machen, will ein guter Gastgeber sein. Allein aus Brasilien sind bereits um 52 000 Übernachtungen in Deutschland gebucht. Berlin ist die internationale Metropole Deutschlands, und das wollen wir ausbauen, nicht nur zur WM. Wir wollen noch mehr Gäste, und die, die hierher kommen, sollen auch später wieder Berlin besuchen wollen. Und sie sollen, wenn sie wollen, auch bleiben können.
Berlin ist die Einwanderungsstadt Deutschlands, das muss endlich auch in der Berliner Politik ankommen. Das erfordert mehr als das Verwalten von Problemen. Das erfordert eine strategisch angelegte Einwanderungspolitik für diese Stadt. Davon ist bei Rot-Rot nichts zu merken. Es gibt eben nicht nur Meldungen, die für Berlin werben. Überfälle auf Menschen mit Migrationshintergrund oder auf dunkelhäutige Menschen, das Verharmlosen von Vorfällen durch Politiker haben ebenfalls ein starkes Medienecho, und das Image Deutschlands und Berlins könnte empfindliche Risse bekommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in Berlin wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung stark verändern. Die bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Veränderungen machen es erforderlich, die Mitwirkungs- bzw. Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung und insbesondere für Seniorinnen und Senioren zu überprüfen und evtl. auch zu verbessern. Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten gibt es bereits in einigen Bereichen. Viele Individuen, aber auch Gruppen und Organisationen machen davon Gebrauch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die vorhandenen Möglichkeiten ausreichen, um älteren Menschen heute und künftig die Teilnahme und Mitbestimmung in verschiedenen Lebensbereichen zu sichern und sie vor Diskriminierung zu schützen. Zweitens müssen wir uns auch fragen, ob die Angebote, sich einzumischen und mitzubestimmen, alle Menschen erreichen, und wenn nein, warum nicht. Aus unserer Sicht ist das klar. Die vorhandenen Möglichkeiten zur Mitsprache und Partizipation sind unzureichend. Sie müssen erweitert und mit einem Gesetz abgesichert werden.
Viele Fragen sind noch offen. Über diese müssen wir – auch nach Vorlage des Senatsentwurfs – im Fachausschuss diskutieren. Wir melden jetzt schon an, dass wir eine Anhörung der Seniorenorganisationen und verbände beantragen werden. Frau Senatorin, legen Sie Ihren Entwurf endlich vor, damit wir diesen gemeinsam
mit dem Entwurf der CDU diskutieren und die Seniorenverbände und -organisationen dazu anhören können! – Schönen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Inzwischen haben alle Fraktionen
dieses Hauses erkannt, dass die Integration der hier lebenden Einwanderer und Einwanderinnen eine der wichtigsten Aufgaben unserer Stadt ist. Auch die CDU hat das erkannt. Gut so!
Das vom Berliner Senat im August beschlossene Integrationskonzept enthält neben bekannten Analysen der Berliner Integrationslage eine Zusammenfassung bereits vorhandener integrationspolitischer Förderprogramme und Maßnahmen sowie einige sinnvolle Ziele, aber wenig Konkretes zur Umsetzung. Es ist sicherlich anerkennenswert, dass überhaupt mit der Arbeit an einem Integrationskonzept begonnen worden ist. Dass das vom Senat vorgelegte Papier noch nicht alles sein kann, ist die einhellige Meinung der Sachverständigen, der Migrantenorganisationen, der Integrationsbeauftragten aus den Bezirken und aller Oppositionsfraktionen. Dem Senatspapier fehlt eine Vision, wie das Zusammenleben in ethnischer Vielfalt gestaltet werden kann. Dabei ist ein positives Bild wichtig, damit die Berlinerinnen und Berliner sich mit diesem Prozess identifizieren und darin Chancen entdecken können, statt nur Probleme wahrzunehmen.
Dass sich die Verwaltung erstmalig über die Ressortgrenzen hinweg über Integration verständigt hat, ist ein erster Schritt. Es ist aber noch ein weiter Weg bis zu einem wirksamen Integrationskonzept.
Dafür müssen Prioritäten festgelegt und klare Ziele definiert und auf einander abgestimmt werden. Vor allem brauchen wir eine Möglichkeit, um zu messen, inwieweit unsere Maßnahmen erfolgreich waren oder sind. Ein Qualitätsmanagement zur wirksamen Steuerung erfordert klare Zuständigkeiten, Kontrollverfahren, Zeitvorgaben und Indikatoren für das Erreichen von Zielen.
Aus diesem Grund ist es wichtig und richtig, wenn der Senat aufgefordert wird, das Konzept weiterzuentwickeln – selbstverständlich in Abstimmung mit der Landesarbeitsgemeinschaft der bezirklichen Integrationsbeauftragten und dem Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen.
Schon bei der vorletzten Plenarsitzung hat die FDPFraktion einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. Dieser wurde ohne Aussprache zur Beratung in den Ausschuss überwiesen. Auch aus unserer Sicht ist der FDPAntrag konkretisierungsbedürftig, aber, meine Damen und Herren von der CDU: War es wirklich notwendig, zum gleichen Inhalt einen weiteren Antrag einzubringen? – Einen eigenständigen Beitrag zur Integrationspolitik bekommen Sie dabei offenbar nicht hin. Sie erweitern einfach den FDP-Antrag um einige Punkte, die von den Sachverständigen bei der Anhörung viel präziser vorgetragen worden sind. Dieses Plagiat nehmen Sie sogar in den Prioritätenblock. Ein Änderungsantrag im Ausschuss hätte vollkommen ausgereicht. Dort wird sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen konstruktiv an den notwendigen Nachbesserungen beteiligen. Ich hoffe, auch Sie.
Wir werden im Ausschuss darauf hinwirken, dass die integrationspolitischen Ziele und die Indikatoren für ihr Erreichen präzisiert werden, dass der Senat klar benennt, was sein Integrationskonzept kostet, und dass konkrete Maßnahmen festgelegt werden. Zu diesen Maßnahmen zählen z. B. die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, effektivere Bildungsangebote für Migranten und Migrantinnen oder die Vereinfachung der Anerkennungsverfahren für Schul- und Ausbildungsabschlüsse, um eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Gerade die Weigerung des Senats, die Kosten für das Integrationskonzept zu benennen, lässt vermuten, dass es hierbei ohnehin mehr um eine schöne Textsammlung als um erfolgreiche Integration geht.
Selbstverständlich sollten wir uns auch anschauen, wie andere Großstädte ihre Integrationspolitik gestalten. In Stuttgart z. B. ist Integration Chefsache. Auch die Ansiedlung der neuen Staatsministerin für Integration im Kanzleramt resultiert offenbar aus der Einsicht, dass Maßnahmen weit oben in der Verwaltung gebündelt werden müssen.
Fazit: Der CDU-Antrag ist überflüssig. Damit die Integration nicht folgenlos zur Querschnittsaufgabe deklariert, sondern aktiv gestaltet wird, darf es der Senat nicht bei Absichtserklärungen belassen. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland. An dieser Tatsache führt kein Weg vorbei. Die ethnische Vielfalt birgt Chancen, sehr viel Charme, aber auch große Probleme gerade in einer Stadt wie Berlin. Diese Probleme sind häufig Thema in den Medien: Sprachdefizite der Kinder aus Einwandererfamilien, hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Einwanderern und anderes mehr. Die Chancen hingegen erregen weit weniger Aufmerksamkeit. Viele Studierende, viele erfolgreiche Unternehmer, viele Beschäftigte in den Bereichen Gesundheit und Altenpflege sind Immigranten, ohne die wir nicht mehr auskommen können. An diesen Tatsachen kommt niemand vorbei, auch nicht die CDU. – Herr Wansner! Die Nummer mit dem Neuköllner Bürgermeister hat sich wirklich schon abgenutzt. –
Integration wird in dieser Senatskonzeption als Querschnittsaufgabe verstanden. Schon am Entwurf waren der Landesbeirat für Migration und Integration sowie zahlreiche Organisationen und Verbände der Migrantinnen und Migranten beteiligt. Am Anfang stand schon die Ermöglichung von Partizipation, was es künftig auszuweiten gilt. Deshalb müssen wir neben den Diskussionen hier und vor allem in den Ausschüssen Diskussionen über die Konzeption in der gesamten Öffentlichkeit konstruktiv führen.
Für uns Grüne folgt daraus: Die Integration der Einwanderer und Einwanderinnen ist eine der wichtigsten Aufgaben in Berlin.
Ich möchte einige Schwerpunkte stellvertretend ansprechen: beispielsweise die Arbeitsmarktpolitik. Solange es nicht gelingt, die Einwanderer und Einwanderinnen angemessen am Arbeitsmarkt zu beteiligen, werden wir die Akzeptanzfrage zwischen Mehrheitsgesellschaft und Einwanderern nicht lösen. Die Probleme sind riesig. Die Arbeitslosenquote ist bei Einwanderern mehr als doppelt so hoch wie in der deutschen Bevölkerung. Das Bildungsniveau vieler Einwanderer ist unterdurchschnittlich. Der Senat muss sinnvolle kommunale Beschäftigungsangebote organisieren, die mit Qualifizierung einher gehen. Das würde nicht nur Einkommen und Perspektiven schaffen, sondern auch dabei helfen, unsere Stadtteile wieder zu beleben. Es sind gerade die Stadtteile mit hohem Migrantenanteil, die die größten sozialen Probleme haben. Arbeitsmarktpolitik richtet sich an Zielgruppen, sie zielt nicht in das Blaue. Zugewanderte Menschen wären eine solche Zielgruppe, aber nirgendwo ist zu erkennen, dass sich die Berliner Arbeitsmarktpolitik an ihnen orientiert. Nach dem SGB III durchgeführte Arbeitsmarktinstrumente richten sich nicht explizit an Einwanderer. In den der
zeit 100 bewilligten Arbeits- und Strukturanpassungsmaßnahmen befinden sich weniger als 10 % Menschen mit Migrationshintergrund.
Im Interesse unserer Stadt müssen wir die Potentiale nutzen, die sich aus der Einwanderung ergeben, aber auch die mit der Einwanderung verbundenen Probleme lösen. Dafür ist es die erste Voraussetzung, dass wir uns dazu bekennen, dass Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen und in unserer Stadt leben. Sie tragen zur Dynamik und Internationalität Berlins bei, die wir brauchen, um den Anforderungen einer globalisierten Welt gerecht zu werden. Wer die Tatsache der Einwanderungsgesellschaft leugnet, vergrößert die Probleme und verpasst die Chancen. Umgekehrt gilt: Wer Integration will, wer Zuwanderung und Offenheit als Zukunftsthema begreift, darf die Augen vor den gesellschaftlichen Brüchen und Problemen nicht verschließen. Wir brauchen eine Integrationspolitik, die das Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Ländern aktiv und langfristig gestaltet, denn auch die Kinder der eingewanderten Menschen sind nicht automatisch in unsere Gesellschaft integriert.
Geld löst nicht alle Probleme. Aber während der laufenden Haushaltsberatungen muss gefragt werden, wo sich die Ziele des Integrationskonzeptes im Haushalt wiederfinden lassen. Das Konzept sieht beispielsweise allerlei Schulungen für die Ausländerbehörde vor. Im entsprechenden Kapitel des Haushaltsentwurfes gibt es jedoch keinen Titel für Fortbildungen. In der Jugendhilfe werden Mittel drastisch gekürzt. Das trifft besonders die Gruppe junger Einwanderer. Im Konzept steht, dass an den Potentialen der Einwanderer angesetzt werden muss. Die im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen sollen besser anerkannt werden. Seit Jahren ist das eine Forderung, die Realität sieht aber leider wie folgt aus: Eine Krankenschwester aus Bosnien mit Duldungsstatus hat mir berichtet, dass ihr Antrag auf Anerkennung der Ausbildung trotz vieler Versuche von der Senatsverwaltung nicht angenommen und bearbeitet worden ist, weil sie keinen Aufenthaltstitel vorweisen kann. Diese Frau ist jahrelang durch Sozialämter versorgt worden, anstatt ihr eine Chance zu geben, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Es gibt darüber hinaus zahlreiche Beispiele dafür, dass Einwanderer trotz guter Qualifikation kaum eine Chance haben, an ihre Kenntnisse und Erfahrungen anzuknüpfen. Das sind verschwendete Potentiale.
Die Probleme sind nicht vom Himmel gefallen. Doch der Senat hat es bislang versäumt, ein Leitbild zu formulieren und wirksam zu kommunizieren. Erst jetzt, ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit, legt der Senat ein Konzept zur Integrationspolitik vor.
Einwanderer, die sich selbstständig machen wollen, müssen besser unterstützt werden. Das muss über Beratungsleistungen hinaus gehen. Schauen wir beispielweise nach Hamburg. Dort gibt es bereits zahlreiche Projekte, die Selbstständigkeit fördern – zum Wohl der Hamburger Wirtschaft.
Was uns fehlt, sind Ideen und Vorschläge, wie diese Ziele erreicht werden können. Wie will der Senat seine Erkenntnisse auf Grund der Analyse in konkretes Handeln umsetzen, beispielsweise in den laufenden Haushaltsberatungen? – Trotz dieser offensichtlichen Defizite sollen wir unvoreingenommen schauen, was das Integrationskonzept beinhaltet, welche Wege es aufzeigt.
Das Integrationskonzept widmet den Flüchtlingen Aufmerksamkeit und erklärt das zum Ziel, was die Fraktion der Grünen seit langem fordert: Bleibeperspektive für langjährig Geduldete, erleichterten Arbeitsmarktzugang, Zugang zu Ausbildung und beruflicher Qualifikation für Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien. So weit zu den Zielen. Wie jedoch sieht die Praxis aus? Was nützt die schönste Konzeptlyrik, wenn man die Ausländerbehörde gewähren lässt, die die Erreichung der Ziele immer wieder blockiert?
Ein Beispiel dafür ist das Thema Zugang zum Arbeitsmarkt. Eine Arbeitsstelle zu finden, ist für Nichtdeutsche ohnehin doppelt so schwer wie für den Bevölkerungsdurchschnitt. Die Arbeitssuche ist jedoch völlig aussichtslos, wenn die Ausländerbehörde erst gar keine Arbeitserlaubnis erteilt. Dies geschieht jedoch seit Beginn des Jahres gehäuft. Der Senat und insbesondere die PDS verstecken sich gern hinter „Mängeln des Zuwanderungsgesetzes“. Diese Mängel gibt es zweifellos. Dennoch sind die Spielräume der Landesebene erheblich gestiegen und werden in anderen Bundesländern auch aktiv genutzt. An
)
Ich komme gleich zum Ende. – Wir brauchen eine wirkliche interkulturelle Öffnung der Verwaltung, die weit über Kurse für die Mitarbeiter hinausgeht. Wir brauchen eine strukturelle Wende, die alle Stufen der Gesellschaft und der Verwaltung, vom Bürgermeister bis hin in die Bezirksverwaltungen und zu den Projektträgern, umfasst.
Erstens: Die Arbeitslosigkeit unter den Migrantinnen und Migranten ist mit 40 % exorbitant hoch. Im Jahre 2003 lebten zudem noch über 70 000 Menschen nichtdeutscher Herkunft von der alten Sozialhilfe – wirklich kein Ruhmesblatt des rot-roten Senats.
Zweitens: Es ist für mich schlichtweg unverständlich, warum Sie erst jetzt – mit dem Integrationsbericht – auf die Idee kommen, im Land Berlin mehr Ausländer in den öffentlichen Dienst einstellen zu wollen. Sie haben hier ganz krass versagt. Im Vergleich zu London oder Paris stecken Sie diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Auf der einen Seite reden Sie von interkultureller Öffnung, auf der anderen Seite haben Sie genau einen Teilaspekt dieser interkulturellen Öffnung verschlafen.
Deshalb fordern wir, dass sich der Regierende Bürgermeister dieser Aufgabe widmet. Dieser hat offensichtlich nicht die Bohne Interesse an dieser Diskussion. Es muss deutlich werden: Die Integration der zugewanderten Menschen ist für Berlin entscheidend. – Danke!
Ich habe eine Frage an Senator Körting. – Senator Körting, über den schrecklichen Brand in Moabit, bei dem neun Menschen umgekommen sind, haben wir täglich in der Presse gelesen. Ihre Kollegin hat es eben auch schon angesprochen. Wir haben darüber gelesen, wie mit dem minderjährigen Täter umgegangen wird. Das finden wir richtig, wenn es so stimmt. Meine Frage: Welche Hilfe und Unterstützung haben die Opfer erhalten? Kümmern Sie sich selbst darum, dass sie die notwendigen Informationen und Unterstützungen – materielle wie auch psychologische – erhalten, und wie konkret?
Ich habe eine Nachfrage. – Senator Körting, uns ist berichtet worden, dass es für die Familien, so, wie sie jetzt untergebracht sind, auf Dauer nicht tragbar ist und dass psychologische Hilfe sehr spät kam. Sind Sie nicht der Meinung, dass der Senat ziemlich schnell Hilfe für die Menschen organisieren muss, zumal es sich in diesem Haus um Leute handelt, die Einwanderer sind, die zwar im Durchschnitt gut Deutsch sprechen, aber durchaus nicht genau über ihre Rechte Bescheid wissen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Armut ist bekanntlich nicht der Schwerpunkt der FDP. Deshalb war ich etwas verwundert, als ich diese Große Anfrage zum ersten Mal gesehen habe. Der Verfasser, Herr Lehmann,
Frau Dr. Schulze
hat mit seinem in der FDP einsamen Engagement für das Soziale bei mir erst mal ein gutes Ansehen. Deshalb ging ich an das Lesen zunächst noch offen heran. Nun muss ich aber sagen, diese Große Anfrage ist eine Frechheit; nach Ihrer Rede, Herr Lehmann, denke ich, fast ungewollt, aber das macht die Sache auch nicht besser. Sie missbraucht die Not vieler Menschen in unserem Land. Sie missbraucht ein Thema, das insbesondere in Berlin extrem wichtig ist.
Während die Große Anfrage noch am Anfang Fragen enthält, die überflüssig, aber harmlos sind, weil sie in Studien oder Bestandsaufnahmen bereits mehrfach beantwortet wurden, konzentrieren sich die Fragen dann ausschließlich auf die Bundesebene und benützen Armut der Menschen nur als Werkzeug für ihr Ziel, die Bundesregierung zu beschimpfen. Am Ende dann lässt die FDP endgültig die Katze aus dem Sack und versucht, ihre Ideologien zu verbreiten, die alles andere als Armutsbekämpfung sind:
Weg mit der Debatte um Mindestlohn, Abbau von Steuern und anderen Abgaben usw. Der Armut in unserer Stadt widmet die FDP ganze 3 von 21 Fragen, wenn man die abzieht, die bereits in anderen Berichten längst beantwortet sind. Von diesen drei ist eine die rhetorische Frage:
Glaubt der Senat, dass sich in den nächsten Jahren Armut bzw. das Armutsrisiko noch weiter erhöhen wird?
Tolle Frage! – Die FDP zeigt, dass sie kein wirkliches Interesse für die Armut der Menschen hat und dass es ihr dabei nur um Parteiinteressen geht. Die FDP fordert sonst die Abschaffung von Subventionen und steuerlichen Vergünstigungen. Wenn es aber um sie, um die FDP selbst, geht, sieht es ganz anders aus.
Denn während der FDP-Finanzpolitiker Solms die Steuermoral predigt, organisiert er mit trickreichen, dunklen, wenn auch legalen Schiebereien den Verkauf der ehemaligen Bonner Parteizentrale, durch die am Ende der Staatskasse, die unsere sozialen Systeme finanziert, 13 Millionen € fehlen.
FDP-Fraktion, mit 13 Millionen € kann man eine Menge gegen Armut tun! Sie haben Ihre Parteisanierung höher als das Interesse der Gesellschaft gestellt, sie auf Kosten des Allgemeinwohls durchgeführt. Das ist ein trauriges Niveau der Politik, das keine weiteren Kommentare benötigt.
Nun zum Thema Armut. Trotz Wirtschaftskrise und Ebbe in den öffentlichen Kassen – Deutschland gehört nach wie vor zu den wohlhabenden Ländern der Welt. Wenn wir von Armut sprechen, müssen wir schon klarstellen, welche Gesichter der Armut wir meinen. Mit existentieller Armut, unter der Menschen in vielen anderen
Ländern der Welt leben und leiden, ist Armut in Deutschland nicht vergleichbar. Das soziale Netz in Deutschland mag durchaus Löcher haben, aber es existiert noch. Insgesamt ist das Armutsrisiko von Familien in den letzten Jahren gestiegen, und die relative Armut nimmt stetig zu. Der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt deutlich auf, dass ganz bestimmte Gruppen in Deutschland von Einkommensarmut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Die sozialen Unterschiede nehmen zu, und es gibt eine Strukturveränderung der Armut. Es ist ein Leben zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit, zwischen Sozialhilfe und Teilzeitarbeit, zwischen Schwarzarbeit und Apathie bzw. Rückzug aus der Gemeinschaft.
Besonders häufig leben Alleinerziehende, Einwanderer, Langzeitarbeitslose und Jugendliche unter der Armutsgrenze. Es gibt Familien, die zum Teil schon in der dritten Generation von staatlicher Hilfe leben. Neuerdings kommen sogar ehemalige Selbstständige und junge Akademiker hinzu. Die Ursachen sind vielfältig, wie auch die Betroffenen selbst. Alleinerziehenden fehlt es oft an Betreuungsplätzen, Einwanderer leiden an gesellschaftlicher Ablehnung und an Sprach- und Qualifikationsdefiziten. Langzeitarbeitslose sind häufig auch nur unzureichend qualifiziert. Jugendliche finden schwer Ausbildungsplätze und haben häufig erhebliche Bildungsdefizite.
Was ist gegen Armut zu tun? Welche Verantwortung trägt die Politik an dieser Entwicklung? Was hat die Politik gemacht, und was muss sie noch machen? – Im Mittelpunkt grüner Politik stand und steht der Schutz vor sozialer Ausgrenzung. Nun steigt die Zahl jener an, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind, wie der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung zeigt. RotGrün hat einiges gemacht, um diese Entwicklung zu stoppen, hat längst überfällige Reformen in Angriff genommen, um die sich die Kohl-Regierung 16 Jahre lang gedrückt hat. Die Kohl-Regierung hat außerdem einen sehr eingeschränkten Blick auf das Phänomen Armut gepflegt. Die Union hat die wachsenden Unterschiede in Kultur und Lebenswelten der Bürger, die Hand in Hand mit ökonomischen Differenzen gingen, in ihrer Regierungszeit erst gar nicht interessiert.
Deshalb ist folgende Aussage zu wachsender Armut richtig: Es ist zwar zu einer weiteren Zunahme der Armutsquote gekommen, nicht jedoch wegen der Politik von Rot-Grün, sondern trotz ihrer Bemühungen, trotz der Erhöhung des Kindergeldes, trotz der Steuerreform. Die Bemühungen von Rot-Grün erreichten auch deshalb nicht immer ihre Ziele, weil die Union, anstatt auf Grund eigener Versäumnisse rot-grüne Reformen zu unterstützen, diese blockiert und behindert bzw. bis zur Unkenntlichkeit kaputtverhandelt hat.
Aber kommen wir zur Landespolitik. Gerade in der Zeit knapper Kassen sind Kooperationen und neue Ideen im Lande gefragt, die eine Landesregierung bündeln und
aus denen sie einen einheitlichen Einsatz formen und führen muss. Die Situation in Berlin ist schlimmer als in anderen Bundesländern. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die ausschließlich von staatlicher Unterstützung leben, steigt kontinuierlich. Noch Ende 2004 war fast jeder fünfte Minderjährige unter 18 Jahren auf Sozialhilfe angewiesen. In einigen Bezirken ist die Lage noch schlechter. Die Landesregierung muss die Menschen in ihrer Not angemessen versorgen. Das ist eine ihrer Aufgaben. Sie muss aber auch präventive Maßnahmen entwickeln, gegen Ausgrenzung ihrer Bürger vorgehen. Was tut aber die Berliner Regierung in den großen Bereichen, wo es um Prävention und Armutsbekämpfung geht? Im Bereich Arbeit hat der Senat sich aus der eigenen öffentlich geforderten Arbeitsmarktpolitik und beruflicher Weiterbildung zurückgezogen. Die Linkspartei alias PDS tut alles, um die positiven Möglichkeiten von Hartz IV zu unterlaufen. Ähnlich wie die FDP stellt die PDS Parteiinteressen über Interessen der Menschen.
Bei der Integrationspolitik kommt der Senat nicht in Gang. Nach zweieinhalb Jahren Regierung bestellt er sich Anträge zur Erarbeitung einer Gesamtkonzeption. Zu mehr als einer Analyse der Lage, die im Grunde allseits bekannt ist, wird es in dieser Wahlperiode offensichtlich nicht kommen. Und bei der Bildung, wo wir uns wahrscheinlich alle einig sind, dass das die beste Chance ist, die wir unseren Kindern auf den Weg geben können, Patzer noch und noch.
Im Bereich Soziales beschloss der Senat ein Sozialticket, das das Attribut „sozial“ nicht verdient und Arme erheblich in ihrer Mobilität und bei ihrer Partizipation am gesellschaftlichen Leben einschränkt. Alles, was für die Armutsbekämpfung richtig und wichtig ist, verfolgt der Senat lustlos und kraftlos, beschränkt sich vorwiegend auf die Analyse der Zustände und auf eine Zuschauerrolle. Das wird der Situation Berlins nicht gerecht. Schon längst hätten Handlungskonzepte und erste Erfahrungsberichte ein Thema in diesem Parlament sein müssen.
In Berlin engagieren sich viele Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen für eine Politik gegen Armut. Statt ihnen einen größeren Raum für ihre Tätigkeiten zuzuweisen, gute Ideen vielleicht zu übernehmen, lässt man zu, dass ihre Spielräume immer enger werden. Wir können dem Senat in Bezug auf Armuts- und Armutsrisikobekämpfung keine gute Note geben.
Politik wird Armut nicht vollständig abschaffen können. Parteien wie Lafontaines PDS, die etwas anderes, sagen, versprechen vorsätzlich etwas Unmögliches. Die Politik muss vor allem die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen die Armut überwinden können, dass sie den Mut zu kämpfen nicht verlieren. Die Menschen sind bereit, zurückzustecken und materielle Einschränkungen zu ertragen, wenn sie eine Perspektive am Horizont sehen und das Gefühl haben, dass ihr Verzicht in ein gerechtes System eingebettet ist.
Die FDP hat diese Große Anfrage zur Armut als Hebel für ihre politischen Ziele benutzt.
Die PDS nimmt das Scheitern der Reformen billigend in Kauf, also gibt Parteiinteressen ebenfalls Vorrang. Das sind Zustände, die bei der Bevölkerung ein Gefühl von Unrecht verstärken und die Vermutung bestätigen, dass die Politik kein wirkliches Interesse am Schicksal ihrer Bürger hat. – Danke!
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage Senator Körting. – Am vergangenen Samstag hat ein junger Algerier in Abschiebegewahrsam einen Herzinfarkt erlitten, und er wäre beinahe gestorben, weil ihm die nötige ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig gewährt wurde. Warum kommt es trotz aller Hungerstreiks der letzten zwei Jahre, nach anderen Vorfällen und nachdem Sie im letzten Jahr versprochen haben, Abhilfe zu schaffen, immer noch dazu, dass Menschen in Abschiebehaft keine ärztliche Hilfe bekommen?
Herr Senator! Wenn Sie Leute einsperren, haben Sie auch Tag und Nacht dafür zu sorgen, dass die ärztliche Versorgung gewährleistet ist. Wie wollen Sie dies sichern? Können Sie versprechen, dass es in Zukunft anders wird? Sind Sie nicht der Meinung, dass Sie mit Ihrer bisherigen Untätigkeit einen schweren Fehler gemacht haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Aus welchen Gründen haben Insassen des Abschiebungsgewahrsams Grünau erneut zum drastischen Mittel Hungerstreik gegriffen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen?
2. Warum befinden sich Menschen palästinensischer Herkunft mit ungeklärter Staatsangehörigkeit seit mehreren Monaten im Abschiebungsgewahrsam, obwohl klar ist, dass sie nicht in den Libanon abgeschoben werden können?
Danke, Herr Präsident! – Ist der Senat bereit, angesichts der noch ungeklärten Frage, wann und wie die Rücknahme von Palästinensern in einem Abkommen zum Beispiel mit dem Libanon geregelt werden wird, von ihrer Inhaftnahme einstweilen abzusehen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Diskussion habe ich den meisten von Ihnen etwas voraus. Ich kenne die Ausländerbehörde als langjährige – wenn Sie so wollen – Kundin. Ich hatte im Rahmen meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin ebenfalls intensiven Kontakt mit ihr. Ich könnte Ihnen Gruselgeschichten aus diesem Erfahrungsfundus erzählen, aber das möchte ich nicht.
Die Ausländerbehörde muss sich schnellstens zu einer Servicebehörde entwickeln, übrigens auch aus wirtschaftlichen Gründen. Es ist peinlich und bezeichnend, dass die Humboldt-Universität hochqualifizierten Stipendiaten aus anderen Ländern den Gang zur Ausländerbehörde abnimmt, weil man sie ihnen nicht zumuten kann. Die Ausländerbehörde verspricht auf ihrer Internetseite, kundenorientiert, kompetent und flexibel zu sein. Schön wär’s! Das Grundproblem der Ausländerbehörde ist sei Jahrzehnten, dass sie zu häufig unter mehreren rechtlichen Optionen diejenigen ergreift, die für die Migranten die ungünstigsten sind. Viel zu oft wird z. B. eine Abschiebungshaft beantragt, obwohl eine Abschiebung gar nicht möglich ist. Das muss sich ändern, sonst bleibt das Wort Kundenorientierung hohl.
Wir möchten Bemühungen, die der Senat in den letzten zwei Jahren in dieser Richtung unternommen hat, nicht unterschlagen. Aber zur Realität: Viel zu voll sind nach wie vor die Warteräume der Ausländerbehörde. Viel zu lange müssen die Leute warten. Viel zu häufig müssen sie ohne triftigen Grund mehrmals für eine Sache vorsprechen. Viel zu häufig werden alle Familienangehörigen vorgeladen – auch solche, die krank sind, die kurz vor einem Schulabschluss stehen, die berufstätig sind. Viel zu häufig werden die Kunden unfreundlich behandelt. Es ist immer noch schwierig, telefonisch einen Termin zu bekommen. So wie die Ausländerbehörde zurzeit arbeitet, ist sie nicht nur ein Problem für die Kunden, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es mit Kunden zu tun, die existentielle Ängste haben, mit denen man sich nicht verständigen kann, die durch langes Warten zusätzlich gereizt sind, die manchmal ihre Wut und ihre Enttäuschung nicht mehr im Griff haben. All das geht nicht spurlos an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorbei, schon gar nicht, wenn sie diese Tätigkeit schon jahrelang ausüben.
Das alles sind jedoch Symptome. Ursachen für die Probleme sind die Struktur der Behörde und die dortigen
Frau Kolat
Arbeitsbedingungen. Hier muss dringend etwas geschehen.
Die telefonische Erreichbarkeit muss gesichert werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den benötigten Sprachkenntnissen müssen eingestellt werden. Vorsprachetermine sollen reduziert und effektiver gestaltet werden. Inhaftierungen dürfen nicht in der Ausländerbehörde durchgeführt werden. Wo bleibt die Kundenorientierung, wenn Menschen bei der Vorsprache überraschend verhaftet und in Handschellen abgeführt werden? – Mehrsprachige Informationen müssen konsequent vorhanden sein und Ermessensspielräume bei Aufenthaltsangelegenheiten im Sinne der Kunden ausgeschöpft werden. Es heißt für uns außerdem: Weiterbildung muss zum Bestandteil der Arbeit gehören. Der Wechsel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von einem Bereich in einen anderen muss möglich sein und gefördert werden. Die Schutzmaßnahmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen überprüft werden. Wir nehmen es sehr ernst, wenn sich Kunden im Gebäude der Ausländerbehörde etwas antun oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedrohen. Es wird aber keinen absoluten Schutz geben. Deshalb sind wir für die umsichtige Auswahl von Schutzmaßnahmen, die nicht die ohnehin angstbeladene Stimmung anheizen. Anwendung eines Qualitätsmanagements, Aufbau eines Verwaltungsmanagements, Serviceorientierung – das alles klingt sehr modern und sehr gut, aber entscheidend ist, die Praxis zu verändern.
Die Ausländerbehörde wird keine Servicebehörde für Migrantinnen und Migranten sein, solange es bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kaum welche mit Migrationshintergrund gibt. Wir haben dazu einen Änderungsantrag gemacht. Den haben die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Wer, wie Herr Henkel, die Ausländerbehörde von der Verwaltungsreform ausnehmen will, der hat weder von der Integration noch von der Verwaltungsreform etwas verstanden.
Eine Servicebehörde entsteht nicht ohne Reform. Eine serviceorientierte Verwaltung dürfen alle Berlinerinnen und Berliner erwarten. Das gilt für den neu nach Berlin zugezogenen CSU-Abgeordneten genauso wie für einen Kreuzberger Migranten der dritten Generation. Wir Bündnisgrünen wollen reale und schnelle Veränderungen und werden die Entwicklung der Ausländerbehörde deshalb im Detail weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach drei Jahren Verhandlungen ist die Neugestaltung des deutschen Ausländerrechts abgeschlossen. Ich sage das mit sehr gemischten Gefühlen, denn dieses Gesetz ist alles andere als ein Traumergebnis. Das Verfahren, wie es zu Stande kam, und auch das Ergebnis müssen kritisch und nüchtern betrachtet werden. Die erstaunlich mutige Vorlage der Süssmuth-Kommission hatte die Hoffnung geweckt, dass das Thema Einwanderung in unserer Gesellschaft angekommen ist. Die Verhandlungen brachten aber schnell Ernüchterung. Die immer neuen Abstriche waren nur schwer verdaulich. Mit ihrer Blockade hat die CDU Fortschritte verhindert und Schily war bereit, ihr sehr weit entgegenzukommen.
Das Gesetz enttäuscht in vielen Punkten. Ein Punktesystem wie beispielsweise in den USA oder Kanada oder das Abschaffen von Kettenduldungen wurden nicht durchgesetzt. Für Berlin ist es besonders dramatisch, dass es keine befriedigende Regelung für die Geduldeten gegeben hat, die mitunter schon seit 13 Jahren hier leben. Die ständige Unsicherheit, ob man bleiben kann oder abgeschoben wird, erschwert die Integration, ebenso die Beschränkungen bei Arbeit und Ausbildung.
Trotz dieser Hindernisse haben sich viele Flüchtlinge hervorragend integriert. Ihre Kinder sind hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Viele haben gute Abschlüsse, hervorragende Sprachkenntnisse und hätten gute Berufsperspektiven. Berlin hat bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen eine herausragende Rolle gespielt und müsste jetzt ein besonderes Interesse haben, die positiven Potentiale dieser Menschen für die Stadt zu nützen.
Berlin kann es sich nicht leisten, diese Menschen abzuschieben. Es ist bedauerlich, dass mit dem Gesetz keine einfache Altfallregelung geschaffen wurde.
Frau Hopfmann
Unter den gegebenen politischen Umständen und im Kompromiss mit der SPD und mit der Union war das einfach nicht zu erreichen. Dennoch stehen wir zu diesem Gesetz, denn es enthält auch viele Verbesserungen. Es ist zudem Ausdruck der längst überfälligen Erkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.
Ja!
Wir stehen nun vor der Aufgabe, Integrationspolitik im Rahmen des neuen Gesetzes zu gestalten. Da gibt es durchaus Möglichkeiten. Die Handlungsspielräume der Länder sind mit dem neuen Gesetz, insbesondere im humanitären Bereich, erweitert worden. Wir wollen, dass Berlin diese Handlungsspielräume nutzt. Berlin ist eine multikulturelle Stadt und muss sich zu seiner Multikulturalität bekennen und sie nicht abwehren. Wir wollen, dass sich das Bekenntnis zum Einwanderungsland Deutschland auch im Verwaltungshandeln niederschlägt, das gilt nicht nur für die Ausländerbehörde. Wir brauchen eine interkulturelle Öffnung aller Behörden. Alle Behörden müssen sich zur Multikulturalität bekennen.
Wir wollen, dass einer nüchternen Analyse der Probleme eine engagierte Integrationsoffensive folgt z. B. für eine bessere Sprachentwicklung der Berliner Vorschulkinder: ohne Sprache keine Integration. Wir wollen, dass die Parteien fraktionsübergreifend auf die nachhaltige Integration setzen und Mittel für diese Offensive freischaufeln, auch wenn es in anderen Bereichen wehtut.
Es wird oft und viel über die demographische Entwicklung unserer Bevölkerung geredet. Man muss nicht jede Prognose für bare Münze nehmen, aber gewisse Veränderungen sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Dazu gehören der zunehmende Migrantinnen- und Migrantenanteil genauso wie die Tatsache, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden und die Bevölkerung schrumpft. Diese Probleme lassen sich nicht allein durch die Zuwanderung lösen, aber die Zuwanderer werden mehr Gewicht in unserer Gesellschaft bekommen.
Bereiche wie die Pflege sind ohne die Arbeit der Zuwanderinnen schon heute nicht denkbar. Einwanderung bietet wirtschaftliche Potentiale, die wir in Berlin dringend brauchen. Zugewanderte machen sich z. B. häufiger selbständig, gründen Firmen und schaffen damit Arbeitsplätze. Hier gibt es noch große Reserven.
Eine dauerhafte Stärkung der Stellung des Integrationsbeauftragten scheint uns ebenfalls sinnvoll. Warnen möchten wir davor, dass man sich damit der Integrationsaufgabe entledigt. Die Aufgabe der Integration von Neuzuwanderern ist so wichtig und komplex, dass sie nicht allein einer Stelle überlassen werden kann.
Nun haben wir einen Senat, der sich das Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft auf die Fahne schreibt. Aber handelt er auch so? Ist irgendetwas wie eine Aufbruchsstimmung bei diesem Senat zu spüren? – Bei konkreten Verbesserungsvorschlägen bekamen wir in den vergangenen Jahren immer zu hören: Wartet ab, bis das neue Zuwanderungsgesetz da ist. Nun liegt es vor, und es gibt im Land Berlin neue Gestaltungsspielräume. Wir haben sofort Vorschläge gemacht. Geduldete, die nach dem neuen Gesetz als Härtefall eine Aufenthaltserlaubnis bekommen könnten, sollten nicht mehr abgeschoben werden. Mit einem Landesgesetz sollte die Härtefallkommission gestärkt werden, damit sie den neuen Aufgaben gerecht werden kann.
Unsere Fraktion hat dem Senat auch angeboten, eine gemeinsame Strategie für Berlin zu entwickeln, um die Möglichkeiten des Zuwanderungsgesetzes voll auszuschöpfen. Der Senat reagierte abwehrend. Unsere Vorschläge wurden entweder abgelehnt oder stark verwässert. Von Aufbruchsstimmung, Elan und Mut also keine Spur! Stattdessen immer der ängstliche Verweis auf die einheitliche Linie der Innenministerkonferenz, von der Berlin angeblich keinen Millimeter abweichen darf. Warum kann sich Rot-Rot in Berlin eigentlich nicht trauen, was im rot-grünen Schleswig-Holstein möglich ist? Ist es wirklich notwendig, dass Berlin seine Integrationspolitik von Beckstein absegnen lässt? – Mit einer so zögerlichen Haltung wird Berlin die Probleme nicht lösen.
Was ist dabei aber die Rolle der PDS in dieser Koalition? – Im Wahlprogramm bekennt sie sich zu Einwanderung und Integration. Im politischen Handeln ist davon aber nichts zu spüren. Statt dessen jammert die PDS über die böse Bundesregierung
und versteckt sich hinter ihrem Koalitionspartner.
Auch wir haben Kritik am Zuwanderungsgesetz, aber Kritik allein bringt uns in Berlin nicht weiter. Hier und jetzt muss es darum gehen, die neuen Möglichkeiten im Interesse von Berlin auszuschöpfen. Es reicht nicht, wie die PDS immer nur an die Barmherzigkeit zu appellieren. Wir fordern von ihr konkrete Gestaltung.
Und die SPD-Fraktion? – Von einem eigenen Engagement keine Spur. Ihre Rolle erschöpft sich darin, den Innensenator zu stellen, dem sie das Thema vollständig überlässt.
Und der Senator wiederum legt das Thema vertrauensvoll in die Hände der Ausländerbehörde – einer Ausländerbehörde, die ihre Hauptaufgabe bislang in der Verhinderung der Zuwanderung gesehen hat. Erst diesen Montag zeigte der Senator im Innenausschuss sein wahres Gesicht. Wir
wollten, dass die Ausländerbehörde über eine wichtige Verbesserung im Gesetz informiert, nämlich darüber, dass Migrantinnen, die wegen Gewalt in der Ehe ihre Männer verlassen haben, mit dem neuen Gesetz besser vor einer Abschiebung geschützt sind. Unter bestimmten Bedingungen haben sie künftig einen Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Eine Information über die neue Rechtslage hielt der Senator für ein falsches Signal. – Da frage ich mich, ob die angebliche Gefahr eines Missbrauchs des Gesetzes schwerer wiegt als der Schutz der Frauen vor tatsächlichem Missbrauch.
Warum sind die Regierungsparteien so zögerlich, wovor haben sie Angst? Würde ihre Parteibasis eine offensivere Integrationspolitik nicht mittragen?
Wenn die Bekenntnisse zur Einwanderungsgesellschaft nicht nur leere Rhetorik sein sollen, muss die Integration viel beherzter und zügiger angepackt werden. – Danke schön!
Herr Innensenator! Es freut uns, dass Sie sich jetzt in die Richtung bewegen, die wir in unserem Antrag formuliert haben. Wir möchten aber dennoch wissen, in welcher Form, mit welcher Verbindlichkeit Sie die Ausländerbehörde diesbezüglich anweisen werden und ob die Kriterien für die Anerkennung von Härtefällen denjenigen entsprechen werden, die Ihr Ministerkollege und Parteifreund in Schleswig-Holstein bereits seit Anfang Juli anwendet, wie zum Beispiel einen langjährigen Aufenthalt als Voraussetzung für den Erfolg einer sprachlichen und ökonomischen Integration, wie für die Kinder, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind und hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, wie im Hinblick auf zu erwartende Belastungen im Herkunftsland in Bezug auf die Gesundheitsversorgung oder der Möglichkeiten zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts?
Ich glaube nicht, dass es ein geeignetes Mittel ist, mit einem dezidierten Katalog zu arbeiten. Übrigens arbeitet das Land Schleswig-Holstein dann auch noch mit einem dezidierten, einseitigem Katalog, in dem geregelt wird, in welchen Fällen es alles nicht geht, obwohl die Voraussetzungen eigentlich bestehen. Ich glaube, dass das, was Schleswig-Holstein gemacht hat, eher kontraproduktiv ist und nicht dazu dient, wirklich im Einzelfall humanitär zu entscheiden.