Dietmar Woidke

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Last Statements

Ja, Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Begründung der heutigen Aktuellen Stunde führt die FDP an, der Ministerpräsident habe in einem Nachrichtenmagazin - ich zitiere - „vom 'Anschluss' der DDR an die Bundesrepublik“ gesprochen und damit die Vereinigung diskreditiert.
Ich bin zu DDR-Zeiten einige Jahre in Ostberlin unterwegs gewesen. Damals gab es einen Spruch, der hin und wieder an der Mauer stand: „BZ am Abend - erquickend und labend“. Und es gibt einen anderen Spruch: „SPIEGEL lesen - dabei gewesen“. So mag es nicht immer sein, aber, liebe Kollegen von der FDP, irgendwie scheint Ihnen bei dem Tohuwabohu der letzten Wochen der „Spiegel“ mit diesem Interview des Ministerpräsidenten doch abhandengekommen zu sein. Deshalb will ich Ihnen die entsprechende Passage noch einmal vortragen:
„Die Richtung stimmte: mehr Sicherheit, mehr Rechtsstaat. Es gab viel Geld aus dem Westen, für das wir dankbar sind, es gab viele Aufbauhelfer, die gute Arbeit geleistet haben. Aber an diesem Tag, dem Tag der Vereinigung, begann auch die gnadenlose Deindustrialisierung Ostdeutschlands. Arbeitslosigkeit zog in nahezu jede Familie ein. Mit diesem Tag des Beitritts verbinden viele von uns deshalb nicht nur gute Gefühle. Diese 'Anschlusshaltung'“
der Westdeutschen
„ist verantwortlich für viele gesellschaftliche Verwerfungen nach 1990. Es fehlten selbst kleinste symbolische Gesten gen Osten - nicht mal der grüne Pfeil schaffte es ohne Debatte.“
Das waren die Worte des Ministerpräsidenten. - Herr Homeyer, wir sprechen uns nachher noch.
Niemand hat von „Anschluss“ gesprochen. Alle Behauptungen, er habe einen historischen Vergleich sogar zum Anschluss Österreichs 1938 gezogen, sind also, meine sehr verehrten Damen und Herren, vollkommen absurd. Jeder, der so etwas sagt, hat das Interview entweder nicht gelesen oder er verdreht bewusst Tatsachen.
Was noch schlimmer ist: Ganz offensichtlich haben die Kollegen der FDP-Fraktion auch das Gespür für die Gedanken und Gefühle der Menschen im Land verloren. Denn was ich in den letzten Tagen immer wieder gehört habe, war der Satz: „Klar, so war es doch; klar, wir sind froh über die Einheit, aber wir haben seitdem auch eine Menge Sorgen gehabt.“
Niemand bezweifelt - und schon gar nicht der Ministerpräsident -, dass die Vereinigung Deutschlands ein großes Glück war. Jeder von uns ist doch froh, dass wir heute in Einheit und Freiheit leben können. Aber wir müssen eben auch zur Kenntnis nehmen, dass infolge der Vereinigung Fehler passiert sind. Viele hatten damit zu tun, dass es eben keine Blaupausen gab für das Zusammenwachsen zweier unterschiedlicher Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme, und vieles hatte auch mit dem enormen Zeitdruck zu tun, der damals herrschte.
Wenn wir heute, 20 Jahre später, über den Vereinigungsprozess reden, müssen wir auch offen über solche Fehler reden können - ohne Schaum vor dem Mund und ohne ideologische Vorhaltungen.
Wir müssen uns schon fragen, auch gerade hier in Brandenburg, woran es denn liegen könnte, dass sich nur 25 % der Ostdeutschen als richtige Bundesbürger fühlen, wie eine Studie jüngst ermittelt hat. Ein Grund dafür ist, dass es 1990 im Westen eine nur sehr geringe Veränderungsbereitschaft gab, während sich im Osten fast alles geändert hat, vom Straßenbahnfahrschein bis zum Arbeitsplatz. Mehr als zwei Drittel der Ostdeutschen haben sich eine neue Beschäftigung suchen müssen, und nicht nur das; sie mussten häufig in andere, vollkommen fremde Berufe wechseln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Eindruck ist, dass die Opposition in diesem Hohen Hause im Moment nicht wirklich auf der Höhe der Zeit agiert. Sie scheint schlicht nicht zu wissen, wie selbst die damals beteiligten Personen über den Einigungsvertrag denken. Thomas de Maizière, wohlgemerkt ein Westdeutscher, der damals den Einigungsvertrag mit ausgehandelt hat, hat vor wenigen Tagen gesagt:
„Ich erinnere mich... an die Diskussionen um eine ganz grundsätzliche Frage. Lothar de Maizière hatte den Vorschlag gemacht, Auferstanden aus Ruinen, den (verbote- nen) Text... der bisherigen DDR-Nationalhymne, in eine gesamtdeutsche Nationalhymne (mit der Haydn-Kompo- sition) hinüberzuretten. Dies lehnte die West-Delegation ab. In den Archiven des Innenministeriums habe ich vor einigen Tagen einen Vermerk gefunden, der auf zwei Seiten ausführlich und ernsthaft erörtert, welche technischen, inhaltlichen, musikalischen und textlichen Einwendungen gegen das Singen des Becher-Textes auf die Haydn-Melodie sprechen könnten. Das Hauptargument war, dass Bechers Text ein Neunzeiler sei, während die Haydn-Melodie einen Achtzeilen-Text verlange. Vielleicht war aber dies nicht so sehr eine Frage solcher Einwendungen, sondern eher eine Frage der Änderungsbereitschaft (West). Heute wissen wir: Deutschland hätte von der DDR vielleicht nicht den Hymnen-Text, aber ruhig ein bisschen mehr übernehmen können als nur den grünen Pfeil und das Ampelmännchen.“
So weit Thomas de Maizière, zurzeit Bundesinnenminister. Weiter sagte er:
„Auch die nicht erfolgte Anerkennung der Bildungsabschlüsse... missachtete die Lebensleistung vieler DDRBürger.“
Selbst Wolfgang Schäuble und Lothar de Maizière waren skeptisch, ob es eine gute Idee war, das gesamte westdeutsche Rechtssystem sofort auf das Beitrittsgebiet zu übertragen.
Um nichts anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren, ging es in dem Interview des Ministerpräsidenten, das er dem „Spiegel“ gegeben hat. Er hat darauf hingewiesen, dass viele Ostdeutsche den Eindruck hatten und manche auch noch haben, dass ihr gelebtes Leben wertlos geworden sei, dass viele Ostdeutsche denken, andere würden darüber bestimmen, ob sie gut oder schlecht gelebt hätten, dass ihr Leben und ihre Leistung nicht angemessen gewürdigt werden. Diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen ist wahrlich nichts Ehrenrühriges. Ich jedenfalls erlebe diese Stimmung leider sehr häufig, um ehrlich zu sein, viel zu häufig. Sie hat viel damit zu tun, dass es eben bei vielen Westdeutschen einen Mangel an Einfühlungsvermögen in Bezug auf das Leben der Ostdeutschen gegeben hat.
Meine verehrten Kollegen von der Opposition, ich habe leider den Eindruck, Sie versuchen nur noch Krawall zu machen, Krawall zu machen um des Krawalls willen. Sie versuchen Krach zu schlagen, wo intelligentes Nachdenken und - ich füge hinzu - einfach nochmaliges Nachlesen von kritisierten Passagen angebracht wären. Es hat also keine „historisch unhaltbaren Vergleiche“ gegeben, wie die FDP meint. Niemand hier im Saal zweifelt an unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident sagt gern: „Zukunft braucht Herkunft.“ Genauso ist es. Wenn wir über die Zukunft reden, sollten wir uns aber auch unserer Vergangenheit bewusst sein und auch über Fehler reden, die wir oder andere in der Vergangenheit gemacht haben. Denn nur so können wir aus diesen Fehlern für die Zukunft lernen. Aber dann lassen Sie uns nicht immer nur zurückschauen, sondern auch über die Zukunft reden. Denn wir begehen nicht den
60. Geburtstag der DDR, wir begehen den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung.
Die Ostdeutschen haben allen Grund, stolz zu sein: nicht nur auf die friedliche Revolution, sondern und vor allem auch auf die vergangenen 20 Jahre. Denn es war in den vergangenen zwei Jahrzenten wahrlich nicht einfach in Brandenburg oder in Ostdeutschland. Und wenn wir beim Thema Zukunft sind: Meine Fraktion hat in den vergangenen Tagen sehr intensiv darüber debattiert, wie es in Brandenburg weitergeht. Wir haben darüber diskutiert, wie wir die dritte Etappe des Aufbaus Ost gestalten können, wie es uns gelingen kann, mit weniger Geld und größerem regionalem Wettbewerb auch in Zukunft ein lebenswertes Brandenburg zu gestalten, ein Land mit Lebenschancen für alle.
Von den Kollegen der Opposition habe ich zu diesem Thema außer Destruktivem so gut wie gar nichts gehört. Eine Oppositionspartei will die effektiv arbeitenden Strukturen in der Landwirtschaft rückabwickeln, eine andere Oppositionspartei ist vor allem mit sich selbst und ihrem Vorsitzenden beschäftigt, und die dritte Oppositionspartei beschäftigt sich hauptsächlich mit wilden Unterstellungen und versucht, das Ehrenamt im Land zu diskreditieren. Liebe Kollegen von der Opposition, so etwas nenne ich Arbeitsverweigerung. Beschäftigen Sie sich bitte mit den Dingen, die unser Land voranbringen! Opposition hat etwas mit Wettbewerb der Ideen zu tun. Nur, man muss dazu auch Ideen haben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien, das Institut für Schulqualität, das Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg, die Gemeinsame Landesplanung, der Rundfunk Berlin-Brandenburg, die Landesmedienanstalt, der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, die Berliner Flughafengesellschaft, die AOK Berlin-Brandenburg, das Landeslabor, all das sind Beispiele für die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg, und ich könnte diese Aufzählung noch einige Minuten fortsetzen.
Beide Länder haben 30 gemeinsame Institutionen und Einrichtungen. 20 Verbände haben gemeinsame Interessenvertretungen. Mit vier gemeinsamen Obergerichten sind wir bundesweit einmalig in der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Ebenso einmalig ist, dass seit mittlerweile fünf Jahren die Berliner Landwirtschaft komplett von Brandenburg aus verwaltet und vertreten wird. Berlin und Brandenburg sind bis heute auch die einzigen Länder mit gemeinsamen Abiturprüfungen. Vieles läuft also zusammen zwischen Berlin und Brandenburg. Vieles davon läuft im Stillen, weil es inzwischen zum Alltag der Länder gehört, weil es funktioniert und weil es mittlerweile auch für die Menschen in dieser Region normal geworden ist.
Darüber sollte man aber nicht vergessen, dass Berlin und Brandenburg auch verschieden sind. Allein die Tatsache, dass sich in Berlin 3 700 Einwohner einen Quadratkilometer teilen und in Brandenburg lediglich 85 Einwohner, zeigt, dass Unterschiede bestehen. Dieser Abstand, meine Damen und Herren, wird in den kommenden Jahren sogar noch größer werden. Berlins Bevölkerung wird 2030 etwa so groß sein wie heute. In Brandenburg wird sie um über 10 % schrumpfen, in den äußeren Regionen sogar um über 20 %. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Interessen. Auf der einen Seite eine Millionenstadt, Zentrum von Kultur, Medien und Politik mit ihren ganz eigenen Problemen, besonders in der Haushaltssanierung, Integration von Migranten und der Zusammenführung zweier nach wie vor unterschiedlicher Stadthälften. Das macht Berlin spannend. Das macht den Reiz von Berlin aus. Ich selber habe zehn Jahre in dieser spannenden Stadt gelebt. Ganz Europa schwärmt von Berlin, und ich kann das gut verstehen. Wir Brandenburger haben eine der aufregendsten Städte der Welt in unserer Mitte.
Diese Stadt ist umgeben von Brandenburg, einem Bundesland, das wie kaum ein anderes in Deutschland große Unterschiede auf seinem Boden vereint. Eine moderne europäische Großstadtregion, ein wichtiges Energiezentrum, eine breite Grenzregion zu Polen, sehenswerte Landschaften und Naturräume machen Brandenburg spannend und auch zu einer Herausforderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Spannung, diese Herausforderung hat das Land in den vergangenen Jahren in eine produktive Unruhe umgesetzt. Auf diesem Weg sind wir vorangekommen. Halbierte Arbeitslosigkeit, verdoppelte Exporte, die Wirtschaft in Brandenburg ist mittlerweile gut aufgestellt. Bei der Sanierung der Landesfinanzen steht unser Land im bundesweiten Mittelfeld. Laut einer Studie ist Brandenburg besser als alle anderen Bundesländer durch die Wirtschaftsund Finanzkrise gekommen. Doch damit haben wir kein Abonnement auf eine automatisch gute Zukunft. Dafür müssen wir hart arbeiten, dafür müssen wir unbequeme Entscheidungen treffen. Denn nur noch bis 2019 wird Geld aus dem Solidarpakt bereitstehen. Wie der Länderfinanzausgleich ab 2020 aussehen wird, wissen wir heute noch nicht. Die Unterstützung der Europäischen Union geht bereits heute merklich zurück. Bis
2019 gilt es also, die noch vorhandenen Mittel aus dem Solidarpakt und dem Finanzausgleich so einzusetzen, dass Brandenburg am Ende dieses Jahrzehnts nicht nur auf eigenen Beinen stehen, sondern auch laufen kann.
Im Mittelpunkt werden dabei für uns vier Aufgaben stehen: Wir müssen uns erstens dem demografischen Wandel stellen. Um eine hohe Lebensqualität zu sichern, müssen wir die Infrastruktur weiter anpassen, Bildungseinrichtungen sichern und ein attraktives Umfeld für Familien schaffen. Zweitens müssen wir uns dem Fachkräftemangel, der sich bereits heute bemerkbar macht, entgegenstemmen. In den kommenden fünf Jahren brauchen Berlin und Brandenburg 360 000 Fachkräfte. Wir müssen also dafür sorgen, dass alle Schüler einen Abschluss und eine gute Ausbildung machen können. Wir brauchen starke Gewerkschaften und starke Unternehmen, damit die Löhne weiter steigen können. Nur so bleibt bzw. wird unser Land für Fachkräfte attraktiv.
Drittens müssen wir unsere Wirtschaft stärken. Denn nur Unternehmen, die wettbewerbsfähig sind, werden weiterhin bestehen können. Drei Branchen werden in den kommenden Jahren für uns besondere Bedeutung haben: die Logistik, die Luftfahrt und die Energie.
Nicht zuletzt müssen wir den Staat und die Verwaltung modernisieren. Der Brandenburger Landeshaushalt wird in den kommenden Jahren von 10 Milliarden Euro auf ca. 8 Milliarden Euro schrumpfen, die Zahl der Landesbediensteten von 50 000 auf 40 000 sinken. Trotzdem wollen wir eine qualitativ gute und bürgernahe Verwaltung im Land Brandenburg sichern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird eine Menge Kraft kosten. Manche dieser Anstrengungen werden wir gemeinsam mit unseren Nachbarn besser lösen können und müssen. In der Energiepolitik werden wir enger mit Sachsen und Polen kooperieren. Über eine flächendeckende medizinische Versorgung werden wir uns intensiv mit Mecklenburg-Vorpommern austauschen. Erster und wichtigster Partner auf allen Gebieten ist Berlin und wird es bleiben.
Nun wird in großer Regelmäßigkeit das Wort Fusion aus den Schubladen geholt. Allerdings, Frau Richstein, habe ich in Ihrem Debattenbeitrag eines dringend vermisst, nämlich, dass Sie nicht sagen konnten, welchen Nutzen diese Fusion für die Bürger von Plessa, Angermünde, Senftenberg, Forst oder Guben bringen soll. Das genau ist der Schwachpunkt Ihrer Argumentation. Die Debatte, die Sie momentan in regelmäßigen Abständen führen - es war in den vergangenen Jahren schon ähnlich -, geht an der Lebenswirklichkeit der Brandenburger und an den Notwendigkeiten dieses Landes vorbei. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger sehen das ganz genauso.
In Umfragen nach den wichtigsten Problemen dieses Landes Brandenburg landet die Länderfusion normalerweise zwischen 1 und 3 %. Fast drei Viertel der Brandenburger dagegen sind der Meinung, dass eine Länderfusion ihre Probleme nicht besser lösen kann. Es reicht eben nicht zu sagen, wir bekommen eine effektivere Verwaltung oder wir haben vielleicht irgendwann weniger Schulden. Es wird für die Zukunft notwendig sein, wenn diese Fusion jemals Realität werden soll, dass der Nutzen für die Menschen klar herausgearbeitet wird. Ich wünsche mir
von den Befürwortern, dass sie diesen Nutzen für die Menschen einmal in den Mittelpunkt stellen und dann die Frage beantworten: Können wir diese Dinge nicht auch eventuell ohne Fusion erreichen?
Die Menschen im Lande haben gemerkt, dass die Gegenwart vieles von dem eingeholt hat, was 1996 in der damaligen Fusionskampagne angeführt worden ist. Es hieß, die Brandenburger Landesverwaltung müsse nur ein wenig, auf 65 000 Mitarbeiter reduziert werden. Heute sind es bereits weniger als 50 000. Es hieß, beim Scheitern der Fusion wären weit über 100 Staatsverträge nötig. Heute sind es 26, und wir kommen gut damit aus. Es hieß, bis 2006 würde es in Berlin und Brandenburg zu Investitionen von über 100 Milliarden Euro kommen. Bis 2002 waren es allein in Brandenburg nicht 100 Milliarden Euro, sondern 114 Milliarden Euro.
Die Befürworter der Fusion in den 90er Jahren, zu denen auch ich gehörte, haben die Notwendigkeit der Fusion überschätzt, und sie haben gleichzeitig die Möglichkeiten eines aktiven und vitalen Bundeslandes unterschätzt. Das ist kein Vorwurf. Fakt ist aber: Das eigenständige Land Brandenburg ist ein Erfolg. Und die Brandenburger sind zu Recht stolz auf ihr Land. Auch das ist eine klare Tendenz in den Umfragen der letzten Jahre.
Die Chancen in den 90er Jahren waren größer als heute, auch weil die Identifikation der Menschen mit ihrem Bundesland noch nicht so weit vorangeschritten war. Gerade aber weil der Wunsch nach Fusion immer von der CDU kommt: Der Fusionsverhinderer Nummer 1 war ein gewisser Herr Landowsky, der in einem Interview in Berlin einmal gesagt hat - ich glaube es war 1995, 1996 -, er wolle in Brandenburg zuallererst die „sozialistischen Wärmestuben“ ausfegen. Dass Herr Landowsky mittlerweile andere Stuben ausfegt, ist allen bekannt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Beitrag hat damals wesentlich dazu beigetragen, dass die Fusionsabstimmung in Brandenburg gescheitert ist. Fassen Sie sich an Ihre eigene Nase!
Wir sollten nicht sinnlose Debatten führen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, was sinnvoll und machbar ist, und darauf, dass Brandenburg weiter vorankommt. Das ist der Auftrag an dieses Parlament und das ist der Auftrag dieses Parlaments an die Landesregierung.
Wir werden uns darauf konzentrieren, Kooperationen da weiter voranzutreiben, wo sie Sinn machen. Wir wollen die Zusammenarbeit mit Berlin auch weiter voranbringen, aber sie muss beiden Seiten nutzen. Dabei sollten wir unser Augenmerk auf folgende wichtige Projekte richten:
Erstens: Wir müssen den Nahverkehr sichern. Der Einsatz für öffentlichen Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr ist gemeinsam effektiver und in einer Region unbedingt notwendig.
Zweitens: Der Bereich Gesundheit muss als Wachstumsfeld weiter ausgebaut werden. Hier müssen wir die Zusammenarbeit von Forschung, Wirtschaft und Versorgung intensivieren.
Drittens: Wir haben im rbb ein hör- und sichtbares Zeichen von Kooperation. Wir müssen uns aber gemeinsam dafür einsetzen, dass dem Sender nicht die Einnahmen wegbrechen.
Viertens: Wir teilen das Problem von Langzeitarbeitslosigkeit. Wir brauchen mehr Abstimmung auch im öffentlichen Beschäftigungssektor.
Fünftens: Der Bedarf an Haftplätzen geht sowohl in Berlin als auch in Brandenburg zurück. Von Brandenburg kann Berlin eine komplette Justizvollzugsanstalt haben. Auch über die gemeinsame Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung werden wir reden.
Sechstens müssen wir Regelungen finden, damit sich Asylbewerber in beiden Ländern frei bewegen können, ohne einen Papierkrieg durchstehen zu müssen. Schließlich liegt das eine Bundesland mitten in einem anderen Bundesland.
Siebtens: Eine gemeinsame Parlamentsgruppe aus Brandenburg, Berlin und den angrenzenden polnischen Woiwodschaften soll sich für die schnelle Realisierung von gemeinsamen Infrastrukturprojekten bei den Zentralregierungen einsetzen. Wir wollen den Aufbau einer modernen Infrastruktur zwischen Berlin und Brandenburg sowie zwischen den polnischen Wachstumsregionen Warschau, Breslau, Posen und Stettin weiter beschleunigen. Das würde übrigens auch den Zugang Westpolens zum neuen Flughafen „Willy Brandt“ verbessern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die kommenden Jahre sind voll mit Arbeit, voll auch mit gemeinsamer Arbeit mit Berlin. Wir sollten uns in den nächsten Jahren auf konkrete Vorhaben konzentrieren. Das ist Herausforderung genug. Sinnlose Debatten helfen nicht weiter, und die Fusionsdebatte ist zur jetzigen Zeit sinnlos. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort an Herrn Goetz: Eine solche Sensibilität, wie sie Überschriften von Landtagsdebatten bei Ihnen hervorrufen, hätte ich mir von Ihnen gegenüber den Sozialschwachen in diesem Land gewünscht.
Sie haben vorhin mit fast tränenerstickter Stimme ein Zitat von Ursula von der Leyen vorgetragen; dass Ihnen das nicht gefällt, kann ich nachvollziehen. Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob es einer Regierungspartei auf Bundesebene guttut, mo
nochrom und monothematisch, einfarbig und nur auf ein Thema fokussiert, zu sein. Wenn ich die FDP sehe, stelle ich mir immer eine buddhistische Prozession mit Zimbeln und Gebetsmühlen vor: Steuersenkung, Steuersenkung, Steuersenkung, Steuersenkung, Steuersenkung... Das reicht nicht, und das wissen die Bürger in diesem Lande. Ich habe gedacht, Sie hätten das verstanden. Herr Westerwelle hat im letzten halben Jahr des Öfteren gesagt, er habe verstanden, zum Beispiel, dass die FDP eine Wahlniederlage erlebt hat und in Umfragen schlecht abschnitt, 3 % in Berlin. Ich weiß nicht, wo sich die Brandenburger FDP derzeit befindet, ich nehme an, bei ähnlichen Werten.
Es gab eine hervorragende Klausur, und sie brachte folgendes interessante Ergebnis hervor: Ja, wir haben Fehler begangen. Ja, wir haben daraus gelernt. Ja, wir machen genauso weiter wie bisher. - Das ist Ihre Politik, und das ist das, was Sie gelernt haben, nämlich nichts. Das hat auch die Rede von Herrn Büttner gezeigt.
Herr Burkardt und Herr Büttner, wenn wir über Leistungen des Staates reden, sind wir uns im Klaren darüber, dass die Leistungen finanziert werden müssen. Aber wer Steuergeschenke an Besserverdienende und Hoteliers verteilt, wer nicht einmal bereit ist, über eine Vermögensteuer nachzudenken, wer selbst gegenüber dem eigenen Wirtschaftsflügel der CDU nicht einmal bereit ist, über den Spitzensteuersatz in diesem Lande zu reden und die Breitschultrigen stärker in die Verantwortung zu nehmen, die teilweise sogar danach rufen - das gab es noch nie zuvor in diesem Lande -, hat keine Berechtigung, sich hier hinzustellen und den Leuten vorzuhalten, dass die Ausgaben, speziell im sozialen Bereich, zu hoch seien.
Summa summarum läuft es bei Ihnen so: Wir verschenken Geld an Reiche, und wenn die Sozialschwachen zu uns kommen, sagen wir: Schade, schade, schau mal her, das Beutelchen ist leider leer. - Damit kommen Sie nicht durch! - Danke sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Blick über die Oder kann - wenn nicht gerade Hochwasser ist - sehr beruhigend sein. Vielleicht trägt die Aktuelle Stunde zur Versachlichung in diesem Hohen Hause bei.
In den letzten Tagen und Wochen haben wir an der Oder eines der schlimmsten Hochwasser der vergangenen Jahrzehnte und das zweitschlimmste - wenn man den alten Quellen glauben darf - seit Menschengedenken erlebt. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erleben es immer noch; denn an den meisten Stellen ist der Wasserstand zwar zurückgegangen, ganz ausgestanden ist das Hochwasser 2010 an der Oder jedoch noch nicht.
Während wir in Brandenburg langsam aufatmen können, gilt unser Mitgefühl unseren polnischen Nachbarn. Leider müssen wir 21 Menschen, die durch das Hochwasser an Oder und Weichsel ihr Leben verloren haben, betrauern. In Brandenburg hat das Hochwasser glücklicherweise keine Menschenleben gekostet. Dies ist zweifellos eine ausgesprochen gute Nachricht, ja, vielleicht sogar die wichtigste Nachricht; jedenfalls sind wir alle sehr froh darüber.
Dass wir im Gegensatz zum Hochwasser an der Oder von 1997 zumindest bisher keine größeren Schäden zu verzeichnen haben, liegt nicht nur am einige Zentimeter niedrigeren Wasserpegel. Der Wasserstand an der Oder lag dieses Mal nur um wenige Zentimeter unterhalb der Höchstmarken von 1997. Wir hatten Glück und die höchste Warnstufe musste nur wenige Ta
ge und nicht vier Wochen - wie vor 13 Jahren - ausgerufen werden.
Wir sind vielen Helferinnen und Helfern aufgrund ihres unermüdlichen und tatkräftigen Einsatzes zu großem Dank verpflichtet. Weit mehr als 4 000 von ihnen - der größte Teil davon ehrenamtlich - waren und sind im Einsatz. Ich möchte an dieser Stelle allen Kameraden der Feuerwehr, vor allem der freiwilligen Feuerwehr, sehr herzlich danken. Ich möchte mich auch bei den Einsatzkräften des Technischen Hilfswerks und bei allen anderen, die haupt- oder ehrenamtlich im Einsatz waren, sehr herzlich bedanken. Sie kamen aus dem gesamten Land und packten beherzt dort mit an, wo Hilfe nötig war.
Schließlich möchte ich mich auch bei den Bürgerinnen und Bürgern der Oderregion bedanken, vor allem bei denjenigen, die als Deichläufer im Einsatz waren
und es immer noch sind. Ihrer großen Ortskenntnis ist es zu verdanken, dass mancher Riss im Deich entdeckt werden konnte, bevor größere Schäden aufgetreten sind, und die Hilfsmaßnahmen schnell und zielgerichtet eingeleitet werden konnten.
Großen Dank möchte ich auch den Katastrophenstäben vor Ort sowie dem Ministerpräsidenten, dem Innenminister und der Umweltministerin zollen, die gemeinsam mit den Kräften aus der Region schnell und umsichtig rund um die Uhr dafür gesorgt haben, dass Hilfe dort ankam, wo sie ankommen musste.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den vergangenen Tagen wurden viele Vergleiche zu dem Oderhochwasser von 1997 gezogen. Bei den meisten Vergleichen können wir feststellen, wie viel sich seitdem verändert hat. Zunächst möchte ich die gute Zusammenarbeit mit unseren polnischen Nachbarn hervorheben. Vor 13 Jahren waren wir im Wesentlichen auf die „Tagesschau“ angewiesen, wenn wir wissen wollten, wie es um das Wasser in der polnischen Oder steht. Das war diesmal vollkommen anders. Die Kommunikationsstränge mögen noch nicht perfekt sein, aber sie sind um ein Vielfaches besser als im Jahr 1997. Auch hier gilt noch einmal mein besonderer Dank den polnischen Kollegen - besonderer Dank deshalb, weil diese Kollegen aufgrund der Entwicklungen in Polen selbst unter sehr starkem Druck standen.
Wer in den letzten Tagen an der Oder war, hat sicherlich auch gespürt, dass der Katastrophenschutz auf unserer Seite um einiges besser organisiert und eingespielt war - auch wenn im Jahr 2010 noch nicht alles perfekt war - als noch vor 13 Jahren.
Des Weiteren ist zu sagen, dass das im Jahr 1997 von der Landesregierung beschlossene Oderprogramm Wirkung gezeigt hat. Die für die Deichsanierung aufgebrachten 220 Millionen Euro waren gut angelegtes Geld. Seit 1997 wurde der Deich an der Oder auf einer Länge von etwa 150 Kilometern saniert; das sind rund 90 %. Die sanierten Deiche bieten mehr Schutz vor den Wassermassen und schützen damit Menschenleben und Naturräume.
Da die Deiche an der Oder in Brandenburg eine Länge von insgesamt 163 Kilometern haben, wird sich manch einer in den
vergangenen Tagen gefragt haben: Wieso fehlen noch 13 Kilometer? - Denen sage ich: Es in 13 Jahren geschafft zu haben, 90 % des Deiches an der Oder in Brandenburg zu sanieren, ist ein großartiger Erfolg - insbesondere für die Mitarbeiter des Landesumweltamtes.
Der größte Feind von Hochwasserschutzmaßnahmen ist das Vergessen. Viel zu schnell vergessen Menschen das Hochwasser und seine Folgen. Aufgrund dessen mussten wir in den vergangenen Jahren zähe Verhandlungen um Zufahrten, um den freien Blick auf den Fluss oder um einzelne Grundstücke erleben, wenn es um die Realisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen ging. Jedoch geht es dabei nicht einmal nur um die Deichsanierung. Brandenburg ist Vorreiter beim gesamten Hochwasserschutz. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, dass es nach dem Elbehochwasser im Jahr 2002 15 große Deichrückverlegungsprojekte an der gesamten Elbe gab. Ein Einziges von diesen Projekten wurde realisiert. Es befindet sich in Brandenburg, und zwar am „Bösen Ort“ in der Prignitz.
Brandenburg ist damit nicht nur das einzige Bundesland, das eine Deichrückverlegung an der Elbe durchgeführt hat, sondern plant ein weiteres Projekt an der Oder, das nach derzeitigem Planungsstand bis zum Jahr 2015 realisiert werden soll. In der Neuzeller Niederung sollen nämlich 1 500 ha zusätzliche Flutungsfläche zur Verfügung stehen. Diese Flutungsfläche würde etwa 50 Millionen Kubikmeter Wasser fassen. Dazu ist es notwendig, eine zweite Deichlinie zu bauen. Jedoch kann man sich heutzutage nicht einfach hinstellen und sagen, mit einem Fingerschnipsen realisieren wir Deichrückverlegungsprojekte; denn für Deichrückverlegungsprojekte sind im Normalfall Planfeststellungsverfahren nötig, die immer sehr langwierig sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem abflauenden Wasserpegel müssen wir uns nun auch Gedanken über die Folgen und Konsequenzen des Hochwassers 2010 machen. Es gibt keine alleinige Lösung. Es geht auch hierbei wiederum um ein Bündel von Maßnahmen. Zu vier Punkten möchte ich etwas sagen:
Erstens ist es für uns eine - Gott sei Dank, kann man sagen Selbstverständlichkeit, dass wir in unserem Land einen flächendeckenden Brand- und Katastrophenschutz in hoher Qualität sowie hoher Quantität haben. Dies sollte jedoch keine Selbstverständlichkeit für uns sein. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass der Brand- und Katastrophenschutz als eine wichtige Säule bei allen Katastrophen dieses qualitativ und quantitativ gute Niveau behält. - Zu diesem Punkt wird mein Kollege Werner-Siegwart Schippel noch sprechen.
Zweitens: Hochwasser kennt keine Ländergrenzen. Wir brauchen ein europäisches Hochwasserrisikomanagement, und ich sage ganz bewusst: Risikomanagement; denn Hochwasserschutz zu 100 % gab es nie und wird es nie geben. Das Risikomanagement muss von der Quelle der Flüsse bis zu ihrer Mündung über Ländergrenzen hinweg gemeinsam erfolgen.
Die Oderregion ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wir bieten unseren Nachbarregionen auch weiterhin eine enge Zusammenarbeit und Kooperation an. In Polen steht man vor der Aufgabe, ca. 1 000 Kilometer Deichfläche zu sanieren. Das Problem ist: Wenn am Ober- und Mittellauf der Oder wie bei uns HightechDeiche mit Sicherheitslinien und 4-Zonen-Filtern stehen, dann
wird das Hochwasserproblem in Brandenburg größer und nicht kleiner. Wir müssen dafür werben, dass Rückhalteflächen auch schon im Oberlauf geschaffen werden. Diese haben eine vielfache Wirkung und sind bei deutlich geringeren Kosten zu realisieren. Darüber müssen wir mit unseren polnischen Freunden sprechen. Nachhaltiger Hochwasserschutz muss den gesamten Flussverlauf im Blick haben - von der Quelle bis zur Mündung.
Drittens müssen auch wir uns bei Auslaufflächen ehrlich machen. Ich höre immer wieder: Der Fluss braucht mehr Raum. Das ist richtig, und wir haben in Brandenburg dafür bereits mehr getan als andere Länder. Dennoch dürfen wir uns nichts vormachen, denn dabei reicht das kleine Einmaleins. Polder sind nichts anderes als Badewannen. Wenn sie voll sind, passt nichts mehr hinein.
Wenn 2 000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde die Oder hinunterfließen - das ist die Menge, die wir bei dem jetzigen Hochwasser hatten - und wir eine Absenkung des Hochwassers um 20 % hinbekommen wollen, sprechen wir über 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, die irgendwohin müssen. Wenn dann Polder in einer Höhe von einem Meter geflutet werden, brauchen wir in einer Sekunde für eine Absenkung des Wasserspiegels um 20 % 400 Quadratmeter Polderfläche. In 100 Sekunden sind das schon 4 ha, in einer Stunde 144 ha. Das zeigt, dass es eine Illusion ist zu glauben, nur wir hier unten am Unterlauf der Flüsse könnten das Problem allein mit Poldern und Auslaufflächen lösen.
Wo wir dies tun können, müssen wir es tun. Wir haben es bisher getan und müssen es auch weiterhin tun; das steht außer Frage. Wir brauchen aber parallel dazu auch gute Deiche, ein funktionierendes Katastrophenmanagement sowie eine verständnisvolle Bevölkerung; denn ohne die Menschen geht dies alles nicht - weder Deichbau und Sanierung noch die Schaffung zusätzlicher Auslaufflächen und erst recht kein flächendeckender Katastrophenschutz. Hochwasserschutz geht - genau wie Naturschutz - nicht vom grünen Tisch über die Köpfe hinweg, sondern nur mit den Menschen in der Region.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! 1997, 2002, 2003, 2006 und jetzt 2010 - alle fünf, sechs Jahre sucht uns ein größeres Hochwasser heim. Nach allem, was wir von Klimaforschern wissen, ist vor dem Hintergrund des Klimawandels eher häufiger mit Starkniederschlägen - und demzufolge Hochwasser - zu rechnen. Es geht deshalb darum, das Miteinander von Mensch und Natur sowie das Miteinander von Ländern und Staaten zu verbessern. Die Oderregion, aber auch das Einzugsgebiet der Elbe, ist heute eine moderne Schicksalsgemeinschaft. Ich hoffe sehr, dass das derzeitige Hochwasser an der Oder dazu beitragen kann, das gemeinsame Verantwortungsgefühl in beiden Regionen wachsen zu lassen; denn nur gemeinsam mit allen Ländern können wir solche Naturkatastrophen meistern. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Bretz - Frage 1 -, haben Sie den Antrag, über den Sie gerade reden, gelesen?
Frage 2: Ist Ihnen klar, dass hier niemand einen sofortigen Atomausstieg fordert - hätten Sie den Antrag gelesen, wüssten Sie das -, sondern der Atomausstieg durch einen Beschluss der damaligen Bundesregierung begonnen hat und noch gewisse Zeit weiterlaufen wird? Ist Ihnen klar, dass kein Mensch davon ausgeht, dass die AKWs morgen abgeschaltet werden? Es geht jedoch darum - daher frage ich, ob Ihnen das bewusst ist -, dass die Bundesregierung offensichtlich beabsichtigt, ohne geklärte Endlagerkapazitäten in Deutschland die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schlimmste zuerst - und das ist in Ihrer Rede, Herr Bretz, leider nicht aufgetaucht -: Sie sind nach wie vor dabei, die Gefahren der Atomenergie zu verharmlosen.
Ich weiß nicht, ob Sie sich mit dem Thema wirklich gut auskennen. Sie haben ja Prof. Schierack in Ihrer Fraktion. Er ist Arzt und kann Ihnen vielleicht einmal erklären, was Plutonium ist. Vielleicht kann er Ihnen auch erklären, was Strontium ist. Er kann Ihnen sicherlich auch erklären, welche Halbwertszeiten beide Stoffe haben. Bei Plutonium beträgt die Halbwertszeit 24 000 Jahre. Das ist eines der stärksten bekannten Gifte.
Wenn Sie sagen, Sie gingen von einer sicheren Endlagerung aus, dann frage ich mich schon, warum die Atominos in der CDU und CSU - der eine heißt Horst Seehofer und der zweite heißt Herr Mappus und ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg - nicht bereit sind, das zu tun, was in Europa üblich ist, wenn es um Endlagerung geht, nämlich im Granit nach sicheren Endlagerstätten zu suchen. Man besteht weiter darauf, in unsicheren Salzlagern wie Gorleben und Asse radioaktive Abfälle zu lagern - weit entfernt von zu Hause. Dort wollen sie diese Diskussion nicht haben, sie sind nicht in der Lage oder haben nicht den Mut, diese Diskussion zu führen, vermelden aber gleichzeitig, weiterhin Atomkraftwerke betreiben zu wollen.
Eines ist Ihnen wahrscheinlich nicht bekannt, es ist auch schon ein Weilchen her: Die Laufzeitverkürzung, die zur Zeit der rotgrünen Bundesregierung vereinbart worden ist, haben sich die Konzerne fürstlich bezahlen lassen, und nicht von irgendjemanden, sondern vom Stromverbraucher. Wenn Sie schon eine Laufzeitverlängerung wollen, dann gehen Sie doch wenigstens hin und fordern, dass das aufgrund der verkürzten Laufzeiten zusätzlich kassierte Geld an den Stromverbraucher zurückfließt
anstatt der paar Geschenke von einigen Millionen für erneuerbare Energien. Da lacht sich die Atomenergielobby kaputt.
Ein dritter Punkt: Sie haben über das Kernkraftwerk in Rheinsberg gesprochen. Ich habe den Prozess des Rückbaus in meiner Amtszeit als Umweltminister verfolgen dürfen. Ich kann Ihnen eines sagen: Wer diesen Rückbau verfolgt hat, hat mehrere Sachen mitbekommen. Erstens: Es gib keinerlei Akzeptanz für Atomenergie in Brandenburg. Das scheint Ihnen aber mittlerweile egal zu sein; Ihre Akzeptanz für die genossenschaftliche Diskussion am heutigen Morgen dürfte ungefähr genauso groß gewesen sein. Das interessiert Sie offensichtlich nicht mehr.
Aber etwas anderes sollte Sie interessieren, dass wir nämlich ohne Ende Steuermittel
in den Rückbau dieses Atomkraftwerkes investieren mussten.
Ein abschließender Satz: Atomenergie kommt uns alle teuer zu stehen und das nicht nur finanziell. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir biegen nun auf die Zielgerade der Haushaltsberatungen 2010
ein. Ähnlich wie es Manfred Richter schon getan hat, möchte ich mich bei allen bedanken, nicht nur für das Sitzfleisch, das Sie alle hier in den letzten drei Tagen beweisen mussten, sondern auch dafür, dass es gemeinsam gelungen ist, diesen Haushalt zeitiger als ursprünglich vorgesehen zu verabschieden, wenn wir ihn denn heute verabschieden werden, wovon ich ausgehe. Das hat alle vor besondere Herausforderungen gestellt, und ich möchte mich hier im Allgemeinen neben den Regierungsfraktionen bei der Opposition bedanken. Ich möchte mich aber besonders, auch wenn sie heute nicht da sein kann, bei Frau Dr. Ludwig bedanken - ich bitte Sie, ihr diesen Dank zu übermitteln - und bei Manfred Richter und den Damen und Herren Mitgliedern des Finanzausschusses, die in besonderer Art und Weise in den letzten Wochen und Monaten mit intensiver Arbeit konfrontiert worden waren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Haushalt ist sozusagen ein Regiebuch oder ein Drehbuch für die Regierung. Es ist Ausweis der Politik unserer Koalition. Genauso ist dieser Haushalt auch aufgebaut. Wir handeln nach dem Prinzip: versprochen und gehalten. Wir haben Gemeinsinn und sozialen Aufstieg versprochen. Genau das werden wir Schritt für Schritt in diesem Land auch herbeiführen. Dieser Haushalt ist der erste, aber ein sehr wichtiger Schritt auf diesem Weg. Es wird nicht in jedem Punkt von heute auf morgen gehen, aber dieser Haushalt weist den Weg auch schon für die kommenden Jahre.
Wir haben versprochen, die Mittel für die Kinderbetreuung aufzustocken; genau das machen wir, und zwar mit 12 Millionen Euro in diesem Jahr. Im nächsten Jahr werden es 36 Millionen Euro sein. Wenn ich mich an die Debatte von vorhin zum Schüler-BAföG erinnere, Herr Hoffmann oder Frau von Halem: Was ist denn bitte dieses Geld anderes als eine stärkere Förderung der frühkindlichen Bildung? Dieses Geld zielt genau in die Richtung Ihrer Forderung, und wir tun das, auch wenn die finanzielle Situation - darauf komme ich nachher noch zurück - des Landes eine sehr schwierige ist. Damit wachsen die Landesmittel bei den Kitas um ein Drittel. In den Gruppen bei den unter Dreijährigen werden sich nur noch sechs Kinder einen Erzieher teilen müssen, bei den Drei- bis Sechsjährigen nur noch zwölf. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Lebenschancen, schon von den Kleinsten angefangen. Ich denke, dass auch Frau Dr. Ludwig, der ich von dieser Stelle aus noch einmal recht herzlich zu Artur Jan Rugart gratuliere, von diesen Verbesserungen profitieren wird.
Wir haben versprochen, 1 250 neue Lehrerinnen und Lehrer bis 2014 einzustellen. Genau das machen wir. Zum ersten Mal seit 1990 stellt das Land Lehrer in dieser Größenordnung ein, 450 sollen es in diesem Jahr sein. Das ist ein großer Schritt, um die Qualität in den Lehrerzimmern und besonders die Qualität des Unterrichts zu verbessern.
Wir haben ein Brandenburger Schüler-BAföG versprochen; dieses Versprechen lösen wir ein; heute fand die 1. Lesung des Gesetzes statt. Wir stellen gut 1 Million Euro in diesem Jahr für das Schüler-BAföG bereit. Mit dem Schüler-BAföG setzen wir ein wichtiges Signal, damit Kinder aus einkommensschwachen Familien eine faire Chance bekommen, Abitur zu machen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Chancengerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit gerade und insbesondere bei der Bildung nicht nur anfangen, sondern dort auch aufhören.
Wir haben versprochen, die Netzwerke „Gesunde Kinder“ auszubauen. Genau das tun wir. 1 Million Euro in diesem Jahr, das stärkt junge Eltern, das verbessert das Netz für Familien und schafft eine Kultur des Hinschauens für unsere Kinder. Meine Damen und Herren, ob Ihnen in der Opposition das dann immer gefällt oder nicht, Sie sehen daran - da können wohl Sie auch kaum etwas anderes behaupten -: Wir halten, was wir versprechen.
Das ist sozialdemokratische Politik, das ist unser Markenzeichen, und das wird es auch bleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, in der wir auch vor harten, aber notwendigen Entscheidungen nicht zurückschrecken dürfen. Mit dem Personalkonzept 2020 verlangen wir von unseren Landesbediensteten viel, wir verlangen sogar sehr viel. Aber wenn wir diesen Stellenabbau schaffen, dann hat das Land Brandenburg eine der effizientesten, wenn nicht gar die effizienteste Landesverwaltung in der gesamten Bundesrepublik. Daher finde ich es auch gerecht, dass wir mit dem Haushalt 2010 denjenigen, die diese Leistung in den kommenden Monaten und Jahren erbringen werden, mit 100 % vom Westgehalt ein angemessenes Gehalt zahlen. Gute Arbeit soll und muss, das trifft im Besonderen auch für den Landesdienst zu, gut entlohnt werden.
Auch ich habe vorgestern vor dem Landtag die demonstrierenden Gewerkschafter gesehen. Ich habe mit ihnen gesprochen, und die Demonstration für Weihnachtsgeld und gegen Stellenabbau hat viele von uns beschäftigt. Viele Abgeordnetenkollegen habe ich gesehen, die dort ebenfalls Gespräche geführt haben. Man darf aber dabei nicht vergessen, dass das Land Brandenburg in diesem Jahr mit ca. 142 Millionen Euro pro Jahr nicht nur die Erhöhung auf 100 % realisiert und bezahlt hat, sondern dass zum 1. März auch das Gehalt im laufenden Tarifvertrag um 1,2 % angehoben worden ist. Sie können sich angesichts der in den vergangenen Tagen hier dargelegten Zahlen leicht ausrechnen, dass für weitere Sonderleistungen des Landes wenig Spielraum bleibt.
Die Gehaltsanpassung an das Westniveau - das hatte ich schon erwähnt - kostet uns 142 Millionen Euro, und zwar nicht nur im Jahr 2010, sondern in allen kommenden Jahren - in Zeiten, in denen in vielen Bereichen die Reallöhne krisenbedingt sinken und viele Menschen mit Kurzarbeitergeld zurechtkommen müssen. Das Geld, das wir, wenn wir den Forderungen der Gewerkschaften folgten, mehr ausgeben müssten, fehlte nicht nur heute, sondern es würde, weil es aus Krediten aufgebracht werden müsste, auch morgen an vielen anderen Stellen fehlen. Wir müssen jeden ausgegebenen Cent an anderer Stelle wieder hereinholen bzw. sehr genau darüber nachdenken, an welchen Stellen wir zusätzlich Geld ausgeben. Es steht mir nicht zu, die Gewerkschaften zu kritisieren, aber mir sei die Anmerkung gestattet, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Verpflichtung gegenüber ihren Mitgliedern ist die eine Sache. Die Situation des Landes Brandenburg sollten sie darüber aber nicht aus dem Blick verlieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man nun die Reden der letzten Tage, im Speziellen die Reden der Opposition, Revue passieren lässt, muss man den Eindruck haben,
Brandenburg stehe kurz vor dem Untergang. Das ist sicherlich eine Sicht, die man haben kann, aber es ist eine sehr kurze Sicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Brandenburg seit fast 20 Jahren.
Brandenburg ist nahezu das einzige Bundesland, Herr Senftleben, in dem die Arbeitslosigkeit auch in der tiefsten Wirtschaftsund Finanzkrise weiter gesunken ist.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs steigt, und auch bezüglich dieses Zuwachses stehen wir bundesweit an der Spitze. Die Brandenburger Wirtschaft ist damit bisher so gut wie kaum eine andere in Deutschland durch die Krise gekommen. All das zeigt: Unser Land ist robust und gut aufgestellt. Es zeigt, dass unsere Wirtschaft - auch die Landwirtschaft, das darf ich hinzufügen - mittlerweile eine wettbewerbsfähige Struktur hat, mit der wir uns bundesweit sehen lassen können. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis harter Arbeit in erster Linie der Brandenburgerinnen und Brandenburger in den letzten Jahren. Es ist natürlich - Herr Senftleben, da haben Sie vollkommen Recht - zu einem gewissen Teil auch der Politik der Landesregierung, und zwar der jetzigen rot-roten, aber auch der rot-schwarzen Vorgängerregierung, geschuldet, die gute Rahmenbedingungen geschaffen hat.
Diese positive Entwicklung des Landes Brandenburg ist indes kein Selbstläufer. Deshalb verändern wir Strukturen in unserem Land so, dass der soziale Zusammenhalt gewahrt bleibt, Aufstiegschancen möglich sind und wir uns das Ganze auch in Zukunft noch leisten können. Was passiert, wenn man alles schleifen lässt, können wir seit einer Weile fast täglich in der Zeitung lesen. Vor Monaten waren es die massiven Probleme in Lettland und in Ungarn, die dort zu einem dramatischen Absturz der Wirtschaft mit Lohnkürzungen und einem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt haben. Die aktuell desolate Situation in Griechenland zeigt, wie bedrohlich es für Länder werden kann, die Strukturreformen auf die lange Bank schieben, und welch gravierende Auswirkungen das im speziellen Falle von Griechenland auf ganz Europa derzeit hat und auch in Zukunft noch haben kann.
Nun leben wir hier nicht auf einer Insel, schon gar nicht auf einer Insel der Glückseligen. Aber fest steht: Unser Land, die Region Berlin und Brandenburg ist eine Zukunftsregion in der Mitte Europas. Wir sind noch lange nicht da, wohin wir kommen wollen; daran gibt es keinen Zweifel. Brandenburg und Berlin sind vielleicht noch ein Rohdiamant, aber wir arbeiten sehr hart daran, dass er jedes Jahr ein bisschen stärker glänzt. Das Richtfest am neuen Willy-Brandt-Flughafen heute Morgen ist da eine weitere wichtige Facette. Dieser Flughafen wird dazu beitragen, dass rund um Schönefeld eine Boomregion für Luftfahrt und Logistik entsteht, und dieser Flughafen - das sei noch hinzugefügt - wird für weiteres wirtschaftliches Wachstum in Brandenburg sorgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir schaffen mehr Solidarität und Gerechtigkeit in diesem Land, aber wir brauchen Gerechtigkeit in ganz Deutschland. Das kann diese Koalition allein nicht leisten. Auch wir sind dem finanzpolitischen
Chaos ausgeliefert, das uns die Bundespolitik in den letzten Monaten eingebrockt hat.
Solidarität und Zusammenhalt, gerechte und solidarische Verteilung von Gewinnen und Belastungen, das wäre eine Finanzpolitik, die Brandenburg, die ganz Deutschland braucht. Denn wir müssen auch über die Einnahmen reden. Wie würden denn unsere Länderhaushalte aussehen, wenn sich die FDP mit ihren steuerpolitisch wahnwitzigen Vorschlägen zur weiteren Entlastung um 16 Milliarden Euro auf Bundesebene durchsetzte? Allein in diesem Jahr büßt das Land Brandenburg dank des von mir umtitulierten „Schuldenwachstumsbeschleunigungsgesetzes“ 55 Millionen Euro ein. In den Folgejahren werden es die Zahl beruht auf bereits gefassten Beschlüssen - 80 Millionen Euro sein. Das geht auf Ihr politisches Konto.
Ihre finanzpolitische Irrfahrt auf Bundesebene reißt uns alle damit meine ich das demokratische Gemeinwesen, Länder und auch die Gemeinden - in den Schuldenstrudel. Reden Sie mit den Bürgermeistern vor Ort. Meine Gemeinde hat einen FDPBürgermeister, reden Sie mit ihm. Reden Sie mit den CDULandräten. Sie können reden, mit wem Sie wollen, niemand wird Ihnen etwas anderes erzählen.
Ich hatte gestern Abend das zweifelhafte Vergnügen, in den „Tagesthemen“ den Auftritt von Herrn Westerwelle zu verfolgen, der meinte - ich dachte erst, ich hätte mich verhört, aber anscheinend hat er sich verhört -, die Steuerschätzung sei ein Beweis dafür, dass man jetzt erst recht Steuern senken müsste. Ich habe gedacht, er hätte vielleicht die Vorzeichen verwechselt. Wir reden nicht von 39 Milliarden Euro zusätzlich, wie Herr Westerwelle vielleicht meint, sondern von 39 Milliarden Euro minus. Das sollte man beachten.
Der einzelne Bürger zahlt die Zeche Ihrer Politik.
Er zahlt die Zeche beim Eintritt ins Schwimmbad, bei den Müllgebühren, bei den eingeschränkten Leistungen, die die Gemeinden und die Bundesländer in Zukunft nur noch erbringen können. Wir alle bezahlen dafür, dass Sie Steuergeschenke an Ihre Klientel verteilen.
Gestern wurde die Steuerschätzung nun endlich auf den Tisch gelegt. Die Diskussion hat es nicht wesentlich beeinflusst; darauf bin ich schon eingegangen. Ich denke, dass das, was Herr Westerwelle gestern gesagt und von der Bundesregierung gefordert hat, in höchstem Maße verantwortungslos ist - ich hoffe eigentlich immer noch auf die Vernunft - und von den Bürgern in diesem Land längst nicht mehr verstanden wird.
Herr Westerwelle ist auf Kurs Griechenland. Ich meine das im schlimmeren Sinne. Es geht hier nicht etwa um sein Urlaubsziel, sondern um die finanzpolitische Zukunft Deutschlands. Wer Steuergeschenke verteilt, Steuern senkt, ohne gleichzeitig für solide Staatsfinanzen zu sorgen, der treibt den Staat in den Ruin. Das sollten wir alle aus dem Fall Griechenland gelernt haben.
Und dann hören wir tagelang von verschiedenen Vertretern der Opposition, dass es dieser Regierung an Sparwillen mangele. Was wir hier in Brandenburg tun können, das tun wir, meine Damen und Herren von der Opposition. Wir haben uns mit unserem Koalitionsvertrag bereits zu einer nachhaltigen Konsolidierung des Landeshaushalts in den nächsten Jahren bekannt. Brandenburg wird bis 2014 die Zahl der Landesbediensteten auf 45 500 reduziert haben, 2019 werden es sogar nur noch 40 000 Landesbedienstete sein, und das Ganze ohne eine betriebsbedingte Kündigung. Das ist eine große Herausforderung für vorausschauendes Personalmanagement in der Landesverwaltung.
Wenn ich das hier noch einmal sage, dann versteht es sich von selbst - insofern kann ich die Debatte, die Herr Petke vorhin führte, nicht verstehen, auch wenn er sagte, dass er von Haushaltspolitik nicht so viel Ahnung habe, was man ihm ja noch nachsehen könnte -, dass man sich irrt, wenn man meint, man könne Personal sparen und gleichzeitig an Strukturreformen vorbeikommen. Man irrt sogar gewaltig. Sie können sich nicht jeder Strukturreform-Debatte verweigern und gleichzeitig das Ende von Einsparungen beim Personal fordern.
Mehr Personal könnten wir selbst dann, wenn wir wollten, Herr Senftleben, nicht bezahlen. Damit setzen wir die radikalsten Ausgabenreduzierungen in der Geschichte des Landes in die Tat um. Es sind schmerzhafte Einschnitte, die vorgenommen und schmerzhafte Diskussionen, die geführt werden müssen, aber ich denke, dass dies notwendig ist. Sie können, ohne diese Debatte zu führen, den Landeshaushalt nicht solide gestalten.
Wir haben bei der Polizei und in der Forstverwaltung erste Pläne vorgelegt, wie wir das umsetzen können und umsetzen wollen. Ich wundere mich, dass FDP und CDU so vehement gegen jegliche Reformvorschläge wettern. Ich vermute dahinter leider ganz billige Polemik, die diesem Land mit Sicherheit nicht weiterhilft.
Im Zweifel setzen Sie sich immer für den schlanken Staat ein, der sich auf seine Kernaufgaben beschränken sollte. Die Anträge, die Sie hier vorlegen - egal, ob zu einer weiteren Begabtenförderung, zu Praxisassistenten auf Landeskosten oder höheren Gehaltsgruppen für Landesbedienstete -, sind das Gegenteil von Aufgabenkritik und erst recht von einem schlanken Staat. Wenn Sie zudem Ihre Parteikollegen im Bundestag endlich einmal dazu bringen könnten, dieses Land nicht permanent um seine finanziellen Einkünfte zu bringen, dann könnten wir sogar, Herr Bretz, über den einen oder anderen Vorschlag, den Sie hier unterbreitet haben, ernsthaft reden. So geht das aber beim besten Willen nicht. - Schauen Sie mich so an, weil Sie mich hypnotisieren wollen? - Das wird Ihnen nicht gelingen.
Auch hier zeigt sich wieder die politische Kurzsichtigkeit von CDU und FDP. Sie fordern von uns „Sparen, sparen, sparen“, aber wenn wir konkrete Vorschläge machen, dann hören wir immer: Ja, aber in diesem Bereich nun bitte ausgerechnet nicht! Da dürfen wir nicht sparen; da stellen wir eine Kleine Anfrage zur Polizeiwache in Sowieso, wir stellen eine Kleine Anfrage zu einer Grundschule in Sonstwo, wir stellen uns damit natür
lich vor jede Strukturveränderung und beweisen den Bürgern, dass wir bürgernah sind. - So funktioniert es nicht! Sie sollten auch hier zu einer gewissen Solidität Ihrer Arbeit zurückfinden.
Herr Bretz, Sparen funktioniert nur, wenn man Lippenbekenntnissen auch Taten folgen lässt. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. Dann, wenn das Sparen konkret wird, sollte auch die Opposition Flagge zeigen. Konkrete Einsparvorschläge sind Sie uns nämlich in dieser Haushaltsdebatte schuldig geblieben, und ich glaube, das wird sich auch in der nächsten Debatte nicht wesentlich ändern. Allenfalls werden der öffentliche Beschäftigungssektor oder das Brandenburger Schüler-BAFöG als Einsparbereiche genannt, aber ich sage Ihnen: Wer Hand an diese Projekte legen will, der lässt genau diejenigen Menschen allein zurück, die die Hilfe des Starken am meisten brauchen. Das jedoch werden wir, meine Damen und Herren, als SPDFraktion nicht zulassen.
Drei Ziffern hat die Opposition in den letzten Tagen und Wochen besonders beschäftigt: Eine 6, eine 5 und eine 0 - 650 Millionen Euro Neuverschuldung bzw. Ermächtigung des Finanzministers zur Aufnahme neuer Schulden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist viel. Das ist eigentlich auch zu viel! Wir Sozialdemokraten sind dankbar für jeden Euro, den wir nicht aufnehmen müssen, denn zukünftige Zinszahlungen belasten nur unsere künftige Handlungsfähigkeit.
Aber, meine Damen und Herren, eines muss wahr bleiben: Mit den 650 Millionen Euro Ermächtigung zur Kreditaufnahme für den Finanzminister stehen wir im Ländervergleich relativ gut da. Wir als Land Brandenburg nehmen pro Kopf voraussichtlich 260 Euro neue Schulden auf. Es ist der Opposition nach ihrer harschen Kritik gestattet, sich in dieser Bundesrepublik Deutschland ein wenig umzuschauen. Schauen wir einmal über die Landesgrenze nach Niedersachsen: Herr Ministerpräsident Wulff - CDU - hat im Jahr 2010 einen Kreditbedarf von 290 Euro pro Kopf. Frau Wanka hat auch gleich einen Willkommensgruß in Niedersachsen erhalten - sie darf nämlich den Wissenschaftshaushalt um 100 Millionen Euro kürzen.
Schauen wir ein wenig weiter südwestlich, nach Nordrhein-Westfalen: Herr Rüttgers - CDU -, Ministerpräsident von NordrheinWestfalen, verschuldet sein Land in diesem Jahr um 375 Euro pro Kopf. Gehen wir von Düsseldorf weiter nach Wiesbaden: Herr Koch ist bekanntlich Ministerpräsident von Hessen und Mitglied der CDU. Er regiert das von den Steuereinnahmen her reichste Flächenland, aber dieses ist, was die Nettoneuverschuldung betrifft, nicht ohne: Herr Koch braucht pro Kopf 550 Euro an neuen Krediten.
Schauen wir nach Schleswig-Holstein: Herr Ministerpräsident Carstensen - CDU - braucht 560 Euro pro Kopf an neuen Krediten im Jahr 2010.
Wenn Sie hier vom Brandenburger Haushalt als „Schuldenhaushalt“ reden, wie würden Sie denn dann die soeben genannten
Länderhaushalte bezeichnen? Dann müssten Sie eine Steigerung finden; das fällt Ihnen offensichtlich schwer.
Jetzt aber kommt der Gipfel: Jetzt lenke ich den Blick dorthin, wo sich die hiesige vermeintliche Jamaika-Opposition in einer Jamaika-Regierung wiederfindet. Es gibt ein Land in dieser Republik, welches von Grünen, CDU und FDP unter der Führung eines Ministerpräsidenten Müller - CDU - regiert wird. Diese Jamaika-Koalition macht vielleicht eine ganze Menge, aber eines mit Sicherheit nicht, und das ist seriöse Haushaltspolitik. Herr Müller - CDU - nimmt im Jahr 2010 pro Einwohner 1 000 Euro neue Schulden auf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Vogel, Sie kann ich nicht immerzu anschauen, da muss ich den Kopf so stark drehen, aber vielleicht sollten Sie sich das auch einmal hinter die Ohren schreiben.
Gehen wir weiter und suchen nach weiteren Beispielen für „solide“ Finanzpolitik. Schauen wir dafür gar nicht so weit nach Süden oder Westen; schauen wir doch einfach nach Berlin! Dort sitzen die Bundeskanzlerin Angela Merkel - CDU - und Herr Schäuble - CDU -. Herrn Schäubles Haushalt enthält einen Kreditbedarf von 80 Milliarden Euro. Auch das sind umgerechnet, Herr Senftleben, 1 000 Euro neue Schulden für jeden einzelnen Bürger dieser Bundesrepublik Deutschland. So viel also zur „soliden“ Finanzpolitik, die die CDU zu vertreten hat.
Nun frage ich Sie vor diesem Hintergrund und diesen Schulden: Können Sie es im Ernst verantworten, nochmals 39 Milliarden Euro wegbrechen zu sehen und gleichzeitig Steuersenkungen zu planen?
Ein Wort noch zu den Vorschlägen der Grünen zum Abbau der Schuldenlast. Die Grünen fordern, wir sollten die Pensionsvorsorge für Beamte auflösen. Das ist ein Vorschlag, der immer mal wieder aufkommt. Wenn eine Pensionsvorsorge nicht existiert, wird beantragt, man müsse endlich eine solche einführen, damit die Transparenz des Haushalts gegeben ist. Und wenn man eine Pensionsvorsorge schafft, dann wird gesagt, nachhaltige Finanzpolitik made by den Grünen im Landtag Brandenburg bestehe darin, diese Pensionsansprüche aufzulösen. Aber deswegen fallen diese doch nicht weg, Herr Vogel. Ich denke, es ist für dieses Hohe Haus gut, transparent zu bleiben. Sie selbst sind ja jemand, der irgendwann in den Genuss eines solchen Pensionsanspruches kommen wird.
Diese Pensionsansprüche sollten daher schon im Haushalt klar erkennbar sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt noch eine andere Facette, die in der Haushaltspolitik eine Rolle spielt. Das sind die Diskussionen, die momentan in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zum Länderfinanzausgleich geführt werden.
Offenbar schätzt man das Land Brandenburg als mittlerweile so stabil ein, dass man meint, man könne den Länderfinanzausgleich massiv einschränken. Ich sage hier noch einmal ganz deutlich - und ich denke, das werden auch Ihre Ministerpräsidenten zumindest aus den Nordländern nicht anders sehen -: Wer am Länderfinanzausgleich rüttelt, gefährdet die Wohlstandsgrundlagen unserer Republik insgesamt. Das ist weit entfernt von Wachstum, Bildung und Zusammenhalt, dem angeblichen Ziel der Bundesregierung.
Es ist doch grotesk, wenn in einem geeinten Deutschland der Finanzausgleich wieder einmal Federn lassen soll. Wer das will, ist alles Mögliche, aber kein Freund des Zusammenwachsens dieses Landes. Er spaltet die Bundesrepublik nicht nur nach Ost und West, sondern vor allem auch nach Arm und Reich. Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Wenn sich diese Spalterei und diese Diskussion durchsetzt, dann sind langfristig die Grundlagen unser aller Wohlstands in Gefahr. Ich kann die Herrschaften von CDU und FDP nur bitten: Stoppen Sie den Unsinn, den Seehofer, Koch und Mappus offensichtlich vorhaben! Hände weg vom Länderfinanzausgleich! Sie gefährden damit die innere Einheit unseres Landes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt setzt Maßstäbe für das politische Programm der Großen Koalition aus Sozialdemokratie und Linkspartei. Er ist ein Beweis dafür, dass Brandenburg besser als andere Bundesländer durch die Krise kommt - das wird hoffentlich auch so bleiben - und dass Brandenburg eine solidere Finanzwirtschaft betreibt als der Rest der Republik.
Dieser Haushalt investiert in die Menschen. Wir gestalten Brandenburg und lassen uns auf diesem Weg nicht beirren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Johanna Wanka, 30 Minuten Haushaltsrede als neue Oppositionsführerin, durchaus mit Höhen und Tiefen daraus möchte ich ein Fazit ziehen.
Erster Punkt: Es war klar, dass Sie der Landesregierung mangelnden Konsolidierungswillen vorwerfen würden. Das hätte ich schon vor drei Tagen in meine Rede schreiben können. Das sehe ich ein.
Zweiter Punkt: In 30 Minuten gab es keinen einzigen Einsparvorschlag, nicht einen einzigen.
Neben dem schon etwas schräg ankommenden Beklagen der Mehrausgaben gab es gleichzeitig ein Lob für diese Mehrausgaben. Das war eine Pirouette, die mich doch etwas erstaunt hat. Im Hochschulbereich sind die Mehrausgaben von 65 Millionen Euro gut. - Das finde ich auch. Im Kita-Bereich usw. ist alles toll. Aber bitte schön, auch als Opposition, liebe CDU, darf man Vorschläge machen, wo man die Säge denn ansetzen will. Man kann sich nicht hier hinstellen und sagen, dass alles schlecht sei. Über gute oder schlechte Finanzpolitik entscheidet nicht die Rede der Oppositionsführerin hier im Landtag. Gute Finanzpolitik stellt den Menschen in den Vordergrund, und das ist mit diesem Haushalt der Fall.
Jetzt möchte ich zu meiner Rede kommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der erste Landeshaushalt, den die neue Koalition aus SPD und Linkspartei in dieses Hohe Haus einbringt. Die Koalition arbeitet unter dem Motto „Gemeinsinn und Erneuerung - ein Brandenburg für alle“. Wir werden in dieser Koalition eine Politik betreiben, in der sich alle Menschen dieses Landes wiederfinden. Deshalb wollen wir das spricht auch aus diesem Haushalt - ganz klar Investitionen in die Menschen unseres Landes in den Mittelpunkt dieses Haushalts stellen.
Der Landeshaushalt ist damit ein deutliches Kontrastprogramm zur aktuellen Politik auf Bundesebene. Wir, die SPD und die Mehrheit der Bürger unseres Landes, haben nicht den Eindruck, dass die Koalition aus CDU und FDP eine Politik für die Menschen betreibt, schon gar nicht eine Politik für alle Deutschen, wie sie Frau Merkel vollmundig angekündigt hatte. Stattdessen wird nur die eigene Klientel bevorzugt, eine knallharte Politik für Besserverdienende, Hoteliers und Inhaber großer Vermögen, und das alles, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf dem Rücken der kommunalen Haushalte und der Haushalte der Länder.
Wir erleben gerade, wie Schwarz-Gelb - hier kommt der FDP leider eine besonders schlechte Rolle zu - versucht, die Axt an den Sozialstaat zu legen. Wir erleben die Wiederauflage eines Musters, dass wir noch gut aus der Mitte der 90er Jahre kennen.
Wenn es schwierig wird, bekämpfen Liberale und Konservative nicht die Arbeitslosigkeit, sondern sie konzentrieren sich lieber auf den Kampf gegen die Arbeitslosen.
Wir erleben den Vorsitzenden der FDP-Fraktion hier im Hause, Herrn Goetz, der in einem Interview tatsächlich meinte, dass die Arbeitslosen sich nicht so anstellen mögen, schließlich ginge es ihnen heute noch viel besser, als es ihnen zu DDR-Zeiten jemals gegangen wäre. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da redet jemand, der von den Sorgen und Nöten der Menschen in diesem Lande, insbesondere den Sorgen und Nöten der Arbeitslosen, keinerlei Ahnung hat und diese Ahnung wahrscheinlich auch gar nicht haben will.
Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass man Menschen, die ihre Arbeit unverschuldet verloren haben, mit einer absolut despektierlichen und herabwürdigenden Wortwahl überzieht. Was hier betrieben wird, ist gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung.
Wir wollen für Brandenburg und für ganz Deutschland eine Gesellschaft, die den Menschen akzeptiert und ihm eine faire Chance auf Teilhabe bietet. Wir halten gar nichts davon, Arbeitslosen mit populistischer Selbstdarstellerei ihre menschliche Würde de facto abzuerkennen. Wer so redet, spaltet dieses Land. Ich kann Ihnen, Herr Goetz, nur empfehlen: Gehen Sie beispielsweise nach Elsterwerda und reden Sie mit den Beschäftigten von Campina über ihre Ängste und Befürchtungen! Sie können Arbeitslosen nicht pauschal unterstellen, dass sie nicht arbeiten wollen.
Die Wirklichkeit sieht auch hier in Brandenburg ganz anders aus. Die meisten haben ihren Job unverschuldet verloren, etwa weil gerade in derselben Region, in der Elsterwerda liegt - am Beispiel Grohe durchzuexerzieren -, gute Unternehmen übertriebene Renditeerwartungen ihrer Eigentümer nicht erfüllen konnten und damit geschlossen wurden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kontrast dazu haben wir uns hier im Land für eine Politik entschieden, die gezielt in Menschen investiert und niemanden bei Wachstum und Beschäftigung auf der Straße stehen lässt. Der Haushalt setzt daher ganz bewusst gezielt Schwerpunkte bei Bildung, Wissenschaft und Beschäftigung. Wir halten das für den besseren und vor allem für den gerechteren Weg, für einen Weg, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Brandenburg langfristig zu minimieren. Wir legen heute einen soliden Haushalt der sozialen Gerechtigkeit vor.
Mehr Gerechtigkeit und mehr sozialer Aufstieg - das ist der rote Faden der Politik dieser Koalition und dieses Haushalts. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum Sie darüber lächeln; wahrscheinlich geht Ihnen das Thema wirklich am Hintern vorbei.
Wenn Sie, Frau Wanka... - Sie ist leider nicht da.
- Ach, da hinten; so schnell geht es bei der CDU in die dritte Reihe.
Wenn Sie meinen, es ginge über Ankündigungen und Beteuerungen hinaus, dann ist gerade dieser Haushalt der Beleg dafür, dass den Aussagen, die im Koalitionsvertrag gemacht werden, finanzielle Taten folgen werden und das Haushaltsgesetz diese Vorhaben untermauert.
Dazu gehört zunächst, dass wir die Jüngsten und Schwächsten in den Mittelpunkt der Politik stellen. Brandenburg hat bereits heute bundesweit eine der höchsten Kinderbetreuungsquoten. Während andere Bundesländer immer noch dabei sind, überhaupt eine flächendeckende Kindergartenversorgung aufzubauen, verbessern wir die Qualität in den Kitas erheblich. Wir senken mit zusätzlichen 13,5 Millionen Euro den Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen auf 1 : 6 und bei den Dreibis Sechsjährigen auf 1 : 12. Die Zuweisungen zur Förderung der Kitas steigen damit jährlich auf insgesamt 160 Millionen Euro. Damit werden wir die Landesausgaben für unsere Kitas um gut ein Drittel steigern, und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sehr gut angelegtes Geld.
Daneben stellen wir über 1 Million Euro für die Unterstützung der Netzwerke „Gesunde Kinder“ bereit. Die Netzwerke sind ein gelebtes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement. Sie sind ein Beispiel dafür, wie Brandenburger für Brandenburger
Verantwortung übernehmen, wie für Familien und Kinder eine Kultur des Miteinanders entsteht. Unser Ziel ist, dass die Netzwerke „Gesunde Kinder“ in Brandenburg flächendeckend entstehen; die Anschubfinanzierung wird über diesen Landeshaushalt sichergestellt.
Ebenfalls im Haushalt verankern wir das Schüler-BAföG. Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat uns für dieses Vorhaben volle Rückendeckung gegeben und uns darin weiter bestärkt. Mit dem Schüler-BAföG werden wir dafür sorgen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien es leichter haben, das Abitur zu machen. Dafür stellen wir im Haushalt im ersten Jahr 1 Million Euro zusätzlich bereit.
Wir investieren bewusst in die schulische Bildung. Dieser Haushalt ermöglicht 450 Neueinstellungen junger Lehrerinnen und Lehrer - doppelt so viele wie ursprünglich geplant. Gleichzeitig sichern wir mit 150 zusätzlichen Referendarplätzen den Lehrernachwuchs. Mit diesen Bildungsinvestitionen halten wir die Schüler-Lehrer-Quote von 1 : 15,4 dauerhaft auf einem der bundesweit besten Werte. Das sichert die individuelle Förderung eines jeden unserer Landeskinder. Zudem treiben wir die Ganztagsbetreuung in den Schulen flächendeckend voran. Im kommenden Schuljahr werden 30 zusätzliche Ganztagsschulen eingerichtet. Auch das sind Investitionen in Menschen, die unsere Zukunft sind. Angesichts der demografischen Entwicklung können wir es uns schlichtweg nicht leisten, auch nur ein einziges Kind in der individuellen Entwicklung zurückzulassen. Jeder soll in dieser Gesellschaft die gleichen Chancen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung steht auch weiterhin - Frau Wanka ist darauf eingegangen und hat es gelobt; das finde ich sehr gut - für einen bewussten Ausbau von Wissenschaft und Forschung. Derzeit studieren an den brandenburgischen Hochschulen über 45 000 junge Menschen - so viele wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Wir konnten in den vergangenen Jahren den Neu- und Ausbau unserer Universitäten und Hochschulen vorantreiben. Brandenburg gehört gemeinsam mit Berlin zu den Regionen in Europa mit der höchsten Forschungsdichte. Trotzdem investieren wir in diesem Jahr zusätzlich 57 Millionen Euro in den Hochschulbereich. Auch das sind bewusste Investitionen in die Fähigkeiten der Menschen unseres Landes. Wir sind sicher, dass dies die beste Anlagemöglichkeit ist, die man finden kann. Wir werden daher trotz sinkender Bevölkerungszahl die Zahl der Studienplätze auf einem hohen Niveau halten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal muss man in einer Haushaltsdebatte auch Dinge erwähnen, die nicht explizit im Haushalt stehen. Diese Koalition setzt bewusst auf das gebührenfreie Erststudium. Wir brauchen mehr und nicht weniger Studenten. Studiengebühren sind kein Mittel zur Verbesserung der Hochschulen, sondern ein Mittel zur Ausgrenzung von Begabten. Unsere Haltung gegen Studiengebühren beginnt sich auszuzahlen. Die Hochschulen in Brandenburg haben sich zu Existenzgründungszentren und Clustern entwickelt, die vieles in diesem Land schon heute vorantreiben.
Brandenburg ist damit bundesweit Spitzenreiter bei den Investitionen in die Jugend unseres Landes und der Entwicklung ihrer individuellen Fähigkeiten. Gute Bildung - das ist eine Binsenweisheit - ist die beste Vorsorge gegen Armut und Arbeitslosigkeit und die beste Investition in Wachstum und Beschäfti
gung. Damit ist gute Bildung auch die beste Investition gegen zukünftige Sozialkosten.
Ein Brandenburg für alle bedeutet jedoch auch, dass wir den Menschen in Brandenburg dauerhaft gute berufliche Perspektiven bieten müssen. Wir möchten allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern und allen Menschen, die zu uns kommen, die Möglichkeit zur beruflichen Selbstverwirklichung bieten.
Dazu müssen wir hier in Brandenburg die richtigen Anreize setzen. Brandenburg gehört daher auch in einem schwierigen Umfeld mit 18,2 % weiterhin bundesweit zu den Spitzenreitern bei den öffentlichen Investitionen. Das ist gut für Arbeitsplätze, und das ist gut für den Ausbau der Infrastruktur in den Kommunen und im ganzen Land.
Die Koalition setzt mit der Investitionsquote in den nächsten Jahren bewusst auf die Fortentwicklung der landesweiten Infrastruktur. Das sind direkte Investitionen in den Standort Brandenburg. Der Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld ist schon bald das neue Tor zur Welt. Er wird dafür sorgen, dass im Süden von Berlin ein Standort der Luft- und Raumfahrt und der Logistik mit mehreren Tausend neuen Arbeitsplätzen entsteht.
Arbeit für Brandenburg bedeutet aber auch die Ermöglichung von Existenzgründungen. Das ist ein nachhaltiger Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Deshalb werden wir auch das Mikrokreditprogramm weiterführen, denn es gibt gute Starthilfen an kleine und kleinste Unternehmen, die schon längst vom Schirm so mancher Bank verschwunden sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den unbestreitbaren Erfolgen der letzten Jahre gehört, dass sich die Wirtschaft sehr gut entwickelt und sich der Export in den vergangenen Jahren fast verdoppelt hat, während die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist. Auch das sind Erfolge, die die Große Koalition in den letzten Jahren für Brandenburg erreichen konnte. Ich möchte das hier ganz bewusst ansprechen.
- Es war die schwarz-rote Koalition.
- Okay, ich werde an meiner Semantik arbeiten. - Aber noch immer sind in diesem Land zu viele Menschen ohne Arbeit, und noch immer sind vor allem zu viele ältere Menschen ohne Arbeit. Vor allen Dingen haben wir noch immer zu viele Langzeitarbeitslose.
Deshalb gibt es seit einigen Jahren den Kommunal-Kombi, um vor allem älteren Langzeitarbeitslosen sozialversicherungspflichtige Jobs über einen längeren Zeitraum zu bieten. Ein Brandenburg für alle bedeutet, dass wir insgesamt Arbeit statt Arbeitslosigkeit subventionieren. Der Kommunal-Kombi hat dazu beigetragen, den Menschen in ihrer Heimat eine sinnstiftende Arbeit zu ermöglichen. Wir setzen jetzt mit dem Einstieg in öffentlich geförderte Beschäftigung ein zentrales Wahlversprechen um. Damit bieten wir langfristig 8 000 Menschen eine konkrete Perspektive. Im Haushalt stellen wir dazu in einem ersten Schritt 1,4 Millionen Euro bereit.
- Danke, der Beifall war berechtigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die größte politische Herausforderung und die größte Herausforderung für diese Koalition besteht darin, den Landeshaushalt zu konsolidieren. Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich der CDU-Fraktion für die Arbeit in den vergangenen Jahren danken, die mitgeholfen hat, die Verschuldung des Landes in den Jahren, in denen wir es uns leisten konnten, zu reduzieren.
Aber in einem Punkt, Frau Wanka, sind wir nicht einig. Der Haushalt 2010 ist - und das ist das Gegenteil von dem, was Sie vorhin gesagt haben - ein erster Schritt hin zu einer weiteren Konsolidierung des Landeshaushalts. Der Haushalt 2010 konnte schon aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht der letzte Schritt sein; das ist vollkommen klar. Ich werde Ihnen nachher noch einige Beispiele nennen, wie es in anderen Regionen oder beim Bund aussieht.
Es werden auf dem Weg der Konsolidierung weitere Schritte folgen müssen.
Die Diskussionen im Lande, darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen, werden in den kommenden Monaten nicht einfach sein. Aber wir müssen auch die kommenden Jahre haushalterisch solide vorbereiten und die entsprechende Konsolidierung vornehmen.
Der Haushaltsentwurf sieht für 2010 eine Neuverschuldung in Höhe von 650 Millionen Euro vor. Das ist sehr viel Geld. Das ist viel Geld. Aber es ist verantwortbar, weil wir unser Land nicht zusätzlich in die Krise hineinsparen dürfen. Es ist verantwortbar, weil wir mit rund 750 Millionen Euro Steuermindereinnahmen zurechtkommen müssen. Und es ist verantwortbar, weil wir das Konjunkturpaket II mitfinanzieren und so für Arbeitsplätze in der Krise sorgen.
Die SPD steht dafür, dass wir die Neuverschuldung so schnell wie möglich zurückführen. Wir wollen bis zum Ende der Wahlperiode wieder bei einer Neuverschuldung von null landen - je früher, desto besser. Das ist sozial, denn jeder Euro, der in Zinsen geht, fehlt uns am Ende für gestaltende Politik in diesem Land Brandenburg.
Wir müssen den Haushalt konsolidieren, aber wir müssen ihn mit Augenmaß konsolidieren. Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft sind weiterhin Schwerpunkte des Haushalts. Hingegen muss die Personalausstattung des Landes Schritt für Schritt sozialverträglich zurückgeführt werden. Dieser Haushalt formuliert das klare Ziel, bis 2014 die Anzahl der Landesbediensteten auf 45 500 zurückzuführen. Bis 2019 müssen wir mit rund 40 000 Stellen eine der Bevölkerungsentwicklung angepasste Größe der Landesverwaltung erreicht haben.
Sich ständig verändernde Rahmenbedingungen erfordern stän
diges Nachdenken über effiziente Verwaltungsstrukturen. Wir haben dazu die Polizeistrukturreform konkret in Angriff genommen; das ist der Bereich des Innenministeriums. Alle anderen Landesverwaltungen stehen aber ebenfalls vor der Aufgabe, ihre Effizienz zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Jeder Euro, der in ineffiziente Strukturen geht, fehlt uns an anderer Stelle.
Strukturelle Veränderungen können nicht schnell am grünen Tisch überlegt und durchgesetzt werden. Strukturelle Veränderungen müssen vorgenommen werden. Frau Wanka, Sie sitzen ja neben dem richtigen Herrn, denn er hat sich in den letzten Tagen zum Polizeibereich geäußert. Es hilft uns nicht weiter, bei jeder Reform „Land unter!“ zu rufen und gleichzeitig in der Haushaltsdebatte große Reformen zu fordern, ohne Adressaten zu nennen. Das ist nicht redlich.
Effiziente Verwaltungsstrukturen sind wir den Bürgern dieses Landes schuldig.
Das sind wichtige Schritte für einen Staat, der auch langfristig die Kraft haben muss, seine Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen und zu unterstützen, für einen Staat, in dem sich alle wiederfinden - auch hier ein Kontrastprogramm zu Schwarz-Gelb auf der Bundesebene. Statt konkreter Schritte beim Bürokratieabbau und der Personalkosteneinsparung blähen FDP und CDU den Apparat in der Bundesverwaltung mit ca. 1 000 neuen Stellen auf. Interessanterweise sind es überwiegend „Häuptlinge“, das heißt Führungsleute, die neu eingestellt werden.
Da bin ich wieder beim Thema FDP - ich hoffe, die Kollegen sind mir nicht böse -, aber wo ist denn Ihr Steuersparbuch geblieben, das dicke Buch, das im Bundestag von jedem FDPAbgeordneten in den letzten drei Jahren mindestens einmal hochgehalten worden ist, mit den vielen tollen Vorschlägen, die dann umgesetzt werden sollten, wenn man endlich etwas zu sagen hätte? Jetzt hat man etwas zu sagen, spricht aber über eines nicht mehr: über dieses Steuersparbuch. Vielleicht sollten Sie sich das wieder einmal vornehmen, darin lesen und sich zu Ihren eigenen Vorschlägen aus den vergangenen Jahren bekennen und sie vor allen Dingen auch umsetzen.
Individuelle Wahlgeschenke und Postenfinanzierung auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind Klientelpolitik gegen die Menschen, aber mit Sicherheit keine sinnvollen Zukunftsinvestitionen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich vor diesem Hintergrund gar nicht verstehe, ist die Kritik von CDU, FDP, aber auch von Teilen der Grünen an diesem sicherlich in einem schwierigen Umfeld entstandenen Haushaltsentwurf der Landesregierung.
Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Das ist eine Binsenweisheit.
Frau Wanka hat vorhin gesagt, dieser Haushalt sei zutiefst unseriös.
Was würde Frau Wanka zu einem Haushalt sagen, bei dem man bei 3 Milliarden Euro Gesamthaushalt 1 Milliarde Euro neue Schulden macht? Da gäbe es sicherlich viele Steigerungen zu „unseriös“, die angebrachter wären. Es handelt sich bei diesem Beispiel um den Haushalt des Saarlandes mit einem Ministerpräsidenten, der Ihrer Partei angehört. Er schafft es, 1 Milliarde Euro neue Schulden bei 3 Milliarden Euro Gesamthaushalt zu machen. Da es sich um eine Jamaika-Koalition handelt, von der öfter in der Zeitung zu lesen ist, warte ich auf den Tag, an dem der schöne Staat in der Karibik das Saarland wegen Rufschädigung verklagen wird.
Dann haben wir ja noch die Bundesregierung. Frau Wanka, Sie können uns nicht ganz davon freisprechen, dass wir vom Bundesrahmen beeinflusst sind.
Natürlich nehmen wir uns an der konstruktiven Arbeit der Bundesregierung
ich habe heute früh wieder mehrere Statements mit völlig unterschiedlichen Meinungen zum selben Thema gehört - hin und wieder ein Beispiel. Viele gute Beispiele konnte ich in den letzten Monaten allerdings nicht entdecken.
Woran wir uns kein Beispiel nehmen werden, ist, 85 Milliarden Euro neue Schulden zu machen und gleichzeitig eine Steuersenkung für Reiche vorzunehmen.