Heiko Kosel
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte eine Erklärung für mein Abstimmungsverhalten abgeben. Neben den in der Debatte genannten Kritikpunkten habe ich dem Polizeigesetz nicht zustimmen können, weil die Erfolglosigkeit polizeilicher Ermittlungen bei anti-sorbischen Straftaten gezeigt hat, dass die Polizei ihre bereits bestehenden Kompetenzen nicht genügend ausgenutzt hat. Eine Erweiterung der Befugnisse weckt hier keine Hoffnung, sondern eher Befürchtungen.
Was wir im sorbischen Siedlungsgebiet der Lausitz brauchen, sind mehr Polizisten mit sorbischen Sprachkenntnissen und Sensibilität für die Lage einer autochthonen nationalen Minderheit. Wir brauchen Polizisten, die unser Lausitzer Lebensmodell des deutsch-sorbischen Miteinanders repräsentieren. Das wird durch dieses Polizeigesetz nicht erreicht. Deshalb konnte ich ihm nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten die Koalitionsfraktionen das EU-Programm zur europäischen territorialen Zusammenarbeit nach dem Jahr 2020 stärken. Wir als LINKE haben stets zur Vertiefung der europäischen Integration gestanden und daher auch in unserem Landtagswahlprogramm aus dem Jahr 2014 gefordert: „Grenz- und länderübergreifende Kooperationen müssen einen deutlich höheren Stellenwert in der sächsischen Politik erhalten. Dazu gehört der Ausbau von Regionalisierungsprozessen durch Stärkung regionaler und lokaler Vernetzung in Wirtschaft, Verkehr, Kultur und Sozialpolitik.“
Das EU-Programm zur europäischen territorialen Zusammenarbeit ist ein mögliches Instrument zur Erreichung dieses Ziels. Von daher ist es natürlich sinnvoll, sich für die künftige Absicherung dieses EU-Programms einzusetzen. Kritikwürdig ist es für DIE LINKE aber, diese Absicherung primär auf Geldzuflüsse aus dem EUHaushalt zu beziehen. Man bedenke nur einmal die negativen Auswirkungen, die sich aus der Sprachbarriere zwischen uns und unseren polnischen und tschechischen Nachbarn für die europäische territoriale Zusammenarbeit ergeben. Davon steht aber im Koalitionsantrag kein Wort.
Wer wirkliche Zusammenarbeit will, der muss jetzt eine territoriale Zusammenarbeit betreiben, die auch dann noch weiter wirkt und fortgesetzt wird, wenn dafür in Zukunft einmal keine EU-Gelder mehr vorhanden sind.
Nach Artikel 12 unserer Verfassung ist das gut nachbarschaftliche Miteinander mit unseren polnischen und tschechischen Nachbarn Verfassungsauftrag. Eine Degradierung zum bloßen Finanzierungskalkül verbietet sich daher von selbst.
Gleichwohl ist es natürlich in unser aller Interesse zu fordern, dass die europäische territoriale Zusammenarbeit auch nach dem Jahr 2020 mindestens auf Höhe der bisherigen finanziellen Unterstützung fortgesetzt wird. Vor allen Dingen bedarf es aber der Verbesserung bei den rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen.
Konzentrieren möchte ich mich in dieser Rede auf einige wesentliche Gesichtspunkte, zum Beispiel die oft kritisierte Vorfinanzierung der Ausgaben durch die Antragsteller oder das immer noch hohe Maß an Bürokratie, zum Beispiel das Erfordernis eines umfangreichen Antrags, die Dokumentation des Schriftverkehrs, von Rechnungen und Teilnehmernachweisen, die Publikationserfordernisse, die Richtlinien zur Vergabe, die Binnenmarktrelevanz, die öffentliche Beihilfe etc., und das selbst bei Kleinprojekten mit einer Förderung in vierstelliger Höhe, meine Damen und Herren!
Nun greift der Antrag dieses Problem im Punkt I j erfreulicherweise auf. Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, diese Kritik wird von den Praktikern aus den
Euroregionen bereits seit mehr als 20 Jahren immer wieder vorgetragen. Fast nichts hat sich bisher verbessert.
Nun sind wir aber an einem Punkt, wo uns der Brexit und verschiedene andere politische Tendenzen in anderen EUMitgliedsstaaten, nicht nur aus Ost- und Mitteleuropa, zeigen, dass ein bloßes „Weiter so“ in der Europapolitik verantwortungslos wäre. Das gilt insbesondere in der europäischen territorialen Zusammenarbeit. Denn hier können den Menschen in besonderer Klarheit die Vorzüge des europäischen Zusammenwachsens anhand von sie konkret betreffenden Einzelbeispielen vermittelt werden, wenn man es denn richtig machen würde. Momentan allerdings ist die Euphorie in der territorialen Zusammenarbeit, die wir zum Zeitpunkt des EU-Beitritts unserer polnischen und tschechischen Nachbarn auch in Sachsen beobachten konnten, verflogen und einer bedenklichen Stagnation gewichen. Als Mitglied des Lenkungsausschusses für deutsch-tschechische Kleinprojekte in der Euroregion Neiße konnte ich das an Hand der Entwicklung der eingereichten Anträge über Jahre sehr gut verfolgen.
Ein Grund dafür ist das mehrstufige, oft ausufernde Prüfverfahren. Denn jeder Antrag wird – richtigerweise – vom Sekretariat und von den Gremien der Euroregion geprüft. Dann kommen aber noch die Sächsische Aufbaubank, das Finanzministerium, gegebenenfalls die Landesdirektion oder gegebenenfalls auch die EU hinzu. Dem Vernehmen nach soll bei einzelnen Projekten auf einem zur Förderung angewandten Euro fast ebenfalls ein Euro, der zur Kontrolle aufgewandt wird, kommen. Im Ergebnis dieser Feststellung ist es also wichtig, darüber nachzudenken, das Verhältnis zwischen „Fördereuro“ und „Kontrolleuro“ in ein richtiges Maß zu bringen und somit nach meiner Auffassung deutlich zugunsten des „Fördereuros“ zu verbessern.
Das wäre nicht nur ein Instrument zur Mitteleinsparung, sondern würde auch den Demotivierungstendenzen in der territorialen Zusammenarbeit entgegenwirken.
Meine Damen und Herren! Trotz dieser genannten Defizite kann dem Antrag nicht abgesprochen werden, auf eine Stärkung der europäischen Zusammenarbeit abzuzielen. Besonders möchte ich hier auf die Forderung nach Berücksichtigung des sozioökonomischen Gefälles in Grenzregionen bei der Förderung verweisen. Da DIE LINKE ihr Europawahlprogramm im Februar dieses Jahres unter die Überschrift „Für ein solidarisches Europa der Millionen gegen eine Europäische Union der Millionäre“ gestellt hat, unterstützen wir jeden Schritt, der in diese richtige Richtung führt, und sei er noch so klein. Aus diesem Grund stimmen wir auch dem vorliegenden Antrag zu.
Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen und mich auf die Aussagen meines Vorredners bezüglich des Ortes Mühlrose beziehen. Mein Vorredner hat den Eindruck erweckt, als ob alle Einwohner dieses Ortes die Umsiedlung wünschten. Die Situation in Mühlrose ist viel komplizierter. Wir sollten sie nicht durch solche Verkürzungen unangemessen darstellen. Es gibt einige Menschen in Mühlrose, die die Umsiedlung nicht wünschen. Darauf wollte ich nur aufmerksam machen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der LINKEN begrüßen es ausdrücklich, dass wir heute über die sofortige Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesregierung und dem Land Brandenburg für ein neues Finanzierungsabkommen der Stiftung für das sorbische Volk diskutieren. Es ist allerdings auch absolut notwendig, jetzt damit zu beginnen, wenn man die bisherigen Zeiten zwischen dem Ablauf des alten Finanzierungsabkommens und dem Beginn eines neuen Abkommens in der Vergangenheit betrachtet.
So war – wie der Antrag es darstellt – das erste Finanzierungsabkommen zwischen dem Bund und den Ländern Brandenburg und Sachsen im Jahre 1998 bis Ende 2007 gültig. Erst Mitte 2009 wurde ein zweites Abkommen zur Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk unterzeichnet. Das heißt, anderthalb Jahre arbeitete die Stiftung zu diesem Zeitpunkt ohne verlässliche Finanzierungsgrundlage. Das neue Abkommen setzte die Beträge der Zuwendungsgeber mit Ende 2013 fest. Erst im Februar 2016, also erneut nach über zwei Jahren, konnte ein drittes Finanzierungsabkommen abgeschlossen werden, welches nun bis zum Jahr 2020 gilt.
Es hat sich also gezeigt, dass bezüglich der Finanzierungsabkommen die Bundesregierung die Sorben und die Bundesländer Sachsen und Brandenburg teilweise über Jahre in Ungewissheit gelassen hat. Augenscheinlich wollte man in Berlin zulasten der sorbischen Sprachen- und Kulturförderung Haushaltspoker spielen. Ich erwarte, dass die Verantwortlichen in Berlin eine derartige Verantwortungslosigkeit zukünftig unterlassen. Da wir dies aber alle nicht mit Sicherheit vorhersagen können, ist es vernünftig, wenn jetzt gehandelt wird. Denn es verbleibt uns gegenwärtig in etwa der Zeitraum, den der Bund bisher für seine verantwortungslose Hängepartie in Anspruch genommen hat.
Meine Damen und Herren, augenscheinlich haben wir LINKEN die Staatsregierung bei den Haushaltsverhandlungen aufgeschreckt, als wir im Kulturausschuss unseren Antrag zur Dynamisierung der Zuschüsse für die Stiftung für das sorbische Volk als Anpassung an die Teuerungsrate einbrachten. Darin forderten wir die Erhöhung der Zuschüsse des Landes an die Stiftung für das sorbische Volk im Vergleich zum Regierungsentwurf in Höhe von je
120 000 Euro auf circa 6,3 Millionen Euro, was leider abgelehnt wurde. Aber immerhin hat es wohl den Handlungsimpuls zum nun vorliegenden Antrag erbracht. Wir nennen das: DIE LINKE wirkt.
Gleichwohl vermissen wir in dem Antrag die Aufforderung an die Staatsregierung, auf eine Dynamisierung der Zuwendung an die Stiftung in den anstehenden Verhandlungen hinzuarbeiten. Das hätte man hineinschreiben können, und ich finde, den Mut hätten Sie auch haben sollen. Aber Mut und Große Koalition ist ja eine Sache für sich. Aber in der jetzigen Debatte erwarte ich dann schon – zumindest von der Staatsregierung –, dass sie diesem Hohen Hause mitteilt, welche Verhandlungsziele sie in dieser Angelegenheit erreichen möchte, zumal dem Vernehmen nach auf der Arbeitsebene bereits zu Beginn nächsten Jahres die Verhandlungsaufnahme geplant ist. Es wäre doch schon ein Zeichen, wenn Sachsen einen Impuls zur Dynamisierung der Zuwendung an die Stiftung für das sorbische Volk gibt, denn ohne Dynamisierung droht der Stiftung durch die jährlichen Teuerungsraten mittelfristig eine chronische Unterfinanzierung.
Das sieht im Übrigen nicht nur die Linksfraktion so. Auch Vertreter des sorbischen Volkes erheben diese Forderung, damit der Verfassungsauftrag des Freistaates Sachsen zur Bewahrung und Entwicklung der sorbischen Sprache und Kultur erfüllt werden kann. Entsprechend argumentiert der sorbische Dachverband Domowina in seiner Zuarbeit an den Europarat zum Sechsten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland bezüglich des Standes der Umsetzung der europäischen Sprachencharta. Darin heißt es: „Entgegen den Forderungen der Minderheit erfolgte keine Verankerung eines jährlichen Inflationsausgleiches für steigende Sach- und Personalkosten im Abkommen. Mittelfristig ergibt sich somit ein Haushaltsdefizit der Stiftung für das sorbische Volk und damit aller sorbischen Einrichtungen und Projekte. Dies ist bei der Konzipierung eines neuen Abkommens ab 2020 zu beachten.“
Doch wie gesagt: Leider hat die Koalition nicht die Beweglichkeit aufgebracht, unserem Antrag auf Dynamisierung zu folgen, und das, obwohl der Freistaat bei der Bereitstellung der Mittel für die Digitalisierung der sorbischen Sprache löblicherweise vergleichbar agiert hat.
Meine Damen und Herren, in unserem Wahlprogramm von 2014 haben wir LINKE bezüglich der Stiftung für das sorbische Volk eine „bedarfsgerechte Finanzierung“ und einen „notwendigen Inflationsausgleich“ versprochen. DIE LINKE hat Wort gehalten und ihren Antrag eingebracht. CDU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag eine „auskömmliche Finanzierung“ für die Stiftung für das sorbische Volk versprochen. Auskömmlichkeit setzt aber insbesondere bei mehrjährigen Laufzeiten des Abkommens einen Teuerungsausgleich und damit eine Dynamisierung voraus. Also stehen auch Sie, werte Mitglieder der Koalition, zu Ihren gegebenen Versprechen. Um dies zu unterstützen, wird DIE LINKE dem vorliegenden Antrag zustimmen, auch, damit der Sächsische Landtag nunmehr nicht nur von außen sorbisch
beschriftet ist, sondern auch von innen heraus den Verfassungsauftrag zur sorbischen Sprach- und Kulturförderung befolgt.
Wutrobny dźak. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass das Thema Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik heute auf der Tagesordnung steht. Dass das Thema für Sachsen wichtig ist, zeigt allein schon der Blick auf die Landkarte. Handlungsbedarf wird erkennbar, wenn Soziologen aus Dresden und Ústí nad Labem feststellen, dass trotz einzelner rühmlicher Ausnahmen,
wie zum Beispiel Petrovice, das Verhältnis zu den tschechischen Nachbarn weniger ein Miteinander als vielmehr ein Nebeneinander darstellt und die Euphorie, die zu Zeiten der EU-Osterweiterung noch auf beiden Seiten zu spüren war, stark zurückgegangen ist.
Vor diesem Hintergrund lässt sich schwer etwas gegen den konkreten Text des Antrags sagen. Das, was darin steht, ist ja nicht falsch. Aber reicht es auch aus, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern? Meine Damen und Herren, lesen Sie bitte den Text genau. Der Antrag wäre wohl eher im Jahr des EU-Beitritts Tschechiens im Jahr 2004, also vor 14 Jahren, angemessen gewesen. Damals allerdings hat sich die CDU-Fraktion auf Anträge beschränkt, die auf eine politische Erpressung unserer tschechischen Nachbarn ausgerichtet waren, indem damals der EU-Beitritt von der Änderung der Nachkriegseigentumsordnung abhängig gemacht wurde. Ich habe das damals Revanchismus genannt, und ich glaube, zu Recht.
Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass der Antrag die unterschiedlichen Rollen, die der Freistaat Sachsen und die Tschechische Republik im europäischen Gefüge einnehmen, freundlich ausgedrückt, verkennt. Tschechien ist ein souveräner Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der Freistaat Sachsen ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Der Freistaat Sachsen sollte daher seinerseits die Zusammenarbeit mit den tschechischen Nachbarn auf der Grundlage des Respekts vor der dortigen Verfassungs- und Staatsordnung entwickeln. Das bedeutet konkret die Einbeziehung der Regionen, auf Tschechisch „kraje“, in die sich die Tschechische Republik gliedert. Das hat die Staatsregierung bereits besser erkannt als die sie tragende Koalition.
Aber lassen Sie mich noch auf einige weitere Punkte eingehen. Zwar sind die eingeplanten Fördermittel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit löblich und wichtig, jedoch muss ich bei meiner Arbeit im Lenkungsausschuss für sächsisch-tschechische Kleinprojekte der Euroregion Neiße feststellen, dass es oft die gleichen Gemeinden und Vereine sind, die Fördermittelanträge stellen. Es ist also leider keine nennenswerte Erweiterung des Nutzerkreises erkennbar; und wenn sich doch einmal neue Vereine oder Gemeinden entschließen, ein Projekt anzuschieben, dann haben sie oftmals Probleme, einen geeigneten Partner jenseits der Grenze zu finden, denn auch dort ist eine vergleichbare Stagnation eingetreten. Wer grenzüberschreitende Projekte realisieren wollte, tut das schon länger und hat auch schon längst einen Partner gefunden. Ich bemühe mich, hierbei zu helfen, jedoch zeigen sich Probleme, die mit der Fördermittelvergabe allein nicht zu lösen sind, sondern etwas damit zu tun haben, dass sich zu viele Verantwortungsträger hierzulande bezüglich unserer tschechischen Nachbarn im Nebeneinander eingerichtet haben, statt ein Miteinander anzustreben.
Als Barriere erweist sich besonders, dass sich auf sächsischer Seite kaum jemand auf Tschechisch verständigen
kann, außer vielleicht den Sorben aufgrund der Sprachverwandtschaft – ein Potenzial übrigens, das weder Koalition noch Staatsregierung bisher angesprochen haben. Gott sei Dank hat wenigstens Herr Kollege Schiemann etwas dazu gesagt. DIE LINKE hält zumindest dieses Versäumnis für einen politischen Frevel.
Meine Damen und Herren! Zwar unterstützt die Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung in hervorragender Weise Projekte zum Erlernen der Sprache sowie Partnerschaften zwischen Schulen und Kindergärten. Die Zahl derjenigen, die sich nach Abschluss der Schulausbildung auf Tschechisch verständigen können, ist jedoch verschwindend gering. Während in Tschechien circa 30 % der Schüler die deutsche Sprache erlernen, lernen in Sachsen nach Angabe des SMK derzeit nur knapp 3 000 Schüler Tschechisch. Das sind weniger als 1 %. Mit Stand 2017 bieten gerade einmal 26 Schulen als Zweitsprache Tschechisch an. Ziel sollte aber sein, dieses Sprachangebot in den Grenzregionen eher zur Regel werden zu lassen, als es als Ausnahme stehenzulassen.
Lassen Sie mich auch etwas zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zum Arbeitsmarkt sagen. Mittlerweile werde ich in aller Regelmäßigkeit in meinen Sozialberatungen, die ich im Wahlkreis anbiete, von tschechischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgesucht, die in Sachsen arbeiten. Was sie mir berichten, ist teilweise haarsträubend: Da werden Löhne nicht ausgezahlt, Überstunden nicht abgegolten und sittenwidrige Arbeitsverträge mit Klauseln abgeschlossen, die auch ein deutscher Arbeitnehmer nur schwer verstehen kann. Wir haben es hierbei mit der Ausbeutung von Menschen zu tun, die unsere Nachbarn sind und von denen geglaubt wird, sie seien aufgrund anderer Herkunft und Muttersprache leicht auszunutzen. Fragen Sie diese tschechischen Arbeitnehmer einmal, mit welchem Bild von Sachsen sie nach Hause fahren!
Außer den genannten Politikfeldern gäbe es weitere, in denen eine vertiefte Befassung unter Zuhilfenahme externer Experten – sinnvollerweise aus Tschechien – angezeigt wäre. Das schien die Koalition zunächst genauso gesehen zu haben; denn immerhin hatte sie ursprünglich den Antrag zur Anhörung im Europaausschuss vorgeschlagen. Nun hat sie diese Möglichkeit verschenkt. DIE LINKE bedauert das, aber, meine Damen und Herren, sie wird trotz der aufgezeigten Kritik dem Antrag dennoch zustimmen, da wir am Antragstext an sich nichts zu beanstanden haben und die Verbesserung der Beziehungen zur Tschechischen Republik für so bedeutsam halten, dass wir jeden Schritt in diese Richtung, und sei er auch noch so klein, unterstützen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Česćena knjeni prezidentka, česćene knjenje a česćeniknježa, „Wjele kćenjow – malo sadu“ – „Viele Blüten – wenig Früchte!“ Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das war meine Debattenthese vor vier Jahren. Wie ist die Lage heute? Im Jahr 2014 war ich noch veranlasst, aus Protest gegen den respektlosen Umgang mit dem Sorbenbericht meine Rede nur zu Protokoll zu geben. Heute widmen wir uns dem Thema erstmals noch bei Tageslicht und nicht erst in der letzten Sitzung der Landtagsperiode.
Wir haben die Lage des sorbischen Volkes in einer bisher nicht gekannten Tiefe und Transparenz im Fachausschuss erörtert und im Rechtsausschuss als Verfassungsauftrag besprochen. Beides ist neu und greift Forderungen auf, die ich namens meiner Fraktion bereits seit 2004 erhoben habe. Die Fraktion DIE LINKE dankt allen, die bereit waren, dieses politische Neuland zu betreten.
Vor allem danken wir den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des Rates für sorbische Angelegenheiten. Gerade um ihr Engagement in der Öffentlichkeit stärker vermitteln zu können, wünsche ich mir mehr Transparenz hinsichtlich der konkreten Tätigkeit des Rates. Positive Auswirkungen der Direktwahl des Brandenburger Sorbenrates sollten für sächsische Verhältnisse geprüft werden. Der dringenden Bitte des Sorbenrates, sein Anhörungsrecht analog dem des Sächsischen Städte- und Gemeindetages zu regeln, ist zu folgen.
Meine Damen und Herren, fünf Minuten Redezeit für vier Jahre sächsische Sorbenpolitik tragen in sich die Gefahr der Verkürzung. Trotzdem ist es erforderlich, erheblich stärker als bei den bisherigen vier Lageberichten die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Sorben zu thematisieren, denn im Berichtszeitraum kam es zu skandalösen Vorfällen.
Die gewaltsamen Übergriffe auf sorbische Jugendliche hatten eine neue Qualität erreicht. Gewalteskalation gegen Sorben hat es schon früher gegeben. Sie entwickelten sich jedoch meist aus spontanen Konflikten heraus, die sich später erst ethnisch aufluden. Jetzt suchten die Täter gezielt nach sorbischen Jugendlichen, um sie anzugreifen, eben weil sie Sorbisch waren oder sprachen. Dies ist nicht hinnehmbar.
Die Opfer vertrauten sich nicht der Polizei, sondern der „Sorbischen Zeitung“ an. Das spricht sehr für die „Sorbische Zeitung“, weniger für die sächsische Polizei. Vertrauensdefizite nationaler Minderheiten in die örtliche Polizei stellen aber auch im internationalen Rahmen ein ernsthaftes Problem dar. Die Staatsregierung muss dringend gegensteuern, zum Beispiel durch sorbischsprachige Polizisten, wie von uns LINKEN seit 2007 gefordert. Diese Forderung ist nach wie vor aktuell, da die 2015 erstmals erzielten Ermittlungserfolge der Polizei zu keiner nachhaltigen Stärkung des Vertrauens der Sorben in die Strafverfolgungsbehörden führten. Denn es musste kein einziger der ermittelten Täter vor Gericht, da laut Presseberichten zum Beispiel ein Täter zu betrunken gewesen sei, um das Opfer ins Gesicht zu treffen, oder Notwehr als „gegenseitige Rangelei“ gewertet wurde. Die Verantwortlichen haben nicht begriffen, dass es sich hier nicht um eine schlichte „Dorfkrugprügelei“ handelt, sondern um Hasskriminalität.
Problematisch ist auch das Chaos in der Statistik sorbenfeindlicher Straftaten. Die Statistik des Bundes nennt Straftaten, die in der sächsischen Statistik nicht auftauchen, und umgekehrt. In der Statistik 2013 schwankten die Angaben zwischen fünf, einer, null und jetzt wieder vier Straftaten. Bei den Tatorten macht der Bund anfangs sogar regelrecht falsche Angaben. Fazit: Die Sicherheitsbehörden sind für die Sorben nur bedingt schutzbereit.
Nun zur Bildung, und dies nicht nur, weil Artikel 6 der Verfassung den Freistaat verpflichtet, das sorbische Volk insbesondere durch Schulen und vorschulische Einrichtungen zu unterstützen, und weil Bildungsfragen Zukunftsfragen für den Erhalt der sorbischen Sprache und
Kultur sind, sondern weil sich für das sorbische Bildungswesen selbst aktuell die Zukunftsfrage stellt. In den nächsten sieben Jahren gehen 100 sorbische Lehrer in Pension. Angesichts der Dramatik der Zahlen ist es absolut inakzeptabel, dass die Gewinnung tschechischer und polnischer Lehrer in den Mühlen der Kultusbürokratie faktisch zerrieben wurde. Eine tschechische Lehrerin, die voller Begeisterung nach Sachsen kam, resümierte ihre Erfahrungen mit der Kultusbürokratie in einem tschechischen Zeitungsartikel mit der Überschrift: „In Sachsen Lehrer werden – lächerlich.“
Eine polnische Seiteneinsteigerin, die Obersorbisch gelernt hatte und somit gute Voraussetzungen für die Arbeit an einer unserer Schulen aufwies, verließ Sachsen mangels behördlicher Unterstützung und ging an eine sorbische Schule nach Brandenburg, obwohl sie dafür zunächst Niedersorbisch lernen musste.
Wir brauchen dringend einen Neustart. Der neue Kultusminister hat wohl die Problemlage erkannt, doch er muss den tschechischen Partnern schnell zeigen, dass er weiß, was er will. Er sollte sich bei ihnen ausdrücklich für die Solidarität bei der Erfüllung unseres Verfassungsauftrages gegenüber den Sorben bedanken. DIE LINKE tut dies ausdrücklich.
Meine Damen und Herren! Unerledigte Aufgaben gibt es auch bezüglich der Stiftung für das sorbische Volk. Das geltende Finanzierungsabkommen enthält entgegen der Forderung der Sorben keine Dynamisierung. Auf Nachfrage der LINKEN im Bundestag zeigte sich das Bundesinnenministerium durchaus offen dafür. Den Worten müssen nun aber Taten folgen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schlusssatz.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren der Staatsregierung! Der Schutz des sorbischen Volkes ist Verfassungsauftrag. Nichterfüllung heißt hier Verfassungsbruch. Dies nicht zuzulassen ist unsere gemeinsame Verantwortung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte ebenfalls mit dem Mittel der Kurzintervention auf die Rede von Frau Dr. Muster reagieren.
Die Bekenntnisfreiheit hat, wie wohl die meisten in diesem Hohen Hause wissen, ihren historischen Hintergrund darin, dass man schon während der NS-Zeit versucht hat, die Sorben zu erfassen und zu zählen, auch durch rassistische bzw. „rassische“ Untersuchungen. Wir alle wissen, was Heinrich Himmler in seiner Denkschrift über die Behandlung der sogenannten „Fremdvölkischen im Osten“ geschrieben hat. Das Schicksal der Sorben hatte er klar fixiert: Vernichtung durch Arbeit.
Dass vor diesem Hintergrund die Bekenntnisfreiheit und die Nichtnachprüfbarkeit – wie sie auch im Gesetz geregelt ist – ihren Sinn haben, ist, denke ich, allen klar.
Ich habe noch eine Frage an Frau Dr. Muster: Gäbe es eine Volkszählung, die belegen würde, dass es vielleicht 500 oder 1 000 Sorben weniger gibt als bisher, welche Schlüsse würden Sie daraus ziehen?
Würden Sie sagen: Jetzt gibt es weniger Sorben, dann brauchen wir weniger zu unterstützen? Oder würden Sie den Schluss ziehen: Jetzt gibt es weniger Sorben, also ist die Gefährdungslage für Sprache und Kultur noch größer und wir müssen mehr tun? Das würde mich interessieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schriftsteller Juri Brezan sagte rückblickend auf sein Schaffen:
„Ale ničo so njemóže wuwić a zrawić do žnjow, štož so wusyko njeje.“ – „Aber nichts kann bis zu Ende reifen, was nicht vorher ausgesät wurde.“
Die Vorsitzende des Rates für sorbische Angelegenheiten, Marja Michałkowa, drückte es im Wissenschaftsausschuss etwas prosaischer aus. Sie sagte, erstmals sei genügend Zeit, um noch in dieser Legislaturperiode Konsequenzen aus dem vorliegenden Bericht zu ziehen. Die Fraktion DIE LINKE teilt diese Ansicht ausdrücklich und hat, um dies zu ermöglichen, den vorliegenden Entschließungsantrag eingereicht, quasi als Saat in die sorbenpolitische Ackerfurche.
Zunächst möchten wir dem Verfassungsauftrag des Freistaates Sachsen zum Schutz und zur Förderungspflicht für die Bürgerinnen und Bürger sorbischer Volks
zugehörigkeit auch bei der Anwendung und Auslegung einfachgesetzlicher Rechtsnormen entsprechen. Das heißt, einer Gesetzesauslegung oder -anwendung, die den Verfassungsauftrag zum Schutz der sorbischen Sprache und Kultur nicht berücksichtigt, sollte zukünftig klarer entgegengetreten werden.
Eine weitere wichtige Forderung an die Sächsische Staatsregierung ist, in den Dialog mit den Kommunen im sorbischen Siedlungsgebiet zu treten, damit diese noch intensiver die ihnen aus dem Maßnahmenplan der Staatsregierung zugewiesenen Aufgaben zur Ermutigung und Belebung der sorbischen Sprache umsetzen. Die Staatsregierung kann aber nicht nur – durchaus richtige – Aufgaben formulieren und den Kommunen zur Erfüllung zuweisen, sondern sie muss auch entsprechende Unterstützung zur Umsetzung gewähren. Der hierzu begonnene Dialog mit dem Sorbenrat muss zeitnah zu positiven Ergebnissen führen.
Des Weiteren gehört die Bemühung um konsequente Zweisprachigkeit bei touristischen Leitsystemen und bei der Etablierung eines sorbischen Kulturtourismus als Alleinstellungsmerkmal der Region zu den Zielen des Antrages. Auch für die Teilnahme am Landeswettbewerb „Sprachenfreundliche Kommune“ müssen die Rahmenbedingungen neu gedacht werden, da sich beim letzten Wettbewerb gerade einmal ein Drittel aller Gemeinden des sorbischen Siedlungsgebietes daran beteiligten. Es ist unser Ziel, durch die Schaffung eines modernen Minderheitenrechtes den Freistaat Sachsen zur fortschrittlichsten und dynamischsten Region Europas auf diesem wesentlichen Rechtsgebiet der allgemeinen Menschenrechte weiterzuentwickeln und damit auch einen wesentlichen rechtspolitischen Beitrag zum Zusammenhalt der Europäischen Union zu leisten.
Stimmen Sie daher unserem Antrag zu!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich möchte auf diese Rede, aus meiner Sicht schockierende Rede, mit einer Kurzintervention reagieren. Diese Rede zeigt zwei Punkte: erstens eine absolute Geschichtsunkenntnis, wenn es um die Geschichte Sachsens geht,
und zweitens eine Unkenntnis oder ein bewusstes Ignorieren von Artikel 5 unserer Verfassung, in dem es heißt: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an“.
Vielen Dank.
Česćena knježni prezidentka! Cesćene knjenje a česćeni knježa! Nadpismo předležaceho namjeta móže nadźiju wubudźic. Vobsah pak nic na kózdy pad.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überschrift des vorliegenden Antrages klingt hoffnungsvoll. Aus dem Antragstext und der minderheitssorbischen Praxis ergeben sich jedoch noch klärungsbedürftige Fragen. So wird uns schon mit der Formulierung „… weiter konsequent fördern“ suggeriert, dass die Förderung der sorbischen Sprache schon konsequent stattgefunden habe Kann das wirklich so uneingeschränkt konstatiert werden? Erst am Montag berichtete in der „Sächsischen Zeitung“ eine Schülerin auf dem Sorbischen Evangelischen Heimattag – Zitat –: „Nach der Grundschule Sorbisch weiter zu lernen ist schwierig (…). Im Raum Hoyerswerda gibt es keine Schule, die Sorbisch durchgängig bis Klasse 10 oder 12 unterrichtet.“
Ist das die konsequente Förderung, von der Sie sprechen, dass für Schülerinnen und Schüler in ihrem regionalen Umfeld nicht einmal durchgängig die sorbische Sprache unterrichtet werden kann? Auch das Problem des Mangels an sorbischsprachigen Lehrern ist nach wie vor ungelöst. Erst vor Kurzem wurde mir persönlich in mehreren Gesprächen berichtet, dass sorbischsprachige Seiteneinsteiger für den Lehrerberuf bei der Sächsischen Bildungsagentur in der Regionalstelle Bautzen nicht gerade so behandelt wurden, als würden sie dringend benötigt – ganz im Gegenteil. Von einzelnen Mitarbeitern der Bildungsagentur wird die Auffassung kolportiert, dass es doch ein Problem der Sorben selbst sei, wenn sie keine Lehrer hätten. Sieht so die konsequente Förderung der sorbischen Sprache und Kultur aus?
Ich empfehle der Staatsregierung, sich doch einmal ernstlich um die konsequente Schulung einiger ihrer Mitarbeiter vor Ort zu kümmern. Ich erinnere auch noch einmal an die Schließung sorbischer Mittelschulen in Crostwitz und Panschwitz-Kuckau in den Jahren 2003 und 2007 trotz massiver Proteste vor Ort, weil die Schü
lerzahl minimal unterschritten wurde und der gleiche Maßstab wie an Schulen der Mehrheitsbevölkerung angelegt wurde. Ist das die bisherige konsequente Förderung, die unter der Überschrift unterschwellig suggeriert werden soll?
Aber es geht noch weiter mit der konsequenten Förderung. Eltern von Schülern müssen darum kämpfen, dass ihnen der Weg zur von ihnen gewünschten sorbischen Schule im gebotenen Umfang kofinanziert wird. Es werden unbescholtene Sorbinnen und Sorben strafrechtlich verfolgt, weil sie friedlich ihren Protest gegen den Kaolinabbau in ihrer Region Ausdruck verleihen. Es wurde eine Vielzahl sorbenfeindlicher Straftaten zuerst lange Zeit nicht ernst genommen, dann verharmlost und im Ergebnis kaum geahndet.
Dazu sollten die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen auf der Grundlage nüchterner Analyse und nicht vom hohen Ross herunter die Debatte führen.
Dies gilt auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte dieses Antrags, der seinen Ausgangsimpuls eben nicht in den Koalitionsfraktionen hat, sondern von einer Initiative des Minderheitenrates, der Interessenvertretung der vier autochthonen Minderheiten Deutschlands, aus dem Jahr 2014 herrührt. In der Folge ist dieser Impuls durch Koalitionsfraktionen in Brandenburg, in Schleswig-Holstein und unlängst im Bundestag aufgegriffen worden. Die sächsischen Koalitionäre sind somit nicht die geistigen Urheber und Vorreiter der Initiative des Minderheitenrates, sondern greifen, wenn auch spät, ein unterstützungswürdiges politisches Anliegen auf. Das angemessene Lob dafür will ich Ihnen gleichwohl nicht vorenthalten.
Wenden wir uns dem Antragstext im Einzeln zu.
Die im Punkt I 1 enthaltene Feststellung, dass für die Politik das sorbische Volk den Rang eines staatlichen Auftrages hat, ist bereits seit Inkrafttreten der Sächsischen Verfassung bekannt. Wenn es jedoch nötig ist, auch noch den letzten sorbenpolitischen Muffel im Freistaat zu überzeugen, so können wir LINKEN uns damit durchaus anfreunden.
Bezüglich Punkt I 2 ist es begrüßenswert, dass sich der Landtag die Grundsätze und die darin erfassten Aufgaben zum Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur aus dem Grundsatzpapier „Charta-Sprachen in Deutschland – gemeinsame Verantwortung“ zu eigen macht. In diesem ist die Anerkennung der Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt in Europa, das Recht von Menschen auf eine eigene Sprache und die Sprachpolitik als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die auch die Mehrheitsbevölkerung in der Verantwortung steht, festgeschrieben.
Zu Punkt II 1 sei Folgendes angemerkt: Die Abforderung eines Berichtes bezüglich des Maßnahmenplanes zum sorbischen Sprachgebrauch lässt vermuten, dass auch die Koalitionsfraktionen erkannt haben, dass es nicht sinnvoll ist, auf den Bericht der Staatsregierung zur Lage des sorbischen Volkes bis zum Ende der Legislaturperiode zu warten, sondern – wie von uns LINKEN bereits oft
beantragt – diesen quasi vorzuziehen. Interessant ist auch die Feststellung, dass einerseits der Bericht zum Maßnahmenplan eingefordert wird, andererseits in der Antragsbegründung jedoch pauschal derselbe Maßnahmenplan bereits als – Zitat – „bewährtes und zielführendes Instrument zur Ermutigung und Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache“ gewertet wird. Wenn alles so prima ist, wozu brauchen die Koalitionsfraktionen dann noch den Bericht?
Kommen wir zu Punkt a, erster Anstrich. Es ist legitim abzufragen, welche Projekte der Aus- und Weiterbildung zum Spracherwerb und zur Verbesserung der Sprachkenntnisse in den Jahren 2014 bis 2016 umgesetzt und gefördert wurden.
Allerdings führt für uns als LINKE an einer zeitnahen Entscheidung für ein konkretes Sprachförderungsprojekt kein Weg vorbei. Das ist eine sorbische Sprachschule für Erwachsene. Die Niedersorben in Brandenburg haben sie noch aus DDR-Zeiten übernommen und immer klug an die aktuellen Bedürfnisse in der Niederlausitz angepasst. Die besorgniserregende Situation beim Erhalt des Obersorbischen hat dazu geführt, dass auch in der Oberlausitz die Wieder- oder besser Neugründung einer sorbischen Sprachschule aktuell das wichtigste sprachpolitische Projekt ist und von einem erstaunlich breiten Konsens getragen wird, der von den sorbischen und deutschen Kreisräten in der Region über die Initiative Serbski sejm bis zur Domowina reicht. Die Domowina selbst hat dazu 2016 eine Studienreise nach Wales unternommen und im Ergebnis auf ihrer 18. Hauptversammlung im März dieses Jahres die Einführung einer solchen sorbischen Sprachschule zu einem ihrer Schlüsselprojekte erhoben. Auch Kollege Marko Schiemann hat sich besonders mit Blick auf den sorbischen Lehrermangel für eine Sprachschule ausgesprochen.
Für uns als LINKE ist klar, dass ein Großteil der aktuellen Probleme bei der Qualifizierung von inländischen Seiteneinsteigern in den Lehrerberuf sowie tschechischen und polnischen Pädagogen für die sorbischen Schulen ohne eine solche Einrichtung schwer bzw. nicht mit der nötigen Qualität zukünftig geklärt werden kann. Das Gleiche gilt unserer Auffassung nach für Bedienstete und Angestellte im öffentlichen Dienst hinsichtlich der rechtssicheren Anwendung der sorbischen Sprache.
Der diesbezügliche dringliche Bedarf an einer sorbischen Sprachschule wurde beispielsweise auf der letzten Sitzung des Sorbenrates durch den Vorsitzenden der Verwaltungsgemeinschaft „Am Klosterwasser“ eindringlich geschildert. Auch die weitere Ausgestaltung des respektvollen Miteinanders von Deutschen und Sorben in der Lausitz benötigt zwingend eine Struktur der Erwachsenenbildung zur Vermittlung der Kenntnisse der sorbischen Sprache und Kultur, insbesondere für politische Verantwortungsträger und Multiplikatoren, wohl auch für einige Mitarbeiter der Bildungsagentur in Bautzen.
Nicht zuletzt wegen der vorgestern durch den Finanzminister geäußerten Personalkürzungspläne erwarten wir
LINKEN, dass in der heutigen Debatte von der Staatsregierung oder den sie tragenden Fraktionen zur Frage der sorbischen Sprachschule Klarheit geschaffen wird. Dies muss sich noch nicht auf alle Details beziehen, aber zumindest dem Grunde nach muss Klarheit geschaffen werden. Ein Signal der guten Absicht mag für heute genügen, jede sorbenpolitische Debatte, die diese Klarheit nicht bringt, stellt sich für uns LINKE als minderheitenpolitisches Placebo dar und kann daher von uns nicht mitgetragen werden.
Kommen wir zum nächsten Punkt. Die Ausführungen zum Bericht über Maßnahmen zum Gebrauch der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben und innerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes unterstützen wir. Hier stellt sich aber die Frage: Mit welchem Ziel werden diese Maßnahmen verfolgt? Sind sie nur pro forma oder als Verfassungsauftrag zu sehen? Wird das sorbische Volk als gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes gesehen, was sich zum Beispiel in der Frage der Schriftgröße bei Ortsbeschilderungen zeigen könnte?
Zum nächsten Punkt. Hier muss die Wirksamkeit der Vermittlung von Grundkenntnissen über die Sorben entsprechend § 2 Abs. 3 Sächsisches Schulgesetz an allen Schulen Sachsens im Mittelpunkt stehen. Ich hatte es bisher immer für selbstverständlich gehalten, dass Verwaltung Gesetze vollzieht. Bei § 2 Abs. 3 Sächsisches Schulgesetz scheint das anders zu sein. Warum eigentlich?
Aber kommen wir zu Punkt b. Hier geht es darum, auf der einen Seite die Präsens der sorbischen Sprache in den sozialen Medien sicherzustellen und andererseits die Sorben bei Verhandlungen über die technische Umsetzung mit Softwareriesen wie Microsoft nicht allein zu lassen.
Meine Damen und Herren! Analysiert man den Antrag als Ganzes, so drängt sich das sorbische Sprichwort „Wjele kćenja mało sadu“ auf. Auf Deutsch heißt das „Viele Blüten, wenig Obst“. Oder anders ausgedrückt: Der Antragstext hinterlässt in Teilen den Eindruck eines minderheitenpolitischen Placebos. Es wird für das Stimmverhalten meiner Fraktion entscheidend darauf ankommen, wie die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen in der jetzigen Debatte in der Lage sind, uns – um im Bild von Blüten und Obst zu bleiben – mehr minderheitenpolitische Früchte anzubieten, die sich aus den Worten des Antrages bisher nicht erkennen lassen.
Wir als LINKE stehen für jeden realen minderheitenpolitischen Fortschritt jederzeit zur Verfügung und schauen dabei nicht auf den Antragsteller.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN macht deutlich, dass der Koalitionsantrag in mehrfacher Hinsicht ergänzungswürdig und ergänzungsfähig ist. Die GRÜNEN haben ein Thema ausgewählt, nämlich die besondere Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche an sorbischen Schulen, das regelungsfähig und regelungsbedürftig ist. Deshalb werden wir diesem Antrag auf jeden Fall zustimmen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich möchte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgeben. Ich habe gemeinsam mit meiner Fraktion für den Antrag der Koalition gestimmt – allerdings unter Zurückstellung erheblicher Bedenken und obwohl dem Änderungsantrag der GRÜNEN nicht gefolgt worden ist –, weil wir aufgrund der Zusagen, die wir der Rede der Staatsministerin entnommen haben, bereit sind, an dieser Stelle der Staatsregierung einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Wir hoffen stark, nicht enttäuscht zu werden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst vorgestern sprach der neue französische Präsident Emmanuel Macron bei seinem Berlin-Besuch von der „Wiedereinführung zweisprachiger Schulklassen“. Begründung: „nicht, weil Europa es verlangt, sondern weil Frankreich es braucht“. Nun ja, sei es drum! Es scheint sich also auch im Westen
unseres Kontinents die Erkenntnis Bahn zu brechen, dass die Sprachbarriere nach wie vor eines der größten Probleme bei der Zusammenarbeit und beim Zusammenleben in Europa ist. Ganz besonders gilt dies für Sachsen, das an einer der schärfsten Sprachgrenzen der EU liegt.
Bei allen Aktivitäten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, zum Beispiel von Polizei, Rettungsdiensten, Feuerwehren, oder bei der Kooperation der Gemeinden und Städte in den Grenzregionen wird die Sprachbarriere durch die Akteure immer wieder als eines der größten Hindernisse genannt, wobei das Problem erkennbar auf der sächsischen Seite liegt.
Es geht aber um mehr als nur um ein Kommunikationsproblem. Der Spracherwerb des Nachbarn jenseits der Grenze hilft nicht nur, ihn im Wortsinne zu verstehen, sondern trägt auch dazu bei, Vorurteile, die nach wie vor in unserer Bevölkerung präsent sind, schon von Kindesbeinen an zu verhindern oder abzubauen. Den Menschen in Sachsen durch Mehrsprachigkeit den Wechsel der Perspektive zum Beispiel unserer polnischen und tschechischen Nachbarn zu ermöglichen ist angesichts von vermeintlicher „Leitkultur“, Rechtspopulismus und
nationalistischer Selbstüberhöhung eine bedeutende
politische Fähigkeit.
Darüber hinaus wird nur so eine wesentliche Grundlage geschaffen, Artikel 12 unserer Verfassung, das heißt, den Verfassungsauftrag zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zum Aufbau nachbarschaftlicher Beziehungen für das Zusammenwachsen Europas und die friedliche Entwicklung in der Welt, wirklich mit Leben zu erfüllen. Es erstaunt mich, dass dieses Argument des Verfassungsrechts durch mich als Oppositionspolitiker vorgetragen werden muss und nicht durch die einreichenden Fraktionen der Koalition selbst.
Aber sei es drum! Gerade vor dieser politischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung der grenzüberschreitenden nachbarsprachlichen Bildung ist es beschämend, dass sich nach dem mehr als 13 Jahre zurückliegenden EU-Beitritt von Polen und Tschechien der Spracherwerb von Polnisch und Tschechisch auf sächsischer Seite nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt. Nach den mir zugänglichen Statistiken lernen in Polen circa 2,2 Millionen junge Leute die deutsche Sprache.
In unserer Nachbarwoiwodschaft Dolny Śląsk – mit unserem Freistaat nach Größe und Bevölkerungszahl in der Tendenz vergleichbar – sind es etwa 300 000 Menschen, während in der gesamten Bundesrepublik nur 40 000 Menschen Polnisch lernen. In Sachsen sind es 2 222 Schülerinnen und Schüler.
Das stellt zwar – bezogen auf die Daten von 2006 – eine Verdopplung dar, entspricht andererseits aber nur 0,46 % aller sächsischen Schülerinnen und Schüler. Die Teilnehmerzahl am Tschechischunterricht ist nur unwesentlich größer. Aber zum Vergleich: In Tschechien nehmen nach Angaben des Goethe-Instituts beachtliche 30 % der
Schülerinnen und Schüler am Deutschunterricht teil. In Sachsen sind es 0,46 %, in Tschechien sind es 30 %. Das sind die Relationen, mit denen wir es zu tun haben.
Mir fällt vor dem Hintergrund dieser Zahlen kein vernünftiger Grund ein, warum sich der Freistaat erst zehn Jahre nach dem tschechischen und dem polnischen EU-Beitritt dazu entschlossen hat, die sächsische Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung zu fördern.
Geradezu zornig macht mich die Mitteilung der Staatsregierung, dass ebenfalls erst im Jahre 2014 mit einer – ich zitiere – „erstmaligen systemischen Bestandsaufnahme zur frühen nachbarsprachigen Bildung“ begonnen wurde. Welche Grundlage hatten denn die Äußerungen der Staatsregierung – nicht zuletzt in diesem Hohen Haus – vor dem Jahr 2014 zu diesem Thema? War das alles nur – mit Verlaub – substanzloses Geschwätz, was uns damals vom Kultusministerium dargebracht wurde? Auf welcher Grundlage erfolgte seinerzeit die wiederholte Ablehnung des im Rahmen der Haushaltsdebatten seit 2002 durch DIE LINKE wiederholt gestellten Antrags zur Initiative „Lerne die Sprache des Nachbarn“?
Die wiederholte Ablehnung dieses Antrages durch die CDU hat leider dazu geführt, dass die Situation in Sachsen so ist, wie sie sich jetzt darstellt. Es ist bedauerlich, dass dadurch wertvolle Zeit verloren gegangen ist und viel Potenzial verschenkt wurde.
Ohne Zweifel hat es in jüngster Zeit eine leichte Verbesserung in der grenzüberschreitenden nachbarsprachigen Bildung gegeben. Dies ist vor allem dem Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern und der KitaErzieherinnen vor Ort zu verdanken. Die veröffentlichten Zahlen der Sächsischen Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung lesen sich zwar vor dem Hintergrund der katastrophalen Ausgangslage von Anfang der 2000erJahre nicht schlecht, aber selbst bei ausschließlicher Betrachtung aller Kitas und Grundschulen in grenznahen Raum kann der erreichte Stand noch nicht als ausreichend bezeichnet werden.
Das Ziel sollte es sein, diese Sprachangebote eher zur Regel werden zu lassen, als dass es die Ausnahme ist, und das nicht nur im grenznahen Raum, sondern in ganz Sachsen.
Es besteht also in jedem Fall dringender Handlungsbedarf. Auch in den Oberschulen und Gymnasien müssen Angebote für Polnisch und Tschechisch geschaffen werden. Zu den zwei bilingualen Schulen in Görlitz und in Pirna sollten weitere hinzukommen, um den in Kita und Grundschule begonnenen Spracherwerb weiter fortzusetzen und intensivieren zu können.
Wir begrüßen es, gezielt tschechische und polnische muttersprachliche Fachkräfte in unseren Kitas anzustellen und dafür zu werben. Dies sollte aber nicht auf ein stupides Abwerben hinauslaufen, weil auch in Polen und in Tschechien die dortigen Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer dringend gebraucht werden. Um
das angestrebte gute Verhältnis zu unseren polnischen und tschechischen Nachbarn nicht zu belasten, sollte hier stärker der Lehrer- und Erzieheraustausch gepflegt werden.
Insofern hoffe ich, dass durch diesen Antrag ein verstärkter Anschub für die Etablierung eines möglichst flächendeckendes Angebots zum Nachbarsprachenerwerb erfolgt, und fordere das Kultusministerium auf, mit mehr Nachdruck daran zu arbeiten und zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
Diese Hoffnung – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – ist in Verbindung mit der geschilderten politischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung der nachbarsprachigen Bildung der Grund für die Zustimmung der LINKEN zu diesem Antrag.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Ich möchte Ihnen zu Ihren Ausführungen zwei Fragen stellen, die sich zum einen auf die Lehrergewinnung und -ausbildung im Land und zum anderen auf diese im Ausland beziehen.
Sie sprachen davon, dass die Anzahl der Interessenten nicht ausreiche. Mir liegen Zahlen der Universität vor, die das in einem anderen Licht erscheinen lassen. Im Wintersemester 2014/15 gab es 26 Bewerbungen für das Lehramt Sorbisch, aber nur sechs haben das Studium aufgenommen. Im Wintersemester 2015/16 waren es
14 Bewerbungen, aber nur drei haben das Studium aufgenommen.
Im Wintersemester 2014/15 gab es 26 Bewerbungen für das Lehramt Sorbisch und sechs, die das Studium aufgenommen haben. Im Wintersemester 2015/16 gab es 14 Bewerbungen für das Lehramt Sorbisch, und drei haben das Studium aufgenommen. Für das Wintersemester 2016/17 waren es 18 Bewerbungen, und sieben haben mit dem Studium begonnen.
Vor diesem Hintergrund die Frage: Welche Gründe hat die Staatsregierung für diese doch erheblichen Differenzen zwischen Bewerberzahl und Studienanfängern festgestellt? Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung eingeleitet bzw. wird sie einleiten, um zu erreichen, dass sich die Zahl der Studienanfänger im Verhältnis zu den Bewerberzahlen erhöht?
Darf ich die Frage zu den ausländischen Bemühungen gleich anschließen?
Wenn es so der Brauch ist, ja.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, Sie hatten bereits etwas auf die Frage des Kollegen Mikwauschk zu den Voraussetzungen der Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern aus unseren slawischen Nachbarländern ausgeführt.
Mich interessieren die Strategien oder Pläne, die Sie dazu entwickelt haben. In welchem Schuljahr soll das erste Mal die Einstellung eines solchen Lehrers aus unseren Nachbarstaaten erfolgen? Unter welcher besonderer Einsatzvorbereitung soll dies erfolgen?
Wann soll nach Ihren Plänen die erste Lehrerin oder der erste Lehrer aus Polen oder Tschechien im sorbischen Siedlungsgebiet eingestellt werden? Und welche besondere Einsatzvorbereitung sollen sie von Ihrer Seite aus bekommen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zur Begründung unseres Änderungsantrages einleitend auf ein aktuelles Pressezitat von Frau Staatsministerin Stange, die innerhalb der Regierung für Angelegenheiten des sorbischen Volkes zuständig ist, Bezug zu nehmen. Frau
Ministerin Stange hat „eine Unzufriedenheit in Teilen der sorbischen Bevölkerung ausfindig gemacht. Im Kern betreffe das die Sorge um den Fortbestand der sorbischen Kultur und Sprache.“ Dieser Erkenntnis der Staatsministerin ist durchaus zuzustimmen.
Leider wird der vorliegende Gesetzentwurf dieser Erkenntnis nicht gerecht. Vielmehr führt der Koalitionsantrag dazu, dass die Vertreter der Sorben nicht mit allen ihren Sorgen gehört werden, sondern nur mit den „grundsätzlichen“. Was aber ist in diesem Zusammenhang „grundsätzlich“, und wer entscheidet, was „grundsätzlich“ ist? Ist es der zuständige Sachbearbeiter, der Abteilungsleiter, der Staatssekretär oder doch die Ministerin, und, wenn ja, welche? Die aus dem SMK oder die aus dem SMWK?
Herr Kollege Bienst, Sie haben in der Eingangsdebatte einen Zwischenruf getätigt, den ich so verstanden habe, es hätte Absprachen dazu gegeben. Herr Kollege, die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden und nicht an Absprachen. Also ist es wichtig, was im Gesetz steht.
Meine Damen und Herren! Hier drohen willkürliche Ermessensanwendungen und Zuständigkeitschaos, die der notwendigen Zusammenarbeit zwischen Vertretern des sorbischen Volkes und des Freistaates Sachsen beträchtlichen Schaden zufügen können. Meine Damen und Herren, wenn der Dialog zwischen Freistaat Sachsen und Sorben gelingen und die Unzufriedenheit unter den Sorben nicht noch weiter wachsen soll, müssen die Vertreter der Sorben das Recht haben, mit allen ihren Sorgen angehört zu werden. Nur so wird dieser Dialog, der gerade im schulischen Bereich dringend nötig ist, die nötigen Erfolge zeigen und unserem verfassungsrechtlich gebotenen Umgang mit dem sorbischen Teilstaatsvolk entsprechen.
Auch würde das Hohe Haus mit der Annahme unseres Änderungsantrags mit dem minderheitenrechtlichen
Niveau in Brandenburg gleichziehen, wo es zur Anhörung der sorbischen Vertreter ausreicht, wenn ein Beratungsgegenstand die Rechte der Sorben „berührt“.
Ich bitte Sie daher um Zustimmung zum vorliegenden Änderungsantrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Debatte zu einem zwischenstaatlichen Dokument zu führen, das 20 Jahre alt ist, ist gelinde gesagt bemerkenswert. Da ich nicht weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, in welchem Umfang die hier angesprochene Selbstironie in Ihren Reihen zu Hause ist, erspare ich Ihnen die Frage, wie es denn sein kann, dass es so lange gedauert hat, bis Sie von dieser Deutsch-Tschechischen Erklärung Kenntnis nehmen.
Ich hätte es für sinnvoller gehalten, wir hätten uns zum aktuellen Deutsch-Tschechischen Strategischen Dialog verständigt, der gegenwärtig durch beide Außenministerien ins Werk gesetzt wird und zu dem die Bundesländer, die Parlamente und die Gebietskörperschaften auch hier bei uns zu Lande ausdrücklich eingeladen sind. Gleichwohl, gerade für uns im Freistaat Sachsen ist es – nicht nur, aber nicht zuletzt auch aufgrund unserer geografischen Lage – immer sinnvoll, sich zur aktuellen Politik und zur aktuellen Partnerschaft mit unseren tschechischen Nachbarn zu verständigen.
Schauen wir uns also die Deutsch-Tschechische Erklärung etwas näher an! In der Politik ist ja oft von Chancen und Risiken die Rede. Diese Deutsch-Tschechische Erklärung hat wie keine oder wie wenige andere gerade bei ihrem Zustandekommen Risiken und Chancen in sich vereint. Das zeigte sich schon bei der damaligen Debatte in den beiden Parlamenten. Im Deutschen Bundestag stimmten nach dreistündiger Debatte 577 Abgeordnete mit Ja – auch die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion. 20 Abgeordnete stimmten mit Nein, diese kamen alle aus der CDU/CSU-Fraktion. 23 Abgeordnete enthielten sich, davon auch einige aus der damaligen PDS-Fraktion. Im tschechischen Parlament war die Debatte viel intensiver. Sie reichte bis tief in die Nacht hinein. Schließlich stimmten 131 Abgeordnete zu, 59 Abgeordnete sahen sich dazu nicht in der Lage.
Die EU und der Europarat begrüßten die Erklärung. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft lehnte sie ab; da, wie
es damals hieß, der Rechtsanspruch auf Heimat und deren Wiedergewinnung gefährdet war. Das war damals noch in § 3 Abs. 1 Punkt c als Satzungslage der Sudetendeutschen Landsmannschaft festgelegt. Das ist, Gott sei Dank, im Februar 2015 aufgehoben worden. – Die Kritik der LINKEN bezog sich darauf, dass die Erklärung dem deutschen Revanchismus und Änderungen der Eigentumsverhältnisse in der tschechischen Republik den Weg bereiten könnte.
Wie war es vor diesem Hintergrund möglich, dass unser Außenminister Steinmeier heute erklärt: „Die deutschtschechischen Beziehungen waren noch nie so gut“? – Lag es an der Erklärung? War sie genial? Oder hätte alles auch ganz anders kommen können?
Zwei Einrichtungen, die die Erklärung ins Werk gesetzt hat, haben auf jeden Fall Gutes geleistet: das DeutschTschechische Gesprächsforum und der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. DIE LINKE hat sich im Sächsischen Landtag wie auch im Bundestag wiederholt für die Fortsetzung gerade dieses Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds eingesetzt.
Das Verdienst aber, dass wir heute die deutsch-tschechischen Beziehungen so analysieren können, wie es Minister Steinmeier getan hat, kommt zunächst den normalen Bürgerinnen und Bürgern beiderseits der Grenze zu. Wenn Bundeskanzlerin Merkel am 20. Januar 2017 erklärt hat, dass sie „mit Dankbarkeit und Stolz feststellen kann, dass der Geist der Erklärung gelebt wurde und wird“, dann trifft das auf die Bürgerinnen und Bürger uneingeschränkt zu; auf die damals Unterschrift leistende Regierung und die sie tragenden Fraktionen trifft es nicht in dem Maße zu. Zumindest sind Zweifel angebracht; denn selten ist ein zwischenstaatliches Dokument von Vertretern einer Vertragsseite – zumeist mit dem Parteibuch der CDU/CSU – so ignoriert und konterkariert worden wie die Deutsch-Tschechische Erklärung.
Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf den Punkt IV. – Unter diesem Punkt ist die Aussage enthalten, dass sich beide Seiten bezüglich der tragischen Kapitel der Geschichte jeweils ihrer Rechtsordnung verpflichtet fühlen und respektieren, dass die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Beide Seiten erklären deshalb, die Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten zu wollen.
Schon Helmut Kohl hat in der Bundestagsdebatte zu dieser Erklärung gesagt: „Diese Erklärung stellt keinen Schlussstrich dar.“ – Ja, aber was dann? Theo Waigel hat gesagt: Sie ist nur ein „Zwischenschritt“. – Und da soll bei unseren tschechischen Partnern kein Misstrauen aufkommen? Theo Waigel erklärte, „am Ende des Weges soll die Anerkennung des Rechts auf Heimat stehen“. – Und das ist die Anerkennung der Rechtsauffassung der anderen Seite? Das ist das Nicht-Belasten mit Fragen der Vergangenheit?
Die Ablehnung der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten begründet sich unter anderem damit, dass – Zitat –: „Das
Heimatrecht der Sudetendeutschen müsse in der weiteren Ausgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehung vor allem im Vorfeld der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der Europäischen Union konkrete Möglichkeiten der Verwirklichung geschaffen werden.“ – Was ist das? Das ist die eklatante Missachtung der Rechtsauffassung der anderen Seite.
2002, 2003 gab es mehrere Anträge der Unionsfraktionen im Bundestag und einigen Landtagen, –
– die darauf abzielten, unter anderem die Nachkriegseigentumsordnung in Tschechien – wie es hieß – „aus der Welt zu schaffen“.
Ich habe in der ersten Runde versucht, einige Fehler deutlich zu machen, die wir, wenn wir die deutschtschechischen Beziehungen wirklich positiv gestalten wollen, nicht wiederholen sollten.
In der zweiten Runde werde ich zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen Stellung nehmen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf meinen Vorredner Herrn Kollegen Schiemann ausdrücklich Bezug nehmen, der nicht nur die Einladung zu guten tschechischen Speisen ausgesprochen hat, sondern sich vor allem klar zu dem Verfassungsauftrag unseres Freistaates, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Tschechien herzustellen, bekannt hat. Das macht es mir an dieser Stelle möglich, auf die Darstellung weiterer Verfehlungen von Politikern aus Ihrer Fraktion zu verzichten.
Ich möchte mich deshalb jetzt bewusst auf die Herausforderungen beziehen, die ich in der Gegenwart und der Zukunft sehe, was die Gestaltung des deutsch-tschechischen und vor allem des sächsisch-tschechischen Verhältnisses betrifft.
Meine Damen und Herren! Ich vertrete meinen HeimatLandkreis Bautzen als Kreisrat in der Euroregion Neiße. Deshalb weiß ich sehr genau, dass sich seit geraumer Zeit eine gewisse Stagnation breitmacht. Es gibt kaum noch neue Antragsteller. Diejenigen Gemeinden und Vereine, die Erfahrungen in der Antragstellung haben, machen es weiterhin, aber es kommen kaum neue hinzu. Deshalb halte ich es, erstens, für wichtig, dass die Staatsregierung ein klares Signal sendet, indem sie deutlich macht, dass sie die Euroregion stärken und die Förderbürokratie massiv abbauen will.
Zweitens halte ich es für wichtig, die Grundlagen eines gemeinsamen Arbeitsmarktes zu schaffen. Sozialdumping in den Grenzregionen darf es gerade vor der Verantwortung für ein gemeinsames Europa nicht geben.
Drittens muss der Freistaat Sachsen deutlich machen – die Möglichkeiten dazu hat er auf Bundesebene –, dass es
keinen deutschen Unilateralismus in der EU und keine Orientierung auf die „Großen“ in der Europäischen Union geben darf. Das hat sich in der Vergangenheit als kontraproduktiv erwiesen. Wir sollten davon Abstand nehmen.
Auch der Freistaat Sachsen selbst sollte zu einem partnerschaftlichen Umgang mit den tschechischen Regionen, zu den Kraje, finden und sich nicht immer nur auf Prag orientieren. Das ist auch wichtig für die innere tschechische Debatte.
Schließlich ist in einer erst im vergangenen Monat veröffentlichten Studie von Allensbach und dem tschechischen Institut STEM deutlich geworden, dass an der Entwicklung im Nachbarland eher ältere Menschen interessiert sind. Das mag erstaunen, und das mag sich auch nicht ganz mit dem treffen, was Herr Schiemann dargestellt hat. Gerade deshalb ist es wichtig – was die Jugendarbeit betrifft –, dass es ganz sicher dazu kommt, dass wir ein deutsch-tschechisches Jugendwerk – nach dem Vorbild des deutsch-polnischen – schaffen. Die Organisation TANDEM leistet Gutes, aber ich denke, wir sollten zu einer qualitativ neuen Situation kommen.
Ich hatte es bereits eingangs deutlich gemacht: Ich halte es für wichtig, dass wir den Strategischen Dialog zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland aufgreifen. Beide Außenministerien führen diesen Dialog und haben die Bundesländer, die Parlamente, die Gebietskörperschaften ausdrücklich
eingeladen, mitzutun. Das sollten wir tun.
Ich will Ihnen kurz einige Beispiele aus dem Arbeitsprogramm des Strategischen Dialogs nennen, um Interesse zu wecken und Lust auf Kooperation mit den tschechischen Partnern machen.
Zunächst ist der Punkt Migration und die Zukunft Europas ein wichtiges Thema.
Zweitens sollten wir bei der intensiven Vorbereitung des deutsch-tschechischen Kulturfrühlings 2017 mittun.
Drittens ist die Vermittlung gegenseitiger Kenntnisse der Nachbarsprache von großer Bedeutung.
Viertens wäre ein duales Bildungssystem mit dem Prüfauftrag zur Errichtung einer gemeinsamen Bildungsinstitution endlich einmal etwas, um zu einem gemeinsamen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu kommen.
Wissenschaftliche Zusammenarbeit und gemeinsame Drogenprävention sind Themen, die nicht hoch genug bei der Wichtigkeit veranschlagt werden können.
Als Lausitzer sage ich: Energieunion, Energiewende und Klimaschutz sind Themen, ganz deutlich vor der Investition von EPH, bei denen ich gern hätte, dass wir mitreden. Und ich hätte gern in der heutigen Debatte von der Regierung erfahren: Was tut die Staatsregierung, um an diesem Deutsch-Tschechischen Strategischen Dialog teilzunehmen?
Viel Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Antragstext meiner Fraktion heißt es, „Lehren aus den Vorfällen von Bautzen ziehen“. Als Mensch, der vor 50 Jahren im Kreiskrankenhaus Bautzen zur Welt gekommen ist, der in dieser Stadt sein Abitur gemacht hat, die meiste Zeit seines Lebens in Bautzen oder dessen ländlichem Umfeld verbracht hat, möchte ich auf diesen Aspekt der heutigen Debatte meinen Schwerpunkt setzen.
Dazu ist es zunächst notwendig klarzustellen, was gegenwärtig das gravierendste Problem für die Stadt und ihre Einwohner darstellt. Um es gleich klar zu sagen: Das gravierendste Problem für Bautzen und seine Einwohner sind nicht die Flüchtlinge und auch nicht die unbegleiteten minderjährigen Ausländer, obwohl es unter ihnen einzelne gibt, die die Gesetze nicht einhalten und dafür zur Verantwortung gezogen werden müssen, aber, meine Damen und Herren, durch den Rechtsstaat und nicht durch Selbstjustiz sogenannter besorgter Bürger und des braunen Mobs.
Meine Damen und Herren! Als Mensch, der die Stadt Bautzen zu seiner engeren Heimat zählt, sage ich Ihnen: Das gravierendste Problem von Bautzen sind die über Jahre verfestigten rechtsradikalen Strukturen und Vernetzungen. Selbst wenn die Flüchtlinge in Zukunft integriert sind oder die Stadt wieder verlassen haben, werden diese rechtsradikalen Vernetzungen der Stadt und ihren Einwohnern weiterhin zur Last fallen.
Die Angriffe auf geflüchtete Menschen sind für die Rechtsradikalen zum Teil nur Mittel zum Zweck. Ihr Ziel ist die Eroberung des öffentlichen Raums und des politischen Diskurses. Auch ohne die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen zwei Jahre wäre es in Bautzen und im Umland weiterhin zu rechtsradikalen Übergriffen gekommen. Die Opfer wären dann wieder – oder weiterhin – Behinderte, Obdachlose, alternative Jugendliche, Sorben, Linke, Homosexuelle, engagierte Demokraten oder konsequente Christen gewesen; das heißt: alle, die anders aussehen, anders sprechen, anders denken oder anders lieben, als es der verbrecherischen Ideologie der Neonazis entspricht.
Meine Damen und Herren! Es ist nötig, über die Gründe dieser starken rechtsradikalen Vernetzung nachzudenken. Ich glaube, ein Aspekt ist dabei wichtig. 1990 gab es nach meiner Erinnerung in der Stadt, im damaligen Stadtgebiet, das bedeutend kleiner war als das heutige, fünf Jugendklubs und zwei konfessionelle Jugendtreffs unter dem Dach der Kirche. Heute gibt es nur noch ein städtisches soziokulturelles Jugendzentrum und zwei kirchliche Jugendbegegnungsstätten. Diese Fehlentwicklung ist dringend zu korrigieren. Dabei ist es wichtig, den Jugendlichen niederschwellige Angebote zu unterbreiten und dabei die klare Ablehnung von Gewalt und Menschenfeindlichkeit als Teil dieser Projekte zu integrieren.
Aus meiner Sicht ist es mehr als nur bedenkenswert, dass es im April des Jahres 1998 zu Angriffen von Rechtsradikalen gerade auf einen noch nicht rechten Jugendklub in Bautzen gekommen ist. Meine Damen und Herren, das Kulturbüro Sachsen hat unlängst formuliert, in Bautzen habe sich eine „organisierte Neonazistruktur warmgelaufen“, wie es heißt.
Wie hat das begonnen? Zunächst, Anfang der Neunzigerjahre, mit rechtsradikalen Konzerten, Lagerfeuerabenden und Flugblattverteilung. Relativ früh folgten aber schon die Beschädigung von Denkmälern für NS-Opfer und die Beschädigung von sorbischen und religiösen Symbolen. Schon frühzeitig waren gewaltsame Übergriffe mit im Spiel. Opfer waren all diejenigen, die ins Feindbildschema der Neonazis passten. Im Schatten der Ereignisse von Hoyerswerda schauten manche Verantwortlichen in Bezug auf Bautzen nicht mehr genau hin. Die Sachsen galten laut ihrem Ministerpräsidenten ja als „immun gegen Rechtsradikalismus“.
Meine Damen und Herren! Die Chronik rechtsradikaler Straftaten in Bautzen und im näheren Umland macht auch die Widersinnigkeit und Unberechenbarkeit des Tätermilieus deutlich. So kam es im Jahr 2000 zu Attacken auf Obdachlose, was in Weißwasser sogar zur Tötung eines Obdachlosen führte. Die Täter begründen das damit, dass das Opfer „nichts wert gewesen“ sei. Wenige Zeit später wurde in Bautzen ein tschechischer Arzt attackiert, obwohl er nach Auffassung der Täter einen „wertvollen“ Beruf hat – einfach, weil er ein tschechisches Autokennzeichen hatte.
Zweitens. Bei Angriffen gegen Ausländer wird immer wieder darauf verwiesen, man müsse ihnen „Respekt für einheimische Regeln und Traditionen beibringen“.
Gleichzeitig begeht das Neonazi-Tätermilieu aber antisorbische Straftaten, die dessen fehlenden Respekt für nun wahrlich in der Lausitz einheimische Traditionen und Regeln deutlich macht. Es stellt sich also die Frage: Wer hat in der Lausitz ein Integrationsdefizit?
Drittens. Rechtsradikale verweisen gern darauf, meine Damen und Herren, dass sie das „christliche Abendland“ verteidigen. Zugleich kam es in der Region aber schon seit 2006 zur Zerstörung von Wegkreuzen – zumal sorbisch beschrifteten. 2012 wurde die Losung „Odin statt Jesus“ an mehrere Kirchen gesprüht. Im Januar dieses
Jahres wurden Flüchtlingshelfer, die ihre christliche Motivation für ihr Engagement offenbarten, stark beleidigt.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Schlusssatz eine persönliche Bemerkung. Als ein in der DDR sozialisierter junger Jurastudent haben mich in den Neunzigerjahren zwei Sätze für die Bundesrepublik geprägt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und „das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“. Wenn jetzt Neonazis in Bautzen verkünden, Nazikiez verteidigen – unsere Stadt, unsere Regeln“ – –
Wenn jetzt Neonazis diese Regeln verkünden, dann werden die Grundlagen unseres Staates ausgehöhlt. Das dürfen wir nicht zulassen.
Vielen Dank.