Ulrike Rodust

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Last Statements

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es, dass das Thema Milch erneut auf der Tagesordnung steht, denn die Milchbauern haben unsere Unterstützung wahrlich verdient.
Nach der Ausschusssitzung der vergangenen Woche war eines deutlich: Die ganze Umstrukturierung des Milchmarktes ist verdammt schwierig und eine Lösung nicht in fünf Minuten zu finden, sondern dies bedarf vieler Diskussionen. In einigen Punkten kann ich den Antrag der Grünen unterstützen. Auch ich habe mit der jährlichen Quotenerhöhung ein Problem. Wenn es sowieso schon zu viel Milch gibt und dadurch der Preis im Keller ist, ist es schwer nachzuvollziehen, wieso die Quote weiter erhöht wird.
In einigen Ländern der EU macht dies allerdings Sinn. Dort hat es durch Dürren und Unwetter im vergangenen Jahr nicht genügend Milch gegeben. Doch bei uns? - Wir haben 2007 eine Überproduktion von 300.000 t gehabt.
Das eigentliche Ziel, das die EU mit der 2-prozentigen Erhöhung der Quote verfolgt, ist ein Soft Landing: Man geht davon aus, dass durch ein Zuviel an Quoten der Börsenpreis für die Quote gesenkt wird und bis 2015 keiner mehr Interesse an den Quoten hat, weil sie ihren Wert verloren haben. Dann soll aus Sicht der EU die Marktwirtschaft greifen und Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Ich bin ziemlich sicher, das wird funktionieren, und somit anderer Meinung als die Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die die Quote beibehalten möchten.
Doch ich bin auch sicher: Wenn wir nicht gemeinsam mit den Milchviehhaltern Ideen entwickeln, werden noch etliche kleine Betriebe ihre Pforten dichtmachen. In den Jahren von 1960 bis 2006 haben 87,5 % der Milchviehhalter aufgegeben. Der Bestand der Kühe ist allerdings gleichgeblieben. Das heißt: Der Strukturwandel hat bei uns umfänglich stattgefunden. Wir wissen allerdings auch: Er ist noch nicht beendet.
Ich will nicht das Wort reden, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Nein, es ist erforderlich, dass auch Landwirte im freien Markt ihre Rolle spielen. Die großen Betriebe bereiten sich darauf vor, und sie werden es schaffen, wenn sie anstatt auf Quantität auf Qualität setzen.
Bei den kleinen werden wir, wird die Politik helfen müssen. Es gilt, alternative und komplementäre Einkommensquellen zu erschließen, auszubauen und nachhaltig zu sichern. Über die Biomassestrategie, die rapide wachsende Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln und Perspektiven des Tourismus ist bereits hinlänglich gesprochen
worden. Unser besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang die Honorierung öffentlicher Güter. Das bedeutet beispielsweise, dass die Landwirte in Regionen, in denen sich die Milchkuhhaltung zurückzieht, die bestehenden Grünlandstandorte erhalten und durch extensive Bewirtschaftung die Biodiversität sichern können.
Eine solche gesellschaftlich erwünschte Dienstleistung kann durchaus zu einem durch Marktmechanismen entstehenden Preis honoriert werden.
Ein weiterer Weg für kleine Betriebe, sich zu behaupten, sind die Direktvermarktung und die Herstellung von ökologisch produzierter Milch. Man hat festgestellt, dass die Preisschwankungen dort wesentlich geringer sind. Von Januar bis Mai dieses Jahres ist der Preis um nur 0,08 Cent gesunken. Im gleichen Zeitraum sank der Preis von konventioneller Milch um 6,6 Cent, und der Preis war um 15,4 Cent geringer als bei der Biomilch. Hier wird deutlich, dass Biolandwirte wesentlich sicherer planen können.
Der BDM fordert, die Saldierung zu stoppen. Dem kann ich zustimmen. Auch ich meine, dass die Superabgabe ab dem ersten Kilogramm Überlieferung fällig und der Umrechnungsfaktor anzuheben ist.
Es kann nicht sein, dass bei hohen Milchpreisen alles an Milch herausgepresst wird, was möglich ist. So haben wir erfahren, dass Kühe, die eigentlich zum Schlachter sollten, weiter gemolken wurden oder durch besonderes Futter zusätzlich eine Milchsteigerung herbeigeführt wurde.
Da haben die Milchviehalter eine große Verantwortung, und sie sollten diese auch ernst nehmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in dieser Diskussion scheint mir die Genossenschaftsarbeit zu sein. Die Landwirte dürfen sich das Heft des Handelns nicht weiter aus der Hand nehmen lassen. Als Mitglieder der Meiereigenossenschaft müssen sie die Molkereien wieder fest in ihre Hand bekommen, damit sie ihre eigenen Interessen vertreten können. Ansonsten wird der Genossenschaftsauftrag konterkariert.
Wie gesagt, in fünf Minuten ist dieses komplexe Thema nicht aufzuarbeiten. Lassen Sie uns deshalb im Ausschuss weiter nach Lösungen suchen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitsscheck der europäischen Agrarpolitik soll nicht als neue Reform, sondern vielmehr als Überprüfung und Modifizierung alter Herangehensweisen interpretiert werden. Der Health Check ist ein Prozess, in den alle Interessenvertreter einbezogen werden, also auch wir, um am Ende das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.
Im Wesentlichen formuliert die EU-Kommission in der Mitteilung drei Fragen: Erstens. Wie kann die Betriebsprämienregelung vereinfacht und effizienter gemacht werden? Die Empfehlung der Kommission lautet: Abkehr von den zurzeit üblichen Direktzahlungen, die sich auf frühere Einnahmen der Betriebe beziehen. Sie regt die Umstellung auf eine neue Regelung mit einheitlicheren Sätzen und damit weniger unterschiedlichen Zahlungssummen für die verschiedenen Empfänger an.
Zudem soll die bereits durchgeführte Entkopplung der Beihilfen von den produzierten Mengen auch in den Ländern vorangetrieben werden, die in einigen Agrarbereichen weiterhin nach diesem Verfahren zahlen.
Wir in Schleswig-Holstein haben uns für das Regionalmodell entschieden. Schleswig-Holstein spricht sich für die Abschaffung der noch gekoppelten Prämien aus, da das Fördervolumen relativ klein und der administrative Aufwand unverhältnismäßig groß ist. Ich begrüße dies und unterstütze die Forderung der Landesregierung, dass bei der Einbeziehung weiterer Sektoren in die Entkopplung eventuell freiwerdende Mittel den Mitgliedstaaten gemäß bisheriger Mittelinanspruchnahme zugewiesen werden.
Zweitens. Der zweite, wichtige Themenbereich beim Health Check der EU-Agrarpolitik betrifft die Marktstützungsinstrumente. Die Notwendigkeit zur Anpassung dieses Bereichs ergibt sich aus dem Wachstum der EU auf einen Staatenverbund mit mittlerweile 27 Mitgliedern. Auch wir sollten dies nicht ignorieren. Es gilt zu prüfen, ob die Schaffung eines wirksamen Interventionssystems, das seiner Funktion als Sicherheitsnetz gerecht wird und dabei
ohne subventionierte Verkäufe auskommt, ein realistisches Ziel ist.
Auch will die Kommission im Zuge des Health Checks herausfinden, ob die heute angewendeten Instrumente zur Angebotssteuerung tatsächlich ihren Zweck erfüllen und die EU zur angemessenen Reaktion auf Marktsignale befähigen.
Drittens. Schließlich geht die Kommission im dritten Teil ihrer Mitteilung auf die Möglichkeiten zur Bewältigung neuer Herausforderungen wie den Klimawandel, die Verwendung und Herstellung von Biokraftstoffen, die Bewirtschaftung der Wasserressourcen und den Schutz der Artenvielfalt ein. Um den vielfältigen Risiken des Agrarmarktes begegnen zu können, sollen im Rahmen der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes Mittel für Risikomanagementmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
Zudem soll die EU-Landwirtschaft, die bereits in der Vergangenheit durch verbesserte Produktionsmethoden und eine Verminderung des Rinderbestandes zum Kampf gegen den Klimawandel beigetragen hat, weitere Maßnahmen in diesem Bereich durchführen. Die Europäische Kommission schlägt eine degressive Kürzung der Direktzahlungen vor, bei der die Beihilfen für große Betriebe abhängig von der vorher gezahlten Summe verringert werden. Je höher die Direktzahlungen zuvor ausfielen, desto höher soll dann der Prozentsatz der Kürzung sein. Dieses Geld soll dann in die zweite Säule fließen.
Ich erinnere daran: Der EU-Hauhalt wird von allen Steuerzahlern finanziert. Wenn einerseits unsere Landwirte am freien Markt mitwirken wollen, ist eine hohe Subvention der Betriebe dauerhaft nicht mehr zu verantworten.
Wenn wir andererseits die Höhe der Gelder im EUAgrarhaushalt erhalten wollen, müssen wir gute Argumente haben, dass die für die Finanzen zuständigen Haushälter diese nicht kürzen. Die Antwort kann nur eine sein: die Stärkung des ländlichen Raums.
Mit der Stärkung der zweiten Säule ist die EU unserer Ansicht nach auf dem richtigen Weg.
Mit den Geldern können wir den ländlichen Raum stärken, was allen - auch den Landwirten - zugute kommt. Damit können wir die nötige Infrastruktur fördern, um die Menschen im ländlichen Raum
halten zu können. Die Landwirte sollten darin endlich ihre Chance erkennen.
Schließlich sind solche Anreize nötig, um Fachkräfte auf die Höfe zu holen oder den eigenen Kindern Perspektiven bieten zu können, damit die den Hof mal übernehmen können.
Ohne Infrastruktur wie Kindergärten oder Schulen, Einkaufsmöglichkeiten oder Kulturangeboten, wird der ländliche Raum weiter ausbluten.
Wir wollen die kleinen und mittelständischen Betriebe fördern. Daher begrüßen wir den Vorschlag im EU-Health Check.
Meine Redezeit ist um, und ich möchte Sie gern in den Urlaub entlassen. Deshalb kürze ich jetzt ab. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss, und ich hoffe, wir werden zu geeigneten Lösungen kommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Was vor zehn Jahren für viele kaum vorstellbar war und in den Köpfen keinen Raum fand, ist heute für alle nicht übersehbar: Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange. Sehr deutlich erkennen wir, dass die Gletscher schmelzen, die Stürme stärker und die Dürren länger werden und dass die Überschwemmungen bisher unbekannte Ausmaße erreichen. Darum brauchen wir, und zwar so schnell wie möglich, den doppelten Ausstieg aus der Kohle und aus der Atomenergie. Ich bin dankbar für die Diskussion, die wir vor einer Stunde geführt haben.
Wir, die SPD-Fraktion, setzen somit auf die Nutzung der Bioenergie. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Nutzung der Biomasse neben Windenergie, Geothermie und Solarenergie einen Teil der regenerativen Energieherstellung darstellt, und sie trägt zur Minderung der CO2-Belastung bei. Dabei sind wir nicht blauäugig. Sehr wohl sind auch Gefahren der Bioenergie zu berücksichtigen und mit den Fachleuten zu diskutieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist die Nutzung von Biomasse kein Allheilmittel, sondern birgt auch Gefahren. Sie ist nicht per se klimafreundlich. Der weltweite Anbau zum Beispiel von Mais für Biogaswerke hat gravierende Auswirkun
gen auf die Preise für Lebensmittel. So ist laut internem Bericht der Weltbank die Biomasse bis zu 75 % am Preisanstieg der Lebensmittel beteiligt. Das bedeutet für viele Menschen Hunger und Not. Deshalb sagen wir: Lebensmittel, und zwar für alle bezahlbar, haben Vorrang. Die Flächenkonkurrenz wird hier sehr deutlich.
Wir beobachten mit großer Sorge die Abholzung von Tropenwäldern, den Umbruch von Grünland und die Nutzung von Mooren. Dieses Verhalten führt nicht weg, sondern hin zu einer weiteren Belastung des Klimas.
Deshalb stellt die SPD folgende Forderungen auf: Wir sollten hier in unserem Land streng darauf achten, dass nur die Reststoffe, zum Beispiel Stroh und Gülle, genutzt werden. Wenn wir Biomasse importieren, muss diese zertifiziert und streng nach ökologischen und sozialen Standards hergestellt sein.
Auch der Grünlandumbruch muss gestoppt werden. Die SPD-Landtagsfraktion hat in den vergangenen Jahren massiv darauf gedrängt. Inzwischen hat der Umweltminister gehandelt; darüber freuen wir uns. Auch der Rodung von Wäldern und der Zerstörung von Mooren sollte Einhalt geboten werden.
Empörend ist das Verhalten der Spekulanten auf dem Weltmarkt. Rücksichtslos, ohne jedes Verantwortungsbewusstsein, hat ihr Handeln zu ernormen Preissteigerungen von Lebensmitteln geführt.
Was ist also zu tun? Wir alle, jeder einzelne von uns, kann dazu beitragen, dass der Energieverbrauch reduziert wird. Es ist inzwischen erwiesen, dass auf diese Art und Weise 50 % des Energieverbrauchs eingespart werden kann. Ich wiederhole: 50 %! Setzen wir uns also ein für eine Steigerung der Energieeffizienz.
Einiges ist schon auf den Weg gebracht worden. So hat die Bundesregierung unter der Führung eines sozialdemokratischen Umweltministers das Klimapaket auf den Weg gebracht. Hier wurde beschlossen, dass Biogasanlagen ab einer bestimmten Größe nur noch als Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gebaut werden dürfen.
Außerdem hat das BMU im April ein Papier vorgelegt, das zur Weiterentwicklung der Strategie zur Bioenergie beiträgt. Darin sind zum Beispiel enthalten: standortabhängige Ausschlusskriterien, Konkretisierung der Nachhaltigkeitsverordnung, Bewertungskriterien für den Klimaschutz. Dieses ist der Weg in die richtige Richtung. Und doch: Es
gibt noch viel zu tun. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mir ging es so. Auch ich habe Bauerndemonstrationen, wie wir sie in den vergangenen vier Wochen beobachten konnten, noch nicht erlebt. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Menschen dann, wenn sie demonstrieren, ihre Gründe dafür haben. Nun demonstrieren die Bauern. Wenn man einen Blick in den Agrarbericht 2007 wirft, dann begreift man sehr schnell, was dort los ist.
Ich möchte einige Zahlen nennen: Ein normaler Betrieb in Deutschland erwirtschaftet durchschnittlich 35.752 € mit 3,1 Arbeitskräften. Der gewerbliche Vergleichslohn liegt bei 26.700 €. Ich denke, deutlicher kann man nicht sagen, wie die Gewinnsituation der Betriebe ist. Claus Ehlers hat es beschrieben: Wir stellen fest, dass die Marktinstrumente nicht funktionieren. Milchquoten werden an der Börse gehandelt. Überlieferungen werden durch die sogenannten Sonderabgabe ausgeglichen. Wenn man sich die Molkereien ansieht, dann stellt man sehr schnell fest, dass wir zwar Genossenschaften haben, dass diese aber im Grunde nur auf der Beschaffungsseite zu berücksichtigen sind. Sobald Molkereien in den Verkauf einsteigen, werden sie ziemlich schnell zu Aktiengesellschaften.
- Markttechnisch ist das so zu sehen, dass die Bauern dies nicht mehr beeinflussen können. Die ganze Sache wird dann sehr schwierig. Die Energie- und Futterpreise sind für eine Tonne inzwischen auf 350 € angestiegen. Im Vorjahr lag der Preis noch bei 190 €. Auch Spekulanten haben sich im Markt getummelt. So passiert es, dass die Preise unkontrollierbar sinken und steigen. Seit 2001 sind die Erzeugerpreise kontinuierlich bis auf 28 ct pro Liter gesunken. Dann kam das Jahr 2007 mit Dürre, Unwettern in Neuseeland und Australien und Betriebsschließungen. All dies führte plötzlich zu einem geringeren Angebot, was zur Folge hatte, dass die Preise stiegen. Angeregt durch den BDM und durch den Bauernverband wurde sofort die Produktion hochgekurbelt. Kühe, die eigentlich verkauft werden müssten, bleiben im Stall und werden weiter gemolken. Dadurch entsteht nunmehr eine Überproduktion von etwa 300.000 t.
In der Welt verändert sich einiges. Plötzlich beginnen China und Indien damit, selbst zu produzieren. Frankreich, Italien und die USA ziehen nach. Der Weltmarkt braucht lediglich 7 % der deutschen Milchproduktion. Durch den Einzelhandel werden
sofort die Preise gedrückt. Wir haben es gehört: Aldi, Müller Milch, Lidl und so weiter drücken die Preise bis auf 15 ct pro Liter. Auch die Nahrungsmittelindustrie reagiert.
Plötzlich werden von den Eiscreme- und Backwarenherstellern andere Rohstoffe verwendet. Sie benutzen nicht mehr Milcheiweiß, sondern sie steigen auf Pflanzenöle und Butterfette um. Der Dollarpreis ist exorbitant niedrig, Milchpulver wird eingelagert. All dies führt dazu, dass die Preise dramatisch fallen. Dies alles hat zum Boykott der Bauern geführt. Ich muss allerdings sagen: Auch ich habe ein großes Problem, wenn Milch in Gülle gegossen wird. Meinen Respekt verdienen die Bauern, die Milch in Tafeln, Kindergärten oder Schulen abgeliefert haben.
- Ich habe gesagt, in Teilen, Herr Matthiessen. Vielleicht hören Sie mir zu. Ich habe gesagt, dass ich es abscheulich finde, wenn Milch in Gülle gegossen wird.
Das Gezeter nützt uns allerdings nichts. Wir müssen nach Lösungen suchen. Betroffene Bauern müssen unumgänglich und sofort umfänglich aufgeklärt werden, und zwar über ihre Lage in Deutschland, in Europa und auf internationaler Ebene. Lebensmittel sind zu vertretbaren Preisen zu verkaufen, und eine Überproduktion ist sofort einzustellen. Ich denke, den Bauern ist mehr geholfen, wenn wir nicht auf Quantität, sondern auf Qualität setzen.
Für mich heißt das auch, dass die Bereiche der Direktvermarktung und der Produktion von ÖkoMilch weiter ausgebaut werden. Ein Informationsaustausch aller Beteiligten - also der Bauern, der Molkereien und der Verbände - ist sofort zu organisieren.
Heute Morgen haben wir auf NDR 2 gehört, dass die Bauern weiterhin sehr unzufrieden sind und über einen neuen Boykott nachdenken. Daher hat diese Aktuelle Stunde heute ihre Berechtigung. Außerdem hat das Kartellamt nun - Gott sei Dank - angekündigt, dass es sich jetzt einschalten wird. Trotzdem sage ich: Ein neuer Boykott bringt den Bauern kaum etwas. Die Lager sind voll. Die Solidarität, die sich die Bauern aus dem europäischen
Ausland erhoffen, sehe ich nicht. Im Zweifel wird Frischmilch sofort aus Polen, Dänemark und Holland geliefert.
Wettbewerbsfähige Betriebe - insbesondere an der holländischen Grenze - warten nur darauf, dass die kleinen Betriebe in Deutschland ihren Betrieb aufgeben. Somit denke ich, dass die Bauern ihren eigenen Ast, auf dem sie sitzen, absägen werden.
Ich erwarte, dass die Bundesregierung und auch die Landesregierung schnellstens ihre Aufgabe als Moderatoren übernehmen und bei den Betroffenen vermitteln und ihnen helfen.
Auch der Bauernverband spielt momentan eine wichtige Rolle, indem er in den Dörfern vermittelt, denn die Gräben zwischen den Milchbauern, die geliefert haben, und den Milchbauern, die sich verweigert haben, sind inzwischen groß.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es viel zu tun gibt. Packen wir es an, lassen wir die Bauern nicht im Stich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge sind für mich an diesem Bericht besonders erfreulich. Zum einen erreichte uns der Bericht über das Geschäftsjahr 2006 bereits mit Datum vom 30. August, was ein deutlicher Fortschritt ist. Den Bericht für 2005 hatten wir erst Anfang Dezember 2006 auf dem Tisch, den für 2004 sogar erst im Februar 2006. Mir ist natürlich klar, dass sich Museumsleiter lieber um ihre kreativen als um ihre Verwaltungsaufgaben kümmern. Der Haushaltsgeber, der der Stiftung unter anderem einen jährlichen Zuschuss von knapp 6 Millionen € zukommen lässt, was deutlich mehr als die Hälfte der Gesamteinnahmen ausmacht, muss aber natürlich nachvollziehen können, was mit dieser Summe geschieht.
Der zweite äußerst erfreuliche Aspekt ist die Entwicklung der Besucherzahlen. Im Jahre 2000 hatten knapp 303.000 Menschen eines der Museen aus dem Bereich der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen besucht. Im Jahre 2003 waren es nur noch 267.000 - und dies obwohl im Jahre 2002 das Jüdische Museum Rendsburg in die Stiftung aufgenommen worden war. Im Jahre 2005 wurde der Level von 2000 wieder erreicht und im Jahre 2006 haben wir einen sehr bemerkenswerten Zuwachs auf 333.000 zu verzeichnen; das entspricht einer Zunahme von 9,7 %. Davon profitieren fast alle Mitgliedsmuseen der Stiftung, sogar unser altes Sorgenkind, das Volkskundemuseum auf dem Hesterberg. Seine Besucherzahlen hatten sich von 1999 bis 2004 beinahe halbiert. Jetzt wurde aber wieder der Stand von 2000 erreicht. Der Bericht des Stiftungsrates führt dies sicher zu Recht auf die neue Leitung und ihr neues Ausstellungs- und Veranstaltungskonzept zurück.
Das Jüdische Museum in Rendsburg muss uns allerdings Sorgen machen. Seit seinem Eintritt in die Stiftung im Jahre 2002 schwankten die Besucherzahlen und haben 2005 mit knapp 8.000 einen Höchststand erreicht, der im abgelaufenen Jahr auf nur noch knapp 5.000 kollabierte. Der Bericht spricht von einer Hemmschwelle beim Besuch der einzigen erhaltenen schleswig-holsteinischen Synagoge und stellt mit Bedauern fest, dass die Versuche, durch Sonderausstellungen sowohl die Verfolgung der Juden als auch der Nazigegner zu thematisieren, ebenso wenig erfolgreich waren wie Sonderausstellungen. Ich rege in diesem Zusammenhang an, dass der Bildungsausschuss, der bereits mehrere Tagungen in Gottorf absolviert hat, auch nach Rendsburg fährt, um mit der dortigen Museumsleitung ein Informationsgespräch zu führen.
Zu Recht weist der Bericht darauf hin, dass der Besuch von Freilichtmuseen und von Ausstellungen innerhalb von Gebäuden von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, für die der Stiftungsvorstand nur mit Einschränkungen verantwortlich gemacht werden kann. Das gilt besonders für die Witterungslagen, wobei der Sommer 2006 nicht sehr motivierend dafür war, Stunden über Stunden in Ausstellungsräumen zu verbringen. Wir dürfen gespannt sein, wie sich der klimatisch eher zweitklassige Verlauf des Jahres 2007 ausgewirkt hat.
Die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen ist und bleibt selbstverständlich von einem hohen Landeszuschuss abhängig. Daran ändert auch die erfreuliche Entwicklung der Besucherzahlen und damit der Einnahmen durch Eintrittsgelder nichts. Der bereits erwähnte Landeszuschuss von knapp 6 Millionen € ist auch nicht der einzige Beitrag der öffentlichen Hände. Drittmittel kommen aus dem Europäischen Sozialfonds und von der aus öffentlichen Mitteln finanzierten DFG und anderen Forschungsprojekten, die zusammen über 414.000 Euro beisteuern. Der Schleswig-HolsteinFonds hat sowohl für die Gartenanlage Gottorf als auch für die Neugestaltung des Wikinger-Museums Haithabu circa 1,2 Millionen € im Haushaltsjahr 2006 beigesteuert und das Regionalprogramm 2000 war mit weiteren 550.000 € für die Projekte Wikingerhäuser Haithabu und Schlosserlebnis dabei.
Zusammenfassend möchte ich darauf hinweisen, dass die Idee der rot-grünen Landesregierung, die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen zu gründen, zukunftsweisend war. Ich warne davor, die Eigeneinnahmen durch ein Drehen an der Stellschraube der Eintrittspreise nach oben ziehen zu wollen. Die Kaufkraft der Haushalte stagniert seit Langem auf dem Level von 1990.
Überzogene Eintrittsgelder führen gerade bei Familien immer häufiger zu der ökonomischen Entscheidung, von einem finanziell aufwendigen Besuch von Museen, zoologischen Gärten, Science-Centern und anderen vergleichbaren Einrichtungen Abstand zu nehmen.
Wir sollten den Bericht abschließend im Bildungsausschuss diskutieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen setzen sich für eine Neuregelung des Denkmalschutzrechts in Schleswig-Holstein ein und haben sich der Mühe unterzogen, nicht nur mit einem Eckpunkteantrag die Landesregierung um einen Gesetzentwurf zu bitten, sondern diesen selbst zu erarbeiten. In weiten Teilen hält sich die Mühe in Grenzen, da sie das brandenburgische Denkmalschutzgesetz weitgehend wörtlich übernehmen. Sie gehen allerdings einen anderen Weg als Brandenburg bei der Zuweisung der Verantwortung für den Denkmalschutz. Das brandenburgische Gesetz nimmt so wie das geltende Gesetz in Schleswig-Holstein das Land und die Kreise in die Pflicht. Die Grünen wollen nun die Kreise und kreisfreien Städte aus dieser Verantwortung entlassen und die Zuständigkeit ausschließlich der Landesregierung und den beiden zuständigen Behörden, also dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesamt, zuweisen.
Die Grünen nehmen mit ihrer Initiative Überlegungen der für die Kulturpolitik zuständigen Staatskanzlei vorweg, die ebenfalls eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1996 vorbereitet. Nach dem Gesetzentwurf der Grünen soll die bisherige Sonderregelung entfallen, wonach die Hansestadt Lübeck anstelle der beiden Landesämter die Aufgaben der oberen Denkmalschutzbehörde wahrnimmt. Für eine solche Regelung spricht das unstrittige Bemühen, einfachere und kostengünstigere
Verwaltungsstrukturen zu schaffen. In vielen Bereichen ist dieses sicher möglich und sinnvoll.
Wir als SPD treten aber nicht dafür ein, Aufgaben, die nur vor Ort gelöst werden können, zu zentralisieren und sie der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger zu entziehen, gerade dann, wenn das ehrenamtliche Engagement Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist.
Dies gilt ganz besonders, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, für den Denkmalschutz. Wir haben die Sondersituation, dass die Hansestadt Lübeck, deren Innenstadt seit 1987 als erstes Stadtensemble in Nordeuropa in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde, einen ganz anderen Abstimmungsbedarf
zwischen den Interessen des Denkmalschutzes und den Interessen der Wohnraumversorgung und der gewerblichen Wirtschaft zu bewältigen hat. Im Fall der Landeshauptstadt Kiel haben wir beispielsweise solche Dinge nicht zu beachten.
Wir als SPD-Fraktion haben kein Signal aus Lübeck vernommen, auch nicht seitens der dortigen Grünen, dass der Gesetzentwurf, den Sie heute in den Landtag einbringen, dort unterstützt würde, was die Aufhebung der Sonderstellung Lübecks angeht.
Über die Zuständigkeitsfrage hinaus habe ich die Befürchtung, dass wir dem Denkmalschutz einen schlechten Dienst erweisen würden, wenn wir den Gesetzentwurf der Grünen in dieser Form annehmen und die beschleunigte Eintragung in eine Denkmalliste beschließen würden. Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben, dass Denkmalschutz ausschließlich unter seinen positiven Aspekten wahrgenommen wird. Die Kehrseite der Medaille ist, dass viele Menschen den Besitz eines Baudenkmals eher als Fluch denn als Segen wahrnehmen, weil sie befürchten, für die Instandhaltung zur Kasse gebeten zu werden, aber nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, das Gebäude zu verwerten. Wozu das führt, wissen wir alle: Dann werden mit dem Bagger vollendete Tatsachen geschaffen, weil ein Bußgeld für eine vermeintliche Fahrlässigkeit das bessere Geschäft gegenüber einer langfristigen Instandhaltung ist.
Es wäre politisch nicht nur inkonsequent, sondern es würde auch widersprüchliche Signale an die Bürgerinnen und Bürger aussenden, wenn wir die Bautätigkeit mit der neuen Landesbauordnung anregen und erleichtern und sie dann mit einer ver
schärften Denkmalschutzgesetzgebung wieder einschränken würden.
Ich will diese Bedenken in den Raum stellen, ohne dass wir heute schon ein Ja oder Nein zur Initiative der Grünen sagen können oder müssen. Wie jeden Gesetzentwurf werden wir auch diesen im Bildungsausschuss und im mitberatenden Innenausschuss im Rahmen einer Anhörung erörtern, um zu einer Abwägung der betroffenen Interessen zu kommen. In Anbetracht der Planungen der Staatskanzlei sollten wir es den Anzuhörenden aber ersparen, zweimal im Abstand von wenigen Monaten zu demselben Sachverhalt Stellung zu nehmen. Ich schlage daher vor, Ihren Entwurf gemeinsam mit dem von der Staatskanzlei derzeit vorbereiteten Entwurf in die Anhörung zu geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Tagung ohne Klimaschutzthemen - das ist auch heute dank des Antrages der Grünen wieder der Fall. Der Klimaschutz wichtig, und alle Anstrengungen, dem inzwischen unbestrittenen Klimawandel entgegenzuwirken, sind grundsätzlich zu begrüßen.
Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Faktor bei der Klimaschutzdiskussion. Sie trägt mit etwa 7 % weltweit und 11 % in Deutschland zu der Gesamtheit der Treibhausgasemissionen bei. Bei den global klimawirksamen Gasen Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowie dem indirekt wirkenden Ammoniak gibt es bezüglich ihrer Wirkungsanteilen wichtige Unterschiede. Während die Emissionen von Kohlendioxid aus der Landwirtschaft mit etwa 4,5 % eine kleinere Rolle spielen, bedingen die Methanemissionen mit einem Anteil von circa 40 %, die Lachgasemissionen mit circa 50 % und vor allem die Ammoniakemissionen mit circa 90 % - diese werden vor allem durch die Tierhaltung verursacht - eine bedeutende Rolle.
Die Landwirtschaft ist in der Klimaschutzdiskussion aber nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Negative Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft sind - beispielhaft genannt - die Zunahme von Schadereignissen: Sturm, Hagel, aber auch Dürre. Hinzu kommt die Erosions- und Hochwassergefahr, der Stress für Pflanzen und Tiere und das erhöhte Aufkommen von Krankheiten und der vermehrte Schädlingsbefall. Die Landwirtschaft sollte also aus ihrem ureigenen Interesse alles unternehmen, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken.
Aus meiner Sicht haben Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft große Potenziale und bieten gute Erfolgsaussichten. Wir sollten daher alles daransetzen, zum Beispiel die
Energieeinsparung bei Produktionsprozessen voranzutreiben. Weiter sollte der Methanausstoß in der Tierproduktion sowie bei der Lagerung und Anwendung von Wirtschaftsdüngern gesenkt werden. Schließlich bieten sich große Chancen, die Produktion erneuerbarer Energie auf den landwirtschaftlichen Flächen zu erhöhen.
An dieser Stelle möchte ich auch auf das von den Grünen angesprochene Thema Biomassenutzung eingehen. Aus meiner Sicht ist die energetische Nutzung von Reststoffen aus der Landwirtschaft als Biomasse im Sinne einer Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Anders sehe ich den gezielten Anbau beispielsweise von Raps und Mais zur Energieerzeugung. Auf der Tagung am vergangenen Montag hier im Landeshaus wurde hierzu von einem Wissenschaftler aus gesamtökologischer Sicht ein klares Nein ausgesprochen.
Zwar entstehen durch Biogasanlagen im ländlichen Raum Arbeitsplätze und bietet sich die Chance auf Einkommen. Doch die damit verbundenen Nachteile wie die Belastung der Umwelt durch den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Monokulturen sowie der steigende Import von Biotreibstoffen stellen große Probleme dar. Sinnvoll erscheint es mir daher, eine Zertifizierung für nachhaltige Bewirtschaftung bei der Biomasse einzuführen,
die die Grundlage für eine staatliche Förderung sein muss.
Wie Sie meinen Ausführungen entnehmen konnten, liegen wir in der Sache mit dem Antrag der Grünen weitgehend auf einer Linie. Wir sind jedoch der Meinung, dass es keinen Sinn macht - wie bei den Grünen leider so oft -, monokausal den Klimawandel nur im Hinblick auf die Landwirtschaft zu diskutieren. Unserer Auffassung nach gehören die von den Grünen vorgeschlagenen Maßnahmen in die umfassende Klimaschutzberichterstattung durch die Landesregierung, die für Mitte nächsten Jahres ansteht.
Dort werden wir Strategien diskutieren, die für alle klimarelevanten Bereiche wichtig sind: Energieerzeugung, Bauen und Wohnen, Industrie und Unternehmen, Verkehr, Abfallwirtschaft, stoffliche und energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen, CO2-Speicherung und -Senkung, Forstwirtschaft, Tourismus und Sport, Bildung, Forschung und Lehre sowie auch Landwirtschaft.
Daher bitte ich Sie, den Antrag an den Umweltausschuss zu überweisen. Dort werden wir darüber beraten, wie die Fragen und deren Beantwortung in den Klimaschutzbericht eingebaut werden können und wie in der nächsten Sitzung darüber beschlossen werden kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein Politikfeld hat in der Prioritätenliste jemals innerhalb so kurzer Zeit einen solchen Sprung nach oben gemacht, wie es derzeit die Familienpolitik tut. In der Vergangenheit lief sie meistens unter dem Sammelbegriff „Gedöns“ als weniger wichtiges Sondergebiet im großen Aufgabenbereich der Sozialpolitik. Die Notwendigkeit eines eigenen Bundesfamilienministeriums, unabhängig vom Sozialministerium, wurde oft in Zweifel gezogen. Das hat sich Gott sei Dank geändert. Familienpolitik ist heute eine der großen Querschnittsaufgaben. Sie ist die Schnittstelle der Sozialpolitik, der Wirtschaftspolitik, des Bildungssystems, der Gleichstellung, der Jugendförderung und der Zukunftssicherung. Familien - das heißt für uns: alle Haushalte, in denen ein oder mehrere Kinder leben - brauchen die Unterstützung der gesamten Gesellschaft, manche mehr, manche weniger.
Massenarbeitslosigkeit betrifft überwiegend Frauen. Wer dafür eintritt, dass Frauen und Männer den gleichen ungehinderten Zugang zur Berufstätigkeit haben, muss die Möglichkeit schaffen, dass Berufstätigkeit und Kindererziehung miteinander vereinbar werden.
Das gilt für Alleinerziehende ebenso wie für in Partnerschaft Lebende.
Das Problem ist nicht, dass die öffentlichen Hände zu wenig Geld für die Förderung der Familien aufwenden würden. Nach sehr zurückhaltenden Berechnungen werden in Deutschland jährlich deutlich über 100 Milliarden € für Familien ausgegeben. Die mit diesem Geld verbundenen Leistungen sind aber unzureichend vernetzt und erreichen ihre Adressaten nicht immer. Bei der Verwaltung der Transferleistungen sollen die Familienbüros es den Eltern ersparen, von Pontius zu Pilatus zu laufen,
um sich das Geld abzuholen, das ihnen aus den verschiedenen Töpfen zusteht.
Aber Familienpolitik muss mehr sein als das Ausleeren des finanziellen Füllhorns. Sie muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, an der Bund, Länder, Gemeinden, öffentliche Einrichtungen, Wirtschaft, private Einrichtungen, gesellschaftliche Verbände und Einzelpersonen beteiligt sind. Kurzund langfristige Betreuungsangebote, Frühförderung, Vermittlung von Sprach- und Sozialkompetenz, familienkompatible Arbeitszeiten und Verkehrswege, aber auch der respektvolle und verantwortungsbewusste Umgang mit Senioren und Seniorinnen – all das lässt sich vernetzt besser organisieren. Daher ist die Initiative der früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, bundesweit die Gründung von lokalen Bündnissen für Familien angeregt zu haben, von denen es nach dem aktuellen Stand der Dinge bereits 405 gibt, nicht hoch genug einzuschätzen.
Wir haben vor wenigen Wochen unser Familienministerium gebeten, uns über den aktuellen Stand in Schleswig-Holstein Bericht zu erstatten. Ich danke der Frau Ministerin und ihren zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den jetzt vorgelegten Bericht, der Auskunft gibt über 13 Bündnisse, die in den ersten Kreisen aktiv sind. Inzwischen sind es ja, wie wir gerade vernommen haben, 15 Bündnisse. Dazu kommt in den Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen das Projekt „ChefSache Familie“. Dieses ist übrigens von den Gleichstellungsbeauftragten initiiert worden. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang einmal bitten, darüber nachzudenken, ob es nicht in Zukunft überhaupt eine Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten sein kann, Bündnisse für Familie aktiv zu begleiten.
Ich habe in den vergangenen Monaten nahezu alle Bündnisse besucht und Informationsgespräche geführt. Die Strukturen der Bündnisse sind unterschiedlich; die Zeit die ihnen zum Sammeln von Erfahrungen zur Verfügung stand, ist ebenfalls nicht bei allen identisch. Auch wenn die Ausstattung und damit die Arbeitsintensität nicht überall vergleichbar ist, denke ich, dass an jedem Standort wichtige Maßnahmen zur Familienförderung ergriffen werden konnten. Beispielhaft seien die Bündnisse in Flensburg und in Schleswig-Flensburg, aber auch in Kiel genannt. Ganz wichtig dabei ist die Einrichtung der Servicestelle für die lokalen Bündnisse im Familienministerium, die mit dem bundesweiten Servicebüro eng zusammenarbeitet.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir auch in den Regionen, in denen die Strukturen noch etwas mager sind, zur Einrichtung von lokalen Bündnissen gelangen könnten. Ich schlage vor, dass wir den Bericht der Landesregierung an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung überweisen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass wir heute über die Anmeldung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ sprechen können. Mein Dank gilt in erster Linie der Verwaltung. Lange Zeit hat es in der Föderalismuskommission danach ausgesehen, dass diese unverzichtbare Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder auf dem Altar der Entflechtung geopfert werden sollte. Letztlich hat hier Gott sei Dank die Vernunft gesiegt. Die GAK wurde nicht abgeschafft, sie bleibt bestehen.
So können Bund und Länder weiterhin auch in der neuen EU-Förderperiode ab 2007 dieses Kofinanzierungsinstrument nutzen, um Investitionen in der Landwirtschaft, im Küstenschutz und insgesamt für die ländlichen Räume in Deutschland zu unterstützen. Diese richtige Entscheidung sorgt weiterhin dafür, dass europäische Genehmigungsprozesse nicht durch jedes Bundesland, sondern durch den GAK-Rahmenplan einheitlich erfolgen können. Dies dient auch dem vom Grundgesetz geforderten Auftrag, in ganz Deutschland möglichst einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen - trotz aller föderalen Grundstrukturen.
Dieser Auftrag gilt nicht nur für die ländlichen Räume. Die GAK hat im Zuge der Weiterentwicklung der europäischen Politik eine wichtige Weichenstellung erfahren. Sie dient nicht nur mehr nur der Umsetzung einer ausschließlich nationalen Politik, sondern ist immer mehr an die europäischen Ziele angepasst worden und ist die zentrale Finanzierungsgrundlage, um europäische Fördermittel für den ländlichen Raum kozufinanzieren.
Dies führt zu einer erstaunlichen Hebelwirkung beim Einsatz von Landesmitteln. 1 € Landesmittel steuert der Bund in der Regel 1,5 € hinzu. Aus den europäischen Fördertöpfen der ELER-Verordnung wird in Zukunft der Zuschuss aus der GAK meist verdoppelt. Geht man von einer damit kombinierten GAK-EU-Förderung von 50 % einer Maßnahme aus, legen Private und Kommunen noch einmal die Hälfte dazu, um eine Investition tätigen zu können. Dies führt dazu, dass durch 1 € Landesmittel 10 € Investitionen ausgelöst werden. Es sollte daher in unserem gemeinsamen Interesse sein, dass die zur Verfügung stehenden GAK-Mittel weiterhin von Landesseite finanziert werden. Dies dient der Landwirtschaft, der Wirtschaft und allen Menschen in der ländlichen Region.
Angesichts begrenzter und in Zukunft noch weiter zurückgehender Bundesmittel sind wir auch auf Landesebene gezwungen, über die Zukunft von Fördermaßnahmen nachzudenken und Schwerpunkte zu verschieben. Genaueres werden wir erst wissen, wenn der Bund seinen Haushalt und damit auch die Mittel für die GAK endgültig beschlossen hat. Für meine Fraktion erkläre ich, dass wir in der dann ansetzenden Haushaltsberatung unseren Grundsatz, Förderung der Infrastruktur in den ländlichen Räumen nicht zulasten der einzelbetrieblichen Förderung der Landwirtschaft zu kürzen, nicht aus den Augen verlieren werden.
Der uns vorliegende Bericht der Landesregierung zur GAK stellt grundsätzlich die zu begrüßende Grundlage für die Fortsetzung unserer erfolgreichen Politik für die Zukunft der Förderpolitik in den ländlichen Räumen in Schleswig-Holstein dar. Mit 2007 sind laut Zweitem Rahmenplan Anmeldungen in Höhe von 56,5 Millionen € vorgesehen und mit Landesmitteln ausfinanziert.
Die interne Verwendung muss trotz der festgesetzten Korridore flexibel bleiben, um auf besondere Situationen reagieren zu können. So dürfen wir vor den Folgen des Orkans „Kyrill“ nicht die Augen verschließen, die zusätzliche Haushaltsmittel - auch des Landes - erforderlich machen werden. Wenn wir aus Berlin die Bereitschaft zur Bereitstellung weiterer Bundesmittel erhalten, werden wir das Thema im Ausschuss gezielt wieder aufrufen und beraten.
Ich bitte um Zustimmung zum Bericht der Landesregierung.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Staat tut nichts für Familien - ein beliebter Satz, den jeder von uns aus Wahlkämpfen, aus Talkshows, von Stammtischen und aus der Presse kennt. Tatsache ist, dass die öffentlichen Hände inzwischen mehr als 100 Milliarden € pro Jahr für die Unterstützung der Familien ausgeben. Dahinter steht ein Mix aus Fördermaßnahmen, die zum Teil, wie das Kindergeld, nach dem Gießkannenprinzip ausgezahlt werden, das allein mit 36 Milliarden € zu Buche schlägt. Hinzu kommen zahlreiche bedarfsabhängige Unterstützungsmaßnahmen sowie steuerliche Entlastungen und seit dem Januar 2007 anstelle des bisherigen Erziehungsgeldes auch das neue Elterngeld.
Das Problem ist nur, dass eine solche Vielzahl von Maßnahmen selbst für die Spezialisten schwer zu überschauen ist, erst recht für Bürgerinnen und Bürger, denen es oft schwerfällt, ihren Anspruch geltend zu machen, weil sie von der Rechtslage nichts wissen, und denen es oftmals nicht leichtfällt, an die Informationen über die verschiedenen Töpfe zu kommen, die ihnen offenstehen.
Das Ziel des Elterngeldes ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, und zwar durch Unterstützung beider Partner. Ich will es mir ersparen, hier sämtliche Bestimmungen des Bundeselterngeldes zu wiederholen, will aber doch die Gelegenheit nutzen, um auf einige wichtige Punkte nochmals hinzuweisen.
Das Elterngeld wird abhängig vom bisherigen Nettoeinkommen in einer Bandbreite zwischen 300 und 1.800 € gezahlt. Es wird nicht gegen andere soziale Transferleistungen wie ALG II angerechnet. Seine Laufzeit ist kürzer als die des bisherigen Erziehungsgeldes, was für Geringverdienende zu einer Schlechterstellung führen könnte, wie Kritiker befürchten, die mit einer Klagewelle gegen das Gesetz rechnen. Es wäre überhaupt nicht im Sinne der Sozialdemokraten, die im Bund und im Land Verantwortung tragen, wenn die Konsequenz des Elterngeldes eine Entlastung der öffentlichen Hände zulasten der finanziell Schwächsten wäre. Jedes neue Instrument muss also, wie es im Beipackzettel immer so schön heißt, auf Risiken und Nebenwirkungen hin evaluiert werden.
Angesichts mancher Unklarheiten und Befürchtungen ist eine kompetente Beratung aus einer Hand entscheidend. Wir begrüßen deshalb die Einrichtung des Landesfamilienbüros beim Landesamt für soziale Dienste mit vier Außenstellen, deren Schwerpunkt die Information zum Elterngeld ist. Wir müssen auswerten, ob dieses Angebot ausreichend ist. Wenn zum Beispiel die Außenstelle in Heide den kompletten Einzugsbereich von der dänischen Grenze bis zum Hamburger Rand zu bedienen hat, sind die Wege für eine persönliche Vorsprache für viele Bürgerinnen und Bürger sehr lang. Und wer fünfmal das Besetztzeichen am Telefon hört, ruft vielleicht kein sechstes Mal mehr an. Auf jeden Fall ist eine räumlich und inhaltlich bürgernahe Beratung der richtige Weg.
Wir unterstützen die Sozialministerin bei diesem wichtigen Projekt, über das wir uns regelmäßig im Sozialausschuss berichten lassen wollen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zunächst im Namen meiner Fraktion der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage, die nicht nur die Entwicklungstrends der Familien in unserem Land und die zahlreichen Aktivitäten zu ihrer Unterstützung darstellt, sondern auch zukunftsweisende Vorschläge formuliert.
Von einem Ende der Familie, wie es viele Pessimisten immer wieder prophezeien, kann keine Rede sein. Allerdings ändern sich die Lebensformen. Wir reden heute von Kernfamilien, Wohngemeinschaften, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, Einelternfamilien, Patchworkfamilien und eingetragenen Lebenspartnerschaften.
Gemeinsames Kriterium ist: Familie ist überall da, wo Kinder leben.
Die Handlungsoptionen der Politik stützen sich auf den Siebten Familienbericht des Bundes, über den wir hier schon früher gesprochen haben. Er lotet die sozialen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Familiengründung und für das Leben in Familien aus und stellt Vergleiche mit anderen europäischen Ländern an.
Zu den Botschaften dieses Berichtes gehören: Die Familie als Konzept ist im Wandel und steht in Konkurrenz zu nicht familiären Lebensmodellen. Noch immer sind Frauen viel stärker als Männer durch die Aufgaben in der Familie belastet. Immer mehr Ehen enden vor dem Scheidungsrichter. Immer mehr Familien müssen sich reorganisieren. Die innerfamiliäre materielle Unterstützung wird durch Senkungen der Realeinkommen und Renten beeinträchtigt, womit wir wieder in der Diskussion um das neue Modewort, das Prekariat, sind.
Kommunale und wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen die Erfolgschancen von Familien maßgeblich; das gilt aber auch umgekehrt. Zeitmanagement ist dabei einer der entscheidenden Faktoren. Die Lebenslaufmodelle in Deutschland erzeugen eine Rushhour, in der Berufsausbildung, Familiengründung und Berufstätigkeit so zusammenfallen, dass sie schwer zu bewältigen sind.
In Deutschland ist die Vorstellung, dass Kindererziehung eine Privatangelegenheit ist, immer noch tief verwurzelt. Eltern entwickeln eher ein schlechtes Gewissen, als dass sie Hilfe fordern. Nachbarn, Freunde, selbst Lehrer trauen sich oft nicht, sich einzumischen oder Unterstützung anzubieten. Dabei geht es nicht nur darum, dass Leute da sind, wenn etwas schiefgeht.
Das allermeiste, was Kinder und Jugendliche lernen, lernen sie weder von ihren Eltern noch von ihren Lehrern. Es gibt ein treffendes afrikanisches Sprichwort: Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen. - Ich glaube, dies ist ein wichtiger Gedanke.
Großfamilien, in denen mehr als zwei Generationen unter einem Dach leben, sind auf dem Rück
zug. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Großeltern ihre Kinder bei der Erziehung ihrer Enkel unterstützen. Und das wird sich in Zukunft durch den Trend zur späten Elternschaft dramatisch verschärfen. Wenn zwei Generationen hintereinander erst gegen Ende des vierten Lebensjahrzehntes Eltern werden, führt das dazu, dass die erste Generation nicht mehr wie früher im fünften oder zu Beginn des sechsten Jahrzehntes Großeltern wird, sondern gegen Ende des achten. Sie werden ihren Kindern kaum noch helfen können, sondern - ganz im Gegenteil - bereits Unterstützung und Betreuung von ihren Kindern in Anspruch nehmen. Das wird die mittlere Generation in eine Sandwich-Lage zwischen zwei Generationen bringen, die gleichzeitig von ihnen abhängig sind und sie finanziell, mental und organisatorisch überfordern. Hier entsteht Sprengstoff für das Verhältnis der Generationen.
Das Zusammenleben mit einem Partner und mit Kindern ist keine Fähigkeit, die von selbst vorhanden ist. Sie muss erlernt werden, aber die Familie gehört zu den wenigen Lebensbereichen, für die Vorbereitung und Qualifikation weder als notwendig noch als erforderlich angesehen wird. Dies verwundert umso mehr, wenn man bedenkt, dass bereits ca. 40 % aller Ehen scheitern und dass viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Die meisten Angebote der Familienbildung erreichen jedoch nur „Mütter und Väter aus der Mittelschicht, die in Städten wohnen“.
Um auch andere und letztlich wichtigere Zielgruppen ansprechen zu können, setzt man jetzt auf die Kindergärten: Hier könnte man erstmals alle Eltern erreichen und die Eltern von Kleinkindern wären auch noch am ehesten motiviert, ihre Erziehungskompetenzen zu verbessern. Ich halte dies für einen interessanten Weg.
Die Herausforderungen sind groß und verlangen hohe Investitionen. Sie verlangen nicht unbedingt die Erhöhung der bisherigen öffentlichen Mittel für die Familienförderung, sie verlangen aber ein Nachdenken darüber, ob wir diese Mittel richtig einsetzen. In Deutschland werden jährlich 111 Milliarden € für die Familienförderung ausgegeben. Dabei ist der kostenlose Schulbesuch noch nicht berücksichtigt. So geben wir für Kindergeld und Kinderfreibetrag 36,1 Milliarden € aus. Die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Krankenund Pflegeversicherung schlägt mit 13,4 Milliarden € zu Buche und die Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente wird mit 11,4 Milliarden € veranschlagt. Für die Kinderbetreuung werden ca. 12 Milliarden € und für die Kinder- und Ju
gendhilfe 9 Milliarden € ausgegeben und der Steuerzahler zahlt künftig für Elterngeld 4 Milliarden €.
Aber: Insgesamt gibt Deutschland im OECD-Vergleich mit 60 % einen vergleichsweise hohen Anteil seiner Familienförderung direkt an die Eltern. In Schweden liegt dieser Anteil lediglich bei 30 %. Gerade beim Kindergeld - ich weiß, dass ich jetzt einige von den Stühlen reiße -, einer Gießkannenförderung par excellence, stellt sich doch die Frage, ob eine bedarfsunabhängige Leistung noch Platz in unserem Sozialsystem hat.
Wenn ein Land familienfreundlich sein möchte, muss es ein verlässliches Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen - auch solche, die die Schule ergänzen - sowie Verlässliche Grundschulen und offene Ganztagsschulen schaffen und ausbauen.
Das war schon in der letzten Legislaturperiode ein Schwerpunktthema der Landesregierung, obwohl Defizite fortbestehen: Die Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren ist problematisch. Für Kinder von drei bis fünf Jahren fehlen in vielen Regionen Ganztagsplätze. Da werden wir noch große Anstrengungen unternehmen müssen, bis wir zufriedenstellende Ergebnisse haben.
Die große Vielfalt an Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hände für die Familien ist für die Bürger häufig verwirrend. Bündelung ist bürgerfreundlich und entbürokratisierend. Ich freue mich deshalb, dass die Regierung damit begonnen hat, Familienbüros in ganz Schleswig-Holstein einzurichten. Familienpolitik ist nicht das persönliche Hobby der Familienministerinnen in Bund und Ländern, sondern eine Querschnittsaufgabe der Politik
und der gesamten Gesellschaft; das zeigen auch die Antworten auf diese Große Anfrage.
Es ist notwendig, dass ein ganzheitliches Familienkonzept entwickelt wird, dass es eine Verständigung über familienpolitische Aufgaben zwischen Kommunen, Gewerkschaften, Arbeitgebern, freien Trägern und Eltern gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine bessere Balance von Familienleben und Arbeitswelt. Dazu gehören eine familienfreundliche Unternehmenskultur sowie eine familienfreundliche Tarif- und Arbeitsmarktpolitik. Das Land kann lediglich beraten und bei der Unterstützung von Projek
ten mitwirken. Gefragt sind hier mehr die Unternehmer. Familienfreundlichkeit ist Zukunftssicherung. Unternehmen und Verwaltungen müssen mehr dafür tun, dass gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Verpflichtungen in Beruf und Familie besser unter einen Hut bringen können.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schwierig. Gerade bei höher qualifizierten Tätigkeiten lassen sich Karriereorientierung und Familiengründung unter den deutschen Rahmenbedingungen nur mit hohen Kosten vereinbaren. Deshalb entscheiden sich immer mehr Akademiker und Akademikerinnen gegen Kinder. Dabei hat eine Studie der Prognos AG nachgewiesen, dass sich familienfreundliche Maßnahmen von Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten rechnen und zu Kosteneinsparungen führen. Außerdem profitieren der Staat und die sozialen Sicherungssysteme dadurch, dass mehr Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden, während gleichzeitig weniger Ausgaben für soziale Leistungen getätigt werden müssen. Das Projekt „Chefsache Familie“ ist hier beispielhaft.
Für heute danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und gehe davon aus, dass wir dieses wichtige Thema auch in Zukunft weiter aufmerksam diskutieren werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Karl-Martin Hentschel, du schaffst es, den Blutdruck schon am frühen Morgen hochzupowern. Behauptungen müssen jedoch nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Herr Ehlers hat ja sehr deutlich gesagt, wie wir im Hause in der Vergangenheit darüber diskutiert haben. Ich bin der Meinung, es spielt überhaupt keine Rolle, wer das beantragt. Entscheidend ist, dass wir darüber diskutieren.
Mein zweiter Hinweis: Wir haben die Akademie für ländliche Räume. In den vergangenen Monaten hat diese Akademie umfangreich über die Problematik ländlicher Raum, ELER-Verordnung, berichtet. Wir haben dort diskutiert; ich bin in den letzten Monaten auf mindestens sieben Veranstaltungen gewesen und muss zu meinem Bedauern sagen: Ich habe niemanden gesehen.
Ich stehe für meine Fraktion dafür ein, dass der ländliche Raum in all seiner Verschiedenheit auch in Zukunft eine eigenständige und starke Entwicklung - mit dem Partner Landesregierung an der Seite - nehmen wird.
In der letzten Förderperiode der Europäischen Union haben wir über das Programm „Zukunft auf dem Land“ eine Vielzahl von regionalen und kooperativen Planungs- und Entwicklungskonzepten angestoßen. Unser ländlicher Raum ist in Bewegung. Dies ist unser Bekenntnis zur Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume.
In über 100 ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen - LSEs - haben mehr als 80 % der Gemeinden die Chance ergriffen, ihre Stärken und Schwächen zu ermitteln und darauf aufbauend Entwicklungsziele zu formulieren, um dann konkrete Projekte umzusetzen. In der zweiten Stufe der LSEs wurden Themenschwerpunkte gesetzt in Demographie, Konversion, Tourismus, Stadt-Umland-Kooperation und Verwaltungsmodernisierung. Hier wurde der Grundstein zum Beispiel für die Verschmelzung der Gemeinden auf der Insel Fehmarn oder den touristischen Fernradwanderweg am Nord-Ostsee-Kanal gelegt. Auch die „Markttreffs“ in Schleswig-Holstein sind entwickelt und als bundesweit beispielhaftes Instrument ausgezeichnet worden.
Hier gibt es schon 20 Standorte und es sollen 50 werden. Diese Maßnahmen wollen wir erhalten und weiterentwickeln. Hierfür steht uns in SchleswigHolstein nun das „Zukunftsprogramm ländlicher Raum“ zur Verfügung. Der zentrale und zu begrüßende Leitgedanke lautet: Steigerung der Wirtschaftskraft und Beschäftigung, Verbesserung der Umweltqualität, des Bildungsstandes und der Lebensverhältnisse, um so die Verbesserung der Lebensqualität in den ländlichen Räumen insgesamt zu erhöhen.
In Schleswig-Holstein stehen für die neue Förderperiode im Vergleich zu 2007 nur noch 83 % der EU-Mittel zur Verfügung. Vor allem die originären Mittel aus der zweiten Säule sind fast auf die Hälfte zurückgegangen und konnten nur durch einen starken Anstieg der Mittel aus der obligatorischen Modulation teilweise kompensiert werden. Im Koalitionsvertrag mit der CDU haben wir hierzu vereinbart: Die Modulationsmittel sollen sowohl für die landwirtschaftlichen Betriebe über Agrar- und Umweltprogramme als auch zur Strukturverbesserung im ländlichen Raum verwendet werden. Die geplante interne Mittelverteilung des Ministeriums sieht vor, die europäischen Mittel für die integrierte ländliche Entwicklung in dieser Förderperiode stark zu kürzen, von cirka 66 Millionen € auf knapp 38 Millionen €. Parallel - das ist, glaube ich, ent
scheidend - sollen die Mittel im Bereich Umwelt und Landwirtschaft verstärkt werden, nämlich von cirka 40 Millionen € auf 62 Millionen €. So sehr wir Maßnahmen wie den ökologischen Landbau oder den Vertragsnaturschutz schätzen, dürfen wir nicht vergessen, die Infrastruktur in den ländlichen Räumen insgesamt - nicht nur in den landwirtschaftlichen Betrieben - zu fördern.
Wir stehen für eine leistungsfähige Landwirtschaft als Schrittmacher in den ländlichen Räumen. Ich bin mir sicher, dass der Slogan eines „Spiegel“-Artikels aus dem März dieses Jahres „Keine Zukunft für die Kuhzunft“ für Schleswig-Holstein anders als für viele Regionen in den neuen Bundesländer nicht gilt. Ob die vergleichsweise gute wirtschaftliche Situation der meisten landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein die vorgesehene massive Förderung zulasten der Gemeinden und Städte rechtfertigt, ist für mich auch angesichts der Warnung des Gemeindetags im Februar vor dramatischen Einbrüchen für die ländliche Entwicklung fraglich und wird Gegenstand der anstehenden Haushaltsverhandlungen sein.
Wir werden ab dem Jahr 2007 stärker als bisher vor Herausforderungen auf den Gebieten demographische Entwicklung, Verwaltungsstrukturreform, Schaffung von Arbeitsplätzen und Entwicklung des Tourismus stehen. Unsere Instrumente für die integrierte ländliche Entwicklung müssen hier genau und spezifisch Förderungen für die ländlichen Räume anbieten. Diese Fragen werden wir im Ausschuss noch intensiv diskutieren und ich hoffe, mit den Grünen zusammen auch zielführend.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Landesregierung für den vorliegenden Bericht und erweitere meinen Dank auch auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hierzu beigetragen haben.
Lassen Sie mich mit einigen allgemeinen Bemerkungen beginnen. - Unsere Volkswirtschaft ist auf große Bevölkerungszahlen angewiesen. Alle heutigen Planungen - ob für Autobahnen, Universitäten oder Flughäfen - rechnen kontinuierlich mit 80 Millionen Deutschen. Investitionen in Milliardenhöhe machen nur dann Sinn, wenn es gelingt, die Bevölkerungsschrumpfung aufzuhalten. Das ist nicht nur für das Rentensystem fatal, sondern für jede politische Planung.
100 Erwachsene haben heute noch 65 Kinder und 42 Enkelkinder. Jeder Dritte wird schon in der nächsten und jeder Zweite in der übernächsten Generation keine Nachkommen mehr haben, hat der Berliner Sozialforscher Meinhard Miegel ausgerechnet.
Für viele schrumpft damit der Begriff Zukunft auf die eigene Lebensspanne. Das hat - ich wiederhole es - Auswirkungen auf alle Bereiche der Politik und bringt Werteveränderungen mit sich: Warum soll ich ein Haus bauen, ein Unternehmen gründen, die Umwelt schützen, obwohl danach keiner mehr kommt?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Familie verändert sich, die traditionelle Kleinfamilie weicht immer häufiger neuen Formen des Zusammenlebens. Deshalb sage ich: Familie ist überall dort, wo Generationen Verantwortung füreinander übernehmen.
Schauen wir uns die unterschiedlichen Formen des Zusammenleben einmal genauer an, so erleben wir Single-Mütter, die mit einem neuen Freund zusammenleben, binationale Paare, die ihre Kinder in zwei Kulturen erziehen, die Enkel, die von den Großeltern erzogen werden, oder Mama und Papa, die in unterschiedlichen Städten leben.
Emnid ermittelte, dass für junge Deutsche im Alter zwischen 15 und 25 der Wunsch nach Familie auf Platz eins ihrer Wünsche steht. Auf die Frage, an wen sie sich wenden, wenn Sie Probleme haben, kam die Antwort: „An die Eltern“. Auf die Frage: „Was nehmen Sie sich für das nächste Jahr vor?“, ermittelte Forsa 2001 bei 36 % der Befragten:
„Mehr Zeit für die Familie.“ - Hier klaffen Sehnsucht und Wirklichkeit stark auseinander.
Der Wunsch nach Familie ist also ungebrochen, doch die Formen haben sich verändert. Wir reden heute von Stieffamilien, Fortsetzungsfamilien, Mehrgenerationenfamilien, Patchworkfamilien oder Regenbogenfamilien. Wer die Gene mit wem teilt, ist für viele genauso unwichtig wie der gemeinsame Nachname. Das mag man beklagen, doch es ist Realität. Wir als Politiker haben uns dieser Realität zu stellen.
Familienpolitik drückt schon als Wort ein Spannungsverhältnis aus. Die Familie ist sozusagen die Grundeinheit der Gesellschaft, aber keine staatliche Einrichtung. Das wollen wir auch nicht ändern. Aber gleichzeitig machen wir in vielen Bereichen die Erfahrung, dass sich die Familie nicht nur in ihren Strukturen, sondern auch in ihren Aufgabenwahrnehmungen wandelt - und nicht immer nur zum Guten.
Besonders die Lehrerinnen und Lehrer wissen ein Lied davon zu singen, dass die Schule, also eine öffentliche Einrichtung, heute vielfach Aufgaben wahrzunehmen hat, die viele Familien nicht mehr leisten können, manchmal allerdings auch nicht mehr leisten wollen. Die Startchancen ins Leben sind sehr unterschiedlich verteilt, je nachdem, in was für ein familiäres Umfeld ein Kind hineingeboren wird.
Wenn manchmal behauptet wird, es würde in Deutschland finanziell zu wenig für die Familien geschehen, hat das mit den Realitäten nichts zu tun. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage vom 27. Februar 2006 dargelegt, dass die öffentlichen Hände - also ohne Einrechnung der Familienleistungen der privaten Arbeitgeber - bereits im Jahr 2002 rund 150 Milliarden € für die Förderung von Familien ausgegeben haben, also ungefähr zehneinhalbmal unseren kompletten Landeshaushalt. Das entspricht etwa 4,5 % des Bruttoinlandsproduktes. Am Geld kann es also nicht liegen, sondern daran, dass wir es - anders als andere Länder; das wurde schon gesagt - nicht effizient genug einsetzen.
Die Länder, die einen besonders hohen Anteil an berufstätigen Frauen haben, haben höhere Geburtenraten als diejenigen, in denen - wie in Südeuropa - noch das alte Modell des allein verdienenden Vaters stark vertreten ist. Wenn sich also hier und da bereits wieder Stimmen regen, die das Allheilmittel für die Massenarbeitslosigkeit in einem Rückzug der Frauen aus der Erwerbstätigkeit sehen, wird dies durch die nackten Zahlen nicht gestützt.
Die gigantischen öffentlichen Transferleistungen für Familien müssen stärker gebündelt werden. Frankreich hat mit einer Familienkasse gute Erfahrungen gemacht, die die Transferleistungen gebündelt ausschüttet. Je komplizierter und je zersplitterter Verwaltungsabläufe sind, umso weniger werden sie diejenigen erreichen, für die sie eigentlich gedacht sind.
Familie ist nicht mehr nur da, wo ein Ehepaar ein oder mehrere Kinder hat. Mit Recht definiert der Bericht der Landesregierung:
„Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen. Familie beinhaltet auch die Großelterngeneration und die Generationenbeziehungen insgesamt.“
Mehrgenerationenhäuser könnten in relativ kurzer Zeit helfen, die Situation zu entschärfen. Wenn mehrere Generationen zusammenleben, erlernen sie nicht nur soziale Kompetenz, sie sparen auch eine Menge Geld, zum Beispiel bei der Tagesbetreuung. Die älteste Generation kann selbstständig im eigenen Haushalt leben. Wenn die Kräfte nachlassen, helfen die Jüngeren. Natürlich ist dieses Modell nicht auf alle Menschen übertragbar, aber dort, wo es funktioniert, ist es ein großer Gewinn. Die Bundesregierung hat ein Bundesmodellprogramm angekündigt und ich begrüße es sehr, dass die Landesregierung diese Initiative unterstützen wird.
Familienpolitik muss in erster Linie darauf abzielen, ungleiche Chancen auszugleichen und Familien dabei zu helfen, das zu leisten, was ihre Kinder mit Recht von ihnen erwarten können. Deshalb freue ich mich über die Aussagen in dem uns vorliegenden Familienbericht. Hier wird deutlich, dass die Landesregierung bemüht ist, Familienpolitik weiterzuentwickeln und in Teilen neu zu gestalten, sei es durch den Aufbau eines bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Angebots an Bildung, Erziehung und Betreuung, die Sicherung einer familien- und kinderfreundlichen Infrastruktur oder den Ausbau der Unterstützung für Familien sowie die Stärkung der Familienkompetenz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit vielen Jahren beschäftigen sich Fachleute mit diesem Thema. Schon 1974 verlangte SPD-Familienministerin Katharina Focke ein „Umverteilungssystem zugunsten der Familie und der Kinder“. 1986 forderte Heiner Geißler die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Doch nach wie vor bestehen immer noch große Probleme. Gefragt sind deshalb intelligente Lösungen wie gute und verlässliche Ganztagsbetreuung und Freizeitangebote für alle Kinder, auch für unter
Dreijährige und für Schulkinder bis zum Schulschluss und während der Ferien. Wer Kinder erzieht und Alte pflegt, muss steuerlich entlastet werden - egal, wer mit wem verheiratet oder blutsverwandt ist.
Mediation und Beratung für alle Scheidungsfamilien sind genauso erforderlich wie Stadtplanung und Wohnungsbaupolitik, die die Bedürfnisse neuer Familien berücksichtigen müssen.
Der familienfreundliche Umbau der Arbeitswelt Betriebskindergarten, flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit - sollte von allen Beteiligten mit aller Kraft vorangetrieben werden.
Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass Bund, Land und Gemeinden die Familien nicht allein lassen und dass in zunehmendem Maße die private Seite die Frage der Familienverträglichkeit aufgreift. Wir als Land gehen mit unserer Koalitionsvereinbarung, eine Familienverträglichkeitsprüfung bei Kabinettsvorlagen einzuführen, mit gutem Beispiel voran.
Bundesweit wurden bereits mehr als 300 lokale Bündnisse für Familien gegründet, davon - wie wir hörten - elf bei uns in Schleswig-Holstein. Ich bin gerade dabei, alle zu besuchen, und ich kann Ihnen das nur anraten. Dort können Sie ganz viel zum Thema Familienpolitik lernen.
Gern würde ich noch auf die Themen „finanzielle Förderung von Familien“, „Schuldnerberatung“, „gesundes und gewaltfreies Aufwachsen von Kindern“ sowie „Welcome“ eingehen, doch mir fehlt die Zeit. Fakt ist: Es gibt eine große Anzahl an Unterstützungsstrukturen für die Familien. Dennoch muss die Diskussion auf allen Ebenen der Politik darüber weitergehen, ob wir noch geeignete Transfermechanismen haben und an welchen Stellen wir umstellen müssen.
Mit Recht konstatiert der Bericht der Landesregierung: „Familienpolitik ist Querschnittspolitik“. Weder Wirtschaft noch Bildungswesen können agieren, ohne die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und ihrer Veränderungen auf die Familien auszuloten.
Ich hoffe, dass dieser Bericht ebenso wie der der Bundesregierung die Diskussion darüber mit neuen Impulsen versieht, und beantrage, ihn federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Wirtschafts- und den Bildungsausschuss zu überweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Blick in die Medien zeigt: Familienpolitik ist hoch im Kurs. So etwas birgt regelmäßig die Gefahr, dass es sich um ein Strohfeuer handelt. Und dieser Verdacht wächst, wenn ich mir die plötzliche Überaktivität im Hause ansehe. In den vergangenen Wochen sind viele Initiativen auf den Weg gebracht worden: In der 13. Tagung wird die Regierung über ihre familienpolitischen Aktivitäten berichten. Im Sozialausschuss wurde ein Berichtsantrag über die Vermeidung gesundheitlicher Schäden und Gesundheitsstörungen bei Kindern beschlossen, der natürlich auch die Familie umfasst. Die CDU hat eine Große Anfrage zur Familienpolitik in Schleswig-Holstein eingebracht. Die Grünen haben nun für die 14. Tagung ebenfalls einen Bericht beantragt.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn wir unsere eigenen Berichtsanträge ernst nehmen und sie nicht als Beschäftigungstherapie für die Verwaltung betrachten, sollten wir doch erst einmal alle Berichte abwarten und dann sehen, welche konkreten Maßnahmen sich daraus ergeben.
Der vorliegende Antrag gibt mir allerdings die Gelegenheit, einige Grundzüge unserer Familienpolitik darzulegen: Deutschland hat zu wenige Kinder. Wir verzeichnen eine hohe Kinderlosigkeit vor allem der besser gebildeten Männer und Frauen und
wir stellen einen negativen Rekord auf, was Familien mit mehreren Kindern angeht, eine bei uns fast aussterbende Form der Familie. Unser Land ist nicht kinderfeindlich, es ist kinderentwöhnt.
Unsere Gesellschaft und immer mehr junge Frauen und Männer halten Kinder nicht mehr für einen unverzichtbaren Bestandteil des Lebens. Zugleich ist die Familie für die meisten Menschen der wichtigste Bereich im Leben, in dem sie Rückhalt und Zuwendung finden.
Völlig klar, eine Entscheidung gegen Kinder muss respektiert werden und die schrecklichen Vorfälle der letzten Zeit müssen uns deutlich machen, dass einem Kind nichts Schlimmeres passieren kann, als ungewollt und ungeliebt geboren zu werden und schließlich auch materiell und seelisch unversorgt und misshandelt aufwachsen zu müssen.
Aber die Entscheidung für Kinder darf nicht daran scheitern, dass die von der Gesellschaft zu schaffenden Rahmenbedingungen nicht da sind.
Im „Spiegel“ las ich, sechs junge CDU-Bundestagsabgeordnete setzten sich wieder für das alte, traditionelle Bild der Familie ein. Dazu sage ich: Meine Herren, dass ist mit uns, den SPD-Frauen, nicht möglich. Wir wollen beides; wir wollen Zeit haben für unsere Kinder und wir wollen Beruf und Familie in eine gute Balance bringen.
Die SPD-Fraktion verfolgte in der rot-grünen ebenso wie in der Großen Koalition erfolgreich das Ziel, den Ausbau einer quantitativen und qualitativen Kinderbildung und -betreuung voranzubringen. Wir reden nicht nur darüber, wir handeln auch, und zwar mit einer Mischung aus familienfreundlicher Infrastruktur, zeitlichen Möglichkeiten und finanziellen Rahmenbedingungen.
Wir setzen uns gemeinsam mit starken Partnern aus Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft für eine familienbewusste Arbeitswelt ein. Ihr Eckpfeiler ist ein gutes Angebot an Kinderbetreuung. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz soll bis 2010 230.000 zusätzliche Plätze für unter Dreijährige in Krippen und bei der Tagespflege schaffen. Wir haben die notwendige Qualitätsinitiative für Betreuungseinrichtungen gestartet. Der Dreiklang aus Bildung, Betreuung und Erziehung steht im Mittelpunkt. Diese Ziele sind auch im „Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“ verankert und seit Jahren im schleswig-holsteinischen Kita-Gesetz festgeschrieben. Der Aktionsplan hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt und
zu Recht seinen Platz im Koalitionsvertrag gefunden.
Die Verbindung von Elterngeld und mehr Kinderbetreuung wird eine drastische Senkung von Familienarmut ermöglichen. Wenn junge Frauen nach der Geburt eines Kindes zunächst für ein Jahr ausscheiden, das Elterngeld den Einkommenseinbruch auffängt und sie danach eine gesicherte und bezahlbare Kinderbetreuung vorfinden, wird es viel weniger Familien geben, die von nur einem Einkommen oder nur aus Transfermitteln leben müssen. Das ist das Ziel.
Durch die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten wird ein Hemmnis beim Wiedereinstieg junger Eltern, insbesondere Mütter, in den Beruf gemildert. Diese Maßnahme trägt auch zu unserem Ziel bei, die Anreize zur Erwerbstätigkeit von Müttern zu stärken. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit muss gerade auch für geringer Verdienende, darunter sind häufig Alleinerziehende, attraktiver werden. Wenn sie die Betreuungskosten für ihre Kinder von Anfang an steuerlich absetzen können, lohnt sich eine Erwerbstätigkeit eher, als wenn der größte Teil des Gehaltes unwiederbringlich in die Kinderbetreuung fließt.
Wenn wir Beitragsfreiheit für Kindertagesstätten, übrigens eine alte SPD-Forderung, anstreben, wäre das ein weiterer wichtiger familien- und bildungspolitischer Schritt, eine konsequente Verbindung von Bildung und Betreuung.
Die Finanzierung kann nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen gelingen. Aber wir müssen ehrlich sagen, dass dies angesichts der Verschuldung unseres Landes aktuell nicht realistisch ist. Dennoch gewährt das Land den Trägern von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen pauschale Zuschüsse. Insgesamt sind für die Jahre 2006 bis 2010 300 Millionen € eingeplant. Für die vorschulische Sprachförderung werden in diesem Zeitraum insgesamt 27 Millionen € veranschlagt. Dies ist eine gewaltige Kraftanstrengung, doch wir werden dies umsetzen.
Da sind vorläufig Wünsche für den beitragsfreien Kindergarten nicht realisierbar. Zumindest kann ich nicht erkennen, woher das Land den Eigenanteil, der vom Bund automatisch gefordert werden würde, aufbringen soll.
Meine Damen und Herren, Kinder, die heute in Armut leben, bleiben arm und auch ihre Kinder werden arm sein. Das geht aus der neuesten Studie der Arbeiterwohlfahrt über Kinderarmut in Deutschland hervor. Dem Kreislauf von Armut durch Einkommensbenachteiligung sowie verminderten Bil
dungschancen ist nur schwer zu entkommen. Die Armut und ihre Folgen haben sich verfestigt, der gesundheitliche Zustand der Kinder oft verschlechtert und aus den Einzelgängern, die häufig bereits im Kindergarten arme Kinder waren, sind in der Grundschule Außenseiter geworden. Aus der Armutsfalle auszubrechen, gelingt nur selten, weil auch die Bildungschancen armer Kinder deutlich geringer sind. Auch dies trägt zu den PISA-Ergebnissen bei.
Haushaltskürzungen kann es hier nicht geben. Um den Lehrerbedarf zu decken und um Verbesserungen im Unterrichtsangebot zu ermöglichen, werden wir auch in den nächsten Jahren neue Lehrerstellen schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat kann nur die Mittel verteilen, die ihm auch zur Verfügung stehen. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist interessant und wenn ich nicht schon länger hier im Landtag sitzen würde, wäre ich sicherlich auch beeindruckt. Doch nun stelle ich nur fest: Er ist überaus populistisch. Die Feststellung in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass Schleswig-Holstein erheblichen Nachholbedarf bei der institutionellen Kinderbetreuung habe, werden wir nach den Berichten beurteilen und nicht jetzt.
Aus der Opposition heraus kann man leicht Forderungen stellen, die nicht bis ins Detail ausgefeilt sind. In Koalitionen werden Kompromisse gemacht. Das wissen wir alle nur zu gut. Aber Kompromisse verdammen nicht zum Nichtstun. Deshalb können wir Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Ihrer Verantwortung nicht entbinden. All diese Forderungen, die Sie in den letzten Wochen auf den Tisch gelegt haben, hätten Sie, als Sie verantwortlich waren, durchsetzen können. Sie haben noch nicht einmal den Versuch gemacht, weil Sie damals eingesehen haben, dass dies nicht finanzierbar ist. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Wir haben uns für die nächsten Jahre in der Familienpolitik viel vorgenommen. Etliches ist schon auf den Weg gebracht, anderes wird folgen. Am Ende des Weges - davon bin ich fest überzeugt - wird dieses Land eine Familienpolitik haben, die nicht nur eine sozialdemokratische Handschrift trägt, sondern auch eine für junge Menschen attraktive Form hat. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden sich wieder viel mehr Frauen und Männer
für Kinder und Familie entscheiden. Davon bin ich fest überzeugt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Familie ist derzeit in aller Munde. Kein Medium, kein Verband, keine Partei, die nicht auf die Notwendigkeit von Familienförderung hinweisen. Zu Recht; denn Familienpolitik ist kein „weiches“ Thema, sondern die Schnittmenge zwischen Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik.
Wir betonen immer wieder - in den meisten Fällen ist es auch so -, dass die Familie der Ort ist, an dem Solidarität, Verantwortungsbewusstsein und -bereitschaft, Teamgeist und Zuverlässigkeit gelernt und eingeübt werden. Das ist konkreter, als es zunächst klingen mag; denn unsere Gesellschaft - einschließlich der Wirtschaft - hat auf ihrem Weg zu einer Informationsgesellschaft den unverzichtbaren Wert der Sozialkompetenz längst entdeckt.
Doch es gibt auch Probleme, Sorgen, Nöte, Unwissenheit und Überforderung in Familien. Es müssen nicht immer die grässlichen Fälle sein, die ständig durch die Medien gehen, in denen Kinder vernachlässigt, misshandelt, missbraucht und getötet werden. Es genügt schon, uns vor Augen zu halten, dass die Probleme, mit denen unsere Schulen tagtäglich zu kämpfen haben, damit zu tun haben, dass etliche Familien heute Aufgaben auf die Schule abwälzen, die früher ihre eigenen waren.