Regina Kopp-Herr
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin geneigt, zu fragen: Haben wir denn heute schon wieder Murmeltiertag? – Die letzte Debatte zu dem Thema „Landesbeamtengesetz“ haben wir vor etwa sechs Wochen an dieser Stelle geführt, damals zu dem FDP-Antrag „Keinen Landesbeamten zurücklassen“. Heute ist es der Gesetzentwurf der CDU zur Änderung des Landesbeamtengesetzes, hier insbesondere § 19 Abs. 6 betreffend.
Zur Erklärung: Die Regelung in § 19 Abs. 6 setzt einen Prozess in Gang, der die strukturelle Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst, besonders in höheren Besoldungsämtern, aufheben soll. Gebetsmühlenartig ist dieser Paragraf von CDU und FDP in den letzten Monaten immer wieder zum Gegenstand von parlamentarischen Debatten gemacht worden; sie lehnen ihn ab. Es entsteht der Eindruck, dass Frauenförderung im öffentlichen Dienst für CDU und FDP Teufelszeug ist.
Genauso gebetsmühlenartig verweisen wir auf das Gutachten von Prof. Papier, auf dem die Regelung in § 19 Abs. 6 des Landesbeamtengesetzes beruht. Er kommt nämlich zu dem Schluss, dass ein schonender Ausgleich zwischen Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz verfassungskonform ist. Das haben Expertinnen und Experten in den verschiedenen Anhörungen deutlich gemacht. Das lässt sich alles in den Protokollen der Anhörungen zur Dienstrechtsmodernisierung und zur Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes nachlesen. Gerade die Anhörung zum CDU-Gesetzentwurf zeigt deutlich, dass dieser der Frauenförderung überhaupt nicht gerecht wird.
Dass wir dem nicht zustimmen werden, darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nicht überraschen. Wir arbeiten lieber gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst und werden so unserer Vorbildfunktion gerecht. Wir sind der Überzeugung, mit der Dienstrechtsmodernisierung und mit der Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes genau die richtigen
Gesetze verabschiedet zu haben. Mit anderen Worten: Für uns sind sie verfassungsgemäß. Prof. Battis hat uns in seinen Stellungnahmen immer wieder darin bestärkt und uns ermutigt, das Landesbeamtengesetz und das Landesgleichstellungsgesetz im Interesse der Gleichstellung zu schärfen und das, wenn nötig, vor Gericht durchzufechten. Es ist sicher: Wir werden gewinnen.
Deshalb sehen wir dem Normenbestätigungsverfahren ausgesprochen optimistisch entgegen.
Nochmals: Wir folgen der Beschlussempfehlung des Innenausschusses und lehnen den CDU
Gesetzentwurf ab. Gleiches gilt für den vorhin vorgelegten Entschließungsantrag der FDP. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Witzel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich habe von Ihnen in vielen Auseinandersetzungen gehört, die wir zu dem Thema geführt haben, dass Sie gegen
§ 19 Abs. 6 sind. Was ist denn Ihre Strategie für eine Frauenförderung, wenn Sie den streichen wollen?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Frauenquote“ lässt sich als Dauerbrenner hier im Plenarsaal des Landtags bezeichnen, seit der Debatte zur Dienstrechtsmodernisierung des Landesbeamtengesetzes
und des Landesgleichstellungsgesetzes.
Mit Vehemenz bekämpft gerade die FDP-Landtagsfraktion die Förderung und Beförderung von Frauen im öffentlichen Dienst. Sie scheut sich nicht, zu behaupten, dass schlechter qualifizierte Frauen besser qualifizierten Männern gegenüber zu privilegieren sind.
Vielleicht hören Sie einfach mal einen kleinen Augenblick zu.
Ja, dass Sie zuhören, Herr Brockes, das wäre nett.
In einem persönlichen Anschreiben von Herrn Lindner, das meine Fraktion und mich heute Morgen erreichte, wird auf das Rechtsgutachten von Herrn Prof. Oebbecke verwiesen. Herr Prof. Oebbecke kommt zu dem Ergebnis – so schreibt es Herr Lindner –, dass das nordrhein-westfälische Beförderungsrecht formell verfassungswidrig sei. Beförderungen seien nach bundesgesetzlicher Regelung nur nach Qualifikation ohne Rücksicht auf das Geschlecht vorzunehmen.
Nun bin ich keine Juristin, aber ich erlaube mir hin und wieder einen Blick in unser Grundgesetz. Ganz besonders fällt mein Blick auf Art. 3 Abs. 2, der lautet:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Nach unserer Auffassung sind Frauen im öffentlichen Dienst strukturell benachteiligt. Auch Prof. Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, kommt zu dem Schluss, dass es rechtlich geboten sei, einen schonenden Ausgleich zwischen zwei gleichrangigen Staatszielen herzustellen, nämlich zwischen dem oben zitierten Art. 3 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2, der beschreibt, dass jeder und jede Deutsche „nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“ hat.
Genau diese Tatsache haben die regierungstragenden Fraktionen an dieser Stelle bereits so häufig vorgetragen, dass wir uns die Fransen, die wir uns dabei an den Mund geredet haben, schon um die Füße wickeln können.
Wenn Sie, liebe FDP, sich § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz einmal genau anschauen würden, dann würden auch Sie begreifen, dass die dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweisen muss.
Kurz gesagt: Wir halten die im vergangenen Jahr durchgeführten Änderungen für verfassungskonform und politisch geboten.
Das möchte ich auch in Richtung der CDU-Fraktion sagen. Wir haben Ihren Entschließungsantrag zur Kenntnis genommen, und wir kennen die Stellungnahmen von Herrn Dr. Heidebach und Herrn Prof. Battis zu Ihrem Gesetzentwurf. Beide Stellungnah
men bekräftigen unsere Auffassung, dass der schonende Ausgleich – ich habe es gerade schon erwähnt – zwischen Art. 3 und Art. 33 des Grundgesetzes, der über § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz hergestellt wird, verfassungskonform und politisch geboten ist.
Im Übrigen, liebe CDU-Fraktion, hat selbst der Deutsche Beamtenbund Ihren Gesetzentwurf als nicht zielführend und im Ergebnis nicht gelungen abgelehnt. 68 Jahre – fast, noch nicht ganz – nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist die tatsächliche Gleichberechtigung in der Gesellschaft und damit auch im öffentlichen Dienst immer noch nicht in Gänze umgesetzt. Es ist unsere politische Aufgabe, darauf hinzuwirken; und es ist nach 68 Jahren auch allerhöchste Zeit.
Als Mitglied der SPD weiß ich, dass wir uns seit mehr als 100 Jahren für die Gleichberechtigung einsetzen, und wir sind nicht bereit, auch heute nicht, mit unseren Ansprüchen dahinter zurückzutreten. Neue Gesetze, auch solche für mehr Gleichberechtigung, sorgen für Veränderungen. Veränderungen werden nicht immer gerne gesehen. Das kennen wir alles schon. Aber neue Gesetze können in ihrer Anwendung für einen Bewusstseinswandel sorgen. Das ist das Ziel.
Deshalb nochmals: Wir halten unsere politische Bewertung und Entscheidung des schonenden Ausgleichs zwischen den Art. 3 und 33 des Grundgesetzes für richtig. Deshalb, liebe FDP, werden wir Ihrer Einladung, uns Ihrer Normenkontrollklage anzuschließen, nicht entsprechen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Abend hatte der Arbeitskreis der SPD-Landtagsfraktion Frauen, Gleichstellung und Emanzipation zu
einem Landtagstalk „Frauen und Digitalisierung“ eingeladen. Frau Prof. Schwarze, Vorsitzende des Trägervereins des Kompetenzzentrums Technik, Diversity und Chancengleichheit, referierte zum Thema „Frauen und Digitalisierung“.
Ein erstes, ganz knappes Fazit des Abends lautet: Frauen kommen in der digitalen Welt bislang nur wenig vor. Die digitale Kompetenzentwicklung für Frauen ist unbedingt nötig. Dazu benötigen die Frauen die entsprechenden Angebote.
Deshalb ist es richtig, hier einen Schwerpunkt des Emanzipationsbereichs zu setzen, denn es wäre sowohl für die persönliche wie auch für die berufliche Entwicklung der Frauen fatal, das Potenzial der Frauen unbeachtet zu lassen. Bei Letzterem können die „Kompetenzzentren Frau und Beruf“ eine wichtige Rolle übernehmen, denn sie haben sowohl die beruflichen Chancen von Frauen wie auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, besonders der kleinen und mittelständischen Unternehmen, im Blick.
In meiner Region, Ostwestfalen-Lippe, einer wirtschaftlich starken Region, ist das von herausragender Bedeutung, denn dort gibt es viele großartige familiengeführte mittelständische Unternehmen, die sich seit Längerem darüber im Klaren sind, dass die Potenziale von Frauen nicht abseits des Weges liegen bleiben dürfen. Für die Kompetenzzentren sind 3 Millionen € im Haushalt eingestellt; darüber hinaus werden sie über EFRE-Mittel und über einen Eigenanteil von Kommunen und Kreisen gefördert.
Ein weiterer Schwerpunkt im Haushalt – bei Frau van Dinther ist es gerade angeklungen – ist und bleibt die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Das ist ein sehr wesentlicher Punkt, denn uns allen ist bewusst, dass Formen der Gewalt in hohem Maße zu psychischen Folgebeschwerden und darüber hinaus zu einer Veränderung der Lebensbezüge von Gewalt betroffener Frauen führen.
Ich will jetzt nicht weiter darauf eingehen, dass Sie auch die Männer angesprochen haben. Männer werden auch Opfer von Gewalt; ob die von Ihnen vorgetragenen Zahlen so stimmen, werde ich nachschauen. Aber eins stimmt nicht, Frau van Dinther: Es gibt eine Beratungsstelle für von Gewalt betroffene Männer, zumindest in Bezug auf meine Heimatstadt Bielefeld kann ich das sagen. Dort gibt es die Beratungsstelle „man-o-mann“. Im Januar habe ich dort einen Termin. Vielleicht bekommen wir eine Abstimmung hin, Sie dürfen mich gerne dorthin begleiten. Ich lade Sie jedenfalls dazu ein.
Ich möchte noch einmal auf die Frauen zurückkommen. Eine nötige und selbstverständliche Gegenmaßnahme ist natürlich die Förderung von Frauenhäusern. Ich erinnere daran, dass wir von Rot-Grün die vierte Frauenhausstelle wieder eingeführt haben.
Zu den Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen zählen die anonyme Spurensicherung, Frauenberatungsstellen, aber auch – ein aktueller Bereich im Haushalt – die Emanzipation, die Förderung der Beratung und die Unterstützung traumatisierter weiblicher Flüchtlinge mit 1,75 Millionen € im Jahr. Insgesamt stehen für Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen 22,7 Millionen € im Haushalt.
Zum Bereich „Emanzipation“ gehört auch die Förderung der Politik für LSBTTI-Menschen – ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Emanzipationspolitik seit 2010. Der Aktionsplan gegen Homophobie und seine Fortschreibung zeigt auf, dass es uns seitens RotGrün ein wesentliches Anliegen ist, die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu erreichen. Damit beschreiben wir das Ziel, während der Aktionsplan die nötigen Schritte aufzeigt. Im Bereich LSBTTI sind die Vereine und Verbände wichtige Partner, die in Bezug auf Selbsthilfe, Coming-out-Arbeit und Beratung von Diskriminierungsopfern ausgesprochen wertvolle Arbeit leisten, die unsere Anerkennung und unseren Dank verdient. Diese Arbeit wollen wir unterstützen und stärken. Deshalb stehen für diesen Bereich 1,2 Millionen € im Haushalt.
Zusammengefasst: Jeder Euro aus dem Einzelplan 15 für den Bereich Emanzipation 2017 – nur für diesen Bereich spreche ich hier – ist gut investiertes Geld in die Förderung der beruflichen Chancen von Frauen, in die Bekämpfung der unterschiedlichen Gewaltformen gegen Frauen und die Arbeit für die Akzeptanz und Gleichstellung von Menschen mit LSBTTI-Hintergrund. Der Haushalt zeigt die Haltung der rot-grünen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen in diesem Politikfeld: Gleichstellungspolitik ist auch immer Gesellschaftspolitik. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte sagen: Je später der Abend, desto schöner die Gesetze.
Wir verabschieden heute die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes – eine Novellierung, die seitens der Gleichstellungsbeauftragten seit langer Zeit erwartet wird.
Das zurzeit noch gültige LGG hat sich zwar im Großen und Ganzen bewährt, es hat über die Jahre seiner Anwendung jedoch bemerken lassen, wo Änderungs- bzw. Verbesserungsbedarf besteht. Deutlich geworden ist das durch die regelmäßigen Gleichstellungsberichte der Landesregierung wie über Gespräche mit den Gleichstellungsbeauftragten. Wo liegt der Verbesserungs- bzw. Veränderungsbedarf?
In aller Kürze:
Erstens. Die Position der Gleichstellungsbeauftragten wird gestärkt. Sie erhält die Möglichkeit, externen Sachverstand hinzuzuziehen; sie erhält die Möglichkeit des KIagerechts, wenn sie nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch die Dienststelle in ihren Rechten verletzt wird, und sie erhält das Recht auf Fort- und Weiterbildung.
Zweitens. Die Weiterentwicklung der bestehenden Quotenregelung für Beförderungen und Höhergruppierungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, die Gleichberechtigung von Frau und Mann, nach dem Gutachten von Prof. Papier, aufgenommen in § 19 des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes, hier der Interessenausgleich zwischen Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 33 des Grundgesetzes, das Prinzip der Bestenauslese. Wir sehen hier keinen Widerspruch.
Drittens. Die Fortentwicklung der Quotenregelung für Gremien, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen.
Viertens. Der Gesetzentwurf präzisiert den Geltungsbereich des LGG, und er erhält eine Experimentierklausel als weitere Möglichkeit zur Umsetzung von Gleichstellungsplänen. Ziel der Novellierung des LGG ist, die strukturelle Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst rascher zu überwinden, was leider trotz des seit 17 Jahren zurzeit noch gültigen LGG nicht geschafft wurde. Das macht die Bestandsaufnahme von Prof. Papenfuß deutlich.
Mit der Novelle des LGG sind wir in NRW vorbildlich im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter im öffentlichen Dienst: eine Feststellung aus unserem rot-grünen Entschließungsantrag, ebenso wie die Forderung an die Landesregierung, die Umsetzung der LGG-Novelle auf allen Ebenen zu unterstützen und die angekündigte Handreichung, die Kommunen und anderen öffentlichen Trägern des öffentlichen Dienstes zur Verfügung stehen soll, rasch zu erarbeiten.
Hervorheben möchte ich § 4 LGG, in dem normiert ist, auf die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu achten. Auch die kommunalen Spitzenverbände sind für uns wichtige PartnerInnen bei der Umsetzung der Novellierung.
Nun liegen neben unserem Entschließungsantrag auch noch Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU und FDP vor. Ein wenig erstaunt bin ich schon darüber; denn wir haben einen langen Gesetzgebungsprozess hinter uns. Er begann am 8. März dieses Jahres mit dem Tag der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs. Noch während der internen Verbändeanhörung fand eine erste Diskussion beim DGB in Düsseldorf statt, an dem Vertreterinnen und Vertreter
fast aller hier im Landtag vertretenen Parteien auf dem Podium beteiligt waren.
Die erste Lesung fand vor der Sommerpause statt. Wir haben die Anhörung vor der Sommerpause beschlossen; stattgefunden hat sie am 7. September 2016. Ende September erfolgte dann die Auswertung der Anhörung. Vor einer Woche haben wir im Fachausschuss die Beschlussempfehlung für heute gefasst. Erst da hat Frau van Dinther zu erkennen gegeben, dass wir für heute mit einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion zu rechnen haben.
Auf den lange zurückliegenden Beratungsprozess und darauf angesprochen, warum nicht eher im Verfahren eine inhaltliche Debatte seitens der CDU stattgefunden hat, hat Frau van Dinther geantwortet, sie hätte mit einem möglichen Änderungsantrag keine Hoffnung auf Erfolg gesehen.
Nun, für die heutigen Entschließungsanträge von CDU und FDP stimmt das. Ich kann nicht sagen, wie es gewesen wäre, wenn die Anträge früher im Verfahren eingegangen wären. Sie, liebe Kolleginnen von CDU und FDP aus dem Fachausschuss, haben sich und uns die Möglichkeit, das herauszufinden, nicht eingeräumt. Dabei haben Sie doch vorhin während der Haushaltsberatungen betont, dass wir gerade in jenem Ausschuss häufig zu parteiübergreifenden Beschlüssen kommen.
Jetzt, kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes, mit inhaltlichen Entschließungsanträgen um die Ecke zu kommen, wirkt auf uns wie ein Feigenblatt, ganz nach dem Motto: Wir sind ja für die Gleichstellung, hätten aber gerne noch hier dies und dort das. Leider stimmen die regierungstragenden Fraktionen unseren Änderungsanträgen aber nicht zu;
sie sind nicht darauf eingegangen. So können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Ja, gut. Dann ist das so. Wir stimmen dem Gesetzentwurf nach einem langen, gründlichen, konstruktiven und erfolgreichen Beratungsprozess für mehr Gleichstellung im öffentlichen Dienst von Frauen und Männern zu.
Herr Witzel, Sie haben ja gleich noch die Möglichkeit, zu sprechen. – Danke schön.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich morgens meine Tageszeitung lese und mir begegnen dann „Politiker“, „Bürger“ und „Erzieher“, dann frage ich mich: Wo bleibe ich denn hier eigentlich? – Ich komme nicht vor.
Denn ich bin weder Politiker noch Bürger und auch nicht Erzieher. Ich bin Politikerin, Bürgerin, keine Erzieherin – das ist der Beruf meiner ältesten Tochter.
Ich bin kein Mann, sondern eine Frau. Genauso wird es den Menschen ergehen, die sich keinem Geschlecht zuordnen. Sie kommen erst gar nicht vor. Das nur als Vorbemerkung.
Liebe FDP, Ihr Antrag ist sowohl lächerlich als auch überflüssig.
Wissen Sie was? – Ich kann noch viel lauter. Ich habe hier schon einmal gesagt, ich habe vier Kinder und mehr als 40 Jahre Chorerfahrung. Was glauben Sie, wie das die Stimme und die Lunge schult?
Sie beziehen sich unter anderem auf die sogenannten lächerlichen Vorschläge der Linken Jugend aus Flensburg, Büromaterialien sprachlich zu gendern. Der Antrag fand Gott sei Dank auch bei den eigenen Leuten der Linken in Flensburg keine Mehrheit.
Er fand aber lächerliche Aufmerksamkeit dort im Rathaus.
Der FDP-Antrag und ebenso der Antrag der Linken Jugend Flensburg erweisen der Entwicklung, Anwendung und Akzeptanz einer geschlechtergerechten und geschlechterbewussten Sprache einen Bärendienst.
Sie geben sie der Lächerlichkeit und der Nichternsthaftigkeit preis. Das können wir nicht hinnehmen. Gott sei Dank gibt es aber genügend Institutionen wie Universitäten und Hochschulen, Ministerien und Kommunen, die schon lange die Bedeutung und die Wichtigkeit einer geschlechtergerechten Sprache erkannt haben. Ihnen ist klar, dass alle Menschen angesprochen werden wollen. Deshalb ist eine geschlechtergerechte Sprache auch immer eine respektvolle Sprache.
Das passt ja sehr gut zum Thema der nächsten Woche.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.
Das lässt sich in den vielen Handlungsempfehlungen und Leitfäden nachlesen, die es zur Anwendung einer geschlechtergerechten und geschlechterbewussten Sprache gibt. Alle beginnen im Vorwort mit der Erklärung, dass Sprache nicht nur das wichtigste Verständigungsmittel ist, sondern gleichzeitig auch Spiegel unseres Denkens und Bewusstseins.
So habe ich viel Sympathie für den Beschluss des grünen Bundesparteitages 2015, den Gender-Star oder das Gender-Sternchen konsequent anzuwenden.
Dadurch und durch das Nutzen von Paarformulierungen ebenso wie durch die Möglichkeit der geschlechterneutralen Ausdrucksweise lassen sich Texte erstellen, in denen sich alle Menschen wiederfinden. An die veränderte Lesbarkeit der Texte werden wir uns schnell gewöhnen. Denn Menschen sind ja bekanntlich Gewohnheitstiere, es sei denn, ich möchte mich nicht gewöhnen.
Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist längst gesetzlich festgeschriebenes Recht in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2008 hat die Landesregierung – ich halte diese Broschüre mal hoch –
eine Broschüre veröffentlicht mit dem Titel „Gleichstellung von Frau und Mann in der Rechtssprache. Hinweise, Anwendungsmöglichkeiten und Bei
spiele“. Grundlage ist § 4 des LGG, wie in der Broschüre nachzulesen ist. Die Federführung bei der Erstellung lag beim Justizministerium in Zusammenarbeit mit dem damaligen Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW und dem Innenministerium NRW. Wenn ich mich recht erinnere, hießen die Ministerin und die Minister MüllerPiepenkötter, Laschet und Wolf, und Letzterer ist ja auch bis heute Mitglied in der FDP-Fraktion.
So ist der Antrag unserer Auffassung nach rechtswidrig. Er verstößt gegen geltendes Recht.
Ich weiß, dass Herr Laschet in die CDU gehört. Es ging mir um Herrn Wolf.
Er verstößt gegen das geltende Recht.
Die Forderungen unter den Spiegelstrichen 1 bis 3 im Antrag sind damit beantwortet.
Zu Spiegelstrich 4 ist zu sagen: Es gibt kein Gesetz oder keine Regelung, die vorschreibt, dass das Nichtverwenden einer geschlechtergerechten Sprache zu Punktabzügen oder Nichtbestehen bei Hausarbeiten oder Prüfungen von Studierenden führt. Wenn es tatsächlich im Einzelfall zu einem solchen Vorgehen kommt, liegt das ganz im Ermessen des oder der Lehrenden. Denn wir haben die im Grundgesetz festgeschriebene Freiheit von Forschung und Lehre, die nicht politisch reguliert wird. Ich dachte immer, das wäre gerade für die FDP ein hohes Gut.
Darüber hinaus habe ich mich erkundigt: Dem zuständigen Ministerium liegen keine entsprechenden Eingaben Studierender vor.
Wäre es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, tatsächlich um Inhalte gegangen, hätten Sie die Überweisung in den Fachausschuss beantragt und keine direkte Abstimmung gefordert. Denn dann hätten wir die Chance gehabt, uns vertieft und seriös mit dem Thema „geschlechtergerechte Sprache“ auseinanderzusetzen. So hätten wir uns dann gemeinsam dafür stark machen können, dass sich über den öffentlichen Bereich hinaus gerade in der Medienlandschaft der geschlechtergerechte Sprachgebrauch noch deutlich verbessern kann. Salopp gesagt: Da ist noch viel Luft nach oben.
Wir wollen eine fortschrittliche Politik. Dazu gehört für uns die geschlechtergerechte und geschlechterbewusste Sprache.
Wir lehnen den Antrag mit Überzeugung und aus tiefstem Herzen ab. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 stand:
„Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und Pflichten.“
Der Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes lautet:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Die Verankerung der Gleichberechtigung in unserem Grundgesetz wird maßgeblich der Sozialdemokratin
Dr. Elisabeth Selbert zugeschrieben – unterstützt durch drei weitere Frauen, die als Mütter des Grundgesetzes Geschichte geschrieben haben. Diese drei weiteren Frauen kamen übrigens alle aus NordrheinWestfalen.
Ich habe diese beiden Zitate vorangestellt, um deutlich zu machen, dass es bis hierher ein weiter und teilweise harter Weg war und es maßgeblich Frauen waren, die in der Vergangenheit vehement Grundrechte erkämpft haben, um sie nach der Verankerung in der Verfassung in der Gleichstellung voranzubringen.
Das bedeutet in der politischen Arbeit, das Erreichte zu erhalten sowie für den Fortschritt der Gleichstellung zu arbeiten und, wo nötig, zu kämpfen. Das gilt bis heute; denn eine vollständige Gleichstellung ist – in Klammern: noch – nicht erreicht.
Ein Blick zurück in die 12. Wahlperiode des Landtags von Nordrhein-Westfalen zeigt, dass die damaligen Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün sich für ein Landesgleichstellungsgesetz starkgemacht, selbiges erarbeitet und es verabschiedet haben. Das ist das bis heute gültige LGG, das im November 1999 in Kraft trat und für den gesamten öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen gilt.
Es hat sich im Großen und Ganzen – das ist bei Frau Ministerin Steffens gerade angeklungen – zwar bewährt. In der regelmäßigen Berichterstattung lässt sich aber erkennen, dass die Fortschritte nicht so sind wie erhofft und dass es weiterhin Bereiche struktureller Benachteiligung zulasten der Frauen gibt.
Das belegen auch viele Gespräche mit Gleichstellungsbeauftragten, denen ich für ihre äußerst engagierte, an Gleichstellung orientierte, parteiergreifende Arbeit danken möchte, aber auch dafür, dass sie mit ihrer Arbeit die Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes deutlich herausgestellt haben. Genauso haben sie uns vor Augen geführt, wo die Grenzen des heute geltenden LGG liegen.
Diese Gespräche, die regelmäßigen Gleichstellungsberichte der Landesregierung und eine an Gleichstellung orientierte Haltung der Landesregierung unter unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft haben dazu beigetragen, die im Koalitionsvertrag beschriebene Novellierung des LGG umzusetzen. Frau Ministerin Steffens hat den Entwurf gerade eingebracht, den wir nun in erster Lesung debattieren.
Drei wesentliche Punkte, die auch bei der Frau Ministerin angeklungen sind, möchte ich herausstellen.
Das ist zum einen die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Quotenregelung und Höhergruppierung im Sinne des Art. 3 unseres Grundgesetzes. Das Gutachten von Prof. Papier wurde bereits erwähnt.
Ich greife hier auch noch einmal die Verabschiedung des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes im Juni dieses Jahres mit der Zielquote für die Frauen auf. Diese Lösung soll, soweit sie auf den Tarifbereich übertragbar ist, in das LGG aufgenommen werden.
Die Stärkung der Position der Gleichstellungsbeauftragten – Stichwort „Zähne am Tiger“ – ist ebenfalls eine Forderung, die in vielen Gesprächen deutlich wurde. – Ich schenke mir jetzt den Rest, den ich mir noch zu dem Rechtsgutachten usw. aufgeschrieben habe, weil das bereits in der Rede der Frau Ministerin deutlich geworden ist.
Wichtig ist aber auch noch die Fortentwicklung der Quotenregelung für Gremien, damit es zur Realisierung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses kommt. – Diese rechtlichen Grundlagen finden sich in einem Gutachten von Frau Prof. SchulerHarms.
Darüber hinaus präzisiert der Gesetzentwurf den Geltungsbereich des LGG. Er enthält – das finde ich ganz spannend – eine Experimentierklausel; das ist ein Instrument zur Erreichung der gleichstellungspolitischen Ziele weit über einen Gleichstellungsplan hinaus. Des Weiteren beschreibt der Gesetzentwurf das Recht auf Fortbildung der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin – um nur einige wenige Beispiele der Novellierung zu nennen.
Die Zielsetzung der Modernisierung des LGG ist, die strukturelle Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst zu überwinden.
Ich habe bei unserer Ausschussreise im vergangenen Jahr nach Oslo bezüglich der Berichte über die Erfahrungen in Norwegen einiges gelernt, was die positiven Auswirkungen geschlechtergerechter Personalentwicklung in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern, auch im öffentlichen Dienst, angeht.
Es ist so, wie es meine Genossin, die ehemalige Bielefelder Landtagsabgeordnete Helga Gießelmann, am 9. Juni 1999 in ihrer Rede richtig feststellte:
„Wir können auf die beruflichen Ressourcen der Frauen nicht verzichten. Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten dürfen wir nicht ungenutzt lassen, sondern wir brauchen sie für eine moderne und zukunftsfähige Verwaltung.“
In diesem Sinne gehen wir mit dem heute eingebrachten LGG in die richtige Richtung.
Ich freue mich auf die Anhörung und die anstehenden Beratungen und hoffe auf einen breiten Konsens im Interesse der Frauen und Männer hin zu einem vorbildlichen, geschlechtergerechten öffentlichen Dienst. – Allen eine schöne Sommerpause und herzlichen Dank!
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat betrifft unser Antrag „Genitalverstümmelung ist eine Menschenrechtsverletzung“ ein ganz anderes
Thema als das gerade diskutierte Thema „Stahlstandort“, und dennoch ist es genauso wichtig. Denn
jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Weibliche Genitalverstümmelung verstößt gegen dieses Recht.
Das wird auch durch eine Resolution der Vereinten Nationen deutlich, die weibliche Genitalverstümmelung verurteilt und ihre Beseitigung fordert. Die Initiative zu dieser Resolution ging übrigens von einer Gruppe afrikanischer Staaten aus, wie es der Elfte Menschenrechtsbericht aus der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags beschreibt. Viele Länder Afrikas gehören zu den sogenannten Prävalenzländern. In dem Menschenrechtsbericht ist weibliche Genitalverstümmelung übrigens das Brennpunktthema.
Die Ausprägung weiblicher Genitalverstümmelung ist unterschiedlich. Sie reicht von der teilweisen oder vollständigen Entfernung der äußeren Geschlechtsorgane bis zum Vernähen der Vagina; es bleibt lediglich eine kleine Öffnung. Aber unabhängig von der Ausprägung bedeutet weibliche Genitalverstümmelung einen Eingriff in die körperliche und seelische Gesundheit von Mädchen und Frauen, unter der sie häufig ein Leben lang leiden.
Das, was sich so sachlich anhört, jagt mir alleine beim Vortragen wirklich einen Schauer über den Rücken. Denn weibliche Genitalverstümmelung findet nicht in einer klinisch-sterilen Operationssaalatmosphäre statt, sondern oftmals auf einem dreckigen, sandigen Boden mit Instrumenten, die ich hier gar nicht näher beschreiben möchte.
Wichtig ist mir, auch noch einmal festzuhalten, dass unter diesen Umständen der weiblichen Genitalverstümmlung natürlich ein selbstbestimmtes und erfülltes Sexualleben mehr als eingeschränkt ist. Das kann sich ja jeder und jede von uns vorstellen.
Weltweit sind nach dem Elften Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, des Runden Tisches NRW gegen Beschneidung von Mädchen sowie der Beratungsstelle „Stop Mutilation e. V.“ mehr als 150 Millionen Frauen betroffen und leben mit verstümmelten Genitalien. Jährlich wächst die Zahl der betroffenen Frauen und Mädchen. Auch in Deutschland und damit in Nordrhein-Westfalen leben betroffene Frauen und Mädchen.
Im Übrigen ist die Androhung weiblicher Genitalverstümmelung oder die Genitalverstümmelung auch ein Fluchtgrund. Das lässt sich mit allen uns zugewiesenen Menschen bzw. Mädchen und Frauen in Flüchtlingseinrichtungen im Übrigen auch besprechen und klären; sie können es erzählen.
Eine Empfehlung der Bundesärztekammer beschreibt neben den physischen und psychischen Symptomen und den Möglichkeiten der medizinischen Versorgung die Notwendigkeit der psychoso
zialen Beratung. Beseitigung – so merkt die Empfehlung an – kann nur über politische Aktivitäten geschehen. Genau hier setzen wir an.
Seit vielen Jahren arbeitet der eingangs erwähnte Runde Tisch NRW gegen Beschneidung von Mädchen und Frauen an diesem Thema. Ganz aktuell bezieht er die zu uns geflüchteten Mädchen und Frauen aus den sogenannten Prävalenzländern mit ein. Wir sind für diese oftmals ehrenamtlich geleistete Arbeit sehr dankbar und werden die Arbeit weiterhin unterstützen.
Wie dem Runden Tisch NRW ist es uns mit dem Antrag wichtig, dass das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung deutlicher in die Öffentlichkeit gerückt und diskutiert wird. Wir möchten erreichen, dass verschiedene Professionen wie Polizei, Justiz, pädagogisches Personal sensibilisiert und informiert werden, wenn sie mit diesem Thema in Berührung kommen. Sie sollen in die Anstrengung gegen die Praxis weiblicher Genitalverstümmelung eingebunden werden. Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass Präventionsmaßnahmen entwickelt werden, um mögliche Opfer weiblicher Genitalverstümmelung zu schützen und zu unterstützen.
Der Schutz und die Unterstützung der bedrohten und betroffenen Mädchen und Frauen ist uns ein hohes Anliegen. Das zeigt die große politische Beteiligung fast aller im Landtag vertretenen Parteien an diesem Antrag. Ich verzichte bewusst auf die Auflistung unserer Feststellungen und unserer Bitten an die Landesregierung. Sie sind im Antrag nachzulesen.
Ich freue mich über die breite Unterstützung und auf eine vertiefende Diskussion im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den FDP-Antrag las, wusste ich, ehrlich gesagt, nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Aber er stimmt mich eher traurig, weil der Antrag die Realität verkennt.
Vorab sei angemerkt: Der Weg hin zur Gleichberechtigung ist untrennbar mit der Geschichte der Sozialdemokratie verbunden, ob es um das Durchsetzen des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen ging oder den Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes, den
Frau Schneider auch angesprochen hat und den allen voran Elisabeth Selbert durchsetzte. Es waren Frauen, in dem Fall Sozialdemokratinnen, die für ihre Rechte eintraten und oftmals für sie kämpfen mussten.
Um bei der Gleichberechtigung zu bleiben: Diese ist mit dem gerade genannten Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes de jure vollzogen. Das gilt de facto aber bei Weitem nicht für die Gleichstellung. Hier sind Frauen nach wie vor strukturell benachteiligt – trotz des staatlichen Auftrags im Grundgesetz, gegen diese Benachteiligung anzuarbeiten.
Es ist mir sehr wichtig, diese Begrifflichkeiten ganz klar zu definieren, da das in dem FDP-Antrag ein bisschen durcheinandergeht.
Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass es gerade in den vergangenen 40 Jahren viele Maßnahmen und Initiativen gegeben hat, die diesen grundgesetzlichen Auftrag aufgegriffen und umgesetzt haben.
Dennoch lässt sich in der durch das MGEPA in Auftrag gegebenen Studie „Bestandsaufnahme zur Repräsentation von Frauen in wesentlichen Gremien öffentlicher Organisationen in Nordrhein-Westfalen – eine Bestandsaufnahme“ des Juniorprofessors Ulf Papenfuß von der Universität Leipzig schwarz auf weiß detailliert nachlesen, dass die Gleichstellung von Frauen nach wie vor ein weites Arbeitsfeld ist.
Bereits in der Zusammenfassung der Studie ist das zentrale Ergebnis dieser Untersuchung zu lesen: Frauen sind in wesentlichen Gremien und Organisationsgruppen unterrepräsentiert. Von einer geschlechterparitätischen Gremienbesetzung kann
nicht die Rede sein. Die Realität hinkt den politisch formulierten Zielen des zurzeit gültigen Landesgleichstellungsgesetzes hinterher.
Untersucht wurden etwa die Aufsichtsgremien und Geschäftsleitungen von kommunalen, gemischt-öffentlichen und Landesunternehmen, von 43 Kammern, allen 106 Sparkassen sowie Gremien der Hochschulen, zum Beispiel Fachbereichsräten. All dies können Sie auf Seite 2 des Gutachtens nachlesen.
Dort sind auch folgende Zahlen zu finden, die auf den ersten Blick verdeutlichen, wie viele Frauen in den gerade genannten Gremien vertreten sind. Nur einige Beispiele: Frauen in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen auf Landesebene 25,3 %, Frauen in Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen 10,1%, Frauen in Verwaltungsräten von Sparkassen 17,1 %, Frauen in Sparkassenvorständen 2,7 %, Frauen in Hochschulräten 41,7 % – ein deutlich erfreulicheres Ergebnis.
Und da kommen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, mit Ihrem Antrag um die Ecke und fordern eine Gleichberechtigung – Sie meinten sicher
die Gleichstellung – von Männern im LGG, verbunden mit der Forderung, Männern die Bewerbung für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten zu ermöglichen!
Das ist einfach absurd – nicht nur angesichts der oben genannten Zahlen, sondern auch angesichts der Aufgabe einer Gleichstellungsbeauftragten, die tatsächliche Durchsetzung des im Grundgesetz formulierten Auftrags der Gleichberechtigung, die auch für Frauen im realen Leben erfahrbar sein muss, zu erreichen.
Darüber hinaus habe ich in Ihrem Antrag nach einem Beispiel gesucht, das aufzeigt, in welchem Gremium Männer unterrepräsentiert sind. Meine Suche war allerdings vergeblich.
Ich möchte noch etwas anderes aus Ihrem Antrag aufgreifen. In der Tat ist es erfreulich, festzustellen, dass sich die Arbeits- bzw. Lebenswelten von Frauen und Männern wandeln. Das geschieht zunehmend und stetig. Ja, das ist richtig. Es geschieht aber sehr langsam. Im Übrigen ist das ein Gegenstand der Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“, die sich sehr ausführlich diesem Thema widmet.
Wir brauchen also einen langen Atem, um den weiten Weg hin zu einer gelebten Partnerschaft zu gehen, in der sich Frauen und Männer für Fürsorge und Erwerbsarbeit gleichberechtigt verantwortlich fühlen. Das betrifft auch die geschlechterparitätische Besetzung von Aufsichtsräten und sonstigen Gremien. Dazu brauchen wir die nötigen gesetzlichen Instrumente, aber auch handelnde Personen, die gelebte Gleichstellung zur Haltung machen und entsprechend handeln.
Die jetzige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben dies in den vergangenen sechs Jahren mit unterschiedlichen Maßnahmen an den Start gebracht. Ich nenne in diesem Zusammenhang zum Beispiel eine geschlechtergerechte Berufswahlorientierung, die Kompetenzzentren Frau und Beruf, die Genderstrategie der Landesregierung, die anstehende Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, seit 2010 auch den Aktionsplan im Bereich LSBTTI, …
… der im vergangenen Jahr eine erste Bilanz aufzeigte und gleichzeitig fortgeschrieben wurde. Weiterhin ist zu erwähnen, dass das Land NRW der Charta der Vielfalt beigetreten ist.
Damit beschreiten wir den richtigen Weg. Ihr Antrag bedeutet Rückschritt. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Ich sage etwas frech – das kann ich mir nicht verkneifen –, ein bisschen polemisch und deutlich überspitzt: Wenn wir, die Frauen, das Amt des Papstes geknackt haben, dann können wir uns um die Gleichstellung der Männer ernsthafte Gedanken machen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Schneider, dass Sie die Frage zulassen. Es geht auch ganz schnell. Halten Sie die von Frau Paul mehrmals erwähnte und beschriebene Selbstuntersuchung der weiblichen Brust für eine grüne ideologische Maßnahme?
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders liebe Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion! Ich stelle es gleich an den Anfang meiner Rede: Es ehrt Sie, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf die Bedeutung von Partizipation und Mitbestimmung in Kindertageseinrichtungen herausgearbeitet haben. Dass das ein wichtiges Thema ist, darüber sind wir uns fraktionsübergreifend einig.
Wir brauchen Kinder und auch Jugendliche, die ihr Leben und ihre Zukunft gestalten und die dafür nötigen Voraussetzungen früh erleben und erfahren sollen.
Partizipation und Mitbestimmung, das Erleben und Erfahren wertschätzenden Umgangs gegenüber Kindern und Jugendlichen, das Akzeptieren unterschiedlicher Meinungen, das Entgegenbringen von Empathie gegenüber den Mitmenschen sind wesentlich für das Aufwachsen selbstbewusster und aktiver Kinder. Kinder sollen sich einmischen. Darüber hinaus ist der Erwerb dieser Fähigkeiten die beste Prävention gegen Extremismus jeglicher Art. Auch hier erzähle ich nichts Neues. Auch darüber sind wir uns einig.
Nicht einig waren und sind wir uns über den Gesetzentwurf der Fraktion der Piraten. Das Ergebnis der Anhörung zeigt, dass die hinzugezogenen Expertinnen und Experten, wie auch wir, den Wert von Partizipation und Mitbestimmung von Kindern in Kindertageseinrichtungen hochhalten, jedoch den Gesetzentwurf als nicht notwendig erachten.
Sie sehen in § 13 Abs. 6 des zweiten KiBiz-Revisionsgesetzes Partizipation und Mitbestimmung in Kindertageseinrichtungen verankert. Nebenbei sei an dieser Stelle ein charmanter Gedanke zum Ausdruck gebracht: Wie wäre es wohl, wenn Partizipation und Mitbestimmung, so wie die Kinder sie im Elementarbereich erfahren haben, ihre Fortsetzung in der Primarstufe finden würden?
Noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten: Das Thema ist wichtig, richtig und muss weiterhin im Interesse und in der Arbeit mit und für Kinder Beachtung und Umsetzung finden. Das finden wir im KiBiz an entsprechender bereits erwähnter Stelle, aber auch in den in der Landesverfassung verankerten Kinderrechten. Deshalb wird meine Fraktion den Gesetzentwurf der Piraten ablehnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin Kampmann! Liebe Christina, auch von mir einen herzlichen Glückwunsch zu dem neuen Amt! Viel Glück bei der Ausübung!
Eine persönliche Bemerkung sei mir gestattet: Es ist schon eine besondere Freude für mich, dass wir heute zu demselben Tagesordnungspunkt reden, wo wir doch nicht nur aus derselben Stadt kommen, sondern auch noch einem Ortsverein angehören.
Die Fraktion der Piraten möchte mit ihrem Antrag eine NRW-eigene Regelung für eine gerechte Übergangslösung unter der Berücksichtigung des Datums der Antragstellung zur Gleichbehandlung aller Antragstellenden erreichen. Die Forderung der Piraten ist unter einem gewissen Gerechtigkeitsgesichtspunkt nachvollziehbar, obwohl ich die Logik schwer nachvollziehen kann, sich auf der einen Seite gegen das Betreuungsgeld auszusprechen und auf der anderen Seite mit diesem Antrag eine ProHaltung einzunehmen. Diese Forderung ist jedoch nach gültiger Rechtslage nicht umsetzbar.
Ein Blick auf die Homepage des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend schafft eindeutige Klarheit. Dort ist zu lesen, welche Familien noch Betreuungsgeld erhalten, also welche Familien umfassenden Vertrauensschutz gewährt bekommen.
Familien, die einen Antrag gestellt haben, bei dem der Bewilligungszeitraum in der Zukunft lag oder liegt, erhalten Betreuungsgeld für die Dauer der Bewilligung. Für Familien, die nach dem 21. Juli 2015 einen Bewilligungsbescheid erhalten haben, entscheidet im Einzelfall eine Prüfung, ob Vertrauensschutz gewährleistet ist, also ob Betreuungsgeld noch ausgezahlt werden kann – so die Mitteilung des zuständigen Bundesministeriums. Seit dem 21. Juli 2015 werden keine Bewilligungsbescheide mehr erlassen.
Um es noch einmal ganz deutlich herauszustellen: Es gilt nicht das Datum der Antragstellung, sondern das Datum der Bewilligung des Betreuungsbescheides.
Nach meiner Kenntnis hat sich das Land NRW gemeinsam mit anderen Bundesländern um eine weiter gehende Regelung bemüht. Dem ist das Bundesministerium jedoch nicht gefolgt. So haben die Länder – auch Nordrhein-Westfalen – die geltende Rechtsprechung an die Betreuungsgeldstellen weiterzugeben, die dann die entsprechenden Anträge so beantworten.
Da das Bundesministerium den Ländern und Kommunen übergeordnet ist, kann es in NordrheinWestfalen keinen Sonderweg geben. Im Übrigen bergen Fristen auch immer einen gewissen Grad an Ungerechtigkeit. Das liegt in der Natur der Sache und ist für die Betroffenen bitter, aber leider nicht zu ändern.
Die Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Einer rechtswidrigen Beschlussfassung der Antragsforderung wird meine Fraktion nicht folgen. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, und ganz besonders liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten! Prima, dass Sie bei diesem Antrag ebenfalls Antragsteller sind.
Zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen debattieren wir das wichtige Thema „Gewalt – auch sexualisierte Gewalt – gegenüber Menschen mit Behinderung“ sowie das Recht auf Unversehrtheit, das wir mit unserem Antrag gewährleisten möchten.
So haben wir einen sehr umfangreichen Antrag eingebracht, der neben den wichtigen Inhalten des Themas bereits auf den Weg gebrachte Initiativen in Nordrhein-Westfalen aufgreift, der aber auch feststellt, wo Handlungsbedarfe liegen und natürlich die dazugehörenden Forderungen an die Landesregierung enthält.
Deshalb möchte ich auf Folgendes Bezug nehmen und es ganz besonders herausstellen: Menschen mit Behinderung – besonders Frauen – sind häufig Opfer sexualisierter Gewalt. Deshalb ist es hier besonders wichtig, dass wir uns, aber auch der Öffentlichkeit, ins Bewusstsein rufen, dass Menschen mit Behinderung das Recht auf Sexualität und auf ein selbstbestimmtes Sexualleben haben.
Lange Zeit war dieses Thema mit einem Tabu belegt – sowohl in Elternhäusern wie stationären Einrichtungen, aber auch in der Gesamtgesellschaft. In einem Beitrag der „Lebenshilfe“ ist zu lesen – ich zitiere –:
„Sexualität ist von Geburt an ein alles durchdringendes Potenzial, das den Menschen als sexuelles Wesen betrifft, welches entwickelt und gefördert werden will. Sowohl im Kindes- und Jugendalter als auch im Erwachsenenalter sind Menschen mit Behinderung meist mit besonderen Lebensbedingungen konfrontiert und in größerem Maß auf Unterstützung und Förderung angewiesen – auch beim Thema Sexualität.“
Das bedeutet, dass Menschen mit Behinderung so viel wie möglich über ihren eigenen Körper Bescheid wissen müssen. Sie sollen in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen und über Mitspracherechte ebenso Bescheid wissen, um diese nutzen zu können.
Das gilt auch für das Wissen zur Gestaltung ihres Lebensumfeldes. Je mehr Menschen mit Behinderung in ihrem Wissen um Sexualität und Selbstbestimmungsrechte gestärkt werden, umso besser können sie sich gegen sexuelle Übergriffe wehren.
Um die Selbstbestimmungsrechte für diese Menschen umzusetzen, brauchen wir Barrierefreiheit in allen Bereichen – beispielsweise für einfache Sprache, zur Erreichbarkeit von Beratungsstellen, aber auch von medizinischer Versorgung. Ebenso brauchen Eltern sowie das Personal in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung ein Beratungs-, Gesprächs- und Fortbildungsangebot, damit sie die ihnen anvertrauten Menschen mit Behinderung sach- und fachgerecht in all ihren Bedürfnissen stärken können.
Im April dieses Jahres hat der UN-Ausschuss für die Rechte der Menschen mit Behinderungen abschließende Bemerkungen über den ersten Staatsbericht Deutschlands veröffentlicht. Unter der Ziffer 36 des Berichtes wird unter anderem angemerkt, dass der Ausschuss dem Vertragsstaat, also der Bundesrepublik, anrät, eine umfassende und wirksame Stra
tegie aufzustellen, um in allen öffentlichen und privaten Umfeldern einen wirksamen Gewaltschutz für Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu gewährleisten.
Wie wichtig dem UN-Ausschuss diese Forderung ist, belegt die erste Aussage zu den Folgemaßnahmen, in denen der Vertragsstaat, also die Bundesrepublik, innerhalb von zwölf Monaten Informationen über die von ihm ergriffenen Maßnahmen, die unter Ziffer 36 beschrieben wurden, vorlegen soll. Das war im April dieses Jahres.
Wir sind nun nicht der Vertragspartner; wir befinden uns im Land Nordrhein-Westfalen. Ich will aber noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir mit diesem Antrag auf einem richtigen und guten Weg sind, Bedarfe erkannt und beschrieben haben, die auch der entsprechende UN-Ausschuss identifiziert und zur Umsetzung empfohlen hat.
Jetzt gilt es, diese Maßnahmen zeitnah und praxistauglich umzusetzen. Unsere umfangreichen Forderungen, die der Landtag an die Landesregierung stellt, zeigen, wie vielfältig Unterstützungsmaßnahmen sein müssen, um ein Recht auf Unversehrtheit für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Ein starkes Signal, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre heute Abend eine breite, vielleicht sogar einstimmige Verabschiedung unseres Antrags. Dazu möchte ich Sie alle einladen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kein Problem! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier zu später Stunde ein ausgesprochen wichtiges Thema. Ich stelle es gleich an den Anfang meiner Rede: Wir erkennen als SPDFraktion an, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie mit der Antragstellung „Sexuelle Gewalt an Frauen und Männern mit geistiger
und/oder körperlicher Behinderung konsequent bekämpfen!“ ein notwendiges und richtiges Thema gesetzt haben.
Als regierungstragende Fraktionen haben wir das Setzen des Themas gewürdigt, indem wir uns nach dem Expertinnengespräch gemeinsam auf den Weg gemacht haben, einen neuen Antrag zu entwickeln. Das hätte der Bedeutung des Themas Gewicht verliehen und ein wichtiges öffentliches Signal – besonders gegenüber den Menschen mit Behinderungen – gesetzt.
Leider waren wir nicht erfolgreich. Ich will hier an dieser Stelle auf Schuldzuweisungen verzichten. Das bringt uns und die betroffenen Menschen nicht weiter; denn das, was wir hier tun müssen – auch wenn es in NRW schon gute Initiativen gibt; ich werde später noch einmal darauf eingehen –, hat auch der Fachausschuss der Vereinten Nationen zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufgezeigt.
Der Fachausschuss rät dazu, in der Umsetzung der UN-Rechtskonvention besonders Frauen und Mädchen mit Behinderungen in den Blick zu nehmen – mit einem speziellen Focus auf Frauen und Mädchen mit Behinderungen und Migrationshintergrund sowie Frauen und Mädchen mit Behinderung und Flüchtlingserfahrung.
Bei uns in NRW leben ca. 2,5 Millionen Menschen mit Behinderungen. Der Frauenanteil liegt bei etwas mehr als eine Million. Jedoch ist die Dunkelziffer von Frauen mit Behinderungen hoch, da viele dieser Frauen keinen Behindertenausweis besitzen bzw. beantragen, wie es eine repräsentative Studie der Uni Bielefeld zur Lebenssituation und Belastung von Frauen mit Beeinträchtigungen in Deutschland zeigt.
Ich zitiere aus der Studie:
„Werden alle Frauen zusammengenommen, die in Kindheit und Jugend und/oder im Erwachsenenleben sexuelle Gewalt erlebt haben, dann war mehr als jede zweite bis dritte Frau der Studie im Lebensverlauf von sexueller Gewalt betroffen … Die Frauen in Einrichtungen, die in allgemeiner Sprache befragt wurden, waren hier mit einem Anteil von 56 % die mit Abstand am stärksten belastete Gruppe …“
Genau hier besteht Handlungsbedarf. Es gibt erste wegweisende Vereinbarungen der Prävention gegen sexualisierte Gewalt, beispielsweise den Beschluss der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz, Frauen und Mädchen besser zu schützen, Zugang zu Unterstützungseinrichtungen zu ermöglichen und wirksame Maßnahmen zu erarbeiten, um Gewalt entschieden und konsequent entgegenzuwirken. Mit dem Verein Weibernetz e. V., in dem sich Frauen mit Behinderungen organisieren, und mit „Mensch zuerst“ wurde das bundesweite Projekt von Frauenbeauftragten ins Leben gerufen.
Das Besondere an diesen Frauenbeauftragten ist: Sie haben selbst Beeinträchtigungen und helfen Mitbewohnerinnen und Kolleginnen in Wohneinrichtungen und Werkstätten, wenn diese von Gewalt bedroht sind oder Opfer von Gewalttaten wurden.
Ein weiterer Baustein ist es, Frauen und Mädchen mit Behinderungen in ihrer Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu stärken, damit sie allen Formen von Gewalt nicht mit negativen Gefühlen wie Angst oder Hilflosigkeit begegnen. Solche Angebote sind seit einigen Jahren in NRW zu finden. Ich nenne mal nur als Stichworte Sportvereine und den Deutschen Olympischen Sportbund.
Für die rot-grüne Landesregierung ist Inklusion ein breites ressortübergreifendes Thema. Viele Maßnahmen wurden entwickelt und befinden sich in der Umsetzung, beispielsweise der Aktionsplan „NRW inklusiv“ oder die Kompetenzzentren „Selbstbestimmt Leben“.
Trotz dieser guten Beispiele sehen wir weiteren Handlungsbedarf beim Thema „sexualisierte Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen“. Dazu gehört eine genaue Betrachtung der Betreuung von Menschen mit Behinderungen. Der Umgang mit dem Personal in Einrichtungen und auch die Forderung nach gleichgeschlechtlicher sowie kultursensibler Pflege sind wichtige Aspekte, die beim Thema „sexualisierte Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen“ bedacht werden sollten.
Hier greift der CDU-Antrag zu kurz. Das ist im Expertinnengespräch deutlich geworden. Im Zuge von Maßnahmen zur Inklusion seitens der Landesregierung werden wir uns dem Thema „sexualisierte Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen“ auch unter den Empfehlungen des UN-Fachausschusses erneut annehmen. Wir laden alle Fraktionen ein, sich dann erneut daran zu beteiligen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich mache es für meine Fraktion ganz kurz: Wir werden den Antrag ablehnen. Wir wollen keine rückwärtsgewandte Familienpolitik. Wir erkennen die veränderten, vielfältigen Familienformen an und wollen mit unserer Politik dieser Vielfalt gerecht werden und dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen gestalten.
Wichtige Maßnahmen sind hier bereits angestoßen worden, wie der Ausbau der Kindertagesbetreuung oder das Elterngeld. Gerade beim Elterngeld finde ich erfreulich festzustellen, dass es junge Väter erreicht, da sie selbiges in Anspruch nehmen.
Das ist ein Indiz dafür, dass junge Eltern auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Aufgabenverteilung zwischen Fürsorgearbeit – ich hoffe, der Strom reicht für das Mikro aus – und Berufstätigkeit sind.
Selbst, wenn es nicht funktioniert: Ich glaube, ich spreche laut genug. – Diesen Weg gilt es konsequent mit den entsprechenden Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln und zu begleiten. Hier ist noch ein weites Feld zu beackern. Daran arbeiten wir, beispielsweise in der Enquetekommission „Familie“ seit Anfang des Jahres oder, mit anderen Worten gesagt: Wir wollen die Zukunft gestalten, und wir wollen keine rückwärtsgewandte Familienpolitik. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer! Die meisten Debatten, die wir in diesem Hohen Hause führen, verlaufen meistens kontrovers. Der Allparteienantrag „Jungen fit für die Zukunft machen“ bildet die berühmte Ausnahme von der Regel. Konkret geht es um den Boys‘Day, das männliche Pendant zum Girls‘Day, der einen wichtigen Beitrag zur geschlechtersensiblen Berufswahl und Lebensplanung darstellt.
Der Antrag beschreibt sehr gut die Ausgangslage und begründet die Wichtigkeit einer politischen Initiative für den Boys‘Day. Daher kann ich mich kurzfassen. Folgendes möchte ich jedoch ganz besonders herausstellen: Jungen gehören überdurchschnittlich oft zu den sogenannten Bildungsverlierern. Das ist kein schöner Ausdruck; ich habe allerdings noch keinen besseren gefunden.
Das können und dürfen wir uns allein schon im Interesse der Jungen hier nicht leisten – ganz abgesehen von beschäftigungspolitischen und wirtschaftlichen Gründen. Das müssen wir durchbrechen. Hier ist der Aktionstag Boys‘Day eine gute Möglichkeit, eine vielfältige Berufswelt mit dem Schwerpunkt auf sozialen, erzieherischen und pflegerischen Berufen darzustellen. Boys‘Day wie Girls‘Day bieten aber auch die Möglichkeit, Stereotypen bei der Berufswahl zu durchbrechen.
Beide Tage sind nicht isoliert zu betrachten, sondern als ein Baustein in den Konzepten in der Berufs- und Studienorientierung an Schulen sowie zur Neugestaltung des Übergangssystems SchuleBeruf „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das ist also ein ganzheitlicher Ansatz.
Natürlich ist bei der Berufswahl mitentscheidend, die Neigungen, Fähigkeiten, Talente und Interessen
der Jungen herauszufinden und zu fördern. Sie sollen sich ausprobieren dürfen. Dazu bietet der Boys‘Day einen prima Ansatz, einen Einblick in soziale, erzieherische und pflegerische Berufe zu bekommen. Beim Blick auf die Homepage des Boys‘Days sind sehr ausführliche und genaue Infos zum Zukunftsberuf Erzieher bzw. Pfleger zu finden.
Eine nachhaltige erfolgreiche Berufsfindung stärkt die persönliche Entwicklung junger Menschen – in diesem Fall: die der Jungen bzw. der jungen Männer. Sie wirkt dem Fachkräftemangel entgegen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Deshalb stellen wir mit dem Antrag folgende Forderungen an die Landesregierung: Praxisphasen, also Berufsfelderkundungen, Betriebspraktika in den Sekundarstufen I und II, Praxiskurse in erzieherischen, pflegerischen und sozialen Berufen vermehrt gegenüber Jungen und jungen Männern zu bewerben, den Aktionstag Boys‘Day – Jungen-Zukunftstag – zu einem Wettbewerb um beste Konzepte analog zum Girls‘Day weiterzuentwickeln, geschlechterstereotypes Berufswahlverhalten in Unterricht und Berufsberatung zu thematisieren, die hierfür erforderlichen Kenntnisse insbesondere an den Schulen für studien- und berufswahlverantwortliche Lehrkräfte sicherzustellen sowie sich generell dafür einzusetzen, dass soziale, erzieherische und pflegerische Berufe eine höhere Anerkennung erfahren und aufgewertet werden.
In diesem Sinne freue ich mich sehr, dass wir wenige Tage vor Weihnachten mit diesem wichtigen Antrag eine Art vorweihnachtlicher Harmonie ins Plenum bringen. Und bevor ich anfange, vor lauter Freude jahreszeittypische Lieder zu singen, höre ich auf, nicht ohne Ihnen frohe Weihnachten und ein glückliches 2015 zu wünschen.