Lisa Gnadl
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, die SPD-Fraktion, werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Das haben wir auch schon nach der Auswertung der Anhörung in der Ausschusssitzung getan. Einem Staatsbürger das Wahlrecht abzuerkennen ist nämlich ein schwerwiegender Eingriff in die Bürgerrechte. Schließlich wird der Person damit die Möglichkeit aberkannt, über Wahlen und Abstimmungen an der demokratischen Willensbildung teilzuhaben.
Der Ausschluss vom Wahlrecht bedarf schwerwiegender Gründe. Aus unserer Sicht ist – das hat auch die Anhörung gezeigt – das Kriterium der Vollbetreuung kein ausreichender Grund für eine Wahlrechtsaberkennung.
Aus der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention erwächst für uns die Verpflichtung, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen Willensbildungsprozess sicherzustellen.
Wir als Abgeordnete müssen uns auch fragen, ob wir den Wahlrechtsausschluss politisch rechtfertigen können und wollen und ob nicht die Zeit jetzt gekommen ist, eine Kursänderung einzuleiten.
Aus Sicht der SPD-Fraktion ist die Zeit reif dafür, eine Änderung vorzunehmen. Das haben auch die Anhörung und die Stellungnahmen der Praktikerinnen und Praktiker im Ausschuss bestätigt, die sich für die Abschaffung eines Wahlrechtsausschlusses ausgesprochen haben.
Ich will auf die Argumente eingehen. Wenn jemand vollbetreut wird, heißt das nicht automatisch, dass er nicht auch zu einer rationalen Willensäußerung und Wahlentscheidung in der Lage wäre.
Das gilt z. B. für die Gruppe der psychisch Kranken, die in ihrer Lebensführung Hilfe benötigen, aber sicherlich intellektuell nicht eingeschränkt sind, um mit einer Willensbildung an einer Wahl teilzunehmen. Dies macht deutlich: Wir schließen mit diesem Kriterium der Vollbetreuung Menschen aus, und zwar viele Menschen, die durchaus in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu treffen, auch wenn sie in anderen Alltagsangelegenheiten Unterstützung benötigen.
Außerdem wird gern eingewandt, dass mit dem Wahlrecht für vollbetreute Menschen im Einzelfall das Risiko bestehen könnte, dass eine völlig entscheidungsunfähige Person an der Wahl teilnehmen könnte. Dieser Einwand ist sicherlich nicht vollends von der Hand zu weisen. Aber man muss ihm zwei Dinge entgegenhalten:
Erstens besteht unter der jetzigen Regelung nicht nur im Einzelfall, sondern regelmäßig das Risiko, dass man politisch voll entscheidungsfähigen Menschen das Wahlrecht vorenthält, nur weil sie den Status „vollbetreut“ besitzen. Das ist aus unserer Sicht das viel schwerwiegendere Risiko.
Zweitens unterschlägt diese Argumentation, dass die jetzige Regelung gar nicht dazu geeignet ist, völlig entschei
dungsunfähige Menschen von der Wahl auszuschließen. Man braucht sich nur die Zahl der steigenden Demenzerkrankungen anzuschauen, die in vielen Fällen gar keiner Vollbetreuung unterstehen.
Was sehen und lernen wir also daraus? – Auch die aktuelle Regelung führt zu schwerer Ungleichbehandlung, die logisch nicht zu rechtfertigen ist.
Es gibt noch eine andere Ungleichbehandlung, die aus der stark unterschiedlichen Anordnung einer Vollbetreuung in den Bundesländern hervorgeht. In Bayern ist die Chance, wegen einer Vollbetreuung das Wahlrecht zu verlieren, rund 20-mal höher als in den norddeutschen Stadtstaaten.
Auch das ist eine grobe Ungleichbehandlung dieser Menschen. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben es uns vorgemacht und den Wahlrechtsentzug für vollbetreute Menschen aufgehoben. Warum Gleiches in Hessen nicht möglich sein soll, erschließt sich mir nicht. Hier scheint es aus unserer Sicht am politischen Willen zu fehlen.
Herr Bauer, ich kann Ihre Argumentation gar nicht nachvollziehen. Denn wir haben auf Bundesebene im schwarzroten Koalitionsvertrag eine Regelung stehen, die eben eine Wahlrechtsreform in der laufenden Legislaturperiode vorsieht und die den Ausschluss von vollbetreuten Menschen beenden soll.
Warum man als CDU auf Bundesebene etwas unterzeichnet, sich aber hier in Hessen dagegen sträubt, ist mit keiner Logik zu erklären.
Ich komme zum Schluss. – Ich bin gespannt auf die Argumentation der GRÜNEN; denn auch in dem Wahlprogramm der GRÜNEN auf Bundesebene steht eine entsprechende Forderung. Heute haben Sie in Hessen die Möglichkeit, dies zu verändern und dies umzusetzen. Ich finde, Hessen sollte hier nicht wieder den Anschluss verpassen. Andere Bundesländer haben es uns vorgemacht. Wir sollten das Gleiche in Hessen tun. – Vielen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Hält sie an ihrem Vorhaben von 20 geplanten stellenwirksamen Abordnungen für einen Zeitraum von fünf Jahren ins Kultusministerium ohne Beteiligung des Hauptpersonalrates nach der einstweiligen Verfügung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 5. April 2018 fest?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei sehr abscheuliche Zitate zweier AfD-Vertreter meiner Rede voranstellen, um zu verdeutlichen, um was es heute geht. Das erste Zitat:
Diese Kümmelhändler, diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören. Weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern.
Das zweite Zitat:
Ich habe jetzt eine Vision: Wenn es in Deutschland gut läuft, werden wir am Ende so eine Art Apartheidstaat haben wie damals in Südafrika, wo die Weißen den Rest einfach nur irgendwie in Schach halten.
Wenn der Hessische Landtag im nächsten Jahr anlässlich der Internationalen Woche gegen Rassismus debattieren wird, dann steht zu befürchten, dass Abgeordnete der Partei, von deren Vertretern diese Zitate stammen, auch hier im Plenarsaal sitzen können. Es ist mehr als nur bedenklich, dass solche Aussagen in Deutschland öffentlich geäußert werden können – und das leider oft genug ohne Konsequenzen. Es sind die Äußerungen, die den geistigen Boden für die bereiten, die eben nicht nur bei diesen verbalen Ausfällen bleiben, sondern die Gewalt anwenden und Menschen aus rassistischen Motiven angreifen oder Flüchtlingsheime in Brand stecken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Internationale Woche gegen Rassismus soll uns daran erinnern, dass
Rassismus und rassistische Gewalt alltäglich sind, Millionen von Menschen das Leben kosteten und viele weiterhin bedrohen. Sie soll uns daran erinnern, dass Menschen auch hier in Hessen jeden Tag mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert sind und nur aufgrund ihrer vermeintlichen Rasse benachteiligt, beleidigt, verfolgt, attackiert oder sogar ermordet werden. Sie soll uns daran erinnern, dass gerade wir als Politikerinnen und Politiker eine besondere Verantwortung und eine Verpflichtung haben, Rassismus zu unterbinden und rassistische Gewalt zu verhindern.
Wir haben eine besondere Vorbildfunktion. Deshalb dürfen gerade wir nicht mit dem Schüren von Vorurteilen oder der Relativierung von Rassismus auf Stimmenfang gehen. Keine Partei von uns allen ist völlig frei davon. Ich denke da z. B. auch an Sarrazin in der SPD und bedauere sehr, dass wir ihn nicht aus der Partei ausschließen konnten.
Rassistische Vorurteile sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Deshalb ist es ganz besonders gefährlich, wenn in Wahlkämpfen von demokratischen Parteien Grenzen gesenkt werden, so wie wir es in Hessen zweimal erleben durften, 1999 und 2008. Billigend hat die CDU damals in Kauf genommen, dass Menschen an die Wahlkampfstände kamen und fragten: „Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?“
Oder die regelmäßigen Ausfälle des ehemaligen Landtagsabgeordneten Irmer, der immer wieder im „Wetzlar Kurier“ gegen Ausländer, Flüchtlinge oder Homosexuelle hetzte.
Ich weiß, es fällt Ihnen vielleicht schwer, zuzuhören; aber ich denke, das muss angesichts dieser Debatte auch gesagt werden.
Aktuell war es der hessische Innenminister, der es für lustig hält, auf Kosten von Flüchtlingen ein paar flotte Sprüche in Büttenreden zu machen. Nein, auch an Fasching darf man die Grenze nicht überschreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Internationale Woche gegen Rassismus steht bei uns unter dem Motto „Hessen lebt Vielfalt, Toleranz und Solidarität“.
Das stimmt sicherlich auch für weite Teile der Gesellschaft, wenn wir z. B. an die Fußballtrainer oder an Peter Fischer denken, der als Präsident von Eintracht Frankfurt klar Stellung gegen Rassismus und Ausgrenzung bezogen hat, oder an die vielen Ehrenamtlichen
in den hessischen Städten und Gemeinden, die sich für ein tolerantes und solidarisches Leben in Vielfalt engagieren.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass das in allzu vielen Bereichen unserer Gesellschaft teilweise noch eine Wunschvorstellung ist und noch keine Istbeschreibung darstellt. Gerade deswegen ist es auch so wichtig, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure, die einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Prävention leisten, gestärkt werden und dass ihre Arbeit nicht dadurch behindert wird, dass ihre Mitarbeiter unter Generalverdacht gestellt werden,
so wie es die schwarz-grüne Landesregierung ohne Not gemacht hat, indem sie neue Regelungen für die Überprüfung von Mitarbeitern und Organisationen durch den Verfassungsschutz einführen will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lehnen diese Überprüfung ab.
Der Kampf gegen Rassismus muss ein stetiger sein. Er erfordert Mut und einen langen Atem, und er erfordert vor allen Dingen auch eine klare Haltung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer ohne Schulabschluss oder ohne Ausbildung bleibt, ist einem viel höheren Risiko ausgesetzt, arbeitslos oder langzeitarbeitslos zu werden, als solche Menschen, die sowohl eine Schulausbildung als auch eine Berufsausbildung erfolgreich absolviert haben.
Bildung und Ausbildung sind der Schlüssel zu einem beruflichen, aber auch zu einem persönlichen Erfolg im Leben. Deshalb dürfen wir es nicht hinnehmen, dass so viele junge Menschen in Hessen noch keinen berufsqualifizierenden Abschluss erreicht haben.
Knapp ein Viertel der jungen Menschen in Hessen ist ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss. Besonders benachteiligt sind dabei diejenigen, die über keinen oder über einen schlechten Hauptschulabschluss verfügen, oder diejenigen, die einen Migrationshintergrund haben oder aus sozial benachteiligten Familien kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer ohne einen solchen berufsqualifizierenden Abschluss bleibt, der arbeitet später eben auch eher in prekären Beschäftigungsverhältnissen und ist auch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Diese Selektivität des deutschen Schulsystems setzt sich beim Zugang zur Berufsausbildung fort. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und zwischen den Ausbildungswegen sorgen.
Es müssen alle Ausbildungswege gleichermaßen ausgestattet sein. Deswegen ist für uns die Gebührenfreiheit für alle Bildungswege besonders wichtig. Das ist für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wichtig, und zwar von der Kita bis hin zum Meister oder auch zum Master; denn Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als ich mir die Statistik der Bundesagentur für Arbeit vom September 2017 angeschaut habe, konnte ich es kaum glauben: Hessen steht hinsichtlich der Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen je Bewerber bzw. je Bewerberin mit 0,86 im Bundesländervergleich besonders schlecht da.
Nur in Nordrhein-Westfalen ist das Angebot unter den westdeutschen Bundesländern noch schlechter. Hessen ist im Bundesländervergleich hierbei wirklich auf den hintersten Rängen, insbesondere unter den westdeutschen Bundesländern.
Da frage ich Sie: Wie kann das eigentlich sein? Warum ist in Hessen das Verhältnis zwischen Bewerbern und angebotenen Stellen besonders schlecht? Wo sind die Erfolge auch Ihres Bündnisses für Ausbildung, wenn wir im Bundesländervergleich so schlecht dastehen?
Das muss doch dringend geändert werden. Gleichzeitig sorgen Sie als Landesregierung dafür, dass die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im öffentlichen Dienst sinkt. 2011 waren es noch 806 Ausbildungsstellen in der Landesverwaltung. 2015 waren es nur noch 531.
Diese Reduzierung haben Sie bewusst mit der Begründung herbeigeführt, mit dem demografischen Wandel würden weniger Ausbildungsstellen gebraucht. Aber das ist doch falsch. Wenn man sich die Zahlen anschaut, die ich Ihnen eben genannt habe, dann sieht man, dass diese Begründung falsch ist und dass im Vergleich der Bundesländer zu wenige Ausbildungsstellen in Hessen angeboten werden. Dann muss eine Landesregierung doch selbst mit gutem Beispiel vorangehen, statt die eigenen Ausbildungsstellen zurückzufahren.
Nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung an dieser Stelle ernst.
Sie selbst geben weniger jungen Menschen die Chance auf eine Ausbildung und erhöhen damit zugleich das Risiko, dass der öffentliche Dienst selbst auf ein Nachwuchsproblem hinsteuert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Anzahl der hessischen Betriebe, die ausbilden, ist zurückgegangen. 2016 haben sich nur noch 19 % aller Betriebe an der Ausbildung beteiligt. Die Anzahl der Ausbildungsbetriebe sank im aktuellen Berichtsjahr nochmals um 200 Betriebe. Im Vergleich zum Jahr 2008, das einen Hochpunkt der Ausbildungsbeteiligung bildete, haben sich rechnerisch 14 % der Betriebe aus der Ausbildung zurückgezogen. Darunter sind vor allen Dingen auch Kleinstbetriebe. Deswegen muss ich an dieser Stelle sagen, dass das Bündnis für Ausbildung seinen eigenen Ansprüchen und seinen eigenen Zielen nicht gerecht wird.
Das zeigt einmal mehr, dass es einer wesentlich größeren gemeinsamen Kraftanstrengung zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik bedarf, um mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen. Dafür brauchen wir eben auch mehr Engagement seitens der Betriebe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders erschreckend finde ich, dass der sogenannte Übergangsbereich in Hessen ebenfalls in den letzten Jahren gewachsen ist. Immer mehr Menschen stecken in berufsvorbereitenden Maßnahmen, die nicht unbedingt direkt in Arbeit vermitteln und die sich immer mehr zu Warteschleifen für junge Menschen entwickeln statt zu einer tatsächlichen Berufsvorbereitung.
Es ist nach wie vor nicht erkennbar, dass Sie und wie Sie das Übergangssystem so reformieren wollen, dass dieses Übergangssystem einen tatsächlichen Übergang in eine Ausbildung oder in einen Beruf darstellt.
Gerade in diesen Bereich fließen unglaublich viele Mittel. Die steigenden Zahlen zeigen uns, dass wir in diesem Bereich nicht mehr Geld brauchen, sondern dass wir endlich darangehen müssen, die bei den unterschiedlichen Akteuren vorhandenen Mittel gezielter einzusetzen. Es bedarf einer grundlegenden Reform dieses Übergangssystems. Das ist unsere Auffassung.
Unsere vordringliche Aufgabe muss es sein, dafür zu sorgen, dass alle jungen Menschen einen Schulabschluss erlangen, um dann mit einer Ausbildung oder einem Studium die Möglichkeit zu erhalten, ihr eigenes Leben zu gestalten. Dabei ist es uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wichtig, wieder ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine Berufsausbildung genauso viel wert ist wie ein Studium.
Berufliche und akademische Ausbildung sind für uns gleichwertig. Wichtig ist, dass wir junge Menschen dazu befähigen, am Ende den für sie richtigen Weg zu finden und diesen Weg auch einzuschlagen.
Damit sie diesen Weg einschlagen können, muss wesentlich mehr im Bereich der Berufsorientierung getan werden, und zwar in allen Schulformen und endlich auch frühzeitig. Die Probleme müssen frühzeitig angegangen werden. Wir wollen damit ab Klasse 5 anfangen. Zentraler Ansatzpunkt ist für uns als Sozialdemokratie das Fach Arbeitslehre. Berufsorientierung, wie sie im Fach Arbeitslehre vermittelt wird, muss auch an den Gymnasien mit Pflichtstunden unterlegt werden; denn Berufsorientierung nur mal so nebenbei funktioniert nicht.
Behandeln Sie das Fach Arbeitslehre nicht weiter so stiefmütterlich, und verstärken Sie die Ausbildung auch der Lehrerinnen und Lehrer in diesem Bereich. Dafür müssen mehr Studienplätze angeboten werden. Der hohe Anteil an fachfremdem Unterricht in der Arbeitslehre durch Lehrerinnen und Lehrer, die nicht für das Fach ausgebildet sind, muss zurückgefahren werden.
Auch außerhalb der Schule bedarf es guter Angebote, die Jugendliche beim Übergang in das Berufsleben beraten und unterstützend zur Seite stehen. Repräsentative Umfragen haben gezeigt, dass sich nur die Hälfte der Schülerinnen und Schüler überhaupt gut informiert fühlt, welche beruflichen Möglichkeiten ihnen offenstehen. Dies gilt für alle Schulformen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die duale Ausbildung ist eine Erfolgsgeschichte, um die uns viele andere Länder in der Europäischen Union beneiden. Sie ist wichtig für die Nachwuchssicherung unserer hessischen Wirtschaft. Allerdings gerät die duale Ausbildung durch viele Faktoren immer weiter unter Druck. Immer weniger Betriebe bilden aus. Angebotene Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Insbesondere brauchen Kleinst- und Kleinbetriebe auch im Bereich der dualen Ausbildung mehr Unterstützung als bisher.
Wir wollen, dass die Ausbildung für die Betriebe wieder attraktiver wird. Dafür bedarf es auch eines hessischen Tariftreue- und Vergabegesetzes, das Ausbildung nicht nur
als Kannregelung aufnimmt, sondern als Pflichtregelung vorsieht und die Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt berücksichtigt, die ausbilden.
Frau Präsidentin, ich komme gern zum Schluss. – Es ist wichtig, dass wir die beruflichen Schulen stärken und berufliche Schulen im ländlichen Raum flächendeckend dafür Sorge tragen, dass Schülerinnen und Schüler Berufsschulen noch wohnortnah erreichen. Wir brauchen Hilfen aus einer Hand als Unterstützungsmaßnahme für diejenigen, die der Unterstützung bedürfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ziel ist klar: Alle jungen Menschen brauchen eine Ausbildungsplatzgarantie. Alle Menschen unter 35 Jahren müssen einen Anspruch auf eine berufliche Qualifikation haben.
Das sichert ihnen ein selbstbestimmtes Leben. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne noch einmal auf die Fakten zurückkommen, die ich schon zu Beginn meiner heutigen Rede deutlich gemacht habe, weil es mir so erscheint, dass insbesondere die Regierungsfraktionen und die Regierung hier versuchen, ein Problem kleinzureden, das es gibt.
Schauen Sie sich noch einmal die Zahlen der Statistik an, die die Bundesagentur für Arbeit im September 2017 herausgegeben hat. Da steht nun einmal Hessen mit der Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen je Bewerberin oder Bewerber mit 0,86 im Bundesländervergleich besonders schlecht da. Nur NRW ist an dieser Stelle noch schlechter als Hessen. Daran sieht man doch, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt, weil wir schlechter dastehen als andere Bundesländer.
Wenn Herr Bocklet darauf eingeht, dass 2.675 freie, unbesetzte Stellen da sind und 1.865 unversorgte Ausbildungssuchende, dann ist das zwar richtig. Aber dann ignorieren Sie, dass natürlich schon ein Teil der genannten jungen Menschen in das Übergangssystem und nicht in eine Ausbildung übergegangen ist und deswegen nicht mehr bei der Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber vorkommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einen dritten Punkt deutlich machen. Sie können im „Ländermonitor berufliche Bildung“ der Bertelsmann Stiftung genau sehen, dass in keinem anderen Bundesland so große Übergangsschwierigkeiten gerade für junge Menschen mit Migrationshintergrund bestehen. Das ist doch ein Problem. Deswegen haben wir schon vor Jahren deutlich gemacht, auch mit einem eigenen Gesetzentwurf, dass das Schulbesuchsrecht für junge Menschen bis auf 27 Lebensjahre hochgesetzt werden muss, damit eine Chance besteht, einen Abschluss zu bekommen.
Diese Landesregierung hat sich von dem Ziel eines Schulabschlusses längst verabschiedet. Sie gewährleistet mit InteA das Ziel eines Abschlusses nicht mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen gibt es hier sehr wohl erheblichen Nachholbedarf, auch im Bereich junger Menschen mit Behinderungen. In Hessen gibt es die schlechteste Angebots-Nachfrage-Relation im Vergleich der Flächenländer für Jugendliche mit Behinderungen. Auch das ist ein Problemfeld, das Sie noch nicht ausreichend angehen.
Wenn man sich die Zahl derjenigen in den Übergangssystemen anschaut, dann muss ich sagen: Ich bin verwundert über das, was Sie in Ihrem eigenen Antrag schreiben. Sie schreiben, dass erklärtes Ziel des Bündnisses Ausbildung Hessen ist, „möglichst viele Jugendliche in eine Ausbildung zu bringen und die Zahl derer in Übergangssystemen zu senken“. – Ja, aber dann tun Sie das endlich auch.
Aber die Zahlen zeigen etwas anderes. Sie widersprechen sich doch mit Ihren eigenen Fakten. Denn wenn man sich die Zahlen im Übergangssystem anschaut, dann sieht man: Es sind mittlerweile 22.800 junge Menschen im Übergangsbereich. Das sind 5.000 junge Menschen mehr als noch im Vorjahr.
Jetzt ruft der Minister zu, das seien nur die Flüchtlinge. Das ist eben nicht so; denn in Ihrem eigenen Berufsausbil
dungsbericht sagen Sie, Herr Al-Wazir, auf Seite 45, dass das zwar ein „wesentlicher Grund“ ist, aber dass es noch andere Gründe gibt. Die benennen Sie zwar nicht, aber Sie selbst sagen, dass ein Teil in diesem Übergangsbereich, der größer geworden ist, eben nicht nur Flüchtlinge sind. Also schauen Sie sich Ihren eigenen Bericht an, reden Sie die Probleme nicht klein, und packen Sie die Herausforderungen endlich an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns geht es sehr wohl um die Gleichwertigkeit der akademischen und beruflichen Ausbildung. Das müssen wir nicht nur alle zusammen in diesem Raum fordern; denn die gesellschaftliche Realität sieht momentan anders aus. Deswegen müssen wir alle gemeinsam das Bewusstsein dafür schaffen, dass es eine Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung geben muss. Dabei geht es der SPD-Fraktion nicht darum, irgendwelche Feindbilder hochzuziehen, sondern es geht uns darum, dass wir eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Fraktionen im Hessischen Landtag brauchen, zusammen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! – Aus Anlass der heutigen Debatte wollte ich diese Anrede verwenden, die Marie Juchacz als erste Frau in der Nationalversammlung am 19.02.1919 ausgesprochen hat und die damals zu großer Heiterkeit geführt hat – zumindest wurde dies im Protokoll vermerkt.
Der Kampf der Frauen um das Frauenwahlrecht von damals ist und bleibt Verpflichtung für uns alle, in unserem Kampf nicht nachzulassen und weiter zu kämpfen, bis wir die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht haben.
Das Frauenwahlrecht musste gegen harte Widerstände erkämpft werden. Die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges verfasste die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ und wurde für ihren Einsatz schließlich enthauptet.
Als Sozialdemokratin kann ich mit einem gewissen Stolz sagen: Dass es zur Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland gekommen ist, ist vor allem auch der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie zu verdanken.
Seit der Jahrhundertwende trieb die SPD die Idee des Frauenwahlrechts maßgeblich mit voran. Während sich die bürgerliche Frauenbewegung auf die Forderung eines eingeschränkten Frauenwahlrechts beschränkte, kämpfte die SPD von Anfang an für die komplette Gleichstellung, allen voran die damalige Frauensekretärin Clara Zetkin.
Am 30. November 1918 trat das Reichswahlgesetz in Kraft. Dass das eigentlich nur die Umsetzung einer langen Selbstverständlichkeit war, darauf verwies auch Marie Juchacz in ihrer ersten Rede vor der Nationalversammlung. Ich zitiere:
Ich möchte hier feststellen, … dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.
Bei der Wahl im Januar 1919 gaben 82 % der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab. 82 % Wahlbeteiligung der wahlberechtigten Frauen: Das wünsche ich mir auch für heute. Ich glaube, dann sähe in der Politik auch einiges anders aus.
Das gilt gerade in einer Zeit, in der wir auch wieder mit frauenpolitischen Rückschritten zu kämpfen haben. Denken wir z. B. an die rechtspopulistischen Parteien, die stärker werden und die ein Frauenbild aus der Nazizeit vertreten.
Heute sieht der Frauenanteil in den deutschen Parlamenten besser aus, als es damals noch in der ersten Nationalversammlung der Fall war. Aber ein Drittel Frauenanteil unter den Abgeordneten in diesem Haus – das ist auch heute noch nicht die Hälfte der Macht. Der Frauenanteil in diesem Haus ist auch innerhalb der verschiedenen Fraktionen sehr unterschiedlich. Das ist aus meiner Sicht auch ein Ausdruck davon, wie intensiv die Bemühungen in den eigenen Reihen dafür sind, für einen größeren Frauenanteil zu sorgen.
Im neu gewählten Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil mit 31 % sogar noch etwas niedriger, und er ist zurückgegangen. Das liegt natürlich auch daran, dass mit der AfD eine Partei in den Bundestag eingezogen ist, die einen Frauenanteil von lediglich 11 % in ihren Reihen hat. Ich finde, das sagt sehr viel über das Gesellschafts- und Frauenbild der AfD aus.
Der Kampf um Gleichberechtigung war und ist mit der Einführung des Frauenwahlrechts nicht beendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz erkämpft werden. Auch hier war es mit Elisabeth Selbert wieder eine Sozialdemokratin – dazu noch eine hessische Sozialdemokratin –, die die Verankerung von Art. 3 im Grundgesetz erwirkt und erkämpft hat.
Erst 1994 findet sich in diesem Artikel auch der Auftrag, dass der Staat auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und die Beseitigung weiterhin bestehender Benachteiligung hinwirken soll. Bis Ende der Fünfzigerjahre bestand das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in Ehe- und Familienangelegenheiten. Es sollte bis
1977 dauern, bis unter der damaligen sozialliberalen Koalition durchgesetzt wurde, dass Frauen ihren Ehemann eben nicht mehr um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie berufstätig sein wollen. Was uns heute selbstverständlich erscheint, auch das musste erst hart von vielen Frauen erkämpft werden.
Ich würde mir wünschen, dass in einigen Jahren in Sachen Gleichberechtigung weitere Dinge als selbstverständlich angesehen werden können, die eben heute noch im Argen liegen: dass etwa der Anteil der Frauen in Parlamenten paritätisch wird oder dass auch im Arbeitsalltag endlich der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ erreicht sein wird und die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern geschlossen werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil die Regierungsfraktionen in ihrem Antrag darauf hinweisen: Aus meiner Sicht reicht der Hessische Lohnatlas eben nicht aus, weil hier nur die Vollzeitstellen miteinander verglichen werden und das nicht ein Bild der tatsächlichen Wirklichkeit darstellt – vor allem aber, weil die Landesregierung bisher keine Konsequenzen aus den Daten des Hessischen Lohnatlas zieht.
Ich würde mir auch wünschen, dass wir in einigen Jahren – oder kürzester Zeit – endlich tatsächlich gebührenfreie Kitas bekommen, und zwar ganztägig; denn nur sechs Stunden, das führt einfach völlig an der Lebensrealität vorbei. Hier setzt Schwarz-Grün auf ein überkommenes Familienbild.
Ich würde mir wünschen, dass wir Kampagnen wie #MeToo in Zukunft nicht mehr brauchen werden;
denn sie sind ein Ausdruck dafür, dass Männer – durch Vergewaltigung und sexuelle Belästigung – noch Macht über Frauen ausüben.
Ich würde mir wünschen, dass die Führungspositionen in unserer Gesellschaft und auch in der Wirtschaft gleich stark mit Frauen und Männern besetzt sind. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass es Manuela Schwesig war, die auch gegen erbitterten Widerstand darum gekämpft hat, dass eine 30-%-Quote für die Aufsichtsräte der DAX-Konzerne eingeführt wurde.
Ich würde mir wünschen, dass die paritätische Besetzung auch in der Politik durchgesetzt wird. Wenn man sich hier das Kabinett im Hessischen Landtag anschaut, sieht man, dass das noch lange nicht erreicht ist, wenn von elf Kabinettsmitgliedern nur drei weiblich sind.
Das ist noch viel im Vergleich zum marginalen Frauenanteil beispielsweise auf der Ebene der Abteilungsleiterstellen in den hessischen Ministerien, wo es nach wie vor frauenfreie Zonen gibt, etwa im Finanzministerium, im Wirtschaftsministerium und im Innenministerium – und das, obwohl dort seit 2014 fünf neue Stellen besetzt wurden. Das ist aus unserer Sicht beschämend.
Hessen braucht endlich eine Landesregierung, die den öffentlichen Dienst wieder zum Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung macht; denn die Gleichberechtigung der Geschlechter ist und bleibt eine Führungsaufgabe. Solange sie von der Spitze, dem Ministerpräsidenten und dem Kabinett, nicht vollständig gewollt und gelebt wird, so lange kann es in Hessen auch keinen echten frauenpolitischen Aufbruch geben. Dazu gehört, dass wir ein Hessisches Gleichberechtigungsgesetz bekommen, das diesen Namen auch verdient. Die bisherigen schwarz-grünen Veränderungen zeigen nämlich keine Wirkung in Hessen.
Es muss noch viel passieren. Nach 19 Jahren Stillstand und Rückschritt in Hessen brauchen wir in Sachen Gleichberechtigung endlich auch wieder Fortschritt und Aufbruch.
Ich komme zum Schluss. – Die SPD – ich habe heute eine Reihe von Beispielen aufgezählt – ist die Partei, die in den vergangenen 155 Jahren immer für Gleichberechtigung gekämpft hat. Das ist eine Tradition, auf die wir auch stolz sind und die uns gleichzeitig für die Zukunft verpflichtet. Dabei geht es eben nicht nur um feierliche Reden zum 100-jährigen Bestehen des Frauenwahlrechts, sondern es geht um einen engagierten Einsatz in Sachen Gleichberechtigung, 365 Tage im Jahr.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute endlich die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Zielen, Kosten und Effizienz der Ausgaben für Ausbildung und Ausbildungsförderung in Hessen debattieren. Ich muss sagen: endlich; denn wir haben diese Große Anfrage im Oktober 2016 gestellt, und die Landesregierung hat mehr als acht Monate gebraucht, um diese Anfrage zu beantworten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, umso erstaunlicher finde ich, dass es der Landesregierung selbst in dieser langen Zeit nicht gelungen ist, alle Fragen zu beantworten; denn wenn es beispielsweise um die Fragen nach den Kosten der Ausbildung im Landesdienst geht, muss die Landesregierung passen und verzichtet auf eine Beantwortung. Das ist natürlich sehr „großzügig“ von Ihnen.
Aber auch wenn man sich die Fragen anschaut, die tatsächlich beantwortet wurden, erkennt man: Die vorliegende Antwort ist eine Dokumentation des Versagens der schwarz-grünen Landesregierung bei der Ausbildungsförderung.
Zum Beispiel bleibt Ihr Bündnis für Ausbildung, das Sie 2015 noch medienwirksam inszeniert haben, hinter den Erwartungen zurück. Nach den neusten verfügbaren Daten der Arbeitsagentur von Ende Oktober stieg die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze zwischen dem Berichtsjahr 2015/2016 und dem Berichtsjahr 2016/2017 gerade einmal um 316 Plätze. Das sind 0,9 %.
Im Berichtsjahr 2016/2017 blieben 1.865 Bewerber komplett unversorgt. Rechnet man dann noch die sogenannten Bewerber mit Alternative ein, die sich z. B. in einer Übergangsmaßnahme befinden, hatten wir im letzten Ausbildungsjahr mehr als 6.800 junge Menschen, die keine Berufsausbildung gefunden haben. Wer jetzt hofft, dass sich das Problem durch den demografischen Wandel von alleine lösen wird, der ist auf dem Holzweg. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler steigt eher, als dass sie zurückginge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders verheerend ist, dass die Landesregierung dieses Problem noch selbst verschärft. Seit 2011 ist die Zahl der Ausbildungsstellen des Landes um mehr als ein Drittel gekürzt worden, obwohl wir doch alle wissen, dass wir auch im öffentlichen Dienst auf ein Nachwuchsproblem zusteuern. Im Finanzministerium gab es 2011 noch 94 Ausbildungsstellen. Im Jahr 2015 waren es ganze 13 Ausbildungsstellen.
Auch im grünen Wirtschaftsministerium ging die Zahl von 102 auf 70 Ausbildungsstellen zurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer als Landesregierung selbst ein so schlechtes Beispiel abgibt, braucht sich nicht zu wundern, dass der eigene Ausbildungspakt floppt.
Auch im Hinblick auf die aktive Ausbildungspolitik des Landes gleicht Ihre Antwort auf unsere Anfrage eher einem Offenbarungseid. Entweder müssen Sie eingestehen, dass Sie vieles einfach nicht wissen, oder Ihre Initiativen, die immer mit großem Tamtam angekündigt wurden, haben keinen Erfolg. Das gilt beispielsweise für die Initiative Pro Abschluss und das Programm QualiBack.
Die Initiative Pro Abschluss startete 2015, um Menschen im Beruf, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, zu einem Berufsabschluss zu verhelfen. Ich finde, damit wird ein wichtiges Ziel verfolgt. Laut Homepage der Initiative gibt es immerhin 320.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die keinen Berufsabschluss haben. Dabei sind Minijobber und Arbeitslose ohne Berufsabschluss noch nicht einmal einberechnet. Von diesen 320.000 Beschäftigten, so Ihre Antwort auf unsere Anfrage, sind nach Ihrer Aussage gerade einmal 1.425 Personen beraten worden. Bis zum April 2017 haben ganze 312 Personen den Qualifizierungscheck in Anspruch genommen. Das sind gerade einmal 0,1 % in zwei Jahren. Wenn das so
weitergeht, dann brauchen wir noch mindestens 1.000 Jahre,
um die Betroffenen zu qualifizieren. Das ist uns eindeutig zu langsam, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das Programm QualiBack ist auch nicht erfolgreicher. Es ist schon in seiner Pilotphase gescheitert. An diesem Programm haben seit dem Programmstart in den beiden Pilotregionen in drei Schuljahren ganze 20 Personen teilgenommen. Von diesen Personen durchlaufen nach Ihren Angaben zurzeit fünf das Programm, acht haben abgebrochen und ganze sieben einen Abschluss nachgeholt. Das ist ebenfalls eine sehr magere Bilanz.
Wenn man sich die landesweite Ausdehnung des Programms anschaut, sieht man, dass es dort nicht besser ist. Obwohl alle hessischen Berufsschulen daran teilnehmen können, die Teilnahme beantragen können, haben das in ganz Hessen außerhalb der Modellregionen nur acht Berufsschulen getan. An diesen acht Berufsschulen hat sich niemand für das Programm angemeldet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt auch, dass es eine erfolgreiche Nachqualifizierung nicht zum Nulltarif gibt und dass Berufsschulen, die in einem solchen Programm mitmachen, auch eine entsprechende Unterstützung seitens des Landes Hessen brauchen.
Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt noch mehr Defizite auf. Beispielsweise ist in den Programmen des Sozialministeriums die Zahl der Abbrecher und der nicht bestandenen Prüfungen zusammengerechnet größer als die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen. Auch dort muss irgendetwas grundlegend falsch laufen. Andere Ministerien hingegen erheben erst gar keine Daten, um zu überprüfen, wie die Bilanz der Programme in ihren Ressorts ausschaut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist uns eindeutig zu wenig, was Sie als Landesregierung hier tun. Zusammenfassend lässt sich sagen: Ihre Ausbildungspolitik ist mangelhaft und ungenügend. Es mangelt Ihnen am Einsatz für diese Sache.
Wir als SPD-Fraktion sind davon überzeugt, dass es besser geht. Deswegen werden wir in Kürze ein entsprechendes Konzept vorlegen, das sich mit allen relevanten Bereichen dieses Politikfelds befasst und einen aufeinander abgestimmten Ansatz verfolgt, angefangen bei der Berufsorientierung in den Schulen über die Berufsberatung, die Stärkung der dualen Ausbildung und der Berufsschulen bis hin zu Themen wie der Ausbildungsunterstützung und der Nachqualifizierung, vor allem aber im Hinblick auf die Effizienzsteigerung und Koordinierung der verschiedenen Angebote.
Die hessische Wirtschaft braucht gut ausgebildete Fachkräfte. Nicht zuletzt auch der Staat ist darauf angewiesen, dass es gut ausgebildete Menschen gibt, die am Ende auch in die Steuer- und Sozialkassen einzahlen. Vor allem aber
brauchen wir Ausbildung, weil sie jungen Menschen ein selbstbestimmtes Leben garantiert.
Nur wer eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt gute Beschäftigungschancen, ein ordentliches Einkommen und später auch eine entsprechende Rente.
Umgekehrt werden es die Jugendlichen, bei denen wir es nicht schaffen, sie zu einem Berufsabschluss zu bringen, später schwer haben. Wir wissen doch, dass Menschen ohne Berufsausbildung im Schnitt eher in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und dass sie besonders von Langzeitarbeitslosigkeit, Niedriglöhnen und Altersarmut bedroht sind. Das gilt es zu verhindern. Darum geht es uns als SPD-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Debatte jetzt nicht überstrapazieren, aber ich möchte zu zwei Dingen noch kurz etwas sagen. Erstens. Herr Staatssekretär, mich überzeugt Ihr Argument nicht, warum Sie die Zahl der Ausbildungsstellen des Landes um ein Drittel bewusst gekürzt haben. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum: Ich finde, das steht eklatant im Widerspruch zu den Zahlen der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber.
Zweitens – das wurde schon von mehreren Rednern angesprochen – möchte ich auf die hohen Summen eingehen, die für die Ausbildungsförderung vonseiten des Landes Hessen ausgegeben werden. Sie haben die Mittel entsprechend erhöht.
Meine sehr verehren Damen und Herren, ich habe in keiner Weise an irgendeiner Stelle meiner Rede gefordert, dass wir diese Summen im Landeshaushalt erhöhen müssen. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie das auch mitbekommen können: Ich habe davon gesprochen, dass, gerade weil wir diese hohen Summen im Bereich der Ausbildungsförderung ausgeben, überprüft werden muss, wie effizient die Programme sind, für die wir das Geld ausgeben. Es geht uns als SPD-Fraktion nicht um die Mittelerhöhung, sondern es geht uns um eine effizientere Verteilung.
Es ist viel Geld im System. Die Förderstruktur ist unübersichtlich, und die Erfolge sind gering oder nicht nachvollziehbar. Wir stellen uns beispielsweise die Frage, welche Bildungsgänge entbehrlich sind, weil sie nicht zu dem gewünschten Erfolg, zu dem Abschluss, führen.
Herr Bocklet – weil Sie mich darauf angesprochen haben –, genau die Fragen, bei denen es um die Evaluation geht, konnte uns die Landesregierung nicht beantworten. Das war unsere Kritik an der Landesregierung und der Beantwortung der Großen Anfrage.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt schwer, bei so einem Redebeitrag noch ruhig zu bleiben.
Ich denke, dieser Redebeitrag zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns heute über dieses Thema im Hessischen Landtag auseinandersetzen, und wie wichtig es ist, dass wir im Anschluss eine Debatte im zuständigen Ausschuss führen.
Zu dem, was Herr Bartelt gesagt hat, möchte ich sagen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist,
auch noch nicht juristisch; denn die Anwältin der Ärztin hat heute angekündigt, dass sie Revision gegen dieses Urteil einlegen wird.
Sie hat auch betont, dass sie in keiner Weise eine appellative Werbung vorgenommen habe. Wenn Sie sich das einmal auf der Homepage der Ärztin angeschaut hätten, dann hätten Sie erkannt, dass diese Ärztin keine Werbung gemacht hat, sondern dass sie Informationen geboten hat für die Frauen, die selbstverständlich zuvor eine Beratungsstelle aufgesucht haben. Die Ärztin hat die Notwendigkeit einer Beratung durch eine Beratungsstelle auch gar nicht in Abrede gestellt. Sie will aber als Ärztin ihrer Verantwortung gerecht werden und den Frauen, die ihre Patientinnen sind, die Möglichkeit geben, neutrale Informationen zu erlangen.
Meine Damen und Herren, natürlich ist § 219a Strafgesetzbuch eine sehr restriktive Regelung aus dem Jahr 1933. Diese Regelung wurde zu einer Zeit eingeführt, in der Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich strafbar waren. Das ist aber schon lange nicht mehr zeitgemäß.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Paragraf komplett gestrichen wird; denn es besteht aus unserer Sicht Rechtsunsicherheit in diesem Bereich. Heute – das haben wir schon mehrfach gehört – stand die Ärztin in Gießen vor Gericht, weil sie den Frauen, die sich nach der Abarbeitung aller notwendigen Schritte dazu entschieden haben, Informationen anbietet. Radikale Abtreibungsgegner haben diese Ärztin angezeigt und ihr vorgeworfen, sie hätte Werbung gemacht.
Ich finde, wenn man sich das tatsächlich anschaut, dann erkennt man, dass es eben keine Werbung war. Sie wurde aber heute zu einer Geldstrafe von 6.000 € verurteilt. Dabei hat sie lediglich – das möchte ich noch einmal betonen – über die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten informiert. Mich macht dieses Urteil sehr betroffen. Ich gestehe ein, dass ich es auch nicht nachvollziehen kann.
In meinem engsten Umfeld gibt es Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen haben. Frauen, die sich mit dem Gedanken befassen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, befinden sich oft in einer sehr schweren seelischen Notlage. Herr Rock hat das angesprochen. Es ist tatsächlich eine sehr sensible Situation, mit der wir auch sensibel umgehen müssen.
In dieser sehr schwierigen und persönlichen Situation benötigen Frauen vor allen Dingen neutrale und qualifizierte Informationen. Wenn sich diese Frauen beispielsweise im Internet informieren wollen, dann treffen sie unweigerlich auf die Seiten der Abtreibungsgegner. Sie müssen sich dann von diesen einschüchtern und beschimpfen lassen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die betroffenen Frauen in dieser Situation brauchen.
Sie brauchen Ärztinnen und Ärzte wie Kristina Hänel, die neutral aufklären und informieren, ohne für einen Abbruch zu werben. Diejenigen zu kriminalisieren, die als Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen neutral informieren wollen, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Deswegen verstehe ich an dieser Stelle auch nicht die Haltung der CDU. Frauen haben ein Recht auf freie Arztwahl. Frauen haben auch ein Recht auf Selbstbestimmung. Es darf nicht weiter sein, dass Frauen in ihren Rechten eingeschränkt und eingeschüchtert werden. Es darf nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer Aufklärungspflicht eingeschränkt und ebenfalls eingeschüchtert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Auffassung, die Rechte der Frau auf Selbstbestimmung müssen dringend gestärkt werden. Ich hoffe auf eine bessere Beratung im Anschluss an die heutige Debatte im Ausschuss. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute zwei Themen in einer Debatte, die zwar beide das Wahlrecht betreffen, deren Gegenstände inhaltlich aber sehr unterschiedlich sind. Deswegen möchte ich zu diesen beiden Themenfeldern getrennt sprechen.
Ich möchte zunächst zum Wahlrecht für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit etwas aus Sicht der SPDFraktion sagen. Die hessische SPD setzt sich schon sehr lange für die Ausweitung des Kommunalwahlrechts für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein. Wir wollen ein kommunales Wahlrecht für alle hier lebenden Menschen.
Wir wollen keine Ungleichbehandlung der Bürger der Europäischen Union und der Menschen, die nicht aus Staaten der Europäischen Union kommen.
Das Kommunalwahlrecht in Deutschland ist schon heute nicht mehr strikt an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt. Vielmehr steht es allen hier lebenden Bürgerinnen und Bürgern aus der Europäischen Union zu. Als das im Zuge des Vertrags von Maastricht Anfang der 1990er-Jahre eingeführt wurde, entschieden sich einige europäische Staaten, wie etwa Belgien, dafür, das Wahlrecht bei Kommunalwahlen gleich ganz zu öffnen. Sie dehnten es auf Drittstaatsangehörige aus.
Einige Staaten hatten diese Regelung bereits vor dem Vertrag von Maastricht. Die Idee, die dahinter steht, ist die, dass auch Einwohnerinnen und Einwohner ohne deutschen Pass bei der Gestaltung der örtlichen Lebensverhältnisse mit entscheiden und sich einbringen können sollen.
Wir sind der Auffassung, dass eine solche Ausweitung des Kommunalwahlrechts ein Partizipationsangebot an die bei uns lebenden Ausländer ist. Das ist das Angebot, sich in unsere Gesellschaft und deren Gestaltung aktiv einzubringen.
Damit ist das deutsche Kommunalwahlrecht letztlich auch ein Integrationsangebot an die, die hier dauerhaft leben, arbeiten und Steuern und Abgaben zahlen. Es ist der erste Schritt hin zu einer politischen Integration dieser Menschen, dem hoffentlich weitere folgen werden.
Gerade nach der Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf Angehörige der Europäischen Union scheint die Verweigerung derselben Rechte für andere Staatsangehörige eine zunehmend künstliche Trennung zu werden. Ich frage Sie: Warum darf ein Finne nach drei Monaten in Deutschland wählen, ein Norweger aber selbst nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland nicht? Warum darf eine Kroatin für das Stadtparlament kandidieren, eine hier lange lebende Serbin aber nicht?
Ich denke, an diesen Beispielen zeigt sich sehr offensichtlich, dass es hier eine Ungleichbehandlung gibt, die abgeschafft werden muss. Allerdings erhebt die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag jetzt die Forderung, das Wahlrecht für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit auch auf Wahlen anderer Ebenen auszudehnen. Das können wir so einfach nicht mitgehen. Ich denke, es ist notwendig, die Argumente intensiv in einer Ausschusssitzung auszutauschen. Denn hier verlassen wir die Mitgestaltung des örtlichen Nahbereichs und des unmittelbaren Lebensumfelds.
Ich möchte nun zum zweiten Thema der heute geführten Debatte kommen. Da geht es um das Wahlrecht für voll betreute Menschen. Uns liegt da ein Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vor. Mit unserem Programm zur Bundestagswahl hat sich die SPD im Bund dazu bekannt, die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen abschaffen zu wollen.
Ich finde es wichtig und notwendig, dass wir uns in Hessen insbesondere auch auf Landesebene intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Andere Bundesländer haben das schon getan. Ich finde, es würde sich eine intensive Auseinandersetzung auch hier in Hessen lohnen. Der Gesetzentwurf, der vorliegt, bietet uns zumindest die Möglichkeit, im Plenum darüber zu debattieren und vor allen Dingen auch eine parlamentarische Anhörung durchzuführen,
mit der die verschiedenen Argumente noch einmal abgewogen werden können.
Ich persönlich pflege sehr engen Kontakt mit Berufsbetreuerinnen und -betreuern in meinem Wahlkreis. Ich selbst habe auch einmal einen Praxistag bei einem Berufsbetreuer mitgemacht. Ich habe auch in meiner Familie Menschen mit geistiger Behinderung. Deswegen geht mir dieses Thema sehr nahe. Ich finde, es hat eine wirklich intensive Auseinandersetzung verdient. Die heutige Debatte zeigt, dass es keine ganz einfache Auseinandersetzung ist und dass es sicherlich auch Argumente dafür und dagegen gibt, die durchaus ernst genommen werden müssen. Bisher sind Menschen, die in allen Angelegenheiten betreut werden, also die sogenannten Vollbetreuten, vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Grundsatz, der jahrzehntelang gilt, muss aber nicht für alle Ewigkeit weiter gelten, gerade wenn sich auch Rahmenbedingungen verändert haben. Der Ausschluss vom Wahlrecht ist ein Relikt aus einer Zeit, als es noch das Vormundschaftsrecht gab. Das war vor 1992, als man die heute Betreuten noch in allen Lebensbelangen bevormundete. Es hat seitdem auch ein Wandel im Betreuungsrecht stattgefunden. Wer voll betreut wird, ist nicht in der Lage, zu wählen – das ist die Logik des heute bestehenden Wahlrechts.
In der Tat ist das ganze Thema wesentlich weniger einfach und eindeutig. Es ist sehr verallgemeinernd und vereinfachend, jeder voll betreuten Person per se die Fähigkeit abzusprechen, einen politischen Willen zu artikulieren. Nicht jeder, der unter einer vollen Betreuung steht, ist auch so schwer beeinträchtigt, dass er oder sie keine Wahlentscheidung treffen kann. Es gibt auch Fälle, in denen die Vollbetreuung auf eigenen Wunsch der Betroffenen erfolgt ist, weil diese sich damit selbst vor Risiken, wie etwa einer Überschuldung, schützen wollen. Auf der anderen Seite haben wir auch einige geistig schwerstbeeinträchtigte Personen, die keiner Vollbetreuung unterstehen, weil sie auf Dauer hospitalisiert sind. Oder denken Sie beispielsweise auch an die zunehmende Zahl von demenzkranken Menschen, die keiner Betreuung im Sinne der Wahlgesetze unterstehen. Diese Menschen besitzen trotz ihrer Einschränkung das volle Wahlrecht.
Hier sehen wir, dass wir es mit einer massiven Ungleichbehandlung in der Praxis zu tun haben, die mit dem Grundsatz des gleichen Wahlrechts in Konflikt gerät. Diese Ungleichheit wird noch größer, wenn man sich die Zahlen der Vollbetreuung in den einzelnen Bundesländern anschaut. Es gibt starke regionale Ungleichgewichte. In Hamburg oder Bremen kommt es pro 100.000 Einwohner zu weniger als zehn Wahlrechtsentzügen, während es in NordrheinWestfalen 164 und in Bayern sogar 204 sind. In Bayern ist also die Wahrscheinlichkeit, sein Wahlrecht zu verlieren, zigfach höher als beispielsweise in Hamburg. Deshalb frage ich mich: Kann es sein, dass es von meinem Wohnort abhängt, ob eine Vollbetreuung angeordnet wird oder nicht, und ob mir dann das Wahlrecht verloren geht oder nicht?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben diesen Entwicklungen, die mich sehr bedenklich stimmen, hat sich auch der rechtliche Kontext verändert. Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland. Während wir uns hier im Hessischen Landtag mit dieser Konvention vor allen Dingen im Hinblick auf die Inklusion im Bildungsbereich beschäftigen, bezieht
sich diese Konvention auch auf die politische Teilhabe. Die Vertragsstaaten haben sich laut Art. 29 dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können, sei es unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter oder Vertreterinnen, was auch das Recht und die Möglichkeit einschließt, zu wählen und gewählt zu werden. Da ist es schon mehr als fraglich, ob ein solcher allgemeiner Ausschluss vom Wahlrecht, der automatisch mit der Vollbetreuung einhergeht, dieser Verpflichtung der UN-Behindertenrechtskonvention noch entspricht.
Dementsprechend stößt auch die bisherige Regelung auf heftige Kritik, unter anderem auch bei der Behindertenbeauftragen der Bundesregierung, die das Ganze als großen Missstand bezeichnet hat und die das Wählen als demokratisches Grundrecht und die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stark betont hat.
Ich komme zum Schluss. – Andere Länder in Europa handhaben dieses Thema liberaler. Sie haben das Wahlrecht entweder gar nicht eingeschränkt oder nur nach einer individuellen richterlichen Prüfung des Einzelfalls.
Ich denke, allein diese Punkte zeigen, dass wir uns hier im Hessischen Landtag noch intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Daher freue ich mich auf eine parlamentarische Anhörung, die dann auch Grundlage für eine Positionierung der SPD-Fraktion sein wird. – Danke schön.
Hier liegt noch etwas. Ist das von Ihnen Herr Blechschmidt? – Nein.
Dann gebe ich Ihnen das in vertrauensvolle Hände.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Teilzeit von Eltern in Deutschland heißt vor allem von Müttern in Teilzeit. Etwa 80 % der mehr als 11 Millionen Teilzeitbeschäftigten sind weiblich. Mehr als die Hälfte aller Mütter in Deutschland arbeitet in Teilzeit. Einige, weil sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen. Aber auch viele, weil sie es sich aus finanziellen Gründen gar nicht anders leisten können, weil sie einen schweren Pflegefall in der Familie haben, oder weil schlicht und ergreifend die Kinderbetreuung nicht ausreicht und fehlt.
Gerade Eltern wissen, wie schwierig das ist, wenn ihre Kinder in die Grundschule kommen, und wie sehr es da um das Angebot an Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich fehlt. Ich selbst erlebe das tagtäglich als Mutter von zwei Kindern und weiß deshalb auch, wie wichtig es ist, endlich auch hier in Hessen den Ganztagsgrundschulausbau voranzutreiben.
Selbst wenn die Kinder älter werden und die Frauen wieder Vollzeit arbeiten wollen, sitzen sie in der Teilzeitfalle: einmal Teilzeit, immer Teilzeit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das muss sich endlich ändern.
Es sind immerhin Hunderttausende, die von Teilzeit wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren wollen, es aber nicht dürfen. Deswegen möchte ich Ihnen einmal ein
krasses aber kein ungewöhnliches Beispiel aus der freien Wirtschaft nennen: Wieso soll ein Unternehmen freiwillig Interesse daran haben, wenn seine Arbeitnehmerin einen 20-Stunden-Vertrag hat, in der Woche aber fünf Überstunden macht, im Übrigen unbezahlt, weil diese in Ihrem Vertrag schon von vorneherein eingepreist sind, die Frau wieder in Vollzeit zurückkehren zu lassen? Deswegen brauchen wir in Deutschland endlich ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, um diese Missstände abzustellen.
Umgekehrt ist es aber auch so, dass Tausende von berufstätigen Vätern erst gar nicht auf Teilzeit gehen wollen, da sie wissen, dass sie damit auch in einer Teilzeitfalle landen und nicht einfach so wieder auf Vollzeit zurückkehren können. Sie wollen erst gar nicht in dieser ewigen Teilzeit ohne Aufstiegschancen landen. Auch für diese ist das Rückkehrrecht ein wichtiger Beitrag im Sinne der Familien.
Der Union ist das alles völlig egal. Die CDU hat das Gesetz, das Andrea Nahles schon im November 2016 ins Bundeskabinett eingebracht hat, bewusst so lange verzögert, da sie das Gesetz nicht will, weil sie Andrea Nahles damit scheitern lassen wollte, und hat in dieser gesamten Zeit seit November immer wieder neue Forderungen gestellt und neue Hürden aufgebaut. Die Kanzlerin, deren Engagement für Frauen und Frauenrechte sich bekanntermaßen insgesamt in Grenzen hält, und die CDU haben dieses Gesetz aus ideologischen Gründen verhindert. Die CDU entpuppt sich da ein weiteres Mal als Lobbypartei der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.
Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das äußerst unklug; denn damit schadet sich die Wirtschaft am Ende selbst, man denke nur an den Fachkräftemangel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Auswirkungen von Teilzeit sind verheerend. Sie sind ein Leben lang spürbar: geringerer Verdienst, keine Karrierechancen, am Ende im Alter geringe Rente und Altersarmut. Teilzeit von Müttern ist der Hauptgrund für die Lohnkluft von 21 %. Frau Merkel sorgt mit ihrer Blockadehaltung dafür, dass es so bleibt.
Deswegen ist es ein Hohn, wenn Herr Minister Grüttner sich in dieser Woche in der Fragestunde für den Lohnatlas in Hessen loben lässt. Was aber nützt uns das Wissen über die Lohnungleichheiten in Hessen, wenn wir die Ursachen nicht bekämpfen wollen?
Ich komme zum Schluss. – Um echte Gleichberechtigung in Deutschland voranzubringen, dafür helfen keine glamourösen W-20-Gipfel mit Ivanka Trump und Königin Maxima. Dafür brauchen wir keine öffentlichen Showveranstaltungen. Wer Gleichberechtigung voranbringen will,
muss endlich wirklich etwas für Frauen tun und für ein Gesetz zum Rückkehrrecht auf Vollzeit sorgen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grüttner, ob wir am Ende wirklich spannende Debatten im Anschluss an die heutige erste Lesung haben werden, bleibt abzuwarten. Dieses Gesetz wirkt auf den ersten Blick nicht ganz so konfliktträchtig. Aber wir werden das sicherlich im Ausschuss noch beraten. Wir werden zu diesem Gesetz sicher auch noch eine Anhörung haben, wo wir abwarten können, ob noch Änderungsbedarf besteht oder nicht.
Es ist ein neuerliches Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII. Es setzt Änderungen des Bundesrechts zum Teilhabegesetz, in der Pflegeversicherung und beim SGB VIII um. Damit werden weitere gesetzliche Vorschriften und Verordnungen bereinigt.
Ich will in dieser ersten Lesung nur wenige Punkte aus dem Gesetz herausgreifen. Es ist durchaus interessant, dass eine Anpassung an eine seit 2001 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erfolgt – Sie haben das schon erwähnt. Wir haben uns natürlich schon gefragt, warum das eigentlich so lange gedauert hat. Aber das ist sicherlich auch etwas, worüber wir noch im Ausschuss diskutieren können.
Was den Inhalt betrifft, sehen wir den Punkt durchaus positiv, dass die Einschränkung, dass bisher nur ambulante Hilfen zur Sesshaftmachung geleistet werden durften, jetzt fällt. Das erscheint uns durchaus sinnvoll.
Die weitere Regelung, wonach Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen in der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers verbleiben, auch wenn sie über 65 Jahre alt sind, jedoch längstens bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze, ist ein weiterer inhaltlicher Punkt, der uns durchaus sinnvoll erscheint, der auch von den Kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagen wurde.
Ein Punkt, der in diesem Gesetzentwurf noch nicht aufgegriffen worden ist, der aber im Zuge der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den nächsten Wochen und Monaten eine Rolle spielen wird, betrifft die Bestimmung der Träger der Eingliederungshilfe. Dies wird mit diesem Gesetzentwurf noch nicht geregelt. An dieser Stelle möchte ich für die SPD-Fraktion deutlich machen, dass wir ganz klar hinter der Leistungsfähigkeit des Landeswohlfahrtsverbandes stehen, dass wir davon überzeugt sind, dass die Leistungen für Menschen mit Behinderungen landesweit gleichermaßen gelten müssen
und dass diese Leistungen nicht von der Kassenlage der jeweiligen Kreise bzw. kreisfreien Städte abhängig sein dürfen. Aus unserer Sicht sind unterschiedliche Strukturen für
Menschen mit Behinderungen unzumutbar. Der LWV garantiert an dieser Stelle eine sehr hohe Fachlichkeit und eine angemessene Qualität. Das haben die Menschen mit Behinderungen auch verdient.
Das will ich zumindest an dieser Stelle schon einmal im Vorgriff auf das, was wir in den nächsten Monaten an Debatten zu erwarten haben, für die SPD-Fraktion deutlich machen. Für uns ist dieser Punkt sehr wichtig. Jetzt freuen wir uns auf die – wie es Herr Minister Grüttner gesagt hat – spannende Beratung dieses Gesetzentwurfs im Sozialund Integrationspolitischen Ausschuss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Rede des Abg. Greilich von der FDP und auch der Antrag von CDU und GRÜNEN zeigen wieder einmal, dass wir uns hier im Landtag nicht einmal alleine dem Thema des rechten Terrors widmen können, sondern dass wieder die unterschiedlichen Themen miteinander vermischt werden.
Wir haben als SPD-Fraktion kein Problem damit, uns auch mit dem Thema des militanten Linksextremismus zu beschäftigen; aber wir haben etwas dagegen, wenn diese Themen immer wieder miteinander vermischt werden.
Wie ist die Landesregierung in den letzten Jahren mit dem Thema „Gefahr von rechts“ umgegangen? – Da möchte ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, gerade auch nach den Erfahrungen, die wir auch hier in Hessen mit dem NSU gemacht haben. 2013 wurde offensichtlich, dass militante Nazis völlig ungestört aus hessischen Gefängnissen heraus ein Netzwerk betreiben konnten.
2014 hatten wir die Debatte um die 17 untergetauchten Neonazis. Trotz Haftbefehls waren sie untergetaucht, und die Landesregierung hat 2014 noch behauptet, es gebe keinerlei Erkenntnisse über einen Unterstützerkreis.
2015 hatten wir hier im Landtag die Debatte um die Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Bereich Rechtsextremismus. Auch da hat die Landesregierung wieder die Gefahren eher kleiner geredet. Sie haben nicht von einer Vernetzung der rechtsextremen Szene gesprochen, nur von losen regionalen Gruppierungen. Die Identitäre Bewegung war im März 2015 noch nicht als rechtsextrem eingestuft, und sie konnten keine Angaben zum illegalen Waffenhandel machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht die Situation heute aus, wenn wir uns das Thema der Reichsbürger betrachten? – Auch diese Entwicklung wurde von der Landesregierung hier in Hessen verschlafen.
Erst redete man von einer niedrigen zweistelligen Zahl; nicht alle Reichsbürger seien zu beobachten. Dann waren es, nachdem sie eben im Bund auch zu einem Sammel-Beobachtungsobjekt der Länder erklärt wurden, auf einmal 400 Reichsbürger, dann 600 Reichbürger und in den letzten Presseverlautbarungen hieß es, es seien 700 Reichsbürger. Dieses Zahlenchaos zeugt ja wohl nicht von einem rasanten Mitgliederzuwachs in der Reichsbürgerszene, sondern vielmehr von der mangelnden Aufmerksamkeit, die man den Reichsbürgern vorher gewidmet hat.
Wir sind überzeugt, die Szene hat sich nicht erst nach dem schrecklichen Polizistenmord in Franken radikalisiert und verändert. Schon vorher sind sogenannte Reichsbürger mit Gewalt gegen Polizisten und Staatsbedienstete vorgegangen. Nur hat es vorher noch keine Toten gegeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sind wir froh, dass die Landesregierung jetzt endlich dieses Thema erkannt hat, endlich aufgewacht ist und endlich auch handelt.
Unser Berichtsantrag hat besorgniserregende Zustände offenbart: allein 42 Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz seit 2006, 347 Schusswaffen, die sich legal im Besitz von Reichsbürgern befinden. Hohe kriminelle Energie ist aus den Antworten ersichtlich. Bis 2016 ließen sich schon über 100 entsprechende Straftaten in Hessen zählen.
Das zeigt es eben, Reichsbürger sind keine harmlosen Spinner, sondern von ihnen geht eine reale Gefahr aus, und die Landesregierung hat hier viel zu spät reagiert.
Andere Bundesländer haben das schon früher erkannt als Hessen. Beispielsweise hat Sachsen den Landkreisen schon Anfang November, also bevor die Reichsbürger SammelBeobachtungsobjekt im Bund wurden, einen Erlass zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Reichsbürgern übermittelt.
Da frage ich Sie: Warum gibt es einen solchen Erlass, den es in Sachsen gibt – im Übrigen nicht nur in Bezug auf die Reichsbürger, sondern eben auch in Bezug auf die Unzuverlässigkeit von NPD-Mitgliedern –, nicht entsprechend auch hier in Hessen?
Zur Verschärfung des Waffenrechts. Hessen hat sich hier hervorgetan mit einer weiteren Bundesratsinitiative. Es hat schon in den letzten Jahren entsprechende Bundesratsinitiativen auch von anderen Bundesländern gegeben.
Da frage ich mich: Warum konnte das noch nicht umgesetzt werden? Ein Blick in den Bund zeigt, dass eine solche Verschärfung des Waffenrechts vor allem am erheblichen Widerstand der CDU und der CSU im Bund scheitert.