Andreas Stoch

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Last Statements

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ent scheidungen, die der Landtag heute zu treffen hat, sind aus meiner Sicht für die Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Schulen wichtig und gerade auch für die finanzielle Ausstattung der freien Schulen von hoher Relevanz. Sie sind aber auch ein Beleg dafür, dass das Miteinander von öffentli cher Hand und Zivilgesellschaft in unserem Bildungssystem ein Grundelement ist. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nut zen, einige grundsätzliche Überlegungen anzustellen zu den Fragen, wo wir in dieser Zusammenarbeit stehen und welche Entwicklungsperspektiven es gibt.
Das Prinzip, dass öffentliche Belange gemeinsam von Staat und Kommunen auf der einen Seite und der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite wahrgenommen werden, hat sich in Deutschland bewährt. Wir finden diese Zusammenarbeit in ganz verschiedenen Politikbereichen, vor allem in der Wohl fahrtspflege, aber auch im schulischen Bereich. Beide Syste me, der öffentliche Sektor und die freien Träger, profitieren von dieser Kooperation. Die freien Träger bringen ihre Exper tise und oft auch in erheblichem Ausmaß das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder ein. Das nutzt unserem Gemein
wesen. Die öffentliche Hand wiederum beteiligt sich an der Finanzierung der Arbeit der freien Träger und bindet diese in vielfacher Weise in die Entscheidungs- und Planungsprozes se mit ein.
Deswegen kann unser Land Baden-Württemberg stolz sein auf die Arbeit der freien Träger im Bildungsbereich. Von ih nen gingen in der Vergangenheit – das unterstreicht das, was Herr Kollege Bayer von der SPD gesagt hat – immer wieder wichtige Impulse gerade für pädagogische Innovationen aus. Damit leisten sie einen sehr wichtigen Beitrag, dass die frei heitliche demokratische Grundordnung, dass Pluralismus in dieser Gesellschaft auch gelebt wird.
Gleichzeitig ist in unserer Rechtsordnung geregelt, dass die Letztverantwortung und damit die Gesamtverantwortung für die Schulen beim Land liegt. Das ist auch gut so. Adressat der berechtigten Ansprüche junger Menschen ist nämlich das Land – Ansprüche, eine der Begabung entsprechende Bildung zu erhalten, in erreichbarer Nähe auch den gewünschten Bil dungsabschluss machen zu können, als Flüchtlingskind in die Schule gehen zu können, bei einer Behinderung sonderpäda gogisch gefördert zu werden usw.
Es wäre also ein grundlegendes Missverständnis, öffentliche Bildungsangebote als nachrangig gegenüber den freien Trä gern zu sehen. Bildung muss staatlich verantwortet werden, aber es ist gut und richtig, dass freie Träger einen verfassungs rechtlichen Anspruch auf Gründungsfreiheit haben, dieser auch wahrgenommen werden kann und diese freien Träger dann eingebunden und unterstützt werden, um ihren Beitrag für das Funktionieren unseres Bildungssystems leisten zu kön nen. Das Verhältnis von öffentlichen und freien Schulen kann als ein funktionierendes System des Wettbewerbs um gute, um bessere pädagogische Konzepte verstanden werden, und weder die freien noch die öffentlichen Schulen – das ist ein Vorzug unseres Schul- und Bildungssystems in Baden-Würt temberg – brauchen diesen Wettbewerb zu scheuen.
Die vielfältigen Ansprüche, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus der Landesverfassung, dem Schulgesetz, aber auch aus internationalem Recht wie z. B. der UN-Konventi on über die Rechte von Menschen mit Behinderungen richten sich an die öffentliche Hand. Diese muss für jeden einzelnen jungen Menschen ein Bildungsangebot vorhalten, das all den rechtlich definierten Anforderungen auch gerecht wird. Dazu ist es notwendig, dass das Land seine Bildungsangebote gut plant, die Entwicklungen vor Ort berücksichtigt und immer wieder für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ein tritt.
So haben wir beispielsweise das Verfahren der regionalen Schulentwicklung ausgestaltet, und die Strukturen des Privat schulwesens, dessen Angebote und auch dessen Interessen, aber auch dessen Grenzen behalten wir dabei immer im Au ge. Wir binden die Privatschulen ein, so früh und so intensiv es geht. Ich bin mir sicher, dass man bei einer differenzierten Betrachtung nicht ernsthaft etwas gegen diese Vorgehenswei se sagen kann.
Aber wer über das Zusammenwirken von öffentlichen und freien Schulen spricht, kommt natürlich auch schnell auf die
Frage der Finanzierung zu sprechen. Es ist naheliegend, dass die finanzielle Ausstattung der freien Schulen durch das Land gerade auch aus Sicht der Privatschulen eine ganz bedeuten de und zentrale Frage ist. Die Finanzierung der freien Schu len ist das Resultat intensiver Diskussionen mit den Privat schulverbänden.
Das Bundesverfassungsgericht, der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof und auch jüngst der Staatsgerichts hof haben sich mit diesem Thema beschäftigt und Antworten formuliert, wie eine angemessene und gerechte finanzielle Ausstattung für die freien Schulen aussehen muss.
Ein Satz aus der mündlichen Begründung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs zum jüngst ergangenen Urteil ist mir be sonders in Erinnerung geblieben: Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif. Deswegen muss und darf von den freien Schulen er wartet werden, dass sie sich auch selbst an der Finanzierung ihrer Bildungsangebote beteiligen. Gerade durch das letztge nannte Urteil ist klar geworden: Hier bedarf es einer indivi duellen Betrachtung, wie das in dem bisherigen, mit den Pri vatschulverbänden ausgehandelten und gesetzlich geregelten System umgesetzt werden kann.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sagt deut lich: Das Existenzminimum einer freien Schule muss durch die öffentliche Hand gedeckt werden. Ich kann mich auf das beziehen, was Herr Kollege Poreski und Herr Kollege Bayer gesagt haben: Mit dem aktuellen Kostendeckungsgrad, der durch die jetzt vorzunehmende Erhöhung erreicht wird, der bei allen Schularten in privater Trägerschaft bei mindestens 78,1 % liegt, sind wir in Baden-Württemberg bereits weit fort geschritten, wenn es um das Erreichen dieses Ziels geht. Wir haben vielmehr ein Niveau erreicht, von dem die Kopfsatz schulen unter der Vorgängerregierung, sehr geehrter Herr Kol lege Wacker, nur träumen konnten. Diese Entwicklung, mei ne sehr verehrten Damen und Herren, ist Ausdruck der gro ßen Wertschätzung, die diese Landesregierung den freien Schulen im Land entgegenbringt.
Und nun zu Ihrem beliebten Thema und der immer wieder aufgelegten Platte, nämlich der Versorgungsabgabe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Kern, wenn Sie sich schon mit dem Bruttokostenmodell be schäftigen und dieses als vorbildlich preisen,
dann sollten Sie sich einmal mit den Inhalten beschäftigen.
Wenn Sie dieses Bruttokostenmodell, das vor gut zehn Jahren von CDU und FDP/DVP ausgehandelt wurde, einmal zur Kenntnis nehmen würden, würden Sie eines ganz schnell fest stellen: In diesem Bruttokostenmodell, in dem die Frage der staatlichen Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft berechnet wird und auch bestimmte Berechnungsfaktoren und Kostentatbestände genannt werden, sind erstaunlicherweise auch Versorgungsrücklagen genannt. Deswegen kann es ei nen auch nicht verwundern, dass der Rechnungshof Sie in Ih rer Regierungszeit darauf hingewiesen hat, dass grundsätzlich Doppelförderungstatbestände auszuräumen sind.
Da geht es nicht um neue Ungerechtigkeiten, sondern da geht es um neue Gerechtigkeit. Denn wenn Sie es wünschen, kön nen Sie gern auch die anwesenden Vertreter der freien Wal dorfschulen fragen: Wie war es denn in den vergangenen Jah ren? Inwieweit haben sich denn die Zahlungen des Bruttokos tenmodells, bezogen auf die freien Waldorfschulen, ausge wirkt, wenn es darum ging, dort Lehrkräfte selbst mit Versor gungsabgaben auszustatten, während dies an anderen Schu len, an denen beurlaubte Beamte tätig waren, vom Staat über nommen wurde? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer hier von neuen Ungerechtigkeiten spricht, der hat von einem ganz viel, nämlich von „keine Ahnung“, Herr Kollege Wacker.
Deswegen kann es einen auch nicht verwundern, dass – das war wohl ein sehr heller Moment –, ausgehend von der Denk schrift des Rechnungshofs von 1998, Ihre Regierung im Jahr 2005 einen Ministerratsbeschluss gefasst hat – ich zitiere –,
bis Mitte 2006, bezogen auf die Versorgungsabgabe, ein Konzept zur Vermeidung einer Doppelförderung im Be reich der Privatschulförderung vorzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben sich selbst Aufträge erteilt, diese aber nie erledigt. Herzlichen Dank da für!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bisherige Sys tem der Privatschulfinanzierung ist unstreitig sehr komplex und ist in Abstimmung mit den Privatschulverbänden histo risch gewachsen und in früheren Legislaturperioden in das Privatschulgesetz – auch in der heutigen Form – aufgenom men worden. Aber dies gilt es nun gemäß dem Urteil des Staatsgerichtshofs bzw. Verfassungsgerichtshofs zu überar beiten. Das System der Privatschulfinanzierung ist im Bemü hen um Gerechtigkeit für unterschiedliche Schulen, unter schiedliche Schulträger und unterschiedliche Schularten sehr komplex geworden. Alle Beteiligten haben sich darauf ver ständigt. Deshalb war es schon immer und ist es schwierig, wenn einzelne Aspekte herausgegriffen werden und das Brut tokostenmodell als Ganzes infrage gestellt wird.
Was wir jetzt leisten müssen, ist, den Vorgaben des Staatsge richtshofs gerecht zu werden. Dieser will, dass das Land sei ne Berechtigung nutzt, Fragen der Privatschulfinanzierung, insbesondere auch die der Elternbeiträge, gesetzlich zu regeln. Der Staatsgerichtshof hat dabei keineswegs festgestellt, dass das Land insgesamt seiner Verpflichtung, die freien Schulen zu finanzieren, bisher nicht nachgekommen wäre. Mit den Pri vatschulverbänden werden wir die Konsequenzen aus dem Urteil in den nächsten Monaten intensiv erörtern und bespre chen. Das Ziel ist klar: Wir wollen das hohe Niveau der Fi nanzierung halten und weiter verbessern, um den Privatschu len Planungssicherheit zu geben und gleichzeitig die Gerech tigkeit innerhalb des Schul- und Bildungssystems zu erhöhen.
Dies alles dient den Zielen, die ich eingangs erwähnt habe: gemeinsame Verantwortung für eine öffentliche Aufgabe, Ver wirklichung von Pluralismus, Förderung pädagogischer Inno vation und vor allem Freiheit für die Eltern bei der Schulwahl – dies alles, meine sehr geehrten Damen und Herren, im In teresse der Kinder unseres Landes.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben heute erneut Gelegenheit, über das aus meiner Sicht wichtigs te Thema der Landespolitik – nämlich die Gestaltung unserer Zukunft und damit Fragen der Bildungspolitik – zu sprechen.
Ich bin der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass sie in dieser Dis kussion einmal auf die Lehrerpersönlichkeit abhebt, auf die Lehrerinnen und Lehrer – über 100 000 an der Zahl –, die an den Schulen in Baden-Württemberg tagtäglich hervorragen de Arbeit leisten.
Wenn wir verantwortliche Bildungspolitik gestalten wollen, können wir dies nur, wenn wir die Unterstützung der Lehr kräfte an den Schulen haben und wenn die Lehrkräfte bereit sind, die notwendigen Veränderungen in unserer Bildungs- und Schullandschaft gemeinsam mit uns umzusetzen.
Gelingende Bildungspolitik muss sich aus meiner Sicht grund sätzlich an drei Variablen ausrichten:
Wir brauchen gute, funktionsfähige Strukturen, die auch ge sellschaftliche Veränderungen – ich spreche hier ganz deut lich den seit über zehn Jahren andauernden Rückgang der Schülerzahlen an – aufnehmen und berücksichtigen. Wir brau chen aber auch Strukturen, die es zulassen, dass Kinder und Jugendliche – genau so, wie es in unserer Landesverfassung steht – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und der wirt schaftlichen Lage und damit auch unabhängig vom Bildungs hintergrund ihres Elternhauses die bestmögliche Förderung erhalten, um gut, um erfolgreich in ein selbstbestimmtes Le ben starten zu können.
Gerade deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir Strukturfragen nicht isoliert von Fragen der pädagogi schen Qualität stellen, sondern müssen diese selbstverständ lich immer auch beantworten. Natürlich ist dies alles nur dann möglich, wenn wir auch die dafür zwingend notwendigen Res sourcen einsetzen.
Deswegen folgt die Bildungspolitik dieser Landesregierung diesem Dreiklang. Es ist wichtig, dass diese drei Dimensio nen aufeinander abgestimmt sind. Daran arbeiten wir seit 2011 mit aller Kraft, und dies, wie ich am heutigen Tag sagen darf, meines Erachtens mit großem Erfolg.
Wir haben 2011 gerade im Bereich der Strukturen – das ist völlig unstrittig; alle Beobachter, alle, die das Bildungssystem in Baden-Württemberg und die Schulen in Baden-Württem berg kennen, sagen und bestätigen dies – einen erheblichen Anpassungsbedarf vorgefunden. Die Veränderungen in der Gesellschaft, die niemandem verschlossen geblieben sein dürften, haben dazu geführt, dass die Strukturen in unserer Schullandschaft immer instabiler wurden und die Schulen den Anforderungen immer weniger und mit immer größeren Schwierigkeiten gerecht wurden.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist keine neue Erkennt nis, dass die Hauptschule, die in den Siebzigerjahren noch ei nen Großteil der Schüler im Bereich der weiterführenden Schulen aufgenommen hat, in den Jahren, in den Jahrzehnten danach deutlich an Zuspruch verloren hat. Auch die von Ih nen eingeführte Werkrealschule, die ja nur eine Art Rettungs anker war, um die Hauptschule und damit das dreigliedrige Schulsystem zu retten, hat nicht funktioniert. Heute wählen die Eltern nicht mehr die Hauptschule, weil sie für ihre Kin der einen anderen, einen höheren Bildungsabschluss wollen. Das müssen Sie akzeptieren.
Wenn ich in Ihre Wahlprogramme sehe, stelle ich fest, dass Sie das letztlich ja auch akzeptieren.
Dieser Rückgang hat verschiedene Ursachen. Eine davon sind zu niedrige Geburtenraten. Gesellschaft und Politik müssen alles dafür tun, dass sich Eltern nicht zwischen Beruf und Fa milie entscheiden müssen. Das hat mit einem veränderten Schulwahlverhalten, mit einem bestehenden Trend zu höhe ren Bildungsabschlüssen, aber auch mit veränderten familiä ren Bedingungen wie zunehmender Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu tun. Dies alles muss ein Bildungssystem, wenn es funktionieren soll, wenn es Kinder erfolgreich auf ihre Zu kunft vorbereiten soll, aufnehmen.
Aber auch neue Herausforderungen für den pädagogischen Alltag kamen auf die Schulen und damit auf die Lehrerinnen und Lehrer zu. Ich nenne hier beispielsweise die Frage der zu nehmenden Unterschiedlichkeit der Kinder. Denn in einem zweigliedrigen System oder in einem Zweisäulensystem wird zukünftig auch die Frage der Vielfalt, der Heterogenität in den Klassenzimmern eine stärkere Rolle als bisher spielen, wobei Ihnen erfahrene Pädagogen doch bestätigen: Auch im bishe rigen, dreigliedrigen Schulsystem war die Annahme, homo gene Lerngruppen zu haben, letztlich eine Schimäre.
Es ist nicht realistisch, anzunehmen, dass Kinder in ihrer Un terschiedlichkeit – egal, an welcher Schulart – einheitlich ler nen könnten.
Deswegen brauchen wir genau darauf abgestimmte pädago gische Konzepte, meine Damen und Herren. Wer sich dem verschließt, der verschließt sich der Realität.
Hinzu kommen weitere Herausforderungen, die auch aus Sicht der Lehrkräfte Antworten bedürfen. Nehmen Sie als ein Bei spiel das große Thema Inklusion, das in ganz vielen gesell schaftlichen Bereichen eine große Rolle spielt, viele Fragen aufwirft und auch in der schulischen Umsetzung die Lehre rinnen und Lehrer vor Fragen stellt.
Aber auch hier bringt es nichts, einfach einmal so zu tun, als gäbe es diese Unterschiedlichkeit – gerade auch bei der Fra ge der Inklusion – nicht. Vielmehr müssen wir hier die Lehr kräfte durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, durch ein ent sprechendes Teamteaching unterstützen – das heißt Lehrerin nen und Lehrer der allgemeinen Schulen sowie Sonderpäda goginnen und Sonderpädagogen, die gemeinsam arbeiten. Das bedeutet auch eine Veränderung der pädagogischen Kultur. Aber ich glaube, diejenigen, die bereits mit diesen neuen Lern formen arbeiten, sagen: „Es ist eine gute Weiterentwicklung, weil sie auch für die Lehrkräfte einen stark entlastenden Cha rakter haben.“
Wir haben uns 2011 deswegen das Ziel gesetzt, in allen drei Bereichen Verbesserungen herbeizuführen. Dies war und ist nach wie vor ein großes, ein sehr anspruchsvolles Projekt – insbesondere auch durch die vielfachen Abhängigkeiten zwi schen den von mir genannten Variablen.
Strukturell galt es und gilt es auch weiterhin, Stabilität in un sere Schullandschaft zu bringen. Natürlich brauchen Lehrkräf te das Gefühl, dass die Schule, an der sie arbeiten, auch die Schule ist, die Zukunft hat. Wenn wir die Haupt- und Werkre alschulen anschauen, stellen wir fest: Wir haben in vielen Be reichen mangels der entsprechenden Schüler diese Stabilität nicht. Aber dann müssen vor Ort, und zwar gemeinsam mit den Schulträgern, Antworten gesucht werden. Viele Schulen haben sich auf den Weg zur Gemeinschaftsschule gemacht, weil sie dadurch ein attraktiveres Angebot für mehr Schüle rinnen und Schüler vorhalten können. Dort, wo dies gesche hen ist und erfolgreich umgesetzt wurde, haben die Lehrerin nen und Lehrer auch eine Zukunftsperspektive, die Sie ihnen in Ihrem System nie gegeben haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen ist es für mich auch immer wieder verwunderlich, wie sich z. B. die CDU-Fraktion – aber auch die FDP/DVP – immer wieder damit abgibt, die Gemeinschaftsschule schlecht zureden.
Wir wollen, dass Kinder möglichst in erreichbarer Nähe zu ihrem Wohnort die Möglichkeit haben, verschiedene Bil dungsabschlüsse zu erreichen. Für mich ist eine Frage von Bildungsgerechtigkeit nicht nur, ob Kinder mit unterschiedli cher sozialer Herkunft und mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten ihrer Elternhäuser vergleichbare Bedingungen haben. Für mich ist eine Frage von Bildungsgerechtigkeit auch, ob Kinder, die in ländlichen Räumen wohnen, ähnliche und vergleichbare Bedingungen haben wie Kinder, die in städ
tischen Räumen leben. Auch das ist eine Frage von Bildungs gerechtigkeit.
Da verstehe ich bei Ihrem Anspruch, den Sie als angebliche Partei des ländlichen Raums immer wieder formulieren, Ihre tatsächliche Politik in keiner Weise, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Wir haben diese Strukturreform im Bereich der weiterführen den Schulen eben nicht über die Köpfe der Beteiligten hin weg gemacht, sondern wir haben viele interessierte Schulen mit ihren Konzepten aufgenommen. Vor allem haben wir mit dem Konzept der regionalen Schulentwicklung gemeinsam mit den Kommunen versucht, lebensfähige Strukturen für die Zukunft aufzustellen. In den allermeisten Fällen hat diese re gionale Schulentwicklung auch dazu geführt, dass Kommu nen, die bisher gar nicht aufeinander zugegangen waren, wenn es um die Frage gemeinsamer Konzepte ging, jetzt gemein sam den Weg gefunden haben, zukunftsfähige Strukturen auf zustellen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das ist ein Beispiel, wie man gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und ge meinsam mit den kommunalen Verantwortungsträgern zu kunftsfähige Politik in Baden-Württemberg gestaltet.
Aufgrund dieser strukturellen Veränderungen ist es natürlich nötig, auch im pädagogischen Bereich Antworten zu finden. Deswegen steht im Bereich der Pädagogik natürlich die Ar beit der Lehrerinnen und Lehrer im Mittelpunkt unserer An strengungen. Ihre Kompetenz – die Kompetenz der Lehrkräf te –, ihr professionelles Gestalten des Unterrichts ist – das be stätigen auch alle Studien – wesentlich für den Bildungser folg junger Menschen.
Frau Kollegin Boser hat als Beispiel die Reform der Lehrer bildung genannt. Aus meiner Sicht war sie längst überfällig, weil die Wirklichkeit in den Klassenzimmern sehr häufig nicht mit dem übereinstimmte, was die Lehrerinnen und Lehrer an den Hochschulen gelernt haben. Es ist wichtig, dass wir die se veränderte pädagogische Realität in unseren Klassenzim mern auch bereits in der Lehrerausbildung entsprechend be rücksichtigen. Deswegen war und ist es sehr wichtig, die Lehr amtsstudiengänge weiterzuentwickeln, die Fachlichkeit der Lehrkräfte zu stärken, auch Grundmodule zum Umgang mit Inklusion einzuführen und die Ausbildungszeit zu verlängern.
Aber wir haben nicht nur die Ausbildung reformiert. Es ist wichtig, dass wir erfahrene Lehrerinnen und Lehrer auf die veränderten Herausforderungen gut vorbereiten, z. B. durch Fortbildungen – die mit dem neuen Bildungsplan, der ja im kommenden Schuljahr startet, unbedingt notwendig sind – zur Inklusion, aber eben aktuell auch zum Unterrichten von jun gen Flüchtlingen und zum Umgang mit traumatisierten Kin dern. Natürlich brauchen wir auch ein umfassendes Fortbil
dungskonzept, das die Haupt- und Werkrealschullehrkräfte darauf vorbereitet, zukünftig an anderen Schularten eingesetzt zu werden. Da ist es wichtig, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern die notwendige Qualifikation vermitteln, aber da ist es auch wichtig, dass die Lehrerinnen und Lehrer durch Ver änderungen im Bereich der Besoldung die Möglichkeit für entsprechende Verbesserungen durch einen Aufstieg oder ei ne Beförderung erhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Darüber hinaus geht es mir auch darum, dass wir die Lehr kräfte im Bereich der technischen Unterstützungsmittel gut begleiten. Sie wissen, dass immer wieder die Forderungen auf gestellt werden – das wird an vielen Schulen auch umgesetzt –, dass die Lehrkräfte heute stärker technische Hilfsmittel ein setzen können. Deswegen werden wir insbesondere auch im Kontext des neuen Bildungsplans eine digitale Bildungsplatt form einführen. Denn wir sind der Überzeugung, dass Lehr kräfte damit erstens auch näher an die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler heranrücken und wir zweitens die Möglichkeit haben, die Lehrkräfte – wenn es z. B. um die Er stellung von Unterrichtsmaterialien geht, wenn es um die Ge staltung von Unterricht geht – dadurch erheblich zu entlasten. Wir glauben, dass auch die technische Unterstützung durch die digitale Bildungsplattform ein ganz wichtiger Schlüssel ist, um die Arbeit der Lehrkräfte in Baden-Württemberg zu erleichtern.
Lassen Sie mich abschließend etwas zu den notwendigen Res sourcen sagen. Ich glaube, die Zahlen, die Kollege Fulst-Blei genannt hat, sind sehr vorzeigbar. Wir haben es geschafft, den Einzelplan 04, den Kultushaushalt, von knapp über 9 Milliar den € auf inzwischen 10,245 Milliarden € zu steigern. Wir ha ben an allen Schularten die für die pädagogische Umsetzung dieser anspruchsvollen Reformen notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit die Lehrer ihre Tätigkeit gut aus üben können und damit sie auch besser individuell auf ihre Schülerinnen und Schüler eingehen können. Wir haben die Poolstunden an den einzelnen Schularten entsprechend erhöht und zusätzliche Ressourcen für die individuelle Förderung zur Verfügung gestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich betone an dieser Stelle ausdrücklich: Es besteht ein breiter Konsens, dass Aus gaben für Bildung sehr sinnvolle Ausgaben sind. Dies zeigen auch schon die Zielsetzungen in den Dresdner Beschlüssen aus dem Jahr 2008. Dass es trotz der erfolgten Haushaltskon solidierung in Baden-Württemberg gelungen ist, gleichzeitig die Ressourcen für Bildung in praktisch allen Bereichen deut lich auszubauen, ist ein großer Erfolg dieser Landesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dabei darf ich noch einmal den Vergleich zum Jahr 2011 zie hen. Wir haben durch die Einstellungszahlen – zuletzt über 6 000 neue Lehrerinnen und Lehrer – über alle Schularten hin weg das Verhältnis der Schülerzahlen zu den Lehrerstellen entsprechend verbessert. Wir haben im Laufe der Legislatur periode auch die Realschulen und die Gymnasien deutlich ge stärkt. Ich glaube, es bringt daher nichts, wenn Sie draußen Märchen nach dem Motto erzählen, die Landesregierung bzw. die SPD und die Grünen würden in irgendeiner Form z. B. das
Gymnasium infrage stellen. Wir haben das Gymnasium in den letzten Jahren erheblich gestärkt.
Das Gymnasium hat heute mehr Möglichkeiten zur Förderung der Schülerinnen und Schüler. Auch durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung sind die Zahlen zum Übergang auf das Gymnasium nicht in dem Maß gestie gen, wie vielleicht viele erwartet hatten.
Aber ich warne gleichzeitig: Wenn Sie jetzt leichtfertig – da rüber wurde vorhin einiges gesagt – und vor allem auch aus populistischen Motiven jeder Schule die Wahlfreiheit zwi schen G 8 und G 9 einräumen wollen, dann werden Sie erle ben, dass es einen erheblichen Zustrom auf die Gymnasien geben wird, der ihnen erheblich zu schaffen machen wird. Gleichzeitig werden Sie den Realschulen, den Gemeinschafts schulen, aber in der Folge auch den beruflichen Schulen die Schülerinnen und Schüler wegnehmen, die diese dringend brauchen, um dort erfolgreich pädagogisch arbeiten zu kön nen.
Deswegen: Überlegen Sie sich gut, ob Sie eine Systematik wollen, in der das Gymnasium die eine Schulart ist und alle anderen quasi – so von Ihnen letztlich dann auch gewollt – der Rest sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht die Zukunft des baden-württembergischen Bildungssystems sein.
Wenn wir jetzt zu der Frage der Bildungsausgaben kommen – Herr Kollege Schebesta, Sie haben sich ja sehr bemüht, dies gegeneinanderzulegen –, dann sage ich Ihnen eines: Wir alle wissen, wie die damalige Qualitätsoffensive Bildung unter Herrn Mappus als Ministerpräsident zustande kam. Herr Map pus hatte einen erheblichen Druck im Bildungsbereich ver spürt
und wollte offensichtlich mit extremer Großzügigkeit den Druck von sich nehmen. Deswegen wurden 3 547 Lehrerstel len geschaffen, die teilweise z. B. zur Senkung des Klassen teilers verwendet wurden. Aber, Herr Kollege Schebesta, zur historischen Wahrheit gehört auch, dass diese Mittel lediglich bis 2012 finanziert waren.
Wie wollen Sie denn ernst zu nehmend eine Klassenteilersen kung nur befristet finanzieren? Was bedeutet das denn für ei nen Landeshaushalt? Das bedeutet schlicht und einfach, dass Ihnen nach Auslaufen der Finanzierung ein riesiges Loch auf geht. Sie hätten bereits 2013 diese 3 547 Lehrerstellen wieder streichen müssen, wenn Sie haushaltspolitisch solide agiert hätten, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Die weiteren Stellen, die Sie ansprechen, sind von Ihnen mit k.w.-Vermerken versehen worden. Die Zahl von 11 600
Lehrerstellen ist nämlich nicht vom Himmel gefallen. Diese Zahl war keine Idee dieser Landesregierung, sondern sie er gab sich durch eine schlichte Addition der Stellen, die Sie nur befristet finanziert hatten, und der Stellen, die Sie als k.w.Stellen im Haushalt fixiert hatten.
Ich darf einmal die Zahlen vorlesen: Nach 3 500 Stellen im Jahr 2013 hätten nach Ihrer Planung 1 993 Stellen im Jahr 2014, 1 854 Stellen im Jahr 2015 und 1 670 Stellen im Jahr 2016 gestrichen werden sollen. In Summe hätten Sie – Stand heute – bereits gut 7 000 Lehrerstellen gestrichen. Glauben Sie, dass das eine Ausstattung der baden-württembergischen Schul- und Bildungslandschaft ist, wie sie dringend benötigt wird? Ich bin mir sicher: Nein.
Hören Sie auf, den Menschen da draußen Märchen zu erzäh len. Was das Thema Unterrichtsversorgung angeht, standen wir zu Beginn der Legislaturperiode bei einer Krankheitsver tretungsreserve von 1 266 Deputaten. Wir haben diese um 400 Deputate erhöht. Ich sage hier: Wir müssen da noch weitere Schritte gehen. Aber wir haben bundesweit die letzte Positi on in der vergleichbaren Versorgung bei der Krankheitsver tretung von Ihnen geerbt. Deswegen, liebe Kolleginnen, lie be Kollegen: Das Bild, das Sie hier malen, entsprach nicht der Realität von 2011. Deshalb sage ich: Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit, wenn es um diese Fragen geht.
Eines sollte Ihnen eigentlich auch die Scham ins Gesicht trei ben. Ich habe hier eine Kurve über den Unterrichtsausfall an beruflichen Schulen mitgebracht.
An den beruflichen Schulen waren unter Ihrer Regierungszeit lange Jahre Unterrichtsausfälle im Bereich von ca. 10 % zu verzeichnen. Gegen Ende Ihrer Regierungszeit hatte sich die ses Defizit relativ stabil bei etwa 4,5 % Unterrichtsaufall ein gependelt. Wir haben in den letzten drei Jahren Rekordein stellungen zur Stärkung der beruflichen Schulen vorgenom men, meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet, dass wir inzwischen bei einem Defizit von 1,8 % sind. Das stellt mich noch nicht zufrieden, solange ein Minus davor steht. Aber dass Sie jetzt behaupten, diese Landesregierung hätte ein Problem mit den beruflichen Schulen, das ist eine schlichte Lüge. Sie haben jahrzehntelang die Gelegenheit ge habt, aber haben die beruflichen Schulen nicht unterstützt, wie es notwendig gewesen wäre, liebe Kolleginnen und liebe Kol legen.
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass wir an den Gym nasien in Baden-Württemberg für eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsversorgung gesorgt haben.
Die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien in Baden-Würt temberg – Herr Kollege Fulst-Blei hat die Erhebung des Phi lologenverbands genannt – kann nur ein Schlaglicht sein, weil der Philologenverband nur von einer kleinen Zahl von Gym nasien eine Rückmeldung bekommen hat. Aber gleichzeitig bin ich doch der Auffassung, dass der Philologenverband kei nen Grund hätte, etwas, was für uns günstig ist, in irgendei ner Weise zu beschönigen.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es so, wie es die Grafik von Herrn Kollegen Fulst-Blei zeigt: Wir haben in den letzten vier Jahren bei der Unterrichtsversorgung dafür gesorgt, dass nur noch gut ein Drittel der Stunden aus fallen, die zu Ihrer Regierungszeit ausgefallen sind, und wir haben dafür gesorgt, dass die Überstundenbugwelle bei den Lehrerinnen und Lehrern sowohl an Gymnasien als auch an Berufsschulen, die von Ihnen jahrelang aufgebaut wurde, nicht weiter aufgebaut wurde, sondern jetzt schon das dritte Jahr in Folge abgebaut wird.
Das bedeutet, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dass das, was Sie jahrelang als Bildungspolitik verursacht und verant wortet haben, letztlich auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgeübt wurde. Deswegen, glaube ich, kann man überhaupt nicht davon sprechen, dass Sie in irgendeiner Form stolz darauf sein könnten, wie Sie mit den Lehrkräften in Ba den-Württemberg umgegangen sind. Wir hingegen wollen ge meinsam mit den Lehrkräften diese riesengroßen Herausfor derungen bewältigen.
Lassen Sie sich dessen versichert sein: Ich bekomme, wenn ich heute vor Ort bin, teilweise auch bei Personalversamm lungen mit mehreren Hundert Lehrkräften, die deutliche Rückmeldung, dass die Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung brauchen, dass die Lehrerinnen und Lehrer aber bereit sind, diesen weiten und anstrengenden Weg gemeinsam mit uns zu gehen, weil sie eines in den Mittelpunkt stellen: das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir ha ben heute unter Tagesordnungspunkt 3 eine Änderung des Schulgesetzes und anderer Gesetze als Beratungsgegenstand zu behandeln. Ich möchte vorweg betonen, dass für mich, für uns als Landesregierung und auch für die regierungstragen den Fraktionen die Schulen in freier Trägerschaft ein wichti ger Bestandteil unseres Schulsystems sind und insbesondere angesichts der aktuellen Veränderungen in unserer Schul- und Bildungslandschaft gerade auch beim Thema Inklusion eine zentrale Rolle spielen.
Die gemeinsame Wahrnehmung von Bildungsaufgaben durch die öffentliche Hand und freie Träger hat sich in Baden-Würt temberg seit langer Zeit bewährt. Die Einbeziehung zivilge sellschaftlicher Akteure im Bildungsbereich ist dabei nicht nur Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft, sondern auch ein Beitrag zum Funktionieren unserer freiheitlich-demokrati schen Grundordnung. Bewährt hat sich nämlich auch die Zu sammenarbeit, weil die freien Partner wichtige pädagogische Impulse setzen und so dazu beitragen, dass sich Bildungsan gebote in einem fairen Wettbewerb weiterentwickeln können.
Im Bereich der Sonderpädagogik sind die freien Träger in Ba den-Württemberg traditionell besonders stark. Rund ein Vier tel der früheren Sonderschulen bzw. der jetzigen sonderpä dagogischen Bildungs- und Beratungszentren befinden sich in freier Trägerschaft. Dieses Know-how ist insbesondere bei der Umsetzung von Inklusion von großer Bedeutung.
Deswegen wollen wir mit der vorgesehenen Gesetzesände rung die Möglichkeit schaffen, dass allgemeine Schulen bei der Inklusion verstärkt auch von sonderpädagogischen Kom petenzen der Lehrerinnen und Lehrer an freien Schulen pro fitieren. Wir erfüllen damit einen entsprechenden Auftrag des Landtags vom 15. Juli 2015, nämlich die Kooperationsmög lichkeiten für öffentliche und private Schulen bei der sonder pädagogischen Bildung auszuweiten.
Baden-Württemberg war und ist im Bereich der Sonderpäda gogik traditionell sehr gut aufgestellt. Deshalb war es uns wichtig, die Professionalität und die Kompetenzen in diesem Bereich im Rahmen der Inklusion zu bewahren und so wei terzuentwickeln, dass die jungen Menschen im Land, egal, ob sie an einer Sonderschule, an einem sonderpädagogischen Bil dungs- und Beratungszentrum oder an einer allgemeinen Schule beschult werden, auch künftig maximal von diesem Wissen, von dieser sonderpädagogischen Expertise profitie ren können, und zwar unabhängig davon, wo der jeweilige Lernort definiert wird.
Das Wahlrecht der Eltern war und ist für uns der entscheiden de Punkt. Es wurde im vergangenen Jahr im Rahmen der ent sprechenden Schulgesetzänderung ins Schulgesetz eingeführt. Eltern haben heute die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob ihr Kind an einer allgemeinen Schule oder einem sonderpäd agogischen Bildungs- und Beratungszentrum lernen soll. Mit diesem Mehr an Freiheit wird auch ein Mehr an Flexibilität aufseiten der Schulverwaltung notwendig, denn daran, wie viele Eltern sich für ein inklusives Bildungsangebot entschei den, bemisst sich natürlich auch der Bedarf an Sonderpäda gogen an allgemeinen Schulen.
Um hier die Optionen zu erweitern, wollen wir in enger Ab stimmung mit den Privatschulverbänden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sonderpädagogische Fachkräfte von frei en Schulen bei Bedarf auch an öffentlichen Schulen eingesetzt werden können. Der heute diskutierte und dann auch zur Ab stimmung kommende Gesetzentwurf sieht vor, dass die pri vaten sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren für eine an einer öffentlichen Schule eingesetzte Lehrkraft zu sätzlich zur Erstattung der Personalkosten einen Zuschlag in Höhe von 15 % erhalten, um den zusätzlichen Aufwand und das Ausfallrisiko auszugleichen.
Diese Regelung ist, so meine ich, eine gute und auch für alle Beteiligten faire Lösung. Begleitend wird in Kürze eine ent sprechende Rahmenvereinbarung mit der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen unterzeichnet. Generell gilt, dass es richtig und notwendig ist, die freien Schulen dabei in ihrer Arbeit finan ziell zu unterstützen. Denn qualitätsvolle Bildungsangebote hängen auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Die Zu schüsse für die sogenannten Kopfsatzschulen haben wir des halb im Laufe dieser Legislaturperiode bereits mehrfach an gehoben. Dies ist ein weiterer wichtiger Punkt dieser Schul gesetzänderung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den weiteren Zuschusserhöhungen, die nun beschlossen werden sollen, wird ein einheitlicher Deckungs grad von mindestens 78,1 % der Kosten eines Schülers an ei ner öffentlichen Schule erreicht, ein Wert, von dem die Pri vatschulen unter den früheren Landesregierungen trotz der immer wieder versprochenen 80 % nur träumen konnten. Die Stellungnahmen, die uns zu diesem Gesetzentwurf vonseiten der Privatschulverbände erreicht haben, drücken dementspre chend unisono Anerkennung und Zustimmung aus und begrü ßen den Entwurf ausdrücklich.
Ich darf zusammenfassen: Insgesamt wurden die Zuschüsse an die Privatschulen in dieser Legislaturperiode fünf Mal – also jedes Jahr ein Mal – strukturell, nicht infolge höherer Schülerzahlen, um insgesamt 72,5 Millionen € erhöht. Hinzu kommen Erhöhungen durch die im Privatschulgesetz veran kerte Dynamisierung aus der Erhöhung der Beamtenbesol dung und aufgrund steigender Schülerzahlen. Mit den weite ren Erhöhungsschritten, die in diesem Gesetzentwurf vorge sehen sind, wird das Zuschussvolumen in diesem Jahr insge samt um rund 160 Millionen € höher liegen als noch zu Be ginn dieser Legislaturperiode. Die Zahlen: 2011 waren es 431 Millionen €, jetzt, im Jahr 2016, sind es 589 Millionen €.
Deshalb, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist dieser Gesetz entwurf ein weiterer wichtiger und guter Schritt, der von ei ner breiten Basis und auch von den Privatschulverbänden voll
unterstützt wird. Deswegen hoffe ich und gehe ich davon aus, dass Sie alle dieser Gesetzesänderung zur Stärkung der priva ten Schulen und zur Stärkung einer verbesserten Kooperation zwischen dem allgemeinen Bereich und dem Privatschulbe reich zustimmen können.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass heute Morgen die Gelegen heit besteht, hier im Landtag über eines der aus meiner Sicht wichtigsten gesellschaftlichen Themen in Baden-Württem berg zu sprechen – ich rede hier vom Sport.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es um die Fra ge der Auswahl von Debattenthemen geht, dann kann ich sa gen: Viele der Debattenthemen, die auch gerade vom Kolle gen Dr. Kern genannt wurden, sind genau deswegen hier im Landtag, weil jahrelang in diesen Bereichen viel zu wenig pas siert ist.
Das ist in Bezug auf die frühkindliche Bildung und auf den Sport eindeutig der Fall.
Ich denke, es ist an dieser Stelle auch gut, immer wieder da rauf hinzuweisen, welche Bedeutung der Sport hat, und es ist wichtig, auch über die Gründe zu sprechen, warum der Sport eine solch überragende Bedeutung für Baden-Württemberg hat. In Baden-Württemberg sind mehr als 3,8 Millionen Men schen in über 11 000 Sportvereinen organisiert. Die Vereine sind für dieses Land damit einer der wichtigsten gesellschaft lichen Faktoren, wenn es um Fragen der Gesundheit, wenn es um Fragen des sozialen Zusammenhalts und wenn es um Fra gen des Breiten- und des Spitzensports in Baden-Württem berg geht.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich zu Beginn meiner Rede hier einen ganz herzlichen Dank an die Vertreterinnen und Vertreter des Sports richten. Denn der Vorsitzende des Landessportverbands, Herr Schmidt-Volkmar, und seine Kollegen aus den Landessportbünden haben ge meinsam mit Finanzminister Nils Schmid und mir in mehre ren Verhandlungsrunden ein, so glaube ich, hervorragendes Ergebnis erzielt, ein Ergebnis, das für den Sport in BadenWürttemberg, vor allem für den Breitensport und damit für die vielen, die Millionen Vereinsmitglieder in Baden-Würt temberg, eine hervorragende Planungsgrundlage für die nächs ten Jahre bis 2021 bietet.
Wenn wir uns diesen Solidarpakt einmal im Detail anschau en, dann stellen wir fest, dass in vielen Bereichen, Frau Kol legin Schmid, Themen angepackt wurden, die über Jahre, teil weise sogar über Jahrzehnte nicht angepackt wurden. Da bringt es, glaube ich, relativ wenig, wenn man in sauertöpfi schem Ton hier vorn lamentiert
und dabei vergisst, dass man selbst es war, der diese Themen jahrzehntelang nicht aufgegriffen hat. Denn dass in Baden
Württemberg die Übungsleiterpauschale seit den Sechziger jahren nicht erhöht wurde, ist das Verschulden der früheren Landesregierungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und wenn Sie hier über einen Sanierungsstau im Bereich des Vereinssportstättenbaus lamentieren, dann muss ich sagen: Dieser Sanierungsstau ist nicht etwa 2011 vom Himmel ge fallen.
Vielmehr war der Vereinssportstättenbau über Jahre und Jahr zehnte unterfinanziert. Deswegen geht es jetzt darum, den Ver einen eine gute infrastrukturelle Grundlage zu geben, damit diese die hervorragende Arbeit mit vielen ehrenamtlichen Übungsleitern auch wirklich erbringen können.
Das waren nur zwei der Felder, die hier Teil des Solidarpakts Sport sind. Ich darf noch einmal die Gesamtvolumina benen nen: Wir haben insgesamt 87,5 Millionen € als Erhöhungsvo lumen über den Zeitraum von fünf Jahren, und wir haben zu sätzlich noch für den kommunalen Sportstättenbau weitere 25 Millionen € im Topf. Das heißt, wir sprechen über fünf Jah re hinweg über ein Erhöhungsvolumen von 112,5 Millionen €. Das ist eine Erhöhung um rund 30 %, während Sie beim letz ten Solidarpakt eine Erhöhung um lediglich 5 bis 6 % vorge nommen hatten.
Es geht uns dabei nicht nur – aber natürlich auch – um die Fra ge der Übungsleiter – der Übungsleiterinnen und Übungslei ter, die das tragende Gerüst gerade im Kinder- und Jugend sport, aber auch im Leistungssport, in den Verbänden und Ver einen bilden. Uns geht es daneben um die Infrastruktur, das heißt um die Vereinssportstätten, uns geht es aber auch um weitere Maßnahmen. So fördern wir u. a. – als Herzstück der Sportverbände – die Sportschulen, die weitere Investitions kostenzuschüsse bekommen, um dort die wichtige Arbeit – gerade wenn es um die Qualifizierung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern geht – in hervorragender Qualität machen zu können.
Außerdem ist mir ganz wichtig, immer wieder auf eines hin zuweisen: In Baden-Württemberg ist der Sport – und dies aus guten Gründen – im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport verankert. Sie wissen, dass die Zuständigkeit hierfür in den meisten anderen Bundesländern im Innenministerium veran kert ist. Aber ich glaube, die Verknüpfung mit Fragen der Bil dung, das heißt, mit den Fragen, die sich für Kinder und Ju gendliche stellen, ist genau die richtige Zielsetzung, und dies ist auch der Grund dafür, dass der Sport im Kultusministeri um verankert sein muss. So gibt es zahlreiche Maßnahmen, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.
Denn eines ist klar: Nur wenn wir es schaffen, Kinder und Ju gendliche von Anfang an in unseren Bildungseinrichtungen gemeinsam mit den Vereinen mit Sport und Bewegung in Ver bindung zu bringen, nur wenn wir es schaffen, von Anfang an
den Kindern und Jugendlichen Freude an Bewegung zu ver mitteln, dann werden diese Menschen ihr gesamtes Leben lang eine größere Freude hieran haben, und es wird für sie selbst verständlich sein, weite Bereiche ihres Lebens mit Sport und Bewegung in Verbindung zu bringen. Deswegen sind Sport und Bewegung für uns eine wichtige Erziehungsfrage, gera de in den Schulen in Baden-Württemberg.
Herr Kollege Dr. Kern, Sie haben eines in fundamentaler Wei se nicht erkannt: In Baden-Württemberg ist – leider –, auch aufgrund des demografischen Wandels, in den letzten Jahren ein sich zunehmend verstärkender Prozess zu beobachten, dass in den Vereinen bedauerlicherweise immer weniger Kin der und Jugendliche sind, die an Unterrichts- und Trainings stunden teilnehmen. Dies einfach so zu akzeptieren und hin zunehmen und zu sagen, daran sei jetzt die Ganztagsschule schuld, geht am Thema vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Denn dort, wo Vereine und Verbände gut mit Schulen koope rieren – wir machen dies gerade durch das Modell der Mone tarisierung in der Ganztagsschule möglich –,
dort, wo dies gelingt, profitieren die Vereine in unglaublich starkem Maß. Deswegen bin ich immer noch dankbar, dass wir mit dem Landessportverband als erstem Verband eine Rahmenvereinbarung für die Förderung des Sports im Ganz tagsbereich der Schulen abschließen konnten. Glauben Sie denn ernsthaft, dass der Sport eine solche Rahmenvereinba rung abschließen würde, wenn er hierdurch nicht einen posi tiven Effekt für sich erwarten würde? Herr Kollege Dr. Kern, Sie diskutieren völlig an der Realität vorbei.
Eine These ist natürlich auch richtig: Wenn wir in BadenWürttemberg auch Spitzensport haben wollen, wenn wir auf nationaler und internationaler Ebene erfolgreiche junge Sport lerinnen und Sportler haben wollen, dann muss eine starke Breitensportförderung bereits auch in jungen Jahren stattfin den. Deswegen haben wir – ich glaube, das ist ein geschlos senes Konzept, das sehr gut funktioniert – mehrere Elemen te, die es ermöglichen, gerade Kindern im vorschulischen und schulischen Bereich Sport und Bewegung nahezubringen.
Ich nenne hier als Beispiel die Kindertagesstätten mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt; ich nenne die Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt – insgesamt immerhin 835 Grundschulen in Ba den-Württemberg. Ich nenne das Ganztagsschulkonzept mit Einbindung der Vereine in Baden-Württemberg, und ich nen ne als weiteren Schritt, gerade für den Bereich der weiterfüh renden Schulen, die Spitzensportförderung an unseren Elite schulen und Partnerschulen des Sports. Denn dort sind junge
Menschen, die bereits in Individual- oder Mannschaftssport arten national und international auf hohem Niveau arbeiten, sowohl, was den Umfang des Trainings, als auch, was die Wettkampfbelastung angeht.
Wir haben vor wenigen Wochen gemeinsam mit dem Lan dessportverband in Ludwigsburg ein Konzept gerade zur För derung dieser Spitzensportler veröffentlicht und bekannt ge macht. Ich glaube, wenn wir die jungen Menschen mit diesen Konzepten in ihre schulische Laufbahn führen, dann werden wir in den nächsten Jahren in Baden-Württemberg wieder mehr erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler haben. Dann wird vor allem auch die Grundlage dafür gelegt, dass die Überzeugung in der Bevölkerung wieder wächst, dass sport liche Großveranstaltungen wie Olympische Spiele oder Welt- und Europameisterschaften in Deutschland stattfinden sollen –
ich sage: in Deutschland stattfinden müssen, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.
Als ein Beispiel für diese Motivationsfunktion des Sports kann ich natürlich auch anführen, dass der Deutsche Turner-Bund gemeinsam mit uns hier in Baden-Württemberg die Turn-WM veranstalten wird. Deswegen ist Teil des Solidarpakts u. a. auch, dass das Land Baden-Württemberg finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um die Turn-WM hier in Stuttgart durch führen zu können.
Aber, meine sehr geehrte Damen und Herren, nicht erst bei der Turn-WM wird deutlich werden: Baden-Württemberg ist ein Land, in dem der Sport, und zwar sowohl der Breiten- wie auch der Leistungssport, einen ganz hohen Rang hat. Deswe gen, Herr Kollege Dr. Kern, wird auch an dieser Stelle im Rahmen von Aktuellen Debatten noch oft über den Sport in Baden-Württemberg zu sprechen sein.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich be antworte namens der Landesregierung die Anfrage der Kolle gin Meier-Augenstein wie folgt:
Bei der Oberwaldschule handelt es sich um eine Grund- und Werkrealschule im Stadtteil Karlsruhe-Durlach-Aue. Die Schule hat als Gebäude die Kapazität, alle erforderlichen Räumlichkeiten für einen Ganztagsschulbetrieb zur Verfügung stellen zu können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang kurz ausholen und auf die Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den kom
munalen Landesverbänden zur Änderung des Schulgesetzes und zur Einführung der Ganztagsschule zurückkommen.
Sie wissen, wir haben uns bereits im Januar 2014 auf ein neu es Konzept bei der Thematik „Ganztagsschule und Betreu ung“ geeinigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war im Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg die Ganztagsschule nicht ei genständig verankert. Deswegen haben in der Vergangenheit, der Not gehorchend und vor allem dem Wunsch vieler Eltern gehorchend, viele Kommunen auf eigene Kosten Hortinfra strukturen aufgebaut, das heißt klassische Ganztagsbetreuung. Dabei muss grundsätzlich – das gilt auch für die Zukunft – getrennt werden zwischen der Landesaufgabe Schule – sprich dem pädagogischen Personal – und der kommunalen Aufga be der Betreuung.
Wir haben uns in diesem Zusammenhang auf das Verfahren geeinigt, dass dann, wenn endlich – nach Jahren und Jahrzehn ten, in denen dies nicht möglich war – eine Ganztagsschule nach dem neuen Konzept des Schulgesetzes eingerichtet wird, sukzessive die bisherigen Zuschüsse des Landes für kommu nale Betreuungsangebote entfallen. Das heißt, kommunale Be treuungsangebote sind weiterhin möglich; sie werden aber nicht mehr vom Land bezuschusst. Bei diesem Zuschuss han delt es sich – das war auch schon in der Zeit der Vorgänger regierung so – um freiwillige Zuwendungen. Das Land inves tiert aber durch den Ausbau der Ganztagsschulen insgesamt über 170 Millionen € zusätzlich in den Ganztagsschulausbau, sodass auch der kommunalen Seite klar war, dass hier nicht beides gleichzeitig geht, das heißt, dass sich das Land auf das Thema Ganztagsschule verlegt und das Thema Betreuung, auch die Horte, in der Verantwortung, und zwar auch in der finanziellen Verantwortung, der Kommunen steht.
Nach der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des Schulgesetzes gibt es auch beim sukzessiven Ausbau der Ganztagsschule in Wahlform eine Übergangsregelung. So wird es auch in diesem Fall gehandhabt. Die Ganztagsschule wird aufwachsend verankert, und deswegen wird abschmel zend in diesem Zusammenhang eine Rückführung des Lan deszuschusses für die Hortbetreuung stattfinden.
Auf Nachfrage hat die Stadt Karlsruhe mitgeteilt, dass die Stadt neben diesem Ganztagsschulangebot – vier Tage à acht Zeitstunden – eine eigene Konzeption zur Betreuung anbie tet. Hierbei wird analog zum bisherigen Hortangebot in naht losem Anschluss an die Abdeckung der Schulzeit, nämlich zwischen 16 und 17:30 Uhr, im Schulgebäude selbst eine Be treuung angeboten, die die Eltern, wie bisher auch, kosten pflichtig nutzen können. Auch dies ist ein wichtiger Unter scheidungspunkt: Der Hort, der bisher existierte, war für die Eltern kostenpflichtig. Die Ganztagsschule, wie sie jetzt an der Schule angeboten werden wird, ist für die Eltern kosten frei.
Die Stadt Karlsruhe stellt für diese Ganztagsgruppe eine Er zieherin, die an der Schule bereits ab 12 Uhr mittags in der Betreuung eingesetzt wird. Auch der Stundenplan und die In halte werden in enger Zusammenarbeit zwischen Schule und Erzieherinnen erstellt und abgestimmt. Damit sind auch das schulische Angebot und die nachschulische Betreuung im Sin ne einer umfassenden Betreuung und Bildung aufs Engste ver zahnt.
Deswegen die Wertung – Sie haben nach einer Wertung ge fragt –: Wir gehen seitens der Landesregierung davon aus, dass mit diesem neuen Modell den Interessen der Eltern Rech nung getragen wird und dass wir hier zu einer guten Betreu ungssituation, vor allem einer qualitativ hochwertigen Betreu ung, und einer guten schulischen Situation kommen.
Sie fragten auch nach einer Bedarfserhebung. Da können wir nur nachfragen, was die Stadt Karlsruhe in diesem Zusam menhang getan hat. Die Stadt Karlsruhe hat im November 2015 eine gesamtstädtische Abfrage durchgeführt, bei der ins gesamt der Bedarf nach Ganztagsschule und Betreuung in den unterschiedlichen Formen erhoben wurde. Die Abfrage sei – so die Information – derzeit in der Auswertung. Deswegen können wir hier noch keine Detailinformationen geben.
Mit Blick auf die konkrete Situation an der Oberwaldschule ist diese Abfrage ohnehin nachrangig zu betrachten. Bei Be darf an der Schule besteht weiterhin die Möglichkeit durch gehender Betreuung von 8 bis 17:30 Uhr. Das heißt, die Zeit abdeckung ist entsprechend gewährleistet und damit auch der bisherige Betreuungsumfang, den der Hort zur Verfügung ge stellt hat. Die Gesamtbetreuungskonzeption und vor allem die Verlagerung in die schulischen Räumlichkeiten – nicht mehr räumlich separat, sondern in die Schule – werden ein Übriges dazu beitragen, dass dieses qualitativ hochwertige Angebot auch in Zukunft erhalten bleibt.
Ich darf darauf hinweisen, dass auch nach der Definition der Kultusministerkonferenz eine Ganztagsschule bedingt, dass eine Verzahnung der Angebote im Ganztagsbetrieb insbeson dere mit dem schulischen Bereich und der Kontingentstun dentafel erfolgt. Das ist dann, wenn es räumlich getrennt ist, schwerlich möglich. In der neuen Konstellation ist es sehr viel besser möglich. Deswegen gehen wir hier von einer Qualitäts verbesserung aus.
Frau Kollegin, die Wahlfreiheit, soweit sie das schulische An gebot betrifft, ist sehr wohl gegeben. An dieser Schule wird eine Ganztagsschule in der Wahlform aufgebaut. Die Eltern und damit die Kinder haben die Wahlmöglichkeit, am Ganz tagsschulangebot teilzunehmen oder nicht. Es steht mir nicht zu, zu bewerten, ob an diesem Betreuungsangebot, das ein rein kommunales Angebot ist, andere Kinder teilnehmen dür fen oder nicht. Das sind Regelungen, die vor Ort getroffen werden, die letztlich dann auch vom Träger dieses Betreu ungsangebots entschieden werden müssen. Da enthalte ich mich einer Bewertung.
Aber für den schulischen Bereich kann ich sagen: Es besteht eine Wahlmöglichkeit. Wenn Sie mich nach meiner persönli chen Meinung fragen, so kann ich Ihnen sagen, dass meine
Meinung ist, dass auch diese Betreuungsmöglichkeit dann Teil dieser Wahlmöglichkeit im Rahmen des ganztagsschulischen Angebots ist.
Herr Kollege Wacker, zu Ihrer ersten Frage: In der Tat ist für die Schulen, an denen eine Umstellung auf das Ganztagsschul konzept stattfindet, in vielen Fällen die Situation gegeben, dass die Kommune dann auf ein zusätzliches Hort- oder Be treuungsangebot verzichtet und dieses Angebot somit zurück geführt wird. Es gibt aber auch Standorte, an denen dieses An gebot fortgeführt wird, weil es allein der Entscheidungshoheit der Kommune obliegt, dieses Betreuungsangebot vorzuhal ten, das größere Flexibilität bieten kann als ein Ganztagsschul konzept. Deswegen ist in der Realität beides vorhanden.
Ohne dass ich Ihnen dazu Zahlen nennen kann, kann ich Ih nen sagen, dass es aber auch Kommunen gibt, die weitere Hortgruppen beantragen. Bei den weiterführenden Schulen haben wir noch nicht per Schulgesetzänderung die Ganztags schule zur Regelschulform gemacht. In diesem Bereich gilt noch die von Ihnen stammende Regelung. In diesen Berei chen haben wir zusätzlich hinzukommende Betreuungsange bote, die die Kommunen z. B. durch die Einrichtung eines Horts organisieren.
Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass natürlich niemand ge zwungen ist, auf eine Ganztagsschule umzustellen. Wir haben auch eine Besitzstandswahrungsklausel vereinbart. Das be deutet, dass an den Standorten, an denen sich die Kommune oder die Schule – am besten beide – nicht für die Einrichtung einer Ganztagsschule entscheiden, das Hortangebot weiterhin erhalten bleiben kann und auch weiterhin die Landeszuschüs se gezahlt werden.
Bitte werfen Sie mir ein Stichwort zu Ihrer zweiten Frage zu.
Zur Schulbezirksregelung: Es gibt keine Hürden. Wir haben gesagt: Um den Eltern die Möglichkeit zu geben, zwischen einer Ganztagsschule und einer Halbtagsbeschulung wählen zu können, gibt es die Möglichkeit der Befreiung von der Schulbezirksregelung, sodass ein Schulwechsel zugelassen ist.
Als Begründung vonseiten der Eltern reicht es aus, zu sagen: Wir möchten unserem Kind die Möglichkeit geben, ein Halb tagsangebot wahrzunehmen, sofern nur ein Ganztagsangebot vorhanden ist. Umgekehrt ist es auch denkbar, dass Schüler, für die an ihrer Stammschule nur ein Halbtagsangebot ge macht wird, an eine andere Schule wechseln können, weil sie dort ein Ganztagsangebot vorfinden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da es offen sichtlich notwendig ist, nutze ich sehr gern die Gelegenheit, heute Morgen nochmals auf die große Bedeutung der Mög lichkeit des Ausbaus von Ganztagsschulen in Baden-Würt temberg hinzuweisen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausbau von Ganztagsschulen ist insbesondere in Baden-Württemberg ein großes Bedürfnis. Das zeigen alle Umfragen. Bereits der „Mo nitor Familienleben 2011“ zeigte, dass rund zwei Drittel der Eltern in Deutschland große Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen. Deswegen können verschiede ne bildungspolitische Entscheidungen gerade unserer Landes regierung sehr gut in diesen Kontext eingeordnet werden.
Wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, BadenWürttemberg mit Blick auf die Quantität, aber insbesondere auch auf die Qualität der frühkindlichen Bildung vom Ende der Tabelle in Deutschland an die Spitze zu setzen. Das ist ein Verdienst dieser Landesregierung, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Wir alle müssen etwas dafür tun, dass sich junge Familien in Baden-Württemberg in Zukunft nicht zwischen Beruf und Fa milie entscheiden müssen. Wir müssen alles dafür tun, dass Menschen, die gut ausgebildet sind, ihren Beruf ausüben kön nen und gleichzeitig qualitativ hochwertige Betreuungs- und Bildungsangebote für ihre Kinder vorhanden sind. Die Lan desregierung und die Regierungsfraktionen haben im früh kindlichen Bereich dafür die entscheidenden Wegmarken ge setzt.
Dass CDU und FDP/DVP aber immer noch nicht verstanden haben, dass sich dies nicht nur auf den frühkindlichen, son dern auch auf den schulischen Bereich beziehen muss, er schüttert mich nachhaltig. Denn Ganztagsschule bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler gemäß einem pädagogisch durchdachten Konzept Lernphasen und andere Phasen im Sin ne eines rhythmisierten Schulalltags erleben und somit die Qualität und damit die Förderung der Schülerinnen und Schü ler an der Spitze der Begründungen für gute Ganztagsschulen in Baden-Württemberg stehen muss.
Weder Kollege Kern noch Kollege Wacker haben die Frage der pädagogischen Qualität von Ganztagsschulen in einem Nebensatz oder auch nur in einer Silbe erwähnt. Insofern er schüttert es mich, dass Sie offensichtlich verkennen, welche Chancen in einer guten Ganztagspädagogik für Baden-Würt temberg liegen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Machen Sie sich doch einmal die Mühe, mit Bildungswissen schaftlern zu sprechen. Sie werden keinen einzigen finden, der Ihr Konzept einer möglichst maximalen Flexibilität im Be reich der Ganztagsbetreuung – Sie sprechen in Ihrem Konzept nämlich gar nicht von Ganztagsschule – aus bildungswissen schaftlicher Sicht unterstützt.
Ich habe kürzlich einen sehr interessanten Vortrag des Neuro biologen Professor Bauer aus Freiburg gehört, der davon ge sprochen hat, dass wir uns nicht wundern müssten, dass, wenn Kinder morgens in komprimierter Form in den Schulfächern kognitive Wissensvermittlung erfahren und am Nachmittag Betreuung stattfindet, in dieser Form des „hydraulischen Ler nens“, wie er es nennt – nämlich mit hohem Druck etwas in Kinder hineinzupressen –, die Chancen einer guten Ganztags pädagogik schlicht und einfach ignoriert werden.
Herr Kollege Wacker, ich darf Sie konkret auf das Thema Frei heit ansprechen. Ich möchte jeden Pädagogen und die Eltern an die Zeit vor 2011 erinnern. Welche Freiheiten haben Sie denn gewährt?
Schulen haben sich aus dem staatlichen Schulsystem verab schiedet, um innovative pädagogische Konzepte als Privat schule umzusetzen. Schulen hatten nur die Möglichkeit, ihren Standort zu schließen, weil es keine regionale Schulentwick lung gab, weil keine Suche nach lokalen und regionalen Kom promissen für eine gute Bildungslandschaft in Baden-Würt temberg möglich war. Ihre Freiheit ist eine verheerende Frei heit für die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg, mei ne sehr geehrten Damen und Herren.
An Ihrer Stelle würde ich nicht Herrn Rees vom Landeseltern beirat Baden-Württemberg zitieren. Herr Rees hat nämlich in der Tat gesagt, dass das Elternrecht ein sehr hoch einzuschät zendes Recht ist und wir das bei Fragen nach Bildung und schulischem Kontext immer im Auge haben müssen.
Herr Rees hat als Vertreter des Landeselternbeirats in der An hörung zum neuen Schulgesetz deutlich gemacht – das ist die Position des Landeselternbeirats –, dass aus pädagogischer Sicht eigentlich nur die verbindliche Form der Ganztagsschu le im Schulgesetz festgeschrieben werden kann. Betreiben Sie an dieser Stelle also bitte keine Geschichtsklitterung.
Das, was Sie angesprochen haben – Herr Kollege Käppeler hat darauf hingewiesen –, ist sowohl schulorganisatorisch als auch pädagogisch gesehen Nonsens. Denn das, was Sie be schreiben, ist ein Konzept der Ganztagsbetreuung.
Blicken wir einmal in die Zeit vor 2011 zurück. Weil Sie nicht in der Lage waren, die Ganztagsschule im Schulgesetz fest zuschreiben, haben viele Kommunen in Baden-Württemberg aus der Not heraus mit viel Geld Hortangebote an ihren Schu len eingerichtet. Bei einem Hort handelt es sich unzweifelhaft um eine Ganztagsbetreuung, die auch in hoher Qualität statt fand.
Der entscheidende Unterschied ist aber – Frau Kollegin Bo ser hat darauf hingewiesen –, dass Ganztagsschulen einen an
deren pädagogischen Anspruch haben als eine Ganztagsbe treuung. Wenn wir in Baden-Württemberg die Schülerinnen und Schüler gut auf ihre Zukunft vorbereiten wollen, dann sollten wir jede Chance nutzen. Deshalb ist nach Ansicht al ler Bildungswissenschaftler eine gute Ganztagspädagogik ei ne entscheidende Wegmarke und ein entscheidender Schlüs sel, um mehr Qualität und damit eine bessere Förderung für die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg verwirk lichen zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen geht die von Ihnen vorgelegte Antragstellung meines Erachtens fehl. Wenn die Qualität wirklich im Zentrum des Bildungssystems in Baden-Württemberg stehen soll, dann ist Ihr Antrag mei ner Meinung nach sogar kontraproduktiv.
Flexibilität ist in der Regelung des Schulgesetzes, die wir für die Ganztagsschule entwickelt haben, sehr wohl verwirklicht. Es besteht die Möglichkeit, die Ganztagsschule in verbindli cher oder in Wahlform an einer Schule einzuführen, und zwar nach der Entscheidung der Schule. Frau Kollegin Boser hat darauf hingewiesen. Wir haben die Rechte der Eltern inner halb der Schulkonferenz gestärkt, um ihnen ein Mitsprache recht zu sichern. Da dies vielleicht noch nicht an allen Stel len in gleichem Maß erkannt wird, sollten wir den Eltern klar sagen, dass die Ganztagsschule nicht nur ein Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, sondern auch eine wichtige Innovation für ihre Kinder ist.
Deswegen sollten wir nicht nur der Flexibilität huldigen, wenn diese gleichzeitig auf Kosten der pädagogischen Qualität von Schulen geht. Vielmehr sollten wir deutlich machen, dass wir an unseren Schulen Ganztagspädagogik brauchen, und zwar nicht nur für die Schüler, die zu Hause vielleicht keine so gu te Förderung erhalten, sondern für alle Schüler, um sie ihrer Leistungsfähigkeit gemäß fördern zu können.
Es wird Sie vielleicht verwundern – mich verwundert es aber nicht –, dass es Studien gibt, die zeigen, dass in Familien, in denen die Kinder eine Ganztagsschule besuchen, der Famili enfrieden und das Einvernehmen innerhalb der Familie von den Kindern sehr viel positiver bewertet werden, weil z. B. die Hausaufgaben, die für viele Eltern ein leidiges Thema dar stellen, in der Ganztagsschule erledigt werden, wenn sie gut gemacht ist und wenn dort die Möglichkeit zur individuellen Förderung besteht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen ist die Ganztagsschule in Baden-Württemberg mit einem Mindest maß an Verbindlichkeit, die Rhythmisierung ermöglicht, ein wichtiger Baustein für mehr Bildungsgerechtigkeit in BadenWürttemberg und vor allem für eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg und damit für unsere Zukunft.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heu te Morgen hier im Landtag von Baden-Württemberg vertre tungsweise für die leider erkrankte Sozialministerin Katrin
Altpeter sprechen. Ich freue mich, dass die SPD-Landtags fraktion durch Sie, liebe Frau Kollegin Wölfle, das Thema „40 Jahre Erklärung über die Rechte der Behinderten – wo steht Baden-Württemberg bei der Inklusion?“ zum Gegenstand der heutigen Debatte gemacht hat.
Ich denke, wir sind bei der Umsetzung der UN-Behinderten rechtskonvention mit dem Leitbild der Inklusion in BadenWürttemberg auf einem guten Weg. Die Verwirklichung der uneingeschränkten Teilhabe von Menschen mit Behinderun gen am alltäglichen Leben ist – das ist uns allen klar, und zwar über die Grenzen aller Fraktionen hinweg – eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Dieser Herausforderung ha ben wir uns in der vergangenen Legislaturperiode auch mit großem Engagement gestellt. Wir haben zwar noch einen lan gen Weg vor uns, aber die Weichen zeigen jetzt dank unserer entschlossenen Maßnahmen in die richtige Richtung. Ich den ke, darauf können wir zu Recht stolz sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als eine der wichti gen Maßnahmen in diesem Bereich darf ich zur Verbesserung der inklusiven Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg natürlich das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz nen nen, das die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behin derungen deutlich und entscheidend verbessert hat. Das Ge setz ist jetzt seit gut einem Jahr in Kraft und bildet damit den Rahmen für die Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Die in unserem Gesetz verwendete mo derne Definition von Behinderung der UN-Behindertenrechts konvention ist eben gerade nicht defizitbezogen, sondern stellt auf die einstellungs- und umweltbedingten Barrieren ab. Des wegen wurde durch das Landes-Behindertengleichstellungs gesetz auch entscheidend auf den Abbau von Barrieren einge wirkt, die es gerade unmöglich gemacht haben, dass Men schen mit Behinderungen an vielen Bereichen des gesell schaftlichen Lebens teilgenommen haben.
Da ist es manchmal aus Sicht der Nichtbehinderten durchaus schwierig, diese Barrieren auch selbst wahrzunehmen und zu sehen. Aber ich glaube, umso wichtiger ist es, dass wir durch den Blick und durch engen Kontakt und Kommunikation mit Menschen mit Behinderungen dieses Bewusstsein bei allen Menschen schaffen. So müssen die Behörden in Zukunft den Menschen mit Sehbehinderungen und den Blinden Schriftstü cke in geeigneter Form zur Verfügung stellen, wenn sie dies verlangen. Zudem haben wir die Kommunen neu in den Gel tungsbereich des Gesetzes aufgenommen. Damit ist BadenWürttemberg das erste Bundesland, das die Stadt- und Land kreise verpflichtet, kommunale Behindertenbeauftragte zu be stellen.
Aber damit noch nicht genug. Wir haben auch Anreize dafür geschaffen, dass vor allem Menschen mit Behinderungen als Experten in eigener Sache das Amt der oder des Behinderten beauftragten übernehmen. Damit die kommunalen Behinder tenbeauftragten auch wirklich gute Arbeit leisten können, stel len wir knapp 3 Millionen € aus der Landeskasse für diese Aufgabe zur Verfügung. Noch sind nicht in allen Stadt- und Landkreisen die kommunalen Behindertenbeauftragten be stellt, aber die Frist für die Besetzung, nämlich Januar 2016, ist ja auch noch nicht abgelaufen.
Ein weiteres Gesetz macht deutlich, dass wir in letzter Zeit bei der Frage der Gleichstellung von Menschen mit Behinde rungen einen deutlichen Schritt weitergekommen sind. Ich spreche von der Änderung des Schulgesetzes, die wir in die sem Jahr vollzogen haben. Ich glaube, dass wir hier einen ganz entscheidenden Markstein gesetzt haben, wenn wir sagen kön nen: Die Sonderschulpflicht aus dem Schulgesetz, die sich nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention verträgt und in Einklang bringen lässt, ist endgültig aus den gesetzlichen Grundlagen Baden-Württembergs verschwunden – und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aber gerade bei Themen wie der schulischen Bildung, der schulischen Teilhabe wird eines deutlich: Wir sind beim The ma Inklusion jetzt nicht auf Knopfdruck in der heilen neuen inklusiven Welt angekommen, sondern wir müssen jetzt dar auf schauen und Sorge dafür tragen, dass Inklusion auch in all unseren Institutionen, vor allem in den Bildungseinrichtun gen unseres Landes, Wirklichkeit werden kann. Dies bedeu tet, dass wir die Menschen gut auf diese Aufgabe vorbereiten müssen. Dies bedeutet aber auch, dass wir die zusätzlichen Ressourcen für diesen Prozess zur Verfügung stellen müssen.
Ich darf doch an einer Stelle auf ein ganz erhebliches Defizit der Vergangenheit hinweisen – lieber Herr Kollege Raab, ge statten Sie mir diesen Hinweis –: Der Modellversuch, in ver schiedenen Schulamtsbezirken in Baden-Württemberg Inklu sion möglich zu machen, der von Ihrer Regierung noch ein geleitet wurde, hatte vorgesehen, dass dieses inklusive Ange bot keinen zusätzlichen Ressourcenbedarf auslösen darf.
Ich sage Ihnen eines deutlich: Wenn Sie den Anspruch haben, die Wahlfreiheit, die Sie auch benannt haben, zu gewährleis ten, das heißt leistungsfähige Sonderschulen zu erhalten und gleichzeitig Inklusion aufzubauen, inklusive Strukturen auf zubauen, dann kostet das zusätzliche Ressourcen, dann brau chen wir dafür zusätzliche gut ausgebildete Sonderpädago ginnen und -pädagogen. Deswegen hat diese Landesregierung die Entscheidung getroffen, über 1 300 zusätzliche Lehrerstel len genau für diesen Bereich zu schaffen. Anders können wir Inklusion in hoher Qualität nicht gewährleisten.
Ja, gern.
Herr Kollege Raab, ich stimme Ihnen vollkommen zu,
dass es in manchen Fällen nahezu ressourcenneutral möglich war. Aber anzunehmen, dass dieser Aufbau inklusiver Struk turen quasi mit einer Idee kommunizierender Röhren im All gemeinen ohne zusätzliche Ressourcen möglich ist – das war leider in diesem Schulversuch angelegt –,
das war ein Fehlschluss und hat die Entwicklung im Land deutlich beeinträchtigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben nicht nur mit dem Landes-Behindertengleichstellungsgesetz und dem Schulgesetz neue Gesetze auf den Weg gebracht, wir haben auch eine ganze Reihe großer und kleiner Inklusionsprojekte ins Leben gerufen, die ich ebenfalls beispielhaft benennen darf. So fördern wir beispielsweise mit dem Programm „Im pulse Inklusion“ Leuchttürme der Inklusion in Baden-Würt temberg, das heißt Beispiele, an denen sich andere orientie ren können, die anderen auch Mut machen können, das The ma Inklusion in die Hände zu nehmen. In den letzten drei Jah ren haben wir mit diesem Programm weit über 100 Projekte mit 4 Millionen € gefördert. Dies reicht von Theater- und Mu sikprojekten über Nachbarschaftsprojekte bis hin zu spannen den Initiativen des Miteinanders von Jugendlichen in Freizeit und Sport.
Gerade für dieses Bewusstmachen in der Gesellschaft bei Menschen, die vielleicht nicht unmittelbar mit dem Thema Behinderung konfrontiert sind, ist die Öffentlichkeitsarbeit sehr wichtig. Deswegen haben wir im Rahmen der erfolgrei chen Öffentlichkeitskampagne „DUICHWIR Alle inklusive“ mehr als 120 Veranstaltungen in Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg durchgeführt und dadurch viele Men schen erst auf dieses Thema hingewiesen. Wir haben festge stellt, dass z. B. durch unser Inklusionsmobil ganz viele Men schen mit diesem Thema erstmals in Berührung kamen und hier sicherlich ein weiterer Bewusstseinsschritt in der Bevöl kerung und in unserer Gesellschaft gelingen konnte.
Wir haben damit vielen Menschen nahegebracht, was Inklu sion bedeutet und wie sich Menschen mit Behinderungen selbst die Teilhabe an der Gesellschaft wünschen.
Zusätzlich zu den Inklusionsprojekten haben wir eine Reihe großer Inklusionsveranstaltungen ausgerichtet, um Inklusion auch in diesem Kontext sichtbar zu machen. Hier nur zwei Beispiele:
So hat z. B. das Sozialministerium zusammen mit dem Kul tusministerium und dem Landes-Behindertenbeauftragten im Jahr 2013 den Landesinklusionspreis ins Leben gerufen, um Inklusionsbemühungen im Land anzuerkennen und auszu zeichnen. Laufende Inklusionsprojekte wurden dabei 2014 in den Kategorien Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur und Sport sowie Bildung und Erziehung ausgezeichnet.
Der erste Preis war jeweils mit 15 000 € prämiert. Zuletzt fand im Oktober dieses Jahres im Rahmen dieser Öffentlichkeits kampagne im Haus der Wirtschaft in Stuttgart der Landes inklusionstag mit über 500 Teilnehmenden mit und ohne Be hinderungen statt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus möch te ich auch die über 230 konkreten Maßnahmen des Landes aktionsplans benennen. Denn die Landesregierung hat sich in Sachen Inklusion ein ambitioniertes, aber auch ein realisti sches Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre vorgenommen.
Trotz aller Maßnahmen, die wir erfolgreich angestoßen ha ben, gibt es sicherlich noch vieles zu tun, denn die Verbesse rung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinde rungen in Baden-Württemberg bleibt auch für die kommen den Jahre, wenn nicht sogar für Jahrzehnte, für alle Beteilig ten eine große Herausforderung. Die Maßnahmen in Sachen Inklusion, die das Land zukünftig anpacken muss, stehen im Aktionsplan der Landesregierung.
Die 230 Maßnahmen verteilen sich dabei auf elf Handlungs felder, z. B. Schutz der Menschenwürde, Gesundheit, Arbeit und Beschäftigung, Wohnen, Barrierefreiheit, Kultur, Freizeit und Sport. Die Maßnahmen zielen dabei nur auf die Landes ebene ab und werden von den jeweils zuständigen Ministeri en verantwortet. Sie sind in den nächsten Jahren eine Selbst verpflichtung für die Landesregierung. Denn hier hat das Land auch eigene Handlungsspielräume.
Aber gleichzeitig wollen wir durch die Maßnahmen des Lan des auch auf kommunaler Ebene Prozesse auslösen, die das Ziel der Inklusion im Blick haben. Deswegen, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, müssen diese Landesmaßnahmen immer im größeren gesellschaftlichen Kontext und vor allem in der kommunalen Umsetzung betrachtet werden. Denn ech te Teilhabe fängt beispielsweise beim selbstbestimmten Woh nen und einem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an.
Zudem werden wir auch neue inklusive Projekte ins Leben rufen. Auch hier nenne ich nur zwei Beispiele:
Mit dem Projekt „Chancen durch Vielfalt“ wollen wir die be rufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen fördern.
Ein weiteres Beispiel, das manchen vielleicht kleinräumig er scheinen mag: Wir werden sogenannte „Toiletten für alle“ mit höhenverstellbarer Liege und elektrischen Personenliften schaf fen. Denn auch dies ist für das Bewegen von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Raum eine sehr wichtige Maß nahme, ein wichtiges Bedürfnis. Dies soll insbesondere den jenigen Menschen mit schweren Behinderungen helfen, die weder eine allgemeine noch eine Behindertentoilette benut zen können, weil sie Assistenz oder eine Liege brauchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen aber auch darauf dringen, dass im Bund entsprechende Vorausset zungen für bessere Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden. Deswegen sind wir nicht nur im Land, sondern auch auf Bundesebene aktiv. BadenWürttemberg hat beispielsweise auf der Arbeits- und Sozial ministerkonferenz einen Antrag eingebracht mit Vorschlägen, wie man die Beschäftigungssituation für Menschen mit Be
hinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern und dauerhaft sichern kann.
Ich glaube, eines dürfte ganz klar sein: Der Übergang aus der schulischen Struktur, egal ob Sonderschule oder inklusive Be schulung, in Richtung Ausbildung und Arbeitsmarkt ist eine der Schlüsselaufgaben in diesem Themenfeld.
Wir waren mit dem Schulausschuss des Landtags vor weni gen Monaten in Südtirol. Dort wird seit über 40 Jahren das Thema Inklusion im Bildungsbereich umgesetzt. Aber eines wurde uns allen klar: Gerade an dieser wichtigen Nahtstelle hin zur Ausbildung, hin zum Arbeitsmarkt haben auch dort die Verantwortlichen jedes Jahr große Herausforderungen zu bewältigen.
Das erscheint mir als das wichtigste Handlungsfeld, um tat sächlich Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu errei chen. Dann hilft es aber auch nicht, darüber zu lamentieren, dass die Komplexeinrichtungen, die größeren Einrichtungen jetzt an Zulauf verlieren. Das ist letztlich zwingende Folge verstärkter Inklusion. Wir dürfen also darüber nicht lamentie ren, sondern müssen versuchen, die Struktur aufrechtzuerhal ten, aber gleichzeitig auch die inklusiven Maßnahmen sehr positiv zu bewerten.
Gerade die Teilhabe am Ausbildungs- und am Arbeitsmarkt ist für die Selbstwahrnehmung der Menschen mit Behinde rungen ein zentraler Schlüssel, um sich als vollwertiges Mit glied der Gesellschaft zu fühlen. Deshalb ist es so wichtig, dass Erwerbstätigkeit Grundlage für ein selbstbestimmtes Le ben sein kann und damit auch Anerkennung und soziale Kon takte ermöglicht.
Der Antrag Baden-Württembergs wurde nach einiger Über zeugungsarbeit im Vorfeld von allen Ländern mit 16 : 0 Stim men beschlossen. Der Bund hat auf unsere Forderung, eine Rechtsgrundlage für die Weiterfinanzierung von Berufsorien tierungsmaßnahmen für junge Menschen mit Behinderungen zu schaffen, schnell reagiert. Aller Voraussicht nach wird die Finanzierung von Berufsorientierungsmaßnahmen auch nach dem Auslaufen der „Initiative Inklusion“ bereits ab dem Schul jahr 2016/2017 ermöglicht – ein schöner, aber auch sehr not wendiger Erfolg.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, setzen wir uns zudem auch für eine echte Stärkung der Rechte für Menschen mit Behinderungen im Rahmen eines Bundesteil habegesetzes ein. Baden-Württemberg hat sich dabei aus drücklich für die Einführung eines Bundesteilhabegelds durch den Bund stark gemacht. Denn nach wie vor sehen wir in ei nem Bundesteilhabegeld ein besonders geeignetes Mittel, um Autonomie und Selbstbestimmung bei Menschen mit Behin derungen zu stärken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das heißt, wenn wir Inklusion, also die volle Teilhabe von Menschen mit Behin derungen, wirklich erreichen wollen, müssen wir auf allen Ebenen des Lebens und damit auch der politischen Entschei dung – auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene – alles dafür tun, dass Menschen mit Behinderungen näher an unsere Gesellschaft herankommen und wirklich in allen Be
reichen, in denen wir das irgendwie schaffen, barrierefrei Zu gang erhalten können.
An dieser Stelle danke ich Gerd Weimer herzlich, der hier im Land bei Menschen ohne Behinderungen oft den Blick wei tet für das, was Menschen mit Behinderungen im alltäglichen Leben an Barrieren empfinden.
Deswegen danke ich Ihnen herzlich für die Debatte und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als ich An fang der Woche den Debattentitel „Schulpolitik in BadenWürttemberg – Freiraum und bessere Chancen für alle“, der von der CDU benannt wurde, gehört und gelesen habe, habe ich natürlich gerätselt, mit welchem Inhalt die CDU heute Morgen hier in unserem Plenarsaal in die Öffentlichkeit ge hen wird.