Protocol of the Session on October 28, 2015

Meine Damen und Herren! Nach dem die Technik nun funktioniert, darf ich Sie recht herzlich begrüßen und die 140. Sitzung des 15. Landtags von BadenWürttemberg eröffnen.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Graner und Herrn Abg. Schneider erteilt.

Krankgemeldet sind Herr Abg. Bayer, Frau Abg. Brunnemer, Herr Abg. Kunzmann und Herr Abg. Wald.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich zeitweise Frau Staatsrätin Gisela Erler und ab 15:30 Uhr Herr Minister Peter Friedrich.

Im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung des Rech nungshofs vom 13. Oktober 2015 – Beratende Äußerung „Na turschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen für Straßen bauvorhaben – Planung, Herstellung, Pflege und Unterhalt“ –, Drucksache 15/7500. Ich schlage vor, diese Mitteilung vorbe ratend an den Ausschuss für Verkehr und Infrastruktur und fe derführend an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der FDP/DVP für Umbesetzungen im Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“ (Anlage). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.

Meine Damen und Herren, wir haben heute einen Jubilar in unseren Reihen. Lieber Herr Kollege Pix, zu Ihrem runden Geburtstag gratuliere ich Ihnen im Namen aller Kolleginnen und Kollegen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, mache ich Sie dar auf aufmerksam, dass heute von 10:30 Uhr bis 15:30 Uhr im Rosengartenzimmer eine Typisierungsaktion der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) für potenzielle Stamm zellenspenderinnen und -spender stattfindet. Obwohl solche Typisierungen seit mehr als 20 Jahren von der DKMS durch geführt werden, gibt es auch heute noch für jeden fünften Pa tienten keinen passenden Spender. Ich hoffe daher, dass sich zahlreiche Abgeordnete sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter, die bisher noch nicht typisiert sind, an der Aktion beteili gen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Baden-Württemberg geht voran. Die Welt braucht einen ambitionierten und globalen Klima schutz. – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erhält der Kollege Renko nen.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Schönen guten Morgen! Der Weltklima gipfel in Paris wirft seine Schatten voraus. Die Fraktion GRÜ NE hat dies zum Anlass genommen, eine Aktuelle Debatte hier im Hohen Haus zu beantragen. Denn wir erwarten Lö sungen statt Absichtserklärungen von der Weltklimakonferenz in Paris.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wie dramatisch die Situation ist, zeigen Daten, die uns ges tern der Deutsche Wetterdienst zu Baden-Württemberg über mittelt hat, was die sogenannten Hitzetage anbelangt. Diese konnte ich beim ersten Anblick kaum glauben. Gemessen wur den die Daten in Stuttgart und in Freiburg. In Stuttgart wurde festgestellt, dass die durchschnittliche Temperatur in diesem Jahr an 55 Tagen über 25 Grad Celsius – wohlgemerkt im Schatten und nicht in der Sonne –, an 27 Tagen sogar über 30 Grad lag. In Freiburg waren es an 65 Tagen über 25 Grad und an 31 Tagen über 30 Grad. Diese Ergebnisse waren vom Institut für Klimafolgenforschung eigentlich erst für das Jahr 2030 für Baden-Württemberg prognostiziert worden, und zwar unter Zugrundelegung des Zwei-Grad-Ziels, bei dem von ei nem Anstieg aufgrund der CO2-Belastung von zwei Grad Cel sius ausgegangen wird. Diese Entwicklung sollte uns allen sehr zu denken geben, meine Damen und Herren.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann kann man auch hier Urlaub machen!)

Die Landesregierung hat ein Klimaschutzkonzept beschlos sen, um Maßnahmen aufzuzeigen. Ich möchte heute auch für die Regierungsfraktionen GRÜNE und SPD Rechenschaft ab legen, was den Klimaschutz in Baden-Württemberg anbelangt.

Nach den Zahlen für die Jahre 2012 bis 2014 haben die 108 Maßnahmen im Zuge des Klimaschutzkonzepts für BadenWürttemberg Einsparungen in Höhe von 475 000 t CO2 in drei Jahren ergeben. Ich denke, dieser Wert kann sich sehen las sen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Gebäudesanierung ein ganz festes Standbein beim Klimaschutz in Baden-Würt temberg ist, nicht nur im Hinblick auf die Wirtschaftsförde rung, sondern auch in Sachen Energieeinsparung. Allein durch das Förderprogramm bei der L-Bank, mit dem wir zinsverbil ligte Darlehen gewähren, haben wir Einsparungen von 302 000 t CO2 erreicht und Investitionen von 12,7 Milliarden € in den Jahren 2012 bis 2014 ausgelöst. Das ist ein Beweis dafür, das Ökonomie und Ökologie im Einklang stehen können und ein wirksamer Klimaschutz auch über den Geldbeutel erfolgen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sehr dankbar sind wir der Hochbauverwaltung des Landes. Denn wir haben ein energetisches Konzept für alle 8 000 Liegenschaften aufgesetzt mit einer Priorisierung analog zum Straßenbau, um nicht willkürlich einen Flickenteppich zu beschließen. Diese Priorisierung hat ergeben, dass wir al lein im Bereich der Hochbauverwaltung, also bei den Uni versitäten und den Verwaltungsgebäuden, bislang insgesamt 100 000 t CO2 eingespart haben, 70 000 t durch die Umstel lung auf Ökostrom. Damit hat die Landesverwaltung ihrer Vorbildfunktion Rechnung getragen, und wir haben hier ei nen enormen Schritt getan für mehr Klimaschutz in BadenWürttemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die dritte Säule möchte ich auch benennen. Das ist die Ener gieeffizienz: die Energieeffizienz bei Unternehmen sowie auch etwa durch Gebäudesanierung in Turnhallen oder bei der Stra ßenbeleuchtung. Hier sind 65 000 t CO2 in den Jahren 2012 bis 2014 eingespart worden, sodass wir insgesamt auf die 475 000 t CO2 kommen.

Wir wissen, das ist der Einstieg, und wir wissen auch, dass das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mit seinen Auswirkungen da noch gar nicht enthalten ist. Das heißt, bei den 2,3 Millionen Privatgebäuden, die mittlerweile ebenfalls dazugehören, sind in den nächsten Jahren weitere Einsparmaßnahmen möglich. Das zeigt, dass diese Landesregierung die richtigen Schritte für einen wirksamen Klimaschutz eingeleitet hat. Deshalb geht Baden-Württemberg hier voran, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir wissen auch, dass der Verkehr zu 30 % am CO2-Ausstoß in Baden-Württemberg beteiligt ist, und wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Die sinkenden Spritpreise haben zu einer Verkehrszunahme geführt. Deshalb brauchen wir neue Mobilitätskonzepte im Bereich der Verkehrspolitik. Sonst kön nen wir die Klimaschutzziele, die wir uns gesetzt haben – bis zum Jahr 2020 minus 25 % –, nicht erreichen.

Wir haben im Bereich der nachhaltigen Mobilität ein Regio bussystem aufgesetzt. Wir lassen Metropolexpresszüge fah ren,

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

und wir werden verstärkt auf die Intermodalität setzen, das heißt auf die Vernetzung

(Zuruf von der CDU: Das machen wir schon ewig!)

von Fahrradverkehr und Bahnverkehr, um somit weitere Ver lagerungen weg vom Individualverkehr zu erreichen. Denn allein mit der Losung „Wir bauen neue, breite Straßen“ kön nen wir die CO2-Ziele nicht erreichen, meine Damen und Her ren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Lastenfahr räder!)

Deshalb setzen wir auch verstärkt auf alternative Antriebs technologien, so, wie es die EU-Richtlinie vorschreibt. Das heißt, wir sind der Auffassung, dass auch im Fuhrpark des Landes durchaus noch Potenziale für den Einsatz von Elekt romobilität und vor allem Erdgasmobilität vorhanden sind. Wenn ich sage, dass der Einsatz eines Erdgasfahrzeugs eine CO2-Einsparung von 10 % im Vergleich zum Dieselmotor er bringt, dann ist auch das ein Zeichen dafür, dass wir hier noch enorm viele Potenziale haben, um einen wirksamen Klima schutz im Land Baden-Württemberg zu erreichen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Aber was sind unsere Forderungen an den Weltklimagipfel? Wir wissen, wir allein schaffen es nicht in Baden-Württem berg. Wir schaffen es auch nicht ohne die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich beispielsweise an Windrädern beteiligen, an Biogasanlagen beteiligen oder auch an Solarkollektoren beteiligen. Wir fordern deshalb eindeutige Grenzwerte für den CO2-Ausstoß, damit die „alten Stinker“, die Braunkohlekraft werke, endlich vom Netz gehen. Wir brauchen eine verbind liche Reduktionsstrategie. Sonst können wir dieses ZweiGrad-Ziel – die Drosselung des durch den CO2-Ausstoß ver ursachten Temperaturanstiegs auf höchstens zwei Grad – gar nicht mehr einhalten. Das heißt, hier müssen wir einsteigen. Das ist eine zentrale Forderung.

Der Emissionshandel muss angekurbelt werden. Der Zertifi katepreis ist am Boden. Es besteht momentan nicht genug An reiz durch diesen Zertifikatepreis, um Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu verringern. Deshalb brauchen wir einen Zertifikatehandel, der diesen Namen auch verdient. Das heißt, wir müssen weitere Zertifikate vom Markt nehmen. Da ist die EU gefragt, auch unsere Nachbarn in den osteuropäischen Ländern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Der Klimaschutz ist eine Herkulesaufgabe für uns hier im Land und für die gesamte Gesellschaft; denn die Folgen des Klimawandels brauche ich nicht zu beschreiben: Dürreperio den, Überschwemmungen, Landflucht. Was Flucht bedeutet, sehen wir gerade jetzt, in dieser dramatischen Situation. Wenn wir den Klimawandel nicht stoppen können, werden wir eine

weitere Landfluchtwelle in Europa und weltweit bekommen, und das müssen wir unter allen Umständen verhindern.

Deshalb sage ich:

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wir schaffen es, bzw. wir müssen es schaffen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Ulrich Lusche CDU: Yes, we can!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Lusche.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Titel der heutigen Debatte liest, stutzt man: „Baden-Württemberg geht voran. Die Welt braucht einen ambitionierten und globalen Klimaschutz.“ Also, die baden-württembergischen Grünen gehen voran und haben – gefühlt – nicht weniger als die Welt im Schlepptau.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Was hier formuliert wird, ist eine Art Weltmarktführerschaft der grün-roten Landesregierung mit ihrem Vorstandsvorsit zenden Winfried Kretschmann an der Spitze. Liebe Kollegin nen und Kollegen, ich glaube, es ist ganz gut, dass wir diese gefühlte Weltmarktführerschaft heute Morgen einmal einem Realitätscheck unterziehen können