Protocol of the Session on February 26, 2014

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 92. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich Herrn Kollegen Schwehr erteilt.

Krankgemeldet sind Herr Kollege Deuschle, Herr Kollege Jä gel, Herr Kollege Pix und Herr Kollege Sakellariou.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nister Friedrich, Herr Minister Hermann, Herr Minister Dr. Schmid ab 13:00 Uhr und Frau Staatssekretärin von Warten berg.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, weise ich darauf hin, dass heute hier im Plenarsaal eine Premiere stattfindet. Wie Sie vielleicht schon gehört haben, macht das Stuttgarter Kunstgebäude als Übergangsquartier des Landtags heute sei nem Namen alle Ehre: Erstmals wird ein Künstler den Plenar saal während einer laufenden Sitzung malen. Ich begrüße den Schömberger Künstler Andreas Wundersee sehr herzlich, der die heutige Plenarsitzung auf künstlerische Art und Weise zu Papier bringt. Er hat uns versichert, jeden Abgeordneten und jede Abgeordnete nur in der vorteilhaftesten Form darzustel len.

(Vereinzelt Beifall)

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Fünf Jahre Duale Hochschule BadenWürttemberg – eine Erfolgsgeschichte! – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten mit der üblichen Abfolge festgelegt.

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Kollege Dr. Schmidt-Eisenlohr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fünf Jahre Duale Hochschule Baden-Württemberg – am kom menden Samstag, am 1. März, feiern wir dieses Jubiläum. Am 1. März 2009 wurde aus den Standorten der Berufsakademi en in unserem Land die Duale Hochschule geschaffen. In der Zeit davor gab und auch seither gibt es eine rasante Entwick lung. Wir finden, das ist ein Grund zu feiern und dies heute in einer Aktuellen Debatte zu würdigen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte mit einem kurzen Rückblick starten. Ich selbst ha be an einer damaligen BA studiert.

(Beifall des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Und auch bestan den!)

Herr Haußmann, ich komme noch auf Sie zu. – 1999 habe ich mich ganz bewusst für dieses System entschieden, weil es bestimmte Vorteile hatte, die mich angesprochen haben. Ich wollte nicht an eine Universität, ich wollte – zu diesem Zeit punkt – nicht an eine Fachhochschule. Die kleinen Kurse, die besondere Art und Weise des dualen Studiums, gleichzeitig in einer Firma zu arbeiten, das, was man in der Theorie gelernt hat, auszuprobieren und gleich zu hinterfragen, auch die be sonderen Methoden, die es damals an der Berufsakademie schon gab, in der Gruppe Dinge zu erarbeiten, gruppendyna mische Prozesse auszuprobieren, die hohe Flexibilität, die da mals in den Fachrichtungen schon vorgeherrscht hat, die es in anderen Strukturen so nicht gab – dort war es sehr schwerfäl lig – und die an jedem Standort auch ein Stück weit anders waren, das waren Dinge, die mich sehr angesprochen haben und die ich heute – das würden wahrscheinlich alle bestäti gen; in dieser Runde haben wir noch ein paar andere Vertre ter – als Besonderheiten bezeichne, von denen man später in der Praxis wirklich profitieren konnte. Das war die starke Sei te der Berufsakademien in der Zeit vor 2009.

Es gab aber auch andere Punkte; das habe ich am eigenen Leib erlebt. Ich wollte ins Ausland, nach Cambridge, und es war überhaupt nicht klar, wie man so etwas eigentlich organisiert. Es gab keine klaren Kooperationsverträge, die für alle galten. Es war schwierig, abzustimmen, wie man mit den Prüfungen umgeht. Es war unklar, wie Leistungen angerechnet werden und wie man, wenn man etwas nicht anrechnet, mit dem Rest umgeht. Das war nicht so klar. Es gab erste Versuche mit Stu diengängen im Ausland, aber das war wirklich noch der An fang.

Insofern war es ganz wichtig, dass man an dieser Stelle er kannt hat: Man braucht klare Verfahren, man braucht klare Prozesse, die dann eben nicht nur pro Standort, sondern ein heitlich zu regeln sind. Ich kann aus eigenem Erleben berich ten: Es war eine richtige und gute Entscheidung, im Jahr 2009 ein neues Konzept aufzusetzen und die Berufsakademien in die Duale Hochschule in der jetzigen Form zu überführen. Das war eine mutige und richtige Entscheidung, die vor allem für die Studierenden große Vorteile gebracht hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Jochen Haußmann FDP/DVP)

Was war die Konsequenz? Konsequenz war, das State-Uni versity-Konzept zu übernehmen und insbesondere in puncto Qualitätssicherung zu versuchen, einheitliche Standards für alle Standorte hinzubekommen. Man hat noch einmal und kla rer gesagt, dass man die Partner, also die Wirtschaft, noch stär ker einbinden will; z. B. in den Hochschulräten haben sie ei nen stärkeren Einfluss gewinnen können. Das waren ganz wichtige Voraussetzungen.

Was ich ganz besonders gut fand, war, dass es nun einen ein heitlichen Auftritt als Duale Hochschule Baden-Württemberg gab, um auch international wahrgenommen zu werden und den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, ins Ausland zu gehen – so wie ich die Möglichkeit hatte, nach Cambridge zu gehen, wo die DHBW als echter Hochschulstandort, als Hoch schule erkannt wurde.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Jetzt wissen wir es!)

Es war wichtig, diese Vorgeschichte darzustellen. In diesen fünf Jahren ist natürlich viel passiert. Die Nachfrage nach ei nem Studium an der DHBW ist enorm gestiegen, und sie ist aufgrund dieser Struktur nicht nur vor Ort, sondern auch über regional gestiegen. Die DHBW ist auch außerhalb von BadenWürttemberg gefragt. Ich denke, wenn ich jetzt hier die Kol leginnen und Kollegen fragen würde, die ein BA-Studium ge macht haben, würden auch sie sagen: Es gab immer einen überproportional großen Anteil von Studierenden, die gar nicht aus der Region direkt, sondern aus anderen Regionen Deutschlands – z. B. aus Hamburg – zum Studium nach Ba den-Württemberg kamen; sie hatten ihren Arbeitgeber eben in einem anderen Bundesland. Es gibt also ein überregiona les Angebot.

Das Angebot ist vielfältiger geworden. Ursprünglich kam die se Hochschulform aus dem Wirtschaftsbereich. Sie ist stark im technischen Bereich vertreten und hat ein sehr starkes Wachstum im Bereich Soziales. Ich denke, das ist ein beson derer Pfeiler des Erfolgs der DHBW in den letzten fünf Jah ren. Es sind viel mehr Kooperationen entstanden, seitdem es die neue Struktur gibt. Ich nenne den Standort Mannheim als Beispiel; dort gibt es selbstverständlich eine Kooperation mit der Universität und mit der Hochschule für angewandte Wis senschaften vor Ort. Das alles sind Dinge, die in diesen fünf Jahren ganz toll gewachsen sind. Man muss an dieser Stelle einfach auch einmal loben, was alle Beteiligten geleistet ha ben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Sabine Kurtz CDU und Jochen Haußmann FDP/ DVP)

Mittlerweile hat die DHBW ein hohes Ansehen bei Studieren den, aber vor allem auch in der Wirtschaft – es ist ganz wich tig, das immer wieder zu betonen –, insbesondere wegen der Berufsnähe. Mittlerweile gibt es auch erste Angebote im Mas terbereich. Der Bereich Forschung wurde in diesen fünf Jah ren aufgebaut. Ich denke, da wurde viel Wichtiges und Wert volles geleistet. Das hat sich dann im Jahr 2011 gezeigt: Die DHBW war die allererste Hochschule in Baden-Württemberg, die eine vollständige Systemakkreditierung bekommen hat. So wurde nicht nur ein einzelner Studiengang akkreditiert, sondern es wurde gesagt, dass das, was an dieser Institution geleistet wird, den Hochschulstandards in allen Belangen ent

spricht. Das war ein Vorzeigemodell und bedeutete wirklich eine Vorreiterrolle für Baden-Württemberg. Das muss man an dieser Stelle einfach einmal loben. Die DHBW war die erste Hochschule, die dies in unserem Land erreicht hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Fazit: Uns war seit 2011 wichtig, auch die DHBW weiter aus zubauen. Wir haben das hier schon in vielen Debatten bespro chen: Ausbauprogramme, erhöhte Mittelzuweisung, Rauman mietungen wurden vereinfacht, gerade wurde ein neuer Bau eröffnet; diese Finanzierung haben wir ermöglicht. Wir schät zen die Rolle der DHBW. Die die Koalition tragenden Frak tionen haben sich sehr dafür eingesetzt, auch in den Haushal ten entsprechende Gelder freizumachen. Ich erinnere noch einmal an die Entfristung von Stellen beispielsweise in die sem Programm.

Insofern: Für uns ist die DHBW nicht nur symbolisch wich tig. Vielmehr nehmen wir sie auch ernst und haben sie ent sprechend mit Finanzen ausgestattet. Die DHBW ist einzig artig in der Qualität – das ist am Beispiel der Akkreditierung zu erkennen –, einzigartig in der Wahrnehmung durch die Un ternehmen. Deswegen sind wir stolz auf die DHBW, die wir bei uns im Land haben, und auf ihre Entwicklung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Sabine Kurtz CDU und Jochen Haußmann FDP/ DVP)

Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Kurtz.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion freut sich über diese Aktuelle Debatte. Es freut uns ganz besonders, dass die Landesregie rung, die ja noch keine drei Jahre im Amt ist, jetzt auf ein Er folgsmodell verweist, das fünf Jahre und älter ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Nicht alles war schlecht! – Gegenruf der Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Späte Erkenntnis!)

Normalerweise, lieber Herr Schmiedel, beginnt Ihre Zeit rechnung immer im Mai 2011, und alles, was davor liegt, scheint ein einziger großer Scherbenhaufen zu sein, den wir Ihnen hinterlassen haben und den Sie jetzt zusammenkehren müssen.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Insofern ist es doch schön, dass wir jetzt hier einmal gemein sam an ein Erfolgsmodell anknüpfen können. Sie wissen, es ist eigentlich von mehreren CDU-geführten Landesregierun gen auf den Weg gebracht worden, ist aber untrennbar mit Pe ter Frankenberg und auch mit seinem Staatssekretär Dietrich Birk verbunden, die dann die Umwandlung der Berufsakade mien, die es seit 1974 gab, zur Dualen Hochschule BadenWürttemberg vorgenommen haben.

Das stetige Wachstum der Studierendenzahlen und der Zahl der beteiligten Unternehmen beweist, dass wir die Weichen

richtig gestellt haben. Und noch einmal: Es war schön, rich tig und hilfreich, dass wir das im Konsens getan haben, dass wir im Zusammenhang mit der Dualen Hochschule BadenWürttemberg fraktionsübergreifend einen Konsens haben und jetzt auf eine fünfjährige gemeinsame Erfolgsgeschichte zu rückblicken können.

Auch für uns ist das ein Anlass, allen zu danken, die daran mitgewirkt haben: den Rektoren, den Professoren, den Unter nehmen, den Studierenden, den Hochschulräten sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie alle haben daran mit gewirkt, dass wir z. B. die Zahl der Studienanfängerplätze noch einmal erhöhen konnten, dass wir den Masterplan 2012 und den weiteren Ausbau umsetzen konnten, dass wir auf die se Weise den doppelten Abiturjahrgang auffangen konnten und vielen jungen Menschen eine akademische Ausbildung ermög licht haben, wobei wirklich zu betonen ist, dass das Besonde re an der Dualen Hochschule die enge Verzahnung von The orie und Praxis ist. Herr Dr. Schmidt-Eisenlohr hat das eben sehr anschaulich aus der eigenen Erfahrung beschrieben. Wir haben damit also ein bundesweit beachtetes, vorbildliches Modell geschaffen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Unsere heutige differenzierte Hochschullandschaft in BadenWürttemberg ist ohne die Duale Hochschule überhaupt nicht mehr vorstellbar. Aber ich will Sie schon daran erinnern, mei ne Damen und Herren, dass dies das Ergebnis eines langfris tigen Konzepts ist, das wir konsequent umgesetzt haben, wie gesagt, beginnend mit den Berufsakademien Anfang der Sieb zigerjahre bis zum Gesetz zur Dualen Hochschule im Jahr 2008.

Ein solches schlüssiges, konsequentes Konzept, meine Da men und Herren, vermissen wir bei Ihnen leider noch. Sie scheinen leider immer noch etwas zu schwanken und sich nicht entscheiden zu können hinsichtlich des Organisations modells der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Für uns ist es ein Kernelement dieser Hochschule, dass es ein austa riertes Verhältnis gibt zwischen den dezentralen Studienaka demien und den zentralen Gremien. Wir sind davon überzeugt – wie mir scheint, sind wir uns da mit Ihnen, Herr Dr. SchmidtEisenlohr, und mit den Grünen einig –, dass wir diese zentra le Steuerung gerade für die Qualitätssicherung brauchen und dass sie der Schlüssel zum Erfolg ist. Ich glaube weiterhin, dass die zentrale Ebene die Verantwortung für das weite Netz der Studienakademien übernehmen muss und dass nur so die se Systemakkreditierung, die Sie eben hervorgehoben haben, möglich ist.

Wir von der CDU haben also überhaupt keinen Anlass, an die sem erfolgreichen Modell zu rütteln oder gar einen Weg zu rück zur Struktur der früheren Berufsakademien zu gehen. Wir sind wirklich froh, dass das jetzt in der Novelle zum Lan deshochschulgesetz auch so festgeschrieben wird. Wir haben bei der Anhörung des Wissenschaftsausschusses gehört, dass viele Gespräche notwendig waren, auch Überzeugungsarbeit, und dass die Betroffenen jetzt sehr dankbar für die gefunde nen Regelungen sind. Wir können Sie nur warnen, daran noch einmal herumzudoktern und möglicherweise dieses Verhält nis von Dezentralität und zentraler Einheit infrage zu stellen.

Ich finde, Sie können der Dualen Hochschule nichts zumuten, was sie selbst ablehnt. Sie haben ihr schon einiges zugemu tet. Ich erinnere nur daran, dass die Duale Hochschule von der Abschaffung der Studiengebühren besonders betroffen war. 2,5 Millionen € pro Jahr hatte sie zu verkraften, weil die Kom pensationsmittel für die Studiengebühren nicht ausreichend waren. Es hat lange gedauert, bis Sie das eingesehen haben und dort Abhilfe geschaffen haben. Das war keine Glanzleis tung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Auch jetzt droht wieder eine Missstimmung. Das können wir bei allem Jubilieren nicht ganz aus den Augen verlieren. Das Markenzeichen der Dualen Hochschule ist die enge Verzah nung von Wirtschaft und Hochschule, und die Duale Hoch schule ist dringend auf die Zusammenarbeit mit den Unter nehmen angewiesen. Wenn Sie jetzt das Leitbild der unter nehmerischen Hochschule abschaffen und diese enge Koope ration infrage stellen, dann machen Sie damit der Dualen Hochschule und auch der Wirtschaft in den verschiedenen Re gionen im Land zu schaffen. Ich erinnere daran, dass Sie den Hochschulrat in seinen Rechten stark beschneiden wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Die Hochschulräte dürfen nur noch neun Jahre amtieren. Sie können sogar vom Ministerium abberufen werden. Das macht dieses Amt für Persönlichkeiten aus der Wirtschaft nicht at traktiv, und das müssen Sie ernst nehmen, wenn Sie jetzt an die Novellierung des Landeshochschulgesetzes gehen.

Das Jahr 2014 ist auch noch in einer anderen Beziehung sehr wichtig und zukunftweisend für alle Hochschulen und damit auch für die Duale Hochschule. Das betrifft die Neuauflage des Solidarpakts, die Sie derzeit aushandeln wollen. Sie müs sen sicherstellen – das ist unser Appell an Sie –, dass diesem Erfolgsmodell Duale Hochschule Baden-Württemberg nicht die Luft ausgeht, weil ihr die erforderlichen Finanzmittel feh len. Derzeit ist die Duale Hochschule nur zu 46 % aus Grund lastmitteln finanziert. Das ist effektiv zu wenig. Da sind Sie in der Pflicht, nachzubessern, Frau Ministerin.