Rolf Schlierer
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Glück, das war natürlich nicht die letzte Rede. Vielleicht haben Sie es auf sich bezogen. Aber wir haben tatsächlich mit meinem zusammen noch drei Debattenbeiträge zu hören. Dabei hätten wir es uns relativ einfach machen können; denn alles, was zu reden ist, ist schon in der Debatte am 5. Oktober gesagt worden. Es sind auch fast dieselben Redner, sodass der alte Satz gar nicht gilt: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Wenn aber nun gewünscht wird, die Debatte zu wiederholen, soll dies geschehen.
Im Wesentlichen kann man es zunächst in den grundsätzlichen Feststellungen zur Entwicklungshilfe zusammenfassen. Es ist richtig, dass Entwicklungshilfe Bundesangelegenheit ist. Es ist aber gut, dass sich die Länder daran beteiligen und diese Aufgaben mit wahrnehmen, wobei wir bei der Gelegenheit auch einmal feststellen müssen, dass Baden-Württemberg seit Bestehen der Beteiligung an der Entwicklungshilfe über 770 Millionen DM geleistet hat. Ich meine, dass dies eigentlich eine Zahl ist, die man sich ins Bewusstsein rufen sollte, bevor man weitere Forderungen aufstellt und so tut, als ob es zu wenig gewesen wäre. Im Berichtszeitraum war es immerhin ein Betrag von 51,6 Millionen DM. Wenn wir es genau nehmen, ist ja die Talsohle durchschritten und im Prinzip die Tendenz wieder steigend. Da aber die Mittel nicht unbegrenzt sind, muss man sich natürlich klar machen, wo die Prioritäten zu setzen sind. Deswegen meine ich, dass es wichtig ist, bei allen Maßnahmen folgende Punkte zu beachten.
Erstens: Konzentration statt Gießkannenprinzip. Das betrifft die Zahl der Projekte. Das betrifft aber auch die Prioritäten in der Ausformung der Projekte selbst. Hier ist der Schwerpunkt auf die Bildung zu setzen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten wollen. Da ist sicherlich die Bildung und Ausbildung in diesen Ländern vorrangig. Weniger Mittel für Einrichtungen hier bei uns im Land und mehr in den Entwicklungsländern. Ich sage das ganz bewusst, weil es sicher wichtig ist, hier bestimmte Einrichtungen zu schaffen, aber die Tendenz, sozusagen noch einen eigenen Apparat aufzubauen, die sicherlich bei jenen spürbar ist, die noch ein paar arbeitslose Sozialpädagogen unterzubringen haben, führt dazu, dass wir im Inland immer mehr Ausgaben haben und immer weniger Geld für die Maßnahmen im Ausland zur Verfügung steht. Deswegen sage ich auch: Wir lehnen eine Entwicklungsagentur ab, und wir halten auch nichts von einer zentralen Transferstelle; denn es gibt einschlägige Erfahrungen, beispielsweise mit CIM oder GTZ, über die ich jetzt hier nicht sprechen kann, die mich aber durchaus skeptisch gegenüber solchen zentralen Einrichtungen machen.
Zum Mitteleinsatz selbst noch ein paar Worte. Die Förderung der Nichtregierungsorganisationen ist ja verstärkt worden. Ich halte das auch für den richtigen Weg. Das gilt erst recht im Blick auf jene Entwicklungsländer, in denen wir keine stabilen Verhältnisse im Bereich der Regierungen und Verwaltungen haben, wo wir Unruhen haben und wo deswegen Maßnahmen sehr schnell ins Leere laufen. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir auch in diesem Bericht wieder den Hinweis haben, dass unsere Hilfsmaßnahmen in Burundi eingestellt werden mussten und die ganze Maßnahme an sich, wenn man den Zeitlauf sieht, eigentlich infrage gestellt ist.
Vielleicht sollte man bei der Gelegenheit auch noch einmal sagen: Entwicklungsländer, die meinen, sich vor allem im Rüstungsbereich betätigen zu sollen, sollte man, wenn es geht, möglichst wenig unterstützen.
Sinnvoll waren mit Sicherheit im Berichtszeitraum die Maßnahmen in Bosnien-Herzegowina, wobei wir uns aber auch da bewusst machen müssen, dass dies sehr schnell ein Fass ohne Boden werden kann, wenn der Konfliktbereich selber nicht befriedet wird.
Noch ein letztes Wort zum Prinzip der Kofinanzierung. Auch diese sollte gestärkt werden. Dies führt mich nun zu der entscheidenden Forderung, die wir heute noch einmal ins Bewusstsein rufen müssen. Wir haben eine Landesstiftung für Entwicklung und Zusammenarbeit. Ich meine, dass jetzt, nachdem wir gestern gehört haben, dass dank des genehmigten Verkaufs der EnBW-Anteile der große Geldsegen über das Land kommt, noch einmal deutlich gemacht werden muss: Wir brauchen das Stiftungskapital. Wir können es uns nicht leisten, die bisher mit einem fiktiven Kapital fingierten Kapitalerträge jedes Jahr in den Landeshaushalt einzustellen. Deswegen noch einmal die Forderung, endlich diese Stiftung mit den 8 Millionen DM Stiftungskapital auszustatten, damit sie ihre Aufgaben mit ihren eigenen Erträgen wahrnehmen kann. Leider ist uns
dies in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, aber ich glaube, Herr Kollege Wieser, dass es in der nächsten Wahlperiode sicher möglich ist. Dann haben wir auch für die Entwicklungshilfe hier im Land einen wichtigen Beitrag geleistet.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir soeben gehört haben, war keine Regierungserklärung, sondern eine Wahlkampferklärung.
Wenige Wochen vor der Landtagswahl soll den Wählern noch einmal ein großer Erfolg in Erinnerung gerufen werden,
der bereits mehrfach abgefeiert wurde,
und dieses Hohelied des Selbstlobs dieser Landesregierung scheint mir doch ein Stück weit Ausdruck von Verzagtheit zu sein.
Die Bewertung, meine Damen und Herren, des Energiestandorts Baden-Württemberg war bereits Gegenstand einer Regierungserklärung im Jahr 1999. Eine Wiederholung heute war in gar keiner Weise erforderlich. Die Diskussion über die Einbringung von Landesvermögen in eine Landesstiftung und die Verwendung dieser Mittel haben wir bereits wiederholt geführt.
Deswegen müssen wir es nicht ständig wiederholen. – Auch die so genannte Zukunftsoffensive III der Landesregierung ist nichts Neues, Herr Kollege Pfister,
und war mehrfach Gegenstand von Plenardebatten. Wozu also eine solche Erklärung zu diesem Zeitpunkt? Das ist die entscheidende Frage.
Meine Damen und Herren, man wird den Eindruck nicht los, dass kurz vor einer Wahl im Angesicht fallender Umfragewerte für die CDU die letzten Register gezogen werden.
Wie heißt es so schön? Die Union will jetzt „die Schlagzahl erhöhen“. Einer skeptischer werdenden Wählerschaft soll suggeriert werden, dass sie in eine sonnige Zukunft schreitet, wenn sie nur den Schalmeienklängen der Regierung Glauben schenkt, und das alles unter dem Motto: Wir nehmen alle mit; wir lassen keinen hängen. Herr Teufel, hoffentlich gilt das dann auch in Zukunft für die gesamte CDU-Fraktion. Da bin ich gespannt.
Damit auch der letzte Zweifel beseitigt wird, wird wahlkampfgerecht das große Füllhorn der Wahlgeschenke ausgepackt und über einer Öffentlichkeit ausgeleert, die darob in Ehrfurcht und Erstaunen erstarren soll. Nur tut sie es einfach nicht!
Und offensichtlich glaubt der Ministerpräsident nicht einmal mehr an den Beifall aus den eigenen Reihen. Oder wie sollen wir eigentlich den Appell an die Opposition verstehen, ihm endlich einmal Beifall zu klatschen?
Meine Damen und Herren, das zeigt ganz offensichtlich die tiefe Verunsicherung, die Sie bei der CDU ergriffen hat.
Wohl in der stillen Hoffnung, dass ob solcher Großzügigkeit des Landeschefs jeder den Wohltäter preist und dann schwarz wählt, hören wir eine Verheißung nach der anderen. Und was haben wir da in letzter Zeit nicht alles zu hören bekommen! Die Zahl der angekündigten neuen Lehrerstellen wächst wie auf einer Auktion. Legt die eine 5 000 vor, kontert der andere einfach mit 5 500. Ob realistisch, ob finanzierbar – wen interessiert es? Hauptsache, der Wähler glaubt es.
Da gibt es Laptops für alle im Angebot. Welcher Schüler wird sich schon dagegen wehren, einen Laptop zur Verfügung gestellt zu bekommen?
Und überhaupt: Wer wird denn schon etwas gegen Investitionen im Schulbereich oder in der Forschung oder gar gegen die Förderung neuer Technologien haben? Kurz vor der Wahl verspricht man sich auf der Regierungsbank offensichtlich, dass die Wohltaten im Gewand einer Regierungserklärung besonders gut ankommen.
Aber dafür, meine Damen und Herren, war der Inhalt dieser Erklärung viel zu dürftig. Ich will das an einigen Punkten deutlich machen.
Thema Energiepolitik: Da kann ich nur sagen: aus der Villa Reitzenstein nichts Neues. Das grenzenlose Vertrauen in den Markt kennen wir bei Ihnen, und der Vorgang in Kalifornien scheint Sie nicht zum Nachdenken angeregt zu haben.
Überhaupt stelle ich einmal die Frage, Herr Ministerpräsident: Wer hat denn überhaupt etwas von dem Aktienver
kauf? Eine EnBW, die bereits ankündigt, ihre Energieerzeugung in einem angeblich neuen Markt zurückzufahren, oder nicht viel mehr eine EdF, die endlich den Fuß im Markt des östlichen Nachbarn hat und dort ihren Atomstrom zu Dumpingpreisen absetzen kann? Das ist doch die eigentliche Strategie der Partner.
Dann die irrwitzige Vorstellung, dass die EnBW angesichts der Energiepolitik von Rot-Grün langfristig von einer Erschließung des französischen Markts profitieren könnte. Ich halte das alles für eine völlige Illusion.
Auch zu dem Thema „Zukunftsoffensiven und Wirtschaft“ erlaube ich mir eine Anmerkung. Herr Ministerpräsident, es ist immer dasselbe Spiel, das wir hier erleben: Für die Rezession ist die Weltwirtschaft zuständig, für die Strukturkrise tragen natürlich die Unternehmen die Verantwortung, und wenn es einmal Erfolge gibt, ist die Landesregierung zuständig.
Das ist nichts anderes als Selbstlob. Im Übrigen ist ja wohl die Frage erlaubt, was die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt mit „Erwin 1“ und „Erwin 2“ zu tun hat.
Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die derzeitige Lage auf dem Arbeitsmarkt die Folge der so genannten Zukunftsoffensiven ist.
Stellen Sie sich lieber die Frage – Sie haben das ja selber schon so dargestellt –, ob nicht beispielsweise der schwache Euro den Export beflügelt hat und nicht „Erwin 1“ und „Erwin 2“.
Meine Damen und Herren, das führt doch deutlich am Thema vorbei. Man will mit Wortgeklingel Eindruck schinden. Das sieht man auch schon am Begriff. Eine Offensive jagt die andere, und vor lauter Offensiven wird es einem ganz schwindelig.
„Erwin 1“ und „Erwin 2“ sind noch nicht einmal abgewickelt, und schon steht „Erwin 3“ im Rampenlicht.
Dabei wird vergessen, dass hier das Tafelsilber des Landes versetzt wird, meine Damen und Herren,
Vermögen, das in langen Jahren angespart wurde, Landesvermögen, dem im Übrigen inzwischen erhebliche Verbindlichkeiten gegenüberstehen.
Ich möchte auch daran erinnern, dass vor 15 Jahren mit der Landesholding Schulden einfach ausgelagert wurden. Damals begann die unselige Tradition der Schattenhaushalte hier im Land. Vielleicht sollte man sich auch einmal in Erinnerung rufen, dass den 1,5 Milliarden DM, die die Holding damals für den Haushalt erbracht hat, heute ein Schuldenberg von 1,9 Milliarden DM gegenübersteht. Ich meine, dass dieses Thema ernst genommen werden muss. Sind solche Schattenhaushalte eigentlich überhaupt zulässig?
Im Übrigen sehen wir auch die Folgen der damaligen Konstruktion. Wenn heute Holdinganteile versilbert werden sollen, gestaltet sich das, insbesondere wenn man Steuern sparen will, besonders problematisch. Da werden allerlei Schliche und Tricks ersonnen, und es wird der Umweg über die Gemeinnützigkeit gewählt. Meine Damen und Herren, das machen Sie ja nicht freiwillig, sondern das machen Sie nur, damit Sie Steuern sparen können.
Deswegen die Stiftung. Damit aber auch eine Bindung der Mittel. Sie haben damit keine freie Verfügbarkeit, sondern Sie werden sich an sehr strengen Maßstäben messen lassen müssen, wie sie in der Abgabenordnung enthalten sind.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Frage: Glauben Sie denn wirklich, dass alles, was Sie machen, automatisch gemeinnützig ist? Ich kann mir das vielleicht noch vorstellen, wenn der „Internet-Führerschein“ gefördert wird. Aber glauben Sie, dass jede Investition, beispielsweise die, die nachher bei Rechnerzentren erforderlich wird, bereits per se gemeinnützig ist? Das glaubt niemand ernsthaft, meine Damen und Herren.
Deswegen ist eben die Zweckbindung der Mittel hochproblematisch, wenn man den Blick in die Zukunft richtet und sich überlegt, welche Investitionen vielleicht im Jahr 2010 erforderlich sind.
Meine Damen und Herren, man hat manchmal den Eindruck, dass alle fünf Jahre, jeweils vor einer Wahl, eine große Zukunftsoffensive nach dem Motto kommt: Mit Geld und guten Gaben gewinnt man Wahlen.
Die Frage ist aber: Wie steht es denn um die Nachhaltigkeit solcher Aktionen?
Ich frage mich: Woher wollen Sie künftig das Geld nehmen, wenn dringend Zukunftsinvestitionen in Bereichen erfolgen müssen, die entweder nicht mehr unter den dritten Abschnitt der Abgabenordnung fallen oder für die kein Vermögen mehr zur Verfügung steht, weil man schon alles verscherbelt hat? Was machen Sie dann?
In diesem Zusammenhang kann ich nur sagen: Wenn die Regierung davon spricht, man wolle den Blick in das Jahr 2010 wagen, dann haben Sie weit gefehlt. In dieser Regierungserklärung fehlen die Perspektiven über den Wahltag 2001 hinaus. Das ist das eigentliche Problem.
Deshalb war diese Regierungserklärung so überflüssig wie der Südwind. Sie haben die Schlagzahl nicht erhöht, sondern nur versucht, die eigenen Reihen zu schließen. Ob Ihnen das gelungen ist, werden wir ja dann spätestens bei der nächsten Ministerpräsidentenwahl sehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zur Ausgangsfrage zurückkommen: Warum heute diese Regierungserklärung? Ich meine, dass die Zustimmung der EU-Kommission als Ereignis nur dann eine solche Regierungserklärung begründen würde, wenn in dieser Erklärung wirklich etwas Neues enthalten wäre. Herr Ministerpräsident, vieles von dem, was Sie vorgetragen haben, können wir alles beispielsweise in der Pressemitteilung vom 24. Oktober nachlesen, in der Sie die Zukunftsoffensive III vorgestellt haben. Substanziell Neues war heute also nicht zu hören. Deswegen war diese Frage auch berechtigt.
Im Übrigen will ich noch auf einen Punkt eingehen, der in der Diskussion über die Perspektiven auf dem Strommarkt eine Rolle spielt. Von den Regierungsfraktionen wird ja offensichtlich erwartet, dass sich mit der strategischen Partnerschaft zwischen EdF und EnBW für die EnBW eine neue Perspektive eröffnen würde. Ich kann dazu an dieser Stelle nur Folgendes festhalten: Es war bezeichnend, dass François Roussely in den Verhandlungen gegenüber Wettbewerbskommissar Monti zum Ausdruck gebracht hat, dass es deswegen gar keine Einwände gegen diesen Zusammenschluss geben könne, weil ja die EdF in Frankreich ohnehin so dominant sei, dass ihre Position auf dem französischen Heimatmarkt nicht noch weiter verstärkt werden könne. Herr Pfister, das widerspricht geradezu Ihrer Erwartung, dass sich aufgrund der Liberalisierung des Strommarkts für die EnBW etwa in Frankreich ein Stück neuen Marktsegments eröffnen würde.
Das Umgekehrte ist der Fall. Die Franzosen sagen sogar fairerweise von vornherein, sie dächten gar nicht daran, in diesem Sinne faire Wettbewerbschancen zu schaffen. Sie geben zu, dass sie etwas ausspielen können, was wir genau wissen: dass sie jede Kilowattstunde in ihren Reaktoren erheblich billiger produzieren können als wir. Wenn sie dann den freien Gesetzen des Marktes folgen, können Sie sich vorstellen, was kommt.
In der Tat ist die Skepsis berechtigt. Ich erinnere daran, welche Erwartungen beispielsweise 1988 beim Zusammenschluss von Alcatel und SEL gerade hier im Lande hinausposaunt wurden. Damals gab es die Hoffnung, dass in Baden-Württemberg Arbeitsplätze gesichert würden, dass der Standort eine Chance erhielte. Wenn Sie sich heute einmal im Umfeld des Stuttgarter Nordens umsehen, stellen Sie fest, was dort stattgefunden hat: ein Kahlschlag durch die Führung von Alcatel! Deswegen sind die kritischen Anmerkungen, die in der letzten Zeit in verschiedenen Artikeln erschienen sind, durchaus berechtigt.
Vorhin wurde das „Handelsblatt“ zitiert, und ich will das noch einmal tun. In der Ausgabe vom 5. Februar 2001 heißt es zu dem Vertrag, der die Abstimmung mit den OEW bedingt und fünf Jahre läuft:
Bestenfalls so lange, schätzen Kenner der Sachlage, läuft die Gnadenfrist für die EnBW: „Irgendwann ist die EnBW dann das Vertriebsbüro der EdF in Deutschland.“
Meine Damen und Herren, das ist auch deswegen richtig, weil wir uns einmal überlegen müssen, was denn eigentlich die Politik unserer Energieversorger sein wird. Herr Goll hat ja deutlich gemacht, wie man nach dem Ausstiegskonsens reagieren wolle. Zu dieser Reaktion zählt eben auch, dass man die eigenen Produktionskapazitäten langfristig zurückfahren wird. Auch deshalb sehe ich mit Blick auf den europäischen Markt keinerlei Vorteile für die EnBW in der Zusammenarbeit mit der EdF. Umgekehrt, die Vorteile haben die Franzosen. Wir werden das auch im Bereich der Arbeitsplätze merken,
vielleicht nicht gleich, meine Damen und Herren, aber in der mittelfristigen Perspektive.
An dieser Stelle will ich einen weiteren Punkt aufgreifen. Es ist ja viel darüber gesprochen worden, dass es der Kanon der gemeinnützigen Zwecke möglich mache, künftig mit der Landesstiftung fast unbegrenzt bestimmte Vorhaben zu fördern.
Herr Ministerpräsident, ich nehme gerne zur Kenntnis, dass alles geprüft worden ist, aber ich weise trotzdem auf Probleme hin. Das Merkmal der Förderung der Allgemeinheit in § 52 der Abgabenordnung ist nämlich inzwischen schon näher bestimmt. Dabei gibt es zum Beispiel ein Tatbestandsmerkmal, das über kurz oder lang einer Verwendung der Mittel mit Sicherheit entgegenstehen wird: dass Sie nämlich den geförderten Personenkreis nicht begrenzen dürfen. Sie dürfen ihn nicht abschließend bestimmen, und Sie werden zwangsläufig, wenn Sie künftig bestimmte Ziele, die für Zukunftschancen unseres Landes wichtig sind, gezielt fördern wollen, diese Förderung wegen der Bindung im Sinne des Allgemeinwohls nicht mehr vornehmen können. Deswegen sage ich noch einmal: Es kann sehr wohl die Situation entstehen, dass wir in der Zukunft – –
Ich habe es noch einmal nachgelesen. Es ist so. Sie können das gerne zitieren.
Wir werden in der Zukunft in die Situation geraten, meine Damen und Herren, dass wir für wichtige Investitionen Mittel brauchen und sie nicht haben, weil sie nicht allgemein aus dem Haushalt entnommen werden können, sondern in einer Zweckbindung stehen, die durch diese Stiftung vorgegeben ist.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Aspekt aufgreifen: Herr Pfister, ich finde es schon ein dreistes Stück, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, mit der FDP/DVP werde es in der nächsten Legislaturperiode keine Neuverschuldung mehr geben. Gegenfrage: Warum haben Sie dann in dieser Legislaturperiode unserem Vorschlag, dieses Ziel in der Verfassung festzuschreiben, nicht zugestimmt?
Sie können doch nicht auf der einen Seite sagen, Sie lehnten dieses Ziel ab, aber auf der anderen Seite anschließend vor das Wahlvolk treten und sagen: „Wenn ihr uns wählt,
kommt das.“ Ich will Ihnen dazu ganz offen sagen: Das ist so widersprüchlich, dass Sie dieses Argument besser aus Ihrem Wahlkampfslogan streichen sollten. Das nimmt Ihnen nämlich in Zukunft niemand mehr ab.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute anlässlich der überraschenden Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Genomanalyse über die rechtlichen Konsequenzen, die aus diesen Forschungsergebnissen zu ziehen sind.
Zu Beginn möchte ich noch einmal festhalten: Es war in der Tat überraschend, dass die Zahl der Gene des Menschen wesentlich geringer ist, als man ursprünglich angenommen hatte. Es ist überraschend, dass 99,9 % aller Menschen im Genom übereinstimmen. Es war aber genauso überraschend, dass wir in 98 % etwa mit Primaten wie dem Schimpansen übereinstimmen und dass wir immerhin einige Hundert Gene von Bakterien übernommen haben.
Aber das Problem, vor dem wir stehen, ist nicht ganz neu, Herr Kollege Noll. Denn das Hall’sche Experiment von 1993 in Washington hat uns damals schon zwei wesentliche Probleme vor Augen geführt: zum einen die Tendenz, dass in der Medizin offensichtlich doch das gemacht wird, was gemacht werden kann, und zum anderen die damals von Hall schon im Ansatz herausgehobene Differenzierung von Embryonen nach Qualitätsstandards.
Seitdem gibt es eine durchaus kontroverse Diskussion. Es ergibt sich allerdings aus diesem Problem die Frage, ob wir mit rechtlichen Mitteln, mit rechtlichen Rahmen Gentechnik lenken können oder nicht. Das gilt sowohl für die Genomanalyse und das Screening als auch für die Gentherapie, das heißt für die Versuche eines Eingriffs in die menschliche Keimbahn.
Diese Debatte, meine Damen und Herren, hat sicherlich viel an Emotionalität gewonnen, weil die Chancen sehr verlockend erscheinen, wenn ich allein an die Möglichkeit
denke, auf diese Art und Weise eine Vielzahl heute nicht beherrschbarer Erkrankungen in den Griff zu bekommen. Aber es gibt natürlich auch eine Emotionalisierung durch die vielfältigen Risiken, die mit diesen Eingriffen in Verbindung gebracht werden.
Wenn ich einmal den Bereich der Genomanalyse betrachte, so stelle ich fest, dass wir dort in der Tat vor einem Grundproblem stehen. So haben wir sicherlich ein Interesse daran, Krankheitsursachen und -dispositionen erkennen zu können. Auf der anderen Seite aber müssen wir klar und deutlich sagen, dass die derart gewonnenen Daten geschützt werden müssen und dass im Bereich des Datenschutzes ein ganz besonderes Augenmerk darauf zu lenken ist, die Verwertung dieser gewonnenen Daten durch Dritte zu verhindern. Das betrifft den angesprochenen Bereich des Versicherungsrisikos und die in diesem Bereich erkennbare Gefahr einer Diskriminierung jener, die sich einer Genomanalyse unterzogen haben.
Im Bereich der Gentherapie haben wir ein ganz zentrales Problem. Dies will ich mit einem Zitat ansprechen, das Kulturstaatsminister Nida-Rümelin in diesem Zusammenhang vor einiger Zeit von sich gegeben hat. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten:
Die Achtung der Menschenwürde ist dort angebracht, wo die Voraussetzungen erfüllt sind, dass ein menschliches Wesen entwürdigt werde, ihm seine Selbstachtung genommen werden kann. Daher lässt sich das Kriterium Menschenwürde nicht auf Embryonen ausweiten. Die Selbstachtung eines menschlichen Embryos lässt sich nicht beschädigen.
Meine Damen und Herren, ich sehe in diesen Denkansätzen eine erhebliche Gefahr. Denn wenn ich den Begriff Menschenwürde nicht mehr auf Embryonen ausdehne, wenn ich Selbstachtung zu einem maßgeblichen Kriterium bei der Definition der Menschenwürde mache, schaffe ich die Grundlage für eine Forschung mit Embryonenverbrauch. Dann bin ich genau in jenem Bereich, in dem es immer schwieriger wird, schließlich überhaupt noch Grenzlinien zu ziehen. Deswegen hat sich Herr Nida-Rümelin ja auch erhebliche Kritik zugezogen, etwa durch Spaemann, der mit Recht darauf hingewiesen hat, dass diese Art der Definition nicht zulässig sei.
Nun stelle ich mir mit Blick auf die von Ihnen, Herr Noll, beantragte Aktuelle Debatte die Frage: Welche rechtlichen Konsequenzen ziehen wir?
Ja, ich traue es Ihnen in der Tat nicht zu.
Also, die von Ihrer Fraktion beantragte Aktuelle Debatte.
Bei der Frage nach den rechtlichen Konsequenzen wollen wir zunächst einmal festhalten, dass wir mit dem Embryonenschutzgesetz und der Bioethikkonvention des Europarats eine klare Vorgabe insoweit haben, als Eingriffe in die Keimbahn verboten sind. Ich stelle mir allerdings die Frage, ob es bei uns nicht zunehmend Tendenzen gibt, wonach
eine Änderung dieser Situation gewünscht wird, weil man im Blick auf die Forschung und den Wissenschaftsstandort Deutschland glaubt, sich an eine Regelung annähern zu müssen, wie sie beispielsweise in den USA besteht. Dies wäre in der Tat ein Gesichtspunkt, den wir in der zweiten Runde noch vertiefen müssten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kretschmann, Sie haben die Skepsis erwähnt. Diese Skepsis ist sicher ange
bracht. Allerdings sollte man auch nicht das Kind insoweit mit dem Bade ausschütten, als man angesichts der jetzt vorliegenden Erkenntnisse davon ausgeht, dass wir innerhalb kürzester Zeit befähigt wären, die schlimmsten Horrorszenarien zu verwirklichen. Ich glaube, dass man dies zur Versachlichung der Debatte durchaus erwähnen sollte. Wir sprechen ja heute über die rechtlichen Grenzen und die Ethik, die bei diesen Fragen eine Rolle spielt. Wir müssen uns dabei bewusst machen, dass es wohl in absehbarer Zeit Erkenntnisse über ca. 5 000 genetische Defekte geben wird.
Ich frage mich: Was passiert eigentlich, wenn wir diese Erkenntnisse haben? Was kommt dann, wenn wir in der Lage sind, Diagnosen zu stellen? Glauben wir ernsthaft, dass es dann nur bei der Diagnose bleiben wird? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Diagnose immer auch Ausgangspunkt für die folgende Therapie ist?
Gerade damit ist natürlich auch die Frage gestellt, was im weiteren Verlauf dieses Fortschritts an Forderungen kommen wird. Was tun wir eigentlich, wenn sich die Rechtsentwicklung um uns herum anders gestaltet, als wir das für richtig halten, wenn nach unterschiedlichem Recht geforscht wird und dann entsprechende Konsequenzen gezogen werden?
Wir müssen uns bewusst machen, dass beispielsweise die USA – und den USA sind Japan und im Wesentlichen auch die Schweiz gefolgt – im gentechnisch-rechtlichen Bereich eine andere Konzeption verfolgen als wir. In den USA wird Gentechnik letzten Endes wie eine x-beliebige Technik angesehen, nach dem Stichwort „product approach“, während die Europäische Union sich ein separates Gentechnikrecht geschaffen hat im Sinne des „process approach“ – mit der Konsequenz, dass die Restriktionen bei uns sehr viel schwerwiegender sind.
Nun müssen wir uns heute, das heißt rechtzeitig, darüber klar werden: Was legen wir der dann unvermeidlich auf uns zukommenden Decision, also der Entscheidung, zugrunde? Da werden mit Sicherheit in der Abwägung auf der einen Seite die Argumente der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit, Fragen der wirtschaftlichen Interessen einschließlich der Standortsicherung stehen, und auf der anderen Seite wird es die Frage der ethischen Grundsätze, der Menschenwürde, soweit wir sie definieren können, geben. Herr Kretschmann, ich glaube schon, dass wir bei uns noch einen gewissen Grundnenner zur Menschenwürde finden können. Und es geht natürlich auch um die Frage der Menschenrechte und deren Ausprägung. Dann gilt es, eine Entscheidung zu treffen.
Ich meine, dass wir heute sagen sollten: Bei der Entscheidung über die Grenzen müssen wir auf diese ethischen Grundsätze abstellen. Denn tun wir das nicht, dann laufen wir Gefahr, die Grundlage des Rechts selbst auszuhöhlen. Ich glaube, dass darin in der Tat ein Erosionsansatz liegt, der all jenen gefährlichen Fehlentwicklungen, die wir heute durchaus schon absehen können, Tür und Tor öffnen wird. Das heißt also, dass wir bei allen ethischen Fragen – auch der, was sinnvoll und machbar ist – unter Umständen klar entscheiden müssen: Wir gehen über eine bestimmte Grenze nicht hinweg, selbst dann nicht, wenn es Fehlentwicklungen außerhalb unseres Landes gibt.
Ich meine, wenn zu diesem Prozess, wenn zu dieser Erkenntnisgewinnung eine relativ kurze Aktuelle Debatte einen kleinen Beitrag liefern kann, dann war sie sinnvoll. Allerdings ist es sicherlich ein schwieriges, vielleicht sogar vergebliches Unterfangen, Themen dieser Komplexität in irgendeinem Aufriss darstellen zu wollen. Es wäre vielleicht besser, Herr Kollege Kiesswetter, wenn sich Ihre Fraktion beim nächsten Mal darum bemühen würde, das Thema etwas mehr zu präzisieren. Dann hätten wir die Chance, in zwei Redebeiträgen von jeweils fünf Minuten etwas Weiterführendes beizutragen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich wäre dankbar, wenn auf dem rechten Flügel vor der Regierungsbank etwas mehr Ruhe herrschen würde.
Meine Damen und Herren, es geht heute in dieser Debatte nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder der rot-grünen Bundesregierung
im Hinblick auf ihre Biografien noch haltbar sind oder nicht. Wenn die Herren Fischer und Trittin das notwendige Format hätten, wären sie längst zurückgetreten und hätten uns die für das Ansehen unseres Staates und unserer Demokratie blamable öffentliche Diskussion über ihre Prügelvergangenheit erspart.
Gegenstand dieser Debatte, meine Damen und Herren, ist auch nicht die durchaus reizvolle Diskussion über die Opportunistenkarriere des Herrn Joschka Fischer oder über die Vergangenheitsbewältigung der Alt-68er. Thema ist heute die Frage, welche Glaubwürdigkeit eigentlich noch Kampagnen gegen Gewalt haben oder Maßnahmen zur Gewaltprävention besitzen, wenn die Spitze der zweiten Gewalt, wenn amtierende Bundesminister mit der von ihnen vor Jahren praktizierten Gewaltanwendung nach wie vor kokettieren.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einem Interview zu zitieren, das mit dem Kriminologen Frieder Dünkel geführt wurde und in dem der in Greifswald lehrende Professor Dünkel unter anderem zur Jugendgewalt sagt:
Gewalt wird nicht mehr als etwas Negatives empfunden. Von einem beachtlichen Teil der Jugendlichen wird sie inzwischen als legitime Form der Interessendurchsetzung akzeptiert.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, stelle ich mir in der Tat die Frage, welche Auswirkungen das Verhalten der Herren Fischer und Trittin auf Jugendliche hat, die sich eigentlich bei diesen „Vorbildern“ unserer Demokratie – wohlgemerkt in Anführungszeichen gesetzt – sehr wohl Maßstäbe nach dem Motto herleiten können: Es macht eigentlich nichts aus, wenn man einmal in der Jugendzeit so genannte Jugendsünden begeht, ein bisschen Gewalt anwendet; man muss sich ja später nur etwas verändern, und anschließend kann man mit dieser Revoluzzervergangenheit sogar noch kokett umgehen. Das, meine Damen und Herren, diese Art, wie man hier Prügelvergangenheit bewältigt, ist eigentlich der Stoff, aus dem nachher Gewaltkarrieren gemacht werden.
Deswegen müssen wir uns heute auch die Frage stellen – beispielsweise hat ja Michael Wolffsohn deswegen auch zu Recht diese Frage gestellt –, ob diese Prügelvergangenheit nicht letzten Endes einen Rücktritt dieser Herren erforderlich macht,
wenn es nicht zu entsprechenden Auswirkungen auf Jugendliche kommen soll.
Ich frage mich zum Beispiel auch, meine Damen und Herren, wie man eigentlich mit einer solchen Biografie und einer solchen „Karriere“ – in Anführungszeichen – umgehen soll, in der es ja nicht nur eine kurze Phase gibt, wo man eben einmal aus Fehleinschätzungen heraus Straftaten begangen hat, sondern wo man bei Herrn Fischer nun fortlaufend nachlesen kann, wie er diese Form der Gewaltanwendung noch heute im Prinzip rechtfertigt, und zwar mit dem Argument, meine Damen und Herren, dass man ja das Recht gehabt habe, sich gegen einen repressiven Staat zur Wehr zu setzen. Herr Fischer und Herr Trittin sehen sich heute noch als Opfer und nicht als Täter. Ich habe bis heute kein klares Wort der Entschuldigung gegenüber dem Polizeibeamten Weber gehört, sondern nur eine mehr oder minder abgemilderte Form der Distanzierung. Vor diesem Hintergrund sage ich heute: Wer solche Maßstäbe setzt, wird sich ab jetzt an diesen Maßstäben messen lassen müssen.
Was ist das für eine Diskussion bei uns im Land, wo die Karriere vom Putztruppenanführer zum Anführer des Aufstands der Anständigen offensichtlich völlig unproblematisch ist? Was ist das für eine Diskussion, wenn die linken Gutmenschen glauben, darüber bestimmen zu können, wer nun eigentlich für Gewalt im Land verantwortlich ist? Gewalt als ausschließlich rechtes Phänomen, das ist – vor dem Hintergrund der Debatte über Fischer und Trittin – im Prinzip ein Stück bodenlose Heuchelei und nichts anderes.
Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Und die Herren von links werfen unablässig mit Steinen.
Ich kann Ihnen heute nur eines sagen: Wir werden Sie ab jetzt an diese Vorgänge erinnern, wenn Sie solche Debatten führen, die rein politisch, lagerorientiert und ideologisch von Ihnen geführt werden. Da gilt das, was Frau ErdrichSommer gestern in der Debatte so schön formuliert hat: „Hier gibt es keine Absolution“ – auch für Sie von der rotgrünen Seite nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte darf ich mir einige Bemerkungen zu den Vorrednern erlauben, bevor ich noch einmal zum Thema komme.
Zunächst, Herr Kluck, wenn Sie von geistigen Brandstiftern und davon sprechen, dass bei uns irgendwelche Anhänger prügeln würden, sage ich Ihnen eines: Sie sind und bleiben für mich ein Verleumder und nichts anderes.
Denn Sie können keine dieser Bemerkungen und keinen dieser Vorwürfe belegen. Wer aber so etwas im Parlament verbreitet, muss sich die entsprechende Wertung anhören.
Zweitens: Herr Kollege Reinhart, Sie haben davon gesprochen – –
Zu den Ermittlungen gegen Sie kommen wir gleich.
Sie, Herr Kollege Reinhart, haben von dem Gewaltmonopol und davon gesprochen, dass Sie jede Form von Gewalt ablehnten und sich davon distanzierten. Dann muss ich Sie allerdings auffordern, sich auch von Ihrem Fraktionsvorsitzenden im Bundestag zu distanzieren, der sich in einem Interview in aller Offenheit dazu geäußert hat, wie er seinerzeit eine Brandstiftung in Bonn eingestuft hat. Herr Merz hat in dem Interview gesagt – ich darf das zitieren –:
Ich fand es zu der Zeit eine politische Großtat. Die haben wir tagelang gefeiert. Heute würde ich so etwas nicht mehr akzeptieren. Ich bin im Lauf der Jahre liberaler geworden,
und ich bestehe auf dem Recht, mich verändern zu dürfen.
Das ist nicht weit weg von dem, was heute Trittin und Fischer von sich geben.
Insofern wäre ich vorsichtig, wenn Sie uns jetzt wieder in das bekannte Glashaus stellen wollen.
Zur SPD will ich mir nur folgenden Hinweis erlauben. Herr Bebber, was Sie hier abgeliefert haben, war ein klassisches Beispiel für Verleumdung. Wissen Sie, warum? Weil Sie versucht haben, mit einer absolut falschen Darstellung einen Zusammenhang zwischen den Republikanern und der NPD herzustellen.
Sie haben nämlich gesagt, es gebe einen Herrn Fischer in Hessen, der von den Republikanern gefordert habe, mit der NPD zusammenzuarbeiten. Sie haben aber nicht gesagt, dass der Mann deswegen rechtskräftig aus der Partei ausgeschlossen worden ist – das haben Sie nicht erwähnt –,
und zwar genau wegen dieser Konsequenz, weil wir klar und deutlich gesagt haben: Wer eine solche Position vertritt,
hat bei uns in der Partei nichts zu suchen. Deswegen ist er ausgeschlossen worden. Sie erwähnen das nur deshalb nicht, um einen völlig falschen Eindruck zu erwecken.
Das lassen Sie sich bitte gesagt sein. Das ist Desinformation, aber ganz bestimmt kein reeller Debattenbeitrag.
Nun zu Ihnen, Herr Kretschmann. Sie haben mit wohl gewählten Worten schön vom Thema abgelenkt. Erst zum Schluss sind Sie wieder zum eigentlichen Gegenstand der Debatte gekommen. Es geht nämlich darum, zu fragen, ob das Verhalten, das Ihre jetzt so geläuterten Parteifreunde damals gezeigt haben, nachdem keine ganz eindeutige Distanzierung von den Vorgängen erfolgt ist, als Vorbild in dieser Demokratie dienen kann oder nicht.
Wenn Sie jetzt argumentieren, sie hätten inzwischen die große Resozialisierung erfahren, seien jetzt in Amt und Würden und seien staatstragend geworden, frage ich mich: Reicht das allein aus, um eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft zu übernehmen? Das ist doch die entscheidende Frage. Es reicht eben nicht aus. Selbstverständlich kann sich jemand läutern. Selbstverständlich kann jemand auch einmal etwas von früher zurücknehmen, und jedem muss man ein gewisses Recht auf Veränderung oder auf Korrektur seiner Positionen einräumen. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass der reuige Sünder nachher unbedingt an der Spitze eines Staates stehen muss.
Das ist ja nun die Frage vor dem Hintergrund der Gewaltdiskussion, die wir führen.
Da sind wir wieder bei dem Thema der Glaubwürdigkeit. Es ist eben nicht glaubwürdig. Wissen Sie, Herr Kretschmann, was auch nicht glaubwürdig ist?
Wenn Herr Trittin im Januar 2001 in der Diskussion über den berüchtigten „Mescalero“-Artikel beispielsweise sagt: „Rückblickend betrachtet haben wir damals versucht, auf eine vielleicht zu trotzköpfige Art die Meinungsfreiheit zu verteidigen.“
Stellen Sie sich das mal vor! Und das sagt er jetzt im Zusammenhang mit diesem unerträglichen Artikel, der damals zu der Ermordung des Generalbundesanwalts Buback veröffentlicht worden ist! Da sagt er nicht: „Das verurteile ich“, nein, da sagt er: „Wir waren vielleicht ein bisschen zu trotzköpfig.“
Sehen Sie, das ist die Frage der Glaubwürdigkeit im Umgang mit dem Thema Gewalt. Da haben Sie ganz große Probleme.
Zum Schluss will ich noch auf einen Punkt eingehen, der bei dieser Gelegenheit vielleicht auch einmal gesagt werden sollte. Wenn Herr Fischer jetzt noch in Interviews klar und deutlich sagt, dass er 1985 – da war er ja schon zum Turnschuhminister avanciert –, gerade in dieser Zeit nichts von der Vergötterung des Gewaltmonopols des Staates gehalten hat, wenn er dann einige Jahre später, als er angeblich schon resozialisiert war,
auf entsprechende Fragen von Journalisten – damals ist ihm vom „Tagesspiegel“ die Frage gestellt worden: „Wie fühlen Sie sich denn heute? Immer noch so kämpferisch wie früher?“ – antwortet: „Wissen Sie, da ist mir eine schöne Formulierung eingefallen:“ – die zitiere ich – „Schauen Sie, eine Katze. Mal beißt sie, mal kratzt sie, mal schnurrt sie, sie wird auch älter, aber es bleibt immer dieselbe Katze“,
dann sehen Sie: Das ist der Stoff, aus dem diese Debatten gemacht werden, und daran werden wir Sie festhalten. Sie sind immer noch dieselben Katzen geblieben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will vorausschicken, dass natürlich niemand die Landesregierung oder das Landwirtschaftsministerium für BSE verantwortlich machen kann. Aber die Frage ist erlaubt und auch angezeigt, ob in der Vergangenheit der Umgang mit diesem Themenkomplex richtig war oder nicht. Der Einwand, man tappe bei BSE ja noch im Dunkeln und habe nie etwas Richtiges gewusst, zieht natürlich nicht, denn es hat in den letzten Jahren sehr wohl Erkenntnisse gegeben und auch eine Entwicklung, die man nachvollziehen konnte. Bei Rindern hat es schon immer Einzelfälle von BSE gegeben, und das Ansteigen der Fälle in Großbritannien ist seit Mitte der Achtzigerjahre bekannt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz etwas einflechten. Weil es auch in Zukunft immer Einzelfälle geben wird, ist die ganze Biohysterie und Bioeuphorie, die wir jetzt erleben, völlig falsch.
Ich kann nur eines sagen: Wir werden auch auf Biohöfen BSE-Fälle haben, und dann stellt sich die Frage, ob die von den Grünen betriebene Verbraucherschutz- oder, sagen wir einmal, Vertrauensgewinnungspolitik mit dieser Bioeuphorie nicht ins Gegenteil umschlagen wird. Was ist denn, wenn die Verbraucher dann auch noch hier verunsichert werden? Wir haben schon den ersten Fall auf einem Biohof in Deutschland, und damit ist diese Illusion geplatzt.
Im Rückblick lässt sich festhalten: Seit Mitte der Achtzigerjahre gab es einen rapiden Anstieg von BSE-Fällen in Großbritannien. Es gab eine Änderung des Verfahrens der Tiermehlherstellung in Großbritannien – und das wusste man. Dazu kam der immer weiter intensivierte Binnenmarkt in der EU. Es war eine Illusion zu glauben, dass der Kontinent von BSE frei bleiben würde, wie man dann auch in Frankreich und in der Schweiz feststellen musste.
Spätestens zu Beginn der Neunzigerjahre waren die Landwirtschaftsminister im Bund und in den Ländern gefordert, dieser Bedrohung entgegenzutreten: mit einer intensivierten Forschung und vor allen Dingen mit sehr viel intensiveren Futtermittelkontrollen.
In diesem Zusammenhang will ich auf einen Vorgang eingehen, der uns auch hier im Land interessieren muss. Ist bei den Kontrollen wirklich genug getan worden? Sie, Frau Ministerin, wissen seit vier Jahren, dass in der Vergangenheit stark tiermehlhaltiges Kraftfutter für Rinder aus Italien nach Baden-Württemberg importiert und zu Dumpingpreisen angeboten wurde.
Das Interessante ist, dass hier nicht etwa von staatlicher Seite her kontrolliert wurde. Vielmehr war es eine Privatinitiative, die damals dafür gesorgt hat, dass die entsprechenden Kontrollbefunde erhoben wurden.
In Kenntnis allein dieses Vorgangs hätten wir erwarten dürfen, dass Sie, alarmiert durch diesen Vorgang, zur Abwehr der BSE-Einschleppung über Futtermittel sehr viel intensivere Kontrollen hätten veranlassen müssen. Diesen Vorwurf machen wir Ihnen.
Ich hätte auch erwartet, dass Sie in Kenntnis dieser Vorgänge die Bundesregierung dazu hätten auffordern müssen, zu veranlassen, dass auf EU-Ebene gegen diese Tiermehlmafia vorgegangen wird. Nichts ist erfolgt. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob der Birkel-Komplex zu einer Art Schreckstarre geführt hätte. Das ist ein klassisches Versagen.
Ich will auf die Bagatellisierungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, nicht eingehen. Aber erlauben Sie mir noch ein Wort zur Diskussion über den Schweinemastskandal.
Ich weiß nicht, weil ich selbst nicht dabei war, in welcher konkreten Form der Bundesverband der praktischen Tierärzte Informationen weitergegeben hat. Aber immerhin wird von diesen Tierärzten nach wie vor die Mitteilung aufrechterhalten, dass man sehr wohl konkrete Fakten an das Ministerium geliefert habe und dass daraufhin nichts geschehen sei. Auch das ist ein Versagen.
Diese Fakten, Herr Weiser, stehen hier im Raum. Selbst wenn man nicht alles bis ins Detail weiß, so ist man doch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Fälle im Interesse der Bauern aufgeklärt werden.
Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz wird jetzt sehr groß geschrieben. Die Landesregierung rühmt sich, die Zuständigkeiten vorbildlich gebündelt zu haben. Ich will Sie nur auf eines hinweisen: Nach wie vor werden in diesem Bereich Vorschriften aus sechs verschiedenen Ministerien umgesetzt.
Auch das zeigt, dass weiterhin eine Zersplitterung von Zuständigkeiten vorhanden ist, wenn es darum geht, für diese Tätigkeiten und Vorgänge die entsprechenden Vorschriften zu erstellen. Auch das reicht nicht aus.
Ich will an dieser Stelle festhalten, dass das Verhalten der Ministerin, aber auch des Ministerpräsidenten nicht geeignet ist, das Vertrauen in die gegenwärtige Besetzung der Landwirtschaftspolitik in Baden-Württemberg wieder herzustellen. Ich stelle mit Interesse fest, dass Sie, Herr Ministerpräsident, sich inzwischen langsam, aber sicher und sehr deutlich von Ihrer Ministerin absetzen, ostentativ keine gemeinsamen öffentlichen Auftritte mit ihr mehr durchführen.
Bei der Pressekonferenz, in der die Bestellung von Herrn Staatsrat Beyreuther angekündigt wurde, war Frau Staiblin nicht dabei. Das war ein sehr ostentatives Zeichen.
Im Übrigen kann ich Ihnen nur eines sagen: Ich habe wirklich den Eindruck, dass die Überschrift „Teufel und die Angst“ in den „Stuttgarter Nachrichten“ stimmt. Das ist die Angst, wenige Wochen vor der Landtagswahl die Situation nicht mehr in den Griff zu bekommen. Deswegen wird mit Aktionismus der Eindruck erzeugt, man hätte das Problem mit der Bestellung eines Staatsrats für Lebens- und Gesundheitsschutz im Griff.
Sehr interessant sind auch Ausführungen, die gestern in der „Eßlinger Zeitung“ standen, worin darauf hingewiesen wird, dass Bayern – aus guten Gründen – immerhin ein eigenes Verbraucherschutzressort eingerichtet hat, dass man hier aber kurz vor der Wahl offensichtlich nicht mehr den Mut hatte, so etwas durchzuführen, weil das gleichzeitig das Eingeständnis eigener Versäumnisse bedeutet hätte. So ist es.
Lassen Sie mich zum Schluss kurz noch einen Punkt anführen. Herr Ministerpräsident, Sie haben auf dem Kreisbauerntag in Schwieberdingen auf die Frage eines Bauern, wie es sich mit der Verwendung von englischem Tiermehl in Polen und dem Import von polnischen Agrarerzeugnissen nach Deutschland verhalte, darauf hingewiesen, man müsse Verträge einhalten. Das mag zwar richtig sein, „pacta sunt servanda“. Aber dabei kann man es nicht belassen. Wenn Sie um solche Missstände wissen, wäre es Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass solche Agrarprodukte nicht auf unseren Markt kommen. Das wäre Verbraucherschutz,
aber nicht der Hinweis: Wir können da nichts tun.
Deswegen ist für uns das Fazit klar: Die Frau Ministerin ist nicht mehr haltbar. Wir halten auch das Verhalten der Landesregierung in dieser Situation insgesamt für schwach und insuffizient. Deswegen werden wir dem Antrag zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass sich die Aufregung über missglückte Vergleiche wieder legt.
Manche Vergleiche fallen auf denjenigen zurück, der sie gebraucht. Insofern empfehle ich da Gelassenheit.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten noch vier Anmerkungen machen:
Der Herr Ministerpräsident hat von einer Holschuld gegenüber der Wissenschaft gesprochen. In der Tat: Eine solche Holschuld gibt es. Es ist aber falsch, dies nun so darzustellen, als sei diese Holschuld erst durch die Erkenntnisse Ende letzten Jahres entstanden.
Die Erkenntnisse über die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien sind viel länger vorhanden. Es wäre schon längst angesagt gewesen, sich über den Kenntnisstand der Wissenschaft zu informieren. Deswegen ist für mich auch die Berufung eines Staatsrates für fünf Monate kurz vor einer Landtagswahl keine geeignete Maßnahme, um diese Holschuld, die schon länger besteht, auszugleichen.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich auf die Forderung in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten am 13. Dezember letzten Jahres zurückkommen, in der er davon sprach, dass jetzt schnell Testverfahren entwickelt werden müssten. Dazu nur zwei Anmerkungen.
Erstens: Die Entwicklung solcher Testverfahren hätte man schon viel früher betreiben müssen, nicht erst jetzt. Der Dezember 2000 ist nicht der maßgebliche Zeitpunkt. Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, warum man sich dann nicht seitens der Landesregierung dafür einsetzt, Quarantänebestände bei uns einzurichten, um die Forschung in diesem Bereich weiterzutreiben.
Das ist doch halbherzig, was hier vorgetragen wird.
Zweitens: Ich erlaube mir hier auch den Hinweis, dass es sehr wohl aus den Reihen des Parlaments schon seit Jahren Anträge und Anfragen zu diesem Themenkomplex gegeben hat. Aus den Reihen meiner Fraktion gibt es 13 Anträge zu diesem Themenbereich. Der erste stammt vom Juni 1996, nicht erst aus dem Jahr 2000.
Meine Damen und Herren, wir haben vorhin gehört, dass es so enge Spielräume in der EU-Agrarpolitik gebe, dass man nicht mehr in der Lage sei, nationale Interessen durchzusetzen. Interessant! Als wir auf genau diese Gefahr im
Bereich der Europapolitik hingewiesen haben, ist uns das immer als Europafeindlichkeit angekreidet worden. Jetzt kommen dieselben Leute, die das seit Jahr und Tag als die historische Perspektive für uns hier beschworen haben, und beklagen sich darüber.
Ich halte das für ein Stück Heuchelei, Herr Kollege Kiefl, für nichts anderes.
Im Übrigen stimmt es bei genauem Hinsehen natürlich auch nicht. Denn gerade die Behandlung des BSE-Problems auf europäischer Ebene lehrt eines – da muss man sich dann allerdings etwas tiefer damit befassen –: dass es nämlich den Briten sehr wohl gelungen ist, nationale Interessen auf EU-Ebene gegen die anderen Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Das ist nur eine Frage, wie weit man sich einsetzt und wie weit man sich durchsetzen will. Dazu sage ich Ihnen: Da hat es bei den Bundesregierungen unter Kohl gefehlt, und da fehlt es heute unter Schröder genauso. Das ist die Schwäche der deutschen Politik in Europa.
Dazu gehört auch, dass man sich einmal überlegt: Um welche Interessen geht es hier eigentlich? Da muss man doch eine Abwägung treffen. Das sind doch nicht nur irgendwelche Marktinteressen, sondern hier geht es um Gesundheitsschutz, um Lebensschutz. Solche Interessen haben nun einmal in der Abwägung Vorrang. Hier vermisse ich auf Bundes- und Länderebene ein konzertiertes Vorgehen mit der Zielsetzung, unsere Interessen, unsere Standards in Europa durchzusetzen. Solange es hier Defizite gibt, kann sich keiner hinstellen und sagen: „Jetzt ist die EU gefordert, jetzt ist der Bund gefordert.“ Immer die anderen sind diejenigen, die nun plötzlich die Probleme lösen sollen. Hier fehlt es auch bei unserer Landesregierung an allem, was man im Sinne eigener Interessenartikulation hätte tun können.
Das sehen wir auch konkret an einem weiteren Punkt. Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen; das wird niemand behaupten. Wir leben in einer EU der offenen Grenzen; das wissen wir alle. Aber welche Folgerungen ziehen wir denn daraus? Die Folgerung muss die der intensiveren Kontrollen sein, wenn man damit rechnen muss, dass im Rahmen dieser offenen Grenzen Futtermittel nach Deutschland importiert werden, die nicht unseren Ansprüchen genügen. Auch da, kann ich nur sagen, gibt es schwere Versäumnisse dieser Landesregierung und der früheren Bundesregierung.
Nun noch eine abschließende Bemerkung zu der Frage Wahlkampfmanöver. Ich bin schon etwas überrascht gewesen, denn es wird ja wohl kaum einen Zweifel daran geben, dass man immer dann, wenn Probleme inhaltlich nicht richtig angegangen werden können, nach Strukturveränderungen schreit. Wie schön, wenn man irgendwo etwas
Neues strukturell inszeniert! Das erweckt ja den Anschein, als ob man dem Problem nunmehr Herr werden könnte.
Ich zweifle nicht an den fachlichen Qualitäten von Herrn Professor Beyreuther. Ich zweifle nicht daran, dass er die Landesregierung sachkundig beraten wird. Aber was erwarten wir denn jetzt eigentlich von dieser Beratung in den nächsten Wochen, bei einer Berufung auf Zeit, in einer Kabinettssitzung? Was soll denn da noch viel passieren? Ich brauche auch nicht die Beratung eines Fachmanns, um zu wissen, dass ich mehr Kontrollen durchführen muss, wenn ich die Erfahrungen habe, die wir in den letzten Jahren hier im Land haben sammeln müssen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht um Ablenkmanöver. Es geht allenfalls um ein Ablenkmanöver hinsichtlich der Versäumnisse der Landesregierung. Wir stehen dazu. Wir werden dem Antrag zustimmen, die Ministerin zu entlassen, um klar zu machen, dass man auch hier im Land bereit ist, aus Fehlern Konsequenzen zu ziehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hätten es sich alle etwas leichter machen können, wenn sie sich, vor allem auf dem linken Flügel, besser informiert hätten, weil die Frage, die in der Landesverfassung geregelt ist – –
Hören Sie erst einmal zu, Frau Gräßle! Nicht jeder Ihrer Zwischenrufe ist gut; das wissen Sie.
Die angesprochene verfassungsrechtliche Frage spielt in Bezug auf den bösen Schein eigentlich keine Rolle, Herr Birzele. Was Sie vorgetragen haben, war juristisch richtig. Aber Sie haben offensichtlich nicht bedacht, dass das Tätigkeitsfeld des Unternehmens mit exakt den Fragen, um die es in der Beratung geht, fast nichts zu tun hat.
Es gibt zwar einen gewissen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Prionen, wie sie beispielsweise in pathologischer Form beim Menschen auftreten können, und pathologischen Prionen, die wir heute für die BSE verantwortlich machen. Aber um die bovine spongiforme Enzephalopathie
geht es bei den Forschungsvorhaben und dem Beschäftigungsfeld der Firma nicht. Sie beschäftigt sich nur mit der Alzheimer-Erkrankung. Das Problem bei Ihnen liegt nur darin, dass Sie BSE und Alzheimer nicht trennen können.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wir sehen auch unter Beachtung der zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Frage keinen Grund, das Einvernehmen nicht zu erteilen, weil, wie gesagt, die Kollision, die im Sinne des bösen Scheins vermieden werden soll, gar nicht eintreten kann.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Republikaner lehnen den Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab, weil dieser die Schraube immer weiter gehender Gebührenerhöhungen erneut um ein Stück weiter dreht,
ohne dass durchgreifende und dringend gebotene Strukturreformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stattfinden.
Bei einer künftigen Gebühr von über 30 DM ist eine Grenze erreicht, und es bedarf entschiedener Maßnahmen, um den öffentlich-rechtlichen Gebührenwildwuchs zurückzuschneiden. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft auf öffentliche Mittel begrenzt wird. Werbung und Sponsoring müssen gerade unter EU-rechtlichen Gesichtspunkten im Sinne einer ausgewogenen dualen Rundfunkordnung entfallen.
Wenn Sie die Frage stellen, wie wir das finanzieren wollen, verweise ich nur auf den Zwölften Bericht der KEF, in dem ja auch für diesen Fall eine Berechnung angestellt worden ist. Hier wäre der einzige Fall gegeben, bei dem wir einer Gebührenerhöhung um knapp 3 DM noch zustimmen könnten.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich ausschließlich an seinem Funktions- und Grundversorgungsauftrag zu orientieren. Dazu bedarf es keiner ständigen Programmerweiterungen, die nach dem Zwölften KEF-Bericht ein zentraler Grund für die ständigen Gebührenerhöhungen sind. Der Entwicklungsgarantie kann durch Programmaustausch statt durch Programmerweiterung Rechnung getragen werden.
Nun lassen Sie mich einen Blick auf die Debatte über diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag in den Landesparlamenten werfen. Wir Republikaner bedauern, dass die sächsische CDU während der Beratung dieses Änderungsstaatsvertrags doch noch eingeknickt ist; denn die Position, die die sächsischen Unionsabgeordneten zunächst eingenommen hatten, war richtig. Dies zeigt sich, meine Damen und Herren, ganz deutlich in dem medienpolitischen Positionspapier der sächsischen CDU-Landtagsfraktion vom 21. September dieses Jahres. Darauf möchte ich kurz eingehen, weil in diesem Papier Positionen stehen, die wir Republikaner schon seit vielen Jahren vertreten. Dies zeigt, genauso wie die Ausführungen des Kollegen Rech, dass die Union langsam auf den rechten Pfad der medienpolitischen Tugend eingeschwenkt ist und sich unseren Positionen annähert.
Das finde ich sehr gut. Ich hoffe, Herr Kollege Rech, dass Sie sich wegen dieser Ausführungen nicht nachher in Ihrer Fraktion rechtfertigen müssen.
Ich will dies an einzelnen Punkten dieses Papiers der sächsischen Union deutlich machen. Da heißt es beispielsweise in Ziffer 4 – ich zitiere –:
Eine strikte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus öffentlichen Mitteln muss keine Gebührenerhöhung zur Folge haben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich auf die konsequente Erfüllung seines Funktions- bzw. Grundversorgungsauftrages zurückzubesinnen.
Dann wird in Ziffer 9 deutlich gemacht – da darf ich auch noch einmal zitieren –:
Das System der Ermittlung des Bedarfes durch die KEF ist zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Derzeit wird ein fast beliebiger Bedarf angemeldet, durch die KEF geprüft und aufgrund mangelnder Transparenz des Finanzgebarens der Anmelder nur unzureichend verobjektiviert. Das Ergebnis ist damit stets eine Gebührenerhöhung und die feste Etablierung einer Gebührenerhöhungsspirale. Diese Dynamik gilt es zu brechen.
In der Tat, meine Damen und Herren. Diese Position ist richtig. Weil wir damit ernst machen müssen, sagen wir: Wir lehnen diesen Gebührenstaatsvertrag ab, der in Artikel 5 wiederum eine klare Aussage enthält: Fortsetzung dieser Gebührenerhöhung. Wenn ich jetzt noch einmal reflektiere, was der Kollege Jacobi vorhin gesagt hat, ist eben offensichtlich auch mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag bei manchen Parteien die Erwartung verbunden, dass man dieses System weiter fortsetzen kann. Im Prinzip, Herr Kollege Rech, verschieben wir eine wichtige Entscheidung in die Zukunft, anstatt jetzt einmal Nägel mit Köpfen zu machen.
Ich meine, dass wir deswegen gut beraten sind, diesen Änderungsstaatsvertrag abzulehnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit einer ersten Bewertung der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten beginnen.
Herr Ministerpräsident, man hätte auch sagen können: Valium fürs Volk und die Verbraucher. Denn das, was Sie hier angekündigt haben, sind aus unserer Sicht Selbstverständlichkeiten im Blick auf die aktuellen Notwendigkeiten.
Sie haben keine klaren Perspektiven für die Landwirtschaft aufgezeigt. Denn Ihre Hinweise auf die Pflichten von Bund und EU nützen unseren Bauern draußen, die sich jetzt in einer echten Existenzkrise befinden, wenig.
Ihre Forderungen nach einzelnen Maßnahmen und nach künftigen Konzepten sind für mich mehr Aktionismus als die Beschreibung eines klaren Wegs. Für uns sind keinerlei
Ansätze ersichtlich, wie die Ursachen für längst erkennbare Fehlentwicklungen auf dem Agrarsektor in der Europäischen Union beseitigt werden sollen.
Lassen Sie mich noch eines erwähnen: Ich bin mit Ihnen in der Sache völlig einig, was den Tierschutz angeht. Aber das, was Sie hier heute vorgetragen haben, war eine Wahlkampfeinlage und nichts, was uns beim konkreten Thema ein Stück weiterführt.
Nun einige Anmerkungen zu der aktuellen Diskussion über BSE. Die Gefährlichkeit der transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, wie man diese Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, darf und soll nicht unterschätzt werden. Aber es dient keiner sachlichen Erörterung, wenn bei uns im Land Boulevardblätter in unverantwortlicher Weise eine Hysterie schüren, die dann zum Auslöser für panikartige Reaktionen wird – auch im Bereich der Politik.
Warten Sie erst einmal ab, und hören Sie zu. Sie lernen bei mir gleich noch etwas, Herr Kollege.
Die BSE-Debatte wirft in der Sache ein bezeichnendes Licht auf die innere Verfassung, in der sich unser Land und unsere Gesellschaft befinden. Der „Spiegel“ hat vor kurzem nicht umsonst „Die hysterische Republik“ getitelt. Das ist sie in der Tat. Diese Republik taumelt inzwischen von einer Schockmeldung zur nächsten. Die Folge sind entweder Aktionismus oder aggressive Kampagnen. Das nützt uns gerade im konkreten Zusammenhang wenig. Nachdenklich muss aber nicht nur diese hysterische Stimmungslage machen, sondern auch die Tatsache, dass BSE nicht den ersten Lebensmittelskandal in der EU darstellt.
Ich meine, dass wir uns im Zusammenhang mit der Entstehung und Ausbreitung dieser Seuche klarmachen müssen, dass auch dies die Folge eines europäischen Agrarsozialismus ist, bei dem es letzten Endes immer um Quantität und nicht um Qualität geht.
Das, meine Damen und Herren, wird im Bereich des Rindfleischs ganz konkret deutlich.
Bei Ihnen gibt es einen Reflex wie bei den drei indischen Affen: Augen zu, Ohren zu und nichts davon sagen. Die EU ist heilig, und für die Probleme ist irgendjemand anders verantwortlich.
Das ist keine wirklich verantwortungsbewusste politische Wahrnehmung, Herr Kollege. Ich will Ihnen das auch gleich einmal konkretisieren, dann können Sie vielleicht einmal darüber nachdenken.
Das Problem bei der Agrarsubventionierung für Rindfleisch liegt doch darin, dass die EU seit Jahr und Tag Prämien für Viehzüchter und Viehmäster zahlt. Die Folge ist, dass es natürlich um quantitative Agrarproduktion geht; das wird durch diese Prämien ja gerade angeheizt. Jetzt frage ich mich: Wie wollen Sie denn nun in der Nachsteuerung einen vernünftigeren Weg gehen, wenn Sie zum Ausgleich von der Landwirtschaft jetzt drohenden Einkommenseinbußen nichts anderes im Kopf haben, als die Prämien zum Ausgleich anzuheben? An diesem ganz konkreten Punkt merken Sie, wie sehr Sie letzten Endes in diesem System gefangen sind.
Deswegen, meine Damen und Herren, war ein Umsteuern bisher praktisch nicht möglich. Industrielle Agrarproduktion in der EU wird uns auch in den folgenden Jahren noch begleiten und erhebliche Probleme bescheren. In diesem Zusammenhang sage ich nur: Der Dioxinskandal bei den Geflügelmästern in Belgien liegt noch nicht so lange zurück, dass man das einfach beiseite schieben darf. Agrarfabriken, industrielle Agrarproduktion und deren Produkte machen in einem europäischen Binnenmarkt nicht vor unseren Grenzen Halt. Übrigens gibt es diese Produktionsformen auch in unseren benachbarten Bundesländern; tun Sie also bitte nicht so, als ob das weit weg wäre.
Daran, meine Damen und Herren, ändert weder das HQZ noch eine Verbraucherberatung etwas, so sinnvoll diese Maßnahmen auch sind. Die Konsequenz ist: Wir müssten die Erzeugung von Agrarprodukten und die Nahrungsmittelkette konsequent regionalisieren, wenn wir diese Fehlentwicklungen vermeiden wollten.
Das geht aber leider nicht, meine Damen und Herren, weil es am Wettbewerbsrecht der EU scheitert.