Protocol of the Session on December 13, 2000

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 100. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Dr. Hildebrandt erteilt.

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Kretschmann und Veigel.

Meine Damen und Herren, am 1. Dezember 2000 verstarb unser Kollege Ulrich Brinkmann. In Trauer und Hochachtung nehmen wir von ihm Abschied. Viele von uns haben ihn am vergangenen Mittwoch auf seinem letzten Weg begleitet.

Ulrich Brinkmann war ein leidenschaftlicher Parlamentarier. Er gehörte dem Landtag von Baden-Württemberg seit 1984 an. Sein hauptsächliches Arbeitsfeld, das er mit unermüdlichem Engagement bearbeitete, war die Umweltpolitik. Auch die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft war ihm ein großes Anliegen.

Dank seiner fachlichen Kompetenzen auf diesen Gebieten saß er in der 10. Wahlperiode dem Untersuchungsausschuss „Gefahren durch Dioxine in Baden-Württemberg“ vor. Er war in der 11. Wahlperiode für einige Zeit Vorsitzender des Umweltausschusses und bekleidete in der 12. Wahlperiode dreieinhalb Jahre lang das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses.

Nicht zu vergessen ist sein Einsatz für die Menschen in unserem Land. Während seiner ganzen Abgeordnetentätigkeit nahm er sich als Mitglied des Petitionsausschusses der Sorgen und Nöte unserer Bürgerinnen und Bürger an.

Wir haben in Ulrich Brinkmann einen profilierten Kollegen verloren, der über die Fraktionsgrenzen hinweg eine hohe Wertschätzung genoss.

Am 4. Dezember 2000 verstarb unser früherer Kollege und Erster stellvertretender Landtagspräsident Professor Walter Krause. Das Land und die Stadt Mannheim haben seiner am letzten Freitag im Rahmen eines Trauergottesdienstes gedacht.

Walter Krause hat das politische und parlamentarische Leben unseres Landes über drei Jahrzehnte hinweg wesentlich mitgestaltet. Er war Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und gehörte dem Landtag von BadenWürttemberg von der ersten Stunde an an.

Er war von 1966 bis 1972 als Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Mitglied der Regierung des Landes Baden-Württemberg. Er war einer der Väter der großen Verwaltungsreform.

Sieben Jahre lang, nämlich von 1973 bis 1980, war Walter Krause Erster stellvertretender Landtagspräsident. Er war ein vorbildlicher Parlamentarier. Er war in hohem Maße geschätzt wegen seiner fachlichen Kompetenz, seines scharfen Verstandes, seiner Geradlinigkeit und hohen Integrität.

Mit Walter Krause hat Baden-Württemberg einen großen Politiker verloren, der sich um unser Land verdient gemacht hat.

Wir werden Ulrich Brinkmann und Walter Krause in dankbarer Erinnerung behalten.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Sie haben sich zu Ehren der beiden Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Meine Damen und Herren, mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 hat mir der Landeswahlleiter mitgeteilt, dass das Mandat des verstorbenen Kollegen Brinkmann auf Herrn Hans Vogt aus Gottenheim übergegangen ist. Herr Vogt hat die Wahl gestern, am 12. Dezember, angenommen und von diesem Tag an die rechtliche Stellung eines Abgeordneten erworben.

Herr Vogt, ich begrüße Sie sehr herzlich in diesem Hause und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Tätigkeit als Abgeordneter.

Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 1. Dezember 2000 – Bericht der Landesregierung von Baden-Württemberg über entwicklungspolitische Maßnahmen in den Jahren 1998 und 1999 – Drucksache 12/5790

Überweisung an den Wirtschaftsausschuss

(Präsident Straub)

2. Mitteilung des Finanzministeriums vom 27. November 2000 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksa- che 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziffer II Nr. 6); 3. Quartalsbericht 2000 (Januar bis September) – Drucksache 12/5766

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

3. Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg – 21. Tätigkeitsbericht – Drucksache 12/5740

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Regierungserklärung – BSE – Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger hat für die Landesregierung absoluten Vorrang – und Aussprache

Ich erteile dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind angesichts der Vorkommnisse in Großbritannien und Frankreich und des ersten BSE-Falls in Deutschland in hohem Maße verunsichert. Wir nehmen ihre Sorgen und Ängste außerordentlich ernst.

Ein gemeinsames Handeln aller Verantwortungsebenen von der Europäischen Union über den Bund bis hin zu den Ländern und Gemeinden ist gefordert. Darüber hinaus sind Einsicht und verantwortliches Verhalten bei Bauern und Verbrauchern, beim Schlachten, Verteilen, Verkaufen, in der Kontrolle der tierischen und menschlichen Nahrungsmittelkette notwendig.

Es geht in diesen Tagen nicht um Schuldzuweisungen. Wir sitzen bei der Bewältigung der Krise alle in einem Boot. Es gilt, gemeinsam den Blick nach vorne zu richten und zu handeln. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns.

Sicherheit schafft Vertrauen. Das ist unsere zentrale Aufgabe.

Die erste Folgerung daraus ist: Die Gesundheit der Menschen hat für die Landesregierung Vorrang vor jeder anderen Frage. Gesundheit, der Schutz und das Wohlergehen der Bürger und Verbraucher sind unser Ziel Nummer 1. Wir müssen dafür das Menschenmögliche tun.

Aber auch dies muss ehrlich gesagt werden: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgendwo, auch nicht bei BSE. Es ist aber Aufgabe des Staates und der Produzenten, der Händler und der Verkäufer, das Risiko so klein wie möglich zu halten und eine größtmögliche Sicherheit zu schaffen, auch wenn das viel Geld kostet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir wissen heute über BSE noch viel zu wenig. Bis heute konnte der Erreger immer noch nicht mit abschließender

Sicherheit identifiziert werden. Auch die Übertragungswege sind noch nicht hinreichend geklärt.

Zur Wahrheit und Klarheit gehört daher auch die Aussage: Der BSE-Test, den wir derzeit haben, ist ein wichtiges Indiz für BSE-Freiheit. Er gibt aber so, wie er jetzt auf dem Markt ist, keine hundertprozentige Garantie. Für Jungtiere taugt er noch gar nicht.

Was folgt daraus? Wir brauchen schnell Testverfahren, mit denen wir auch jüngere Tiere zuverlässig untersuchen können. Wir brauchen Untersuchungsmethoden, die am lebenden Tier verlässliche Ergebnisse ermöglichen. Dies kann uns nur die Wissenschaft liefern. Die Europäische Union, der Bund und die Länder müssen ihre Aktivitäten in der Forschung bündeln und ihre Anstrengungen intensivieren.

Baden-Württemberg wird hierzu seinen Beitrag leisten. Unsere Ansatzpunkte im Land liegen vor allem in der molekularbiologischen Grundlagenforschung. Ich erinnere an die Prionenforschung im Zentrum für Molekulare Biologie in Heidelberg und an die Arbeiten in der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen. An der Universität Hohenheim beschäftigt man sich mit Fragen einer möglichst gefahrlosen Beseitigung von Tierkadavern.

Wir wollen diese Forschungsaktivitäten vernetzen und mit zusätzlichen Mitteln zu einem Forschungsschwerpunkt im Land ausbauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, am Geld darf der wirkungsvolle Schutz der Menschen nicht scheitern.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb hat Baden-Württemberg auch im Bundesrat dem Gesetzentwurf zum Verbot der Verfütterung von Tiermehl zugestimmt, obwohl Bundesregierung und Bundestag sich ihrer finanziellen Mitverantwortung entzogen haben und die Kosten den Ländern, Städten und Gemeinden überlassen wollen. In jeder anderen Frage – das sage ich offen – hätten wir wegen der ungeklärten Kostenfrage ein Gesetz abgelehnt oder zumindest den Vermittlungsausschuss angerufen. In diesem Fall nicht, und zwar ausschließlich deshalb, weil keine Zeit verloren werden darf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Bürger hätten keinerlei Verständnis, wenn Verzögerungen entstünden, weil sich Bund und Länder über die Kosten streiten. Der Bund darf diese unsere Haltung aber nicht ausnutzen und muss sich seiner finanziellen Mitverantwortung stellen. Das habe ich unter ausdrücklicher Zustimmung auch meiner Kollegin Frau Simonis, die für die SPD-geführten Länder sprach, am 1. Dezember so im Bundesrat gesagt.