Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 88. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Im E i n g a n g befindet sich eine Mitteilung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 19. April betreffend Entwurf einer Rechtsverordnung über die Schultypen des Gymnasiums. Die Mitteilung wird Ihnen als Drucksache 12/5141 zugehen. Ich schlage vor, das Schreiben zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung dem Ausschuss für Schule, Jugend und Sport zu überweisen. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Sozialministeriums – Rechtsverordnung für Drogenkonsumräume – Drucksache 12/4921
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
(Allgemeine Heiterkeit – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Das ist unser Antrag! – Abg. Dr. Schlierer REP: Das wäre mir ein Vergnü- gen! Ich mache das gerne!)
Ich bitte um Entschuldigung. Herr Dr. Schlierer hat sich vorhin bei mir gemeldet. Das war ein Versehen des Präsidenten.
Herr Präsident, die Begründung des Antrags würde sich sicher etwas anders anhören, wenn sie vom Rep-Chef vorgetragen würde.
Meine Damen und Herren, das Thema der heutigen Debatte ist die Einrichtung von so genannten Drogenkonsumräu
men, bisweilen auch als „Fixerstuben“ bezeichnet. Es geht uns dabei um einen Baustein im Hilfesystem für drogenkranke Menschen, und das Ziel ist, auch in Baden-Württemberg die Möglichkeit zu bekommen, dass Kommunen solche Räume einrichten. Die rot-grüne Mehrheit im Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung solcher Drogenkonsumräume geschaffen.
Worum geht es bei diesen Räumen, die auch Fixerstuben genannt werden? Es geht um einen geschützten Raum für kranke Menschen zum Gebrauch der Drogen, von denen sie abhängig sind. Es hat eine doppelte Schutzwirkung, wenn ich von einem geschützten Raum spreche. Es geht nämlich um den eigenen Schutz der Betroffenen, die die Möglichkeit haben, ihre Drogen unter hygienischen Bedingungen statt im Schmutz der Straße zu konsumieren, und es geht um den Schutz der Anwohner, weil niemand es schätzt, im eigenen Garten Spritzen aufzulesen, und weil niemand in Parks oder Unterführungen mit dem Anblick von Menschen konfrontiert werden will, die sich etwa eine Spritze in die Halsvene drücken.
Nunmehr, meine Damen und Herren, ist die Landesregierung am Zug. Die Voraussetzung für die Einrichtung solcher Räume, die viele Städte einrichten wollen, ist eine Rechtsverordnung, in der zehn Mindeststandards dafür festgelegt werden, wie so etwas auszusehen hat. Diese Mindeststandards beziehen sich zum Beispiel auf die Anwesenheit von fachkundigem Personal, auf die Notfallversorgung und auf die Vermittlung von weiterführenden Angeboten der Beratung und Therapie.
Minister Repnik aber weigert sich, ganz im Gegensatz etwa zum Stadtstaat Hamburg, der bereits am 25. April eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen hat. Nun könnte ich Ihnen, Herr Minister, einfach eine ideologisch motivierte Blockadehaltung vorwerfen. Aber als Politikerin glaube ich ja an die Kraft des Arguments,
Sie haben in der Stellungnahme zu unserem Antrag die Ablehnung damit begründet, mit der Einrichtung von Fixerstuben würde ein falsches Signal in Richtung Drogenakzeptanz gesetzt. Dazu, Herr Minister und meine Damen und Herren von der CDU, kann ich nur sagen: Das ist ein Missverständnis. Nicht die Drogen würden akzeptiert, sondern die drogenkranken Menschen.
Und überhaupt: Akzeptanz ist nicht alles, worum es hierbei geht. Es geht erstens schlicht und ergreifend um Überlebenshilfe. 270 Drogentote im letzten Jahr in Baden-Württemberg – das waren 44 Tote mehr als im Jahr davor – sprechen doch eine deutliche Sprache.
Wir alle wissen, dass solche Todesfälle nicht absolut zu verhindern sind. Aber, meine Damen und Herren, wenn so viele Menschen an Drogen sterben, dann muss verantwortliche Politik doch heißen,
Vergleichen wir etwa die Städte Frankfurt und Stuttgart. Frankfurt hat noch etwas mehr Einwohner als Stuttgart. In Frankfurt gab es im letzten Jahr 26 Drogentote. Auch das sind natürlich zu viele, aber es sind sehr viel weniger als in Stuttgart, wo es 39 Drogentote zu beklagen gab.
Frankfurt ist eben eine Stadt, die im Rahmen eines Hilfekonzepts solche Fixerstuben, dort „Gesundheitsräume“ genannt, eingerichtet hat und nutzt.
Neben der Überlebenshilfe geht es, meine Damen und Herren, um die Möglichkeit des Kontakts zu diesen kranken Menschen, um sie für weitere Hilfen überhaupt empfänglich zu machen. Irgendwie muss man sie ja ansprechen, und sie müssen Vertrauen fassen.
Lassen Sie es mich deswegen noch einmal deutlicher formulieren: Die Fixerstube ist weder eine leer stehende Baracke, in der verelendete Junkies hausen – so etwas gibt es, aber das ist dann kein Gesundheitsraum –, noch so etwas wie ein Wiener Kaffeehaus mit einem charmanten Kellner, der das Spritzbesteck auf dem Silbertablett serviert.
Hier geht es nicht um Ambiente, sondern um eine Anlaufstelle für beschädigte Menschen. In einer solchen Anlaufstelle hat das „Abenteuer Droge“, wenn es so etwas denn jemals gegeben hat, längst seinen Charme verloren. Da geht es nur noch um Hilfe für Kranke und – ich sage es noch einmal – um Überlebenshilfe.
Deswegen sage ich in Ihre Richtung, Herr Minister Repnik: Hören Sie auf die Oberbürgermeister baden-württembergischer Städte, auch und gerade auf die Ihrer eigenen Couleur. Hören Sie auf den Landkreis Lörrach,
auch dieser mehrheitlich von der CDU getragen, der ein Hilfekonzept mit einer solchen Fixerstube beschlossen hat.
Meine Damen und Herren, ich sage an die Adresse der mitregierenden FDP/DVP: Sie unterstützen diese Maßnahme,
Ich füge hinzu: Insbesondere nach der NRW-Wahl hat man ja den Eindruck, dass die FDP vor Kraft kaum laufen kann.
Jetzt sage ich Ihnen: Ich will sehen, ob die Kraft auch ausreicht, um die Regierungslinie in Baden-Württemberg mitzubestimmen,
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Sie kennen die Verhältnisse!)
(Abg. Birzele SPD: Sie bekennt sich jetzt zur Karlsruher Linie! – Abg. Haas CDU: Jetzt hören wir, was Sache ist!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem uns vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird die Landesregierung aufgefordert, eine Rechtsverordnung zum Betrieb von Drogenkonsumräumen zu schaffen. Ich danke Frau Bender dafür, dass sie so deutlich gesagt hat, worum es sich handelt. Es handelt sich nämlich um Fixerräume.