Protocol of the Session on May 17, 2000

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 87. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. König und Wilhelm erteilt.

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Brinkmann, Heinz Goll und Hauser sowie Frau Abg. Schweikert.

Dienstlich verhindert sind der Herr Ministerpräsident und Herr Staatssekretär Stächele.

Meine Damen und Herren, heute haben nicht weniger als vier Kolleginnen und Kollegen Geburtstag.

(Zurufe: Oi!)

Es sind dies Frau Kollegin Ursula Haußmann sowie die Herren Kollegen Kiel, Kretschmann und Zeiher. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall im ganzen Haus)

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 11. April 2000 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“; berichtigte Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2000 – Drucksache 12/5106

Überweisung an den Ausschuss für Ländlichen Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss

2. Antrag des Finanzministeriums vom 10. Mai 2000 – Veräußerung des landeseigenen Gebäudegrundstücks Uhlandstraße 12 in Heilbronn – Drucksache 12/5178

Überweisung an den Finanzausschuss

3. Beratende Äußerung des Rechnungshofs Baden-Württemberg vom 2. Mai 2000 – Notariatsreform in Baden-Württemberg – Drucksache 12/5154

Überweisung an den Ständigen Ausschuss und federführend an den Finanzausschuss

Auf Ihren Tischen finden Sie ferner einen Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für Umbesetzungen im Innenausschuss und im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport. (Anlage 1) – Sie stimmen diesen Umbesetzungsvorschlägen zu.

Meine Damen und Herren, unter den Gästen auf der Zuhörertribüne begrüße ich besonders den Außenminister der Republik Burundi, Herrn Séverin Ntahomvukiye.

(Beifall im ganzen Haus)

In seiner Begleitung befinden sich der außenpolitische Berater des burundischen Staatspräsidenten und frühere Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Herr Sébastien Ntahuga, sowie der derzeitige Botschafter der Republik Burundi in Deutschland, Herr Aloys Mbonayo.

(Beifall im ganzen Haus)

Ebenfalls begrüße ich unseren früheren Landtagskollegen Rudolf Decker, auf dessen Initiative dieser Besuch zustande gekommen ist.

Exzellenzen, wir hoffen mit Ihnen, dass der von Präsident Mandela im März 2000 vorgelegte Entwurf eines Friedensplans von allen Verhandlungspartnern akzeptiert wird. Baden-Württemberg ermuntert die burundische Regierung, alles zu tun, damit der Friedensprozess zu einem positiven Abschluss kommt.

Werte Gäste aus Burundi, ich darf Sie und Ihre Begleitung noch einmal sehr herzlich im Landtag von Baden-Württemberg begrüßen. Ich wünsche Ihnen weiterhin einen guten Aufenthalt in unserem Land und einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Gespräche.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Maßnahmen/Möglichkeiten zur Begrenzung der Jugendgewalt an den Schulen BadenWürttembergs – beantragt von der Fraktion Die Republikaner

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte die übliche Gesamtdauer von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Warum führt die Fraktion Die Republikaner gerade heute diese Aktuelle Debatte über die Jugendgewalt an Schulen in Baden-Württemberg? Dafür gibt es vier Gründe.

Erstens: Die Jugendlichen und Eltern kommen in letzter Zeit verstärkt auf uns zu und klagen ihr Leid.

Zweitens: Die Schulleitungen räumen jetzt im Gegensatz zu 1992 oder 1994, als wir ähnliche Initiativen gestartet haben, die Probleme allmählich ein. Eine Mauer des Schweigens zerbricht.

Drittens: Es gibt sehr interessante wissenschaftliche Studien, ob von Pfeiffer oder Heitmeyer, mit hochinteressanten Ergebnissen.

Viertens: Auch andere Politiker sprechen dieses Thema an. Ich verweise auf Frau Justizministerin Däubler-Gmelin, die in der „Berliner Zeitung“ erst am 10. Mai Folgendes ausgesagt hat:

Lehrer und Politiker dürfen sich nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben, sondern müssen gemeinsam aktiv werden.

Recht hat sie.

Erstes Fazit: Ein Tabu zerbröselt. Eine offene Diskussion wird möglich. Und hier sind wieder die Republikaner die Vorreiter wie bei anderen Fragen. Ich verweise auf das Thema Asyl und auf die Thematik Euro. Immer am Anfang der Debatte werden wir von anderen in die Ecke gestellt, hart attackiert, und nach einigen Jahren kommen auch die anderen Fraktionen auf diese Ideen und schlagen dann oft zu spät Lösungen vor. Deshalb: Gleich am Anfang die Probleme angehen; dann werden sie nicht zu Problemen, die kaum mehr lösbar sind.

(Beifall bei den Republikanern)

Wie ist nun die Lage? Die Basis hier ist die Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik, also nicht irgendwelche Republikanerdaten. Da kommt die Landesregierung und auch der Landespolizeipräsident Hetger zu folgenden Erkenntnissen und zu folgenden vier Ergebnissen:

Erstens: Die Gewalttaten in den Schulen haben in den letzten drei Jahren stark zugenommen, und zwar von 3 000 auf rund 4 000; also eine Steigerung um rund 27 %.

Zweitens: Die Gewaltprobleme treten vorwiegend an Haupt- und Berufsschulen auf.

Drittens: Die Delikte sind Körperverletzung, Raub, Bedrohung und sexuelle Belästigung.

Viertens: Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger liegt mit 40 % überdimensional hoch.

Zweites Fazit: Nicht die Jugend ist kriminalitätsbelastet, sondern kleine, aber wachsende Gruppen. Wir haben Gott sei Dank noch keine amerikanischen Verhältnisse, aber wir haben ein sehr ernstes Problem, das gelöst werden muss.

Wir müssen einen Weg zwischen Bagatellisierung und Dramatisierung suchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Ist nun diese Polizeiliche Kriminalstatistik ein ausreichendes Instrument, um die Lage an den Schulen zu beurteilen? Ich meine nein, da es sich hier nur um die angezeigten Fälle handelt. Da aber die fehlende oder zu geringe Anzeigebereitschaft der Schulleitungen und der Lehrer geradezu ein Charakteristikum von Gewalt an Schulen ist, fordern wir Republikaner die Landesregierung auf, eine umfassende Studie über die Jugendkriminalität unter verschiedensten Aspekten hier in Baden-Württemberg durchzuführen. Erst dann können wir hier bis zum Letzten die Analyse durchführen und dann auch die geeigneten Maßnahmen treffen.

Was sind nun die Gründe für diese Problematik, die man heute schon nennen kann?

Erstens: Die traditionellen Bindungen wie Familie, Kirche, Schule verlieren ihre Bindekraft.

Zweitens: Es gibt einen Trend zur Individualisierung, der auch noch durch die Globalisierung unterstützt wird, so nach dem Motto „jung, dynamisch, aber total egoistisch“. Die Ellbogenmentalität feiert Urständ.

Dritter Punkt – ein ganz wichtiger –: Auch die Massenmedien als Wertevermittler versagen. Dazu gibt es eine neue Studie von Peter Michael Kösters, der auf Untersuchungen in Vechta, Westfalen, in der 7. und 8. Klasse verweist, wo genau dieser Zusammenhang herauskommt.