Protocol of the Session on October 5, 2000

Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Antrag auf Erweiterung des Tagesordnungspunktes 1 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –

(Abg. Deuschle REP: Aha, für linke Gewalt seid ihr also!)

Enthaltungen? – Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich rufe nun Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Eindämmung der Gewalt von rechts – eine gesamtgesellschaftliche Aktion aller Demokraten – beantragt von der Fraktion der CDU

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Maßnahmen gegen Rechtsextremismus – Drucksache 12/5456

c) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Innenministeriums – Zusammenarbeit der Republikaner mit anderen rechtsextremen Parteien, insbesondere mit der NPD – Drucksache 12/5476

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Gesamtredezeit von 100 Minuten festgelegt, auf die die Redezeit der Regierung nicht angerechnet wird. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen gilt eine Redezeit von bis zu 15 Minuten, für die Redner in der zweiten Runde eine Redezeit von fünf Minuten. Innerhalb der genannten Redezeiten sollen auch die Anträge zu den Punkten 1 b und 1 c mitbehandelt werden.

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf, der Angriff auf die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Buchenwald, der Anschlag hier in Baden-Württemberg auf den jüdischen Friedhof in Schwäbisch Hall-Steinbach mit Hakenkreuz

über die 95. Sitzung vom 5. Oktober 2000

Beginn: 9:36 Uhr

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 95. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Rosely Schweizer sowie den Herren Abg. Brechtken und Mayer-Vorfelder erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Brinkmann.

Dienstlich verhindert sind die Frau Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Schavan und Herr Staatssekretär Rückert.

Meine Damen und Herren, heute hat unser Kollege Karl Göbel Geburtstag.

(Beifall im ganzen Haus)

Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen Gesundheit und alles Gute.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieses Tagesordnungspunktes 1 stelle ich namens der Fraktion Die Republikaner den Antrag, gemäß § 78 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Landtags als Tagesordnungspunkt 1 d folgenden Antrag aufzunehmen:

Appell des Landtags gegen politisch motivierte Gewalt

Der Landtag wolle beschließen, mit nachstehendem gemeinsamem Appell aller Fraktionen jegliche politisch motivierte Gewalt zu verurteilen:

Die im Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Fraktionen verurteilen mit Nachdruck jede politisch motivierte Gewaltanwendung gegen Menschen und Sachen, ungeachtet welcher politischen Überzeugung sie entspringt. Die Bekämpfung des zunehmenden Gewaltproblems in unserer Gesellschaft wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Gewaltentstehung nicht auf einen Teilaspekt verengt wird. Unsere gemeinsame Überzeugung ist, dass die Würde des Menschen unantastbar bleiben muss.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, wir wollen damit ein deutliches Signal setzen. Wir wollen nicht nur einen Entschließungsantrag anhängen, sondern wir wollen mit diesem Appell deutlich machen, dass wir jede Gewalt, nicht nur die von

(Oettinger)

symbolen und roter Farbe – mit erschreckender Aktualität debattiert der Landtag von Baden-Württemberg über Gewaltanwendung, über Extremismus, über Radikalismus. Deswegen bin ich hier im hohen Hause dankbar, dass am Beginn dieser Debatte ein Entschließungsantrag von vier Fraktionen steht, in dem es wörtlich heißt:

Der Landtag verurteilt jede Form von Gewalt sowie extremistischer und fremdenfeindlicher Gesinnung.

Gewalt gegen Menschen, Gewalt gegen Sachen, rechtsextreme Gewalt, linksextreme Gewalt, Gewalt ohne Motivation aus der Politik hat in unserem demokratischen Gemeinwesen, hat in unserem Rechtsstaat keinen Platz.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Heute geht es zuallererst, gerade auch entlang der Entwicklung in den Sommerwochen – deshalb hat meine Fraktion diese Debatte beantragt –, um Gewalt aus dem rechtsradikalen Bereich. Wir verkennen nicht, dass die Zahl der Gewalttaten, die Zahl der Anschläge, die Bereitschaft zur Gewaltverherrlichung und Gewaltanwendung aus diesem Bereich zunimmt, nicht primär in Baden-Württemberg, aber unsere Verantwortung reicht über Baden-Württemberg hinaus. Baden-Württemberg ist keine Insel, die davon ausgeschlossen ist.

Deswegen sage ich deutlich: Die CDU-Fraktion unterstützt das Maßnahmenpaket der Landesregierung. Wir sind zu jeder demokratischen Zusammenarbeit bereit, auf Landesebene und darüber hinaus, wenn es darum gehen muss, unsere Maßnahmen, unsere demokratischen, unsere stringenten rechtsstaatlichen, unsere polizeilichen, unsere juristischen Maßnahmen gegen Gewaltbereitschaft aus dem rechtsradikalen Bereich zu verstärken. Deutschland hat eine unselige Vergangenheit, und diese Vergangenheit darf keine Zukunft haben im neuen Jahrhundert. Demokratie und Rechtsstaat – sonst nichts! – haben ihren Platz in unserem Land.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP/ DVP)

Aber ich will es erweitern: Nicht jede Gewalt ist rechtsradikal motiviert. Manche Gewaltbereitschaft kommt aus dem linksextremen Bereich, manche Gewaltbereitschaft hat mit politischer Gesinnung überhaupt nichts zu tun, sondern mit Jugendstreichen, mit dummen Gedanken, und manche Gewaltbereitschaft zielt nicht von vornherein auf Menschen, sondern primär auf Sachen. Die CDU-Fraktion wendet sich konsequent gegen jede Bereitschaft zur Gewalt und gegen jede Anwendung von Gewalt, egal, woher sie kommt, egal, auf wen oder was sie zielt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Insoweit fordere ich uns alle zum Konsens der Demokraten gegen jeden Totalitarismus auf.

Die Landesregierung hat mit einem konkreten Maßnahmenbündel in den letzten Wochen aufgezeigt, was in Baden-Württemberg in den letzten Jahren getan worden ist, was in Baden-Württemberg getan wird und was es zu ver

stärken gilt. Wir unterstützen dabei jeden Faktor: Prävention durch die Polizei, kommunale Kriminalprävention, Verstärkung der Jugendsozialarbeit, Jugendschutz in den Medien und generell in Multimedia und Schutz vor den Gefahren, die davon ausgehen können. Wir unterstützen die Arbeit in den Schulen und um die Schulen herum, die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung, die behördenübergreifende Zusammenarbeit, die Bereitschaft aller gesellschaftlichen Gruppen – Gewerkschaften, Wirtschaft, Parteien, Verbände, Kirchen, Vereine –, daran mitzuwirken, dass in unserem Land keine Gewaltbereitschaft keimen und um sich greifen kann.

Ich bin dem Landesamt für Verfassungsschutz ausdrücklich dankbar dafür, dass die Arbeit der letzten Jahre nennenswerte Erkenntnisse erbracht hat. Seit Dezember des Jahres 1992 gibt es eine Beobachtung aller Parteien, die sich im extremen Bereich bewegen – so der NPD, so der DVU, so aber auch der Republikaner und so auch der PDS.

Auch entlang der hier oftmals vorgetragenen Vorschläge zum Abbau des Landesamts für Verfassungsschutz will ich ausdrücklich meine Unterstützung und die Unterstützung meiner Fraktion für die Arbeit der Polizei, für die Arbeit des Landeskriminalamts, für die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz bekunden, die Unterstützung dafür, dass sie offen und verdeckt alles tun, damit extremistische Parteien auf rechtsstaatliche, aber konsequente Weise beobachtet werden und die Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit Politik und Gesellschaft darauf reagieren können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen)

Machen wir uns nichts vor: Neben der allgemeinen Herausforderung, die im Deutschen Bundestag zu beraten war, die in anderen Parlamenten zu beraten ist und die auch heute im Mittelpunkt steht, richtet sich die spezielle Betrachtung durch die Bevölkerung in Baden-Württemberg und die Medien auf die Frage: Wie haltet ihr es mit den Republikanern? Mir geht es darum, dass wir eine rechtsradikale Partei, die vor einigen Jahren zum zweiten Mal mit 9 oder 10 % in das Parlament gewählt wurde, als Kollegen, als Fraktion hier im Parlament vorfinden.

Ich gebe offen zu: Der Argwohn könnte darin münden, dass eine Gewöhnung eintreten könnte, dass schleichende Akzeptanz entstehen könnte. Ich sage für meine Partei, und ich appelliere an unsere Wähler: Gewöhnung an die Republikaner und schleichende Akzeptanz der Republikaner in Baden-Württemberg darf und wird es nicht geben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP/DVP sowie demonst- rativer Beifall des Abg. Krisch REP)

Es ist ein baden-württembergisches Phänomen: Die Republikaner, entstanden und gegründet im Freistaat Bayern, haben allein im baden-württembergischen Landesparlament ihren Platz. Abgewählt im Europäischen Parlament, nicht gewählt in den Deutschen Bundestag, nicht gewählt in andere Parlamente, klein geworden auf kommunaler Ebene, sind sie noch immer hier im Landtag von Baden-Württemberg vertreten.

(Oettinger)

Deswegen muss deutlich sein: Wir haben gerade am Ende dieses Sommers die Verpflichtung, aufzuzeigen, ob und gegebenenfalls wo es im rechtsextremen Bereich ein Netzwerk von Parteien gibt, in das die so genannte gute rechte Partei der Republikaner tief verwoben ist.

Lieber Herr Kollege Schlierer,

(Zurufe von der SPD)