Thomas Schäuble

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Last Statements

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte zunächst im Namen der Landesregierung dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Schneider, sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr großes Engagement, für ihre umfassende Kompetenz und für ihre geleistete Arbeit danken, ganz besonders, Herr Schneider, vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung, unter der Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen.
Erfreulich ist – das ist, glaube ich, allgemeiner Tenor jetzt in der Aussprache gewesen –: Die Zahl der förmlichen Beanstandungen ist erneut deutlich zurückgegangen und hat einen Tiefstand erreicht. Wir sind uns sicher einig, dass dies eine erfreuliche Entwicklung ist. Daran wird auch deutlich, dass das Bewusstsein für den Datenschutz in der öffentlichen Verwaltung in Baden-Württemberg inzwischen gut verankert ist. Maßgeblich dafür ist zweifellos, dass in der Arbeit des Landesbeauftragten mehr und mehr die Beratungstätigkeit in den Vordergrund rückt. Nach meinem Eindruck ist ohnehin eine generelle Entwicklung der Arbeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz von einer bloßen Kontrolle im Nachhinein hin zu einer primär vorsorgenden Beratung und Hilfestellung für die Behörden und die Verwaltung festzustellen.
Ich begrüße und unterstütze diese Entwicklung ausdrücklich. Damit wird erreicht, dass die berechtigten Anliegen des Datenschutzes von vornherein berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Rückgang der förmlichen Beanstandungen keine wirkliche Überraschung.
Ich bin davon überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen dem Landesbeauftragten und der Verwaltung richtig ist und konsequent fortgesetzt werden muss.
Dies gilt angesichts der mit enormer Geschwindigkeit voranschreitenden Entwicklung im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnik gerade auch für Hilfestellungen und Unterstützungen in Fragen der Technik und der Organisation. Zu Recht stellt der Herr Landesbeauftragte dieses Thema in seinem Tätigkeitsbericht an den Anfang und misst diesen Fragen große Bedeutung bei.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass sich der Landesbeauftragte nicht nur um die Begleitung und die Beratung bei einzelnen Vorhaben kümmert – ich denke beispielsweise an das Gemeinschaftsprojekt „Polizei online“ oder an Fragen des Outsourcing des Landesverwaltungsnetzes –, sondern auch allgemeine datenschutz
rechtliche Fragen aufgreift und dazu Stellung nimmt. Ich nenne hierzu die Stichworte Internet, Sicherheit im Internet und Telearbeit.
Uneingeschränkt gilt: Dem Anliegen des Datenschutzes werden wir am besten gerecht, wenn die Beteiligten weiterhin partnerschaftlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten. An der Bereitschaft des Innenministeriums zu einer weiterhin engen Zusammenarbeit mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz soll und wird es nicht fehlen.
Aufgeschlossenheit der Verwaltung für den Datenschutz einerseits und zunehmende Beratungstätigkeit des Landesbeauftragten andererseits bilden für mich die beiden wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass auch in künftigen Tätigkeitsberichten die Zahl der Beanstandungen gering bleibt und sich im Wesentlichen auf nie ganz zu vermeidende Einzelfälle beschränken wird, dass aber sozusagen Fehler im System von vornherein ausgeschlossen werden können.
Herr Kollege Bebber, ich will an Ihre Adresse nur eine Bemerkung zum Thema „Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes“ machen. Ich finde es richtig, dass wir an dieses Landesgesetz herangegangen sind. Dies zeigt sich auch daran, dass die Bundesrepublik Deutschland, weil sie noch nicht gehandelt hat, inzwischen ein Vertragsverletzungsverfahren am Halse hat.
Inzwischen ist ja die Bundesregierung auch schon einige Zeit im Amt.
Ich bin vor allem der Auffassung, dass wir, nachdem das Landesgesetz am 1. September 2000 in Kraft getreten ist, noch etwas zuwarten müssen, bis die Grundgedanken dieses Gesetzes dann auch die entsprechende Anwendung in der behördlichen Praxis finden.
Ich wiederhole: Sosehr wir es begrüßen, wenn die Behörden ihrerseits Datenschutzbeauftragte bestellen, so wollen wir dies doch vor allem den Behörden, aber ganz besonders der kommunalen Seite ans Herz legen, es ihnen aber nicht als Befehl vorgeben. Das ist unsere Philosophie.
Wir haben gerade auch im Verhältnis zur kommunalen Seite, Herr Kollege Birzele, in dieser jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode das Verhältnis Land zu Kommune wie einen roten Faden immer so bestimmt, dass wir gesagt haben: Wenn es einigermaßen vertretbar ist, geben wir an die kommunale Seite keine Befehle, sondern vertrauen darauf, dass die dort von der Bevölkerung Gewählten in eige
ner Verantwortung richtig entscheiden werden. Dabei sollten wir auch in der nächsten Legislaturperiode bleiben.
Das Prinzip sollte dann eben auch die Praxis bestimmen, und die Ausnahme sollte nicht zur Regel werden.
Ich will noch kurz auf die Beratungen im Ständigen Ausschuss eingehen. Dort wurde wohl bestätigt, dass neben der zunehmend wichtiger werdenden Beratungstätigkeit natürlich die Kontrollarbeit des Landesbeauftragten weiterhin notwendig bleibt. Sie stellt sicher, dass auch in Einzelfällen der Datenschutz gewahrt bleibt und dass, soweit erforderlich, für Abhilfe gesorgt werden kann.
Allerdings kann es nicht ausbleiben, dass hin und wieder divergierende Ansichten zwischen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Verwaltung bestehen. Dies kann erst recht nicht ausbleiben, wenn es sich in beiden Fällen um Juristen handelt. Dass dies insbesondere der Fall sein kann, wenn es um die Ausübung von Rechtsnormen geht, liegt eigentlich auf der Hand und gehört zum normalen Alltag bei der Zusammenarbeit von Behörden.
Dass über die Reichweite der Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten bei den Gerichten vertiefende Gespräche – Herr Kollege Kiesswetter, das ist auch gesagt worden – zwischen dem Justizministerium und dem Landesbeauftragten aufgenommen werden, ist, glaube ich, ein Ergebnis der Beratungen des Ständigen Ausschusses, das wir heute Abend noch einmal mit Genugtuung hervor- und herausheben dürfen.
Ich will mit Folgendem schließen: Ich bin, offen gestanden, nicht ganz glücklich gewesen, Herr Schneider, dass, wenn mein Eindruck nicht trügt, bei den letzten Haushaltsberatungen in letzter Minute die eigentlich schon ins Auge gefasste Stelle für einen Informatiker doch nicht eingerichtet wurde. Ich finde, wir sollten immer die Sache in den Vordergrund stellen. Wenn wir dies tun, müssen wir sagen: Der Landesbeauftragte für den Datenschutz braucht eine neue Stelle für einen Informatiker.
Mein Appell an den nächsten Landtag geht dahin, dies so schnell wie möglich zu korrigieren und zu beheben.
Vielen Dank.
Nochmals, Herr Schneider, herzlichen Dank für Ihre Arbeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst ist es eine spannende Frage, warum diese Diskussion über die Vergangenheit von Fischer und am Rande auch von Trittin gerade jetzt entstanden ist. Auch Herr Kollege Kretschmann hat diese Frage aufgeworfen. Wenn ich es richtig sehe, ist diese Diskussion jetzt nicht von den demokratischen Parteien eingeführt worden, sondern sie kommt wohl eigentlich aus dem alten ehemaligen Umfeld – einschließlich der Nachfolger – Fischers selbst.
Die Medien sind zum größten Teil mit einer Wucht und einer Vehemenz auf dieses Thema gesprungen, die ihrerseits auch wieder außerordentlich bemerkenswert sind. Ein Beispiel unter vielen: Die Zeitschrift „Die Woche“ titelt in ih
rer letzten Ausgabe: „Die Debatte über die verdrängte Vergangenheit ist unumgänglich.“
Ich muss Ihnen ganz offen sagen, was meine erste Reaktion war. Noch einmal, Herr Kollege Kretschmann: Es ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie angesprochen haben. Eigentlich ist ja alles bekannt. Warum nicht früher? Ich habe meine Meinung etwas geändert, als ich zum ersten Mal dieses Foto gesehen habe, auf dem die Meute um Fischer auf einen Menschen, einen Polizeibeamten,
der am Boden liegt, einschlägt und keine Ruhe gibt, obwohl der Mann ersichtlich um Gnade winselt. Jeder Mensch, wenn er nicht eine große innere Verrohung hat, hat dann eine innere Hemmschwelle. Tiere, Hunde haben in einer solchen Situation eine Beißhemmung.
Dieses Bild macht auf bestürzende Weise die Verrohung der Menschen um Fischer deutlich.
Es erinnert natürlich in schrecklicher Weise an Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit, etwa wie Hooligans auf den Polizeibeamten Nivel einschlagen oder wie Skinheads auf Ausländer, die ebenfalls am Boden liegen und keine Gnade finden, einschlagen. Es wird sehr schwer sein, gerade unseren Kindern und jungen Menschen den Unterschied zu erklären. Das ist eigentlich unmöglich.
Natürlich wird als eine Art Erklärung, manchmal bis hin zum Versuch der Rechtfertigung, gesagt, das sei ein Kampf gegen den repressiven Staat, gegen die Polizei als den Büttel dieses Staates gewesen. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte eigentlich wirklich zum Grundbestand unseres Konsenses gehören: Der angeblich gute Zweck heiligt eben nicht die bösen Mittel.
Die große Gefahr besteht immer darin, dass diejenigen, die sich zum Beispiel als Kämpfer für eine sozialistische Revolution einsetzen, sagen: Weil ich das Gute will, denke ich über alle anderen, die eine andere Meinung haben, schlecht. Das sind die Rückständigen, die Bösen, die Ewiggestrigen, die Verbohrten. Genau diese Haltung – das ist die furchtbare Konsequenz – führt zwangsläufig in den Terror. Das ist der Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn es aus dieser Diskussion, die über uns hereingebrochen, aber nicht von uns provoziert worden ist, ein Lehre zu ziehen gibt, dann ist es die – wie vorhin auch vom Kollegen Reinhart hervorgehoben worden ist –: Es muss jetzt
endlich klar sein, dass jede Art von Extremismus, jede Art von Gewalt, Linksextremismus genauso wie Rechtsextremismus, auf das Schärfste verurteilt und bekämpft werden muss.
Ich füge nicht ohne eine kleine Genugtuung hinzu: Bei allen Problemen, die wir aktuell mit dem Rechtsextremismus haben, Herr Kollege Bebber – wir haben darüber auch in zahlreichen Landtagsdebatten heftig diskutiert –, behaupte ich, gerade weil wir in Baden-Württemberg in der Landesregierung auf keinem Auge blind sind, dass wir auch in der Bekämpfung des Rechtsextremismus besser dastehen als die meisten anderen Bundesländer. Auch dies stimmt und sollte uns dann zu entsprechenden Konsequenzen führen.
Es kommt noch etwas anderes hinzu: Es muss klar sein, und es sollte darüber bei allen, auch bei den Grünen – da machen Sie es sich noch ein bisschen zu einfach –, jetzt endlich Konsens darüber bestehen: Das Gewaltmonopol liegt ausschließlich beim Staat. Sie haben damit Ihre Probleme.
Umwelt- und Verkehrsminister Müller hat eindeutig dargelegt, dass Trittin eine rechtswidrige Weisung erteilt hat, mit der er jetzt den Castortransport im März untersagt.
Eines der Motive – deshalb würde ich nicht so sehr lachen, Herr Kollege Salomon – von Trittin war natürlich, dass Rot-Grün die Sorge hat: Würde ein solcher Transport stattfinden, würden die Menschen in unserer Republik natürlich sehr wohl Gewalt aus dem linken Lager, aus dem rot-grünen Lager in hohem Maß erleben. Unter anderem deshalb ist der Transport untersagt worden.
Ein anderer Gesichtspunkt ist mir wichtig: Ich bin wie Sie auch dafür, dass wir Menschen, wenn wir etwas falsch gemacht haben, eine zweite Chance erhalten. Ob dies in Fällen wie bei Fischer gleich zu höchsten Staatsämtern führen muss, steht auf einem anderen Blatt.
Aber ich will auf einen anderen Punkt hinaus – das ist im Grunde das Unerträgliche in unserer derzeitigen Diskussion, in unserer politischen Landschaft –: Eine solche zweite Chance, wie sie Fischer, Trittin und wie sie alle heißen
erhalten haben, erhalten eben nicht alle. Ich sage klipp und klar: Wer nicht aus dem linken Lager kommt, sondern meinetwegen aus dem rechten demokratischen Lager, aus dem konservativen Lager, aus dem liberalen Lager käme und eine solche Vergangenheit hätte, wäre für den Rest seines Lebens politisch erledigt, und das ist unerträglich. Das ist das Pharisäerhafte.
Sind Fischer und Trittin in ihren jetzigen Aussagen glaubwürdig? Bei Trittin liegt der Fall meines Erachtens einfach. Seine nicht nachvollziehbaren Äußerungen, auch noch vor wenigen Jahren zu diesem „Mescalero“-Schreiben, die Tatsache, dass er – der „Spiegel“ zeigt es ja diese Woche – noch 1994 mit fröhlichem Lachen beim berüchtigten Schwarzen Block in Göttingen mitgemacht hat, machen ihn ganz klar unglaubwürdig.
Bei Fischer liegt die Sache etwas komplizierter. Außenminister Fischer hat jetzt mehrfach klar gesagt, er distanziere sich von dem, was er mit seiner Gruppe damals diesem Polizeibeamten angetan habe. Er hat es mehrfach gesagt. Das Problem besteht bei Fischer aber in etwas anderem – auch dies ist vorhin in der Debatte angeklungen –: Wenn man die gesamte Zeit mit Fischer jetzt noch einmal Revue passieren lässt, muss man einfach feststellen: Es blitzt ihm noch aus jedem Knopfloch der Stolz über seine Zeit als so genannter Berufsrevolutionär, und das macht ihn eben am Ende unglaubwürdig.
Herr Kollege Bebber, ich will es Ihnen an einem Beispiel erläutern. Wenn sich der Außenminister Fischer heute so gerieren würde, wie es der Kollege Kretschmann vorhin getan hat, würde ich sagen: In Ordnung, Buch zu! Aber er tut es eben genau so nicht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie werden sich um die Entstehungsgeschichte Ihrer Partei verstärkt kümmern müssen.
Sagen wir einfach so, Kollege Bebber: Es gibt viel Arbeit zurzeit.
Sie werden sich um die Entstehungsgeschichte Ihrer Partei kümmern müssen, und zwar aus folgendem Grund.
Nein, das ist sehr präzise. Wenn Sie das untersucht haben, dann werden Sie ja wissen, was ich jetzt sagen werde. – Die Entstehungsgeschichte der Grünen sieht so aus: Es waren sehr viele gut meinende Leute, die manchmal als Müsli-Esser usw. auch etwas belächelt wurden. Aber sie hatten viel guten Willen. Aber klar ist auch, und das ist ja in den letzten Tagen in den Medien teilweise hervorragend herausgearbeitet worden: Es sind damals zu diesen gutwilligen naiven Leuten eine große Zahl von Kommunisten, von KBWlern, von Spontis, von K-Gruppen gestoßen,
und mit ihrer Kaderschulung haben sie in aller Regel die entsprechenden Gruppen der Grünen sofort übernommen.
Deshalb müssen Sie sich damit auseinander setzen, denn das führt zu folgender Konsequenz: Weil dem so war – und Sie haben das ja wissenschaftlich untersucht –, ist natürlich auch klar, dass eine große Zahl von Personen, teilweise die Flaggschiffe der Grünen wie Trittin und Fischer, heute in vorderster Front in höchsten Staatsämtern sitzen.
Diese Problematik, Kollege Salomon, werden Sie nicht durch Verdrängen lösen.
Sie werden auch nicht davonkommen, wenn Sie sagen, das seien einfach nur Jugendsünden, sondern Sie müssen diese verdrängte Vergangenheit aufarbeiten.
Sie müssen vor allem, wenn Sie immer wieder sich selber als Lordsiegelbewahrer der besten Demokraten aufführen wollen, ganz klar mit dieser Vergangenheit Schluss machen; denn sonst führt der Weg für Sie nicht in eine demokratische Zukunft.
Das ist die Tatsache, und darum kommen Sie nicht herum.
Ich fasse zusammen: Die Äußerungen von Fischer, dass er damals Unrecht getan hat,
sind das Mindeste, was er sagen musste. Aber ich würde mir im Hinblick auf die ganze Zeit, die sich jetzt ja teilweise in den Reihen der Grünen fortpflanzt, wesentlich mehr Selbstkritik wünschen. Das wäre ehrlich. Alles andere ist Verlogenheit.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt:
Zur ersten Frage: Warum machen wir eine solche bundesweite Datei „Gewalttäter Links“? Das liegt doch auf der Hand: damit wir die Gewalttäter besser fangen.
Logisch.
Zur zweiten Frage: Welche Tatbestände im Sinne des Strafgesetzbuchs werden aufgenommen? Wir haben nicht beschlossen, dass jetzt eine bestimmte Liste von Straftatbeständen des Strafgesetzbuchs aufgenommen werden soll, sondern in den Dateien sollen nach dem Beschluss der Konferenz personenbezogene Daten von Beschuldigten oder Verdächtigen, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie politisch motivierte Straftaten begangen haben, gespeichert werden, soweit dies eben erforderlich ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die beiden Fragen wie folgt:
Zur ersten Frage nach den Rechtsfolgen: Da sind wir großzügig. Es gibt keine Rechtsfolgen.
Zur zweiten Frage: Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass irgendwelche Polizeibeamte zur Unterlassung von bestimmten Maßnahmen genötigt worden wären oder dass dies versucht worden wäre.
Was wir wissen, habe ich gerade gesagt. Wir haben keine Anhaltspunkte für irgendwelche Nötigungsmaßnahmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beantworte die Fragen wie folgt:
Wir haben dazu bei uns keine Informationen mehr. Wir wissen aber oder haben davon Kenntnis, dass in der „Berliner Morgenpost“ vom 15. Oktober 2000 ein Foto enthalten ist, das offensichtlich Hans-Joachim Klein als Fahrer eines Fahrzeugs und Jean-Paul Sartre auf dem Beifahrersitz zeigt. Das Foto soll angeblich 1974 in Stammheim entstanden sein. Darüber hinaus liegen noch einige weitere Presseberichte vor.
Wie gesagt: Wir haben zu dem damaligen Vorgang keine Aktenvorgänge mehr. Aus diesem Grund kann ich auch die Frage b nach Daniel Cohn-Bendit und anderen Leuten nicht beantworten.
Nein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu der ersten Frage: Das stand ja in den vergangenen Tagen in den Zeitungen. Ich kann es noch einmal wiederholen.
Wenn Sie es wissen, brauche ich es ja nicht mehr zu sagen. Ich will aber auf etwas hinweisen, was vielleicht für Sie alle interessant ist. In den Meldungen des Bundesverteidigungsministers, in dem so genannten Ressortkonzept, sind die großen, einschneidenden Maßnahmen enthalten, während das, was sozusagen an kleineren, aber für die Betroffenen auch schmerzhaften Maßnahmen noch kommt, jetzt nachgeliefert wird, auch auf der internen Ebene, weil man davon ausgegangen ist, dass sich die Republik nur für die großen, tief greifenden Maßnahmen interessiert.
Es sollen zum Beispiel neben Lauda-Königshofen auch fünf Kleinstandorte – Bad Säckingen, Baden-Baden, Muggensturm, Rheinau und Renningen – mit jeweils weniger als 50 Dienstposten geschlossen werden. Außerdem ist schon in früheren Planungen die Schließung von sieben weiteren Kleinstandorten vorgesehen gewesen. Daran wird festgehalten. Das sind Amstetten, Appenweier, Frankenhardt, Friesenheim, Herbolzheim, Siegelsbach und Waghäusel. Das Problem Mosbach und Münsingen kennen Sie.
Das ist eine solche Reduzierung vorhandener Standorte, dass es fast einer Schließung gleichkommt. Aber ich muss noch darauf hinweisen, dass zahlreiche Standorte militärisch und von der Verwaltung her auch noch reduziert werden, nur nicht in einem so großen Umfang, dass dies in den ersten Mitteilungen, in diesem Ressortkonzept enthalten war. Da wird man noch die Entwicklung in den weiteren Tagen abwarten müssen. Wir werden auch von den Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg, die im Verteidigungsausschuss sind, auf dem Laufenden gehalten.
Zur zweiten Frage: Ich will doch einmal darauf hinweisen: Dieses Reduzierungskonzept im Rahmen dieser Bundes
wehrstrukturreform ist politisch allein vom Bund zu verantworten. Wenn das Land Baden-Württemberg irgendwo in einer Stadt eine Landesbehörde schließt, dann sagen wir auch nicht zu der Stadt: „Jetzt bist du dran.“ Es ist die alleinige politische Verantwortung des Bundes. Wir werden seitens der Landesregierung nachhaltig für jeden Standort eintreten, vor allem für die Gemeinden, die besonders betroffen sind.
Der Bundesverteidigungsminister hat ja schon, wenn ich es richtig sehe, ziemlich klar gesagt: Die einzelnen Länder können nicht so argumentieren, dass beispielsweise die Belastung von BadenWürttemberg, die im bundesweiten Vergleich ohnehin die geringste ist, jetzt noch weiter zurückgeführt wird, indem etwa Bayern oder Hessen oder Rheinland-Pfalz stärker belastet wird.
Das wäre natürlich das Angenehmste. Das verbietet sich.
Im Übrigen: Die Landesregierung neigt nicht zum Selbstmord, und wir haben nicht vor, uns diesen schwarzen Peter selber irgendwo zu holen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mitte der Neunzigerjahre, als ich Justizminister war, mussten wir folgenden schlimmen Fall erleben: Ein Sexualstraftäter, mehrfach vorbestraft, saß in der Justizvollzugsanstalt in Freiburg ein. Seine Haftzeit näherte sich ihrem Ende. Der sehr fähige und tüchtige Leiter der Vollzugsanstalt in Freiburg, Herr Rösch,
machte uns händeringend darauf aufmerksam, dass ihm gar nichts anderes übrig bliebe, als diesen aus seiner Sicht nach wie vor hochgefährlichen Mann demnächst in die Freiheit zu entlassen, weil die Strafe bald abgelaufen sei. Er wandte sich in seiner Not interessanterweise auch an die Stadt Freiburg mit der Bitte, zu prüfen, ob man polizeirechtlich irgendeinen Ansatz finden könne. Dies war aber nicht möglich. Der Mann musste, nachdem er seine Strafe vollständig, ohne einen Strafnachlass, verbüßt hatte, schlicht und ergreifend in die Freiheit entlassen werden.
Der Rest ist Ihnen vielleicht noch in Erinnerung, weil es damals großes Aufsehen erregte. Sofort nach seiner Freilassung hat er eine Studentin in seine Gewalt gebracht, war mit ihr als Geisel und Entführter tagelang im Schwarzwald unterwegs und hat sie in furchtbarer Weise verletzt und vergewaltigt. Am Ende hatte sie noch großes Glück, dass sie mit dem Leben davonkam.
Der zweite Fall geschah etwa zur gleichen Zeit, Mitte der Neunzigerjahre, und war ein Fall, der mich heute noch bewegt, weil man sich natürlich immer wieder fragt, ob man irgendwo einen Fehler gemacht hat.
Ein Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal hatte ein armes Mädchen, eine Prostituierte in Frankfurt, auf furchtbare Weise vergewaltigt, sie anschließend in einen Sack gesteckt und in den Main geworfen. Wie durch ein Wunder kam sie mit dem Leben davon. Deshalb hat er vom Landgericht Frankfurt nicht eine lebenslängliche Strafe erhalten – was möglich gewesen wäre –, sondern nur zehn Jahre.
Seine zehnjährige Haftzeit näherte sich langsam ihrem Ende, und er kam, was auch gar nicht anders geht, in der Schlussphase in ein Freigängerheim unmittelbar neben der Justizvollzugsanstalt in Bruchsal. An einem bestimmten Tag hat er in den Abendstunden eine Frau, die das Hallen
bad in Bruchsal besucht hatte, auf dem Weg vom Hallenbad zum Parkplatz überwältigt, in ihrem Auto vergewaltigt und anschließend erdrosselt.
Diese Fälle, denen man sozusagen hilflos gegenüberstand, waren für den Kollegen Goll, für die Landesregierung und auch für mich Anlass, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu unternehmen, zu erreichen, dass bei bestimmten, wenigen Sexualstraftätern und vergleichbaren gewalttätigen Straftätern, bei denen das Gericht im Rahmen des Urteils keine Sicherungsverwahrung angeordnet hat, eine derartige Anordnung nachträglich möglich ist.
Unverständlicherweise hatte unsere Initiative auf Bundesebene keinen Erfolg. Allerdings hat das Bundesjustizministerium dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Justizministerium des Landes, dann sozusagen mit auf den Weg gegeben: Wenn wir in Baden-Württemberg meinten, dass in solchen Ausnahmefällen – es sind ja Ausnahmefälle; aber jeder Fall, auch wenn er noch so selten vorkommt, hat eben entsetzliche Folgen – wirklich gehandelt werden müsste, dann hätten wir, so die Einschätzung des Bundesjustizministeriums, vermutlich eine eigene, auf Polizeirecht beruhende landesgesetzgeberische Kompetenz.
Das Justizministerium hat diesen Ansatz aufgenommen und durch ein Gutachten des renommierten Professors Thomas Würtenberger, des bekannten Experten für öffentliches Recht an der Universität Freiburg, untersuchen lassen. Professor Würtenberger kam zu dem Ergebnis, wir hätten in der Tat eine landesgesetzgeberische Kompetenz, und zwar unter polizeirechtlichen Gesichtspunkten.
Auf dieser Basis hat das Justizministerium, hat mein Kollege Goll die Initiative ergriffen und federführend, aber gemeinsam mit dem Innenministerium den Gesetzentwurf erarbeitet. Da der Ansatz nicht materiell-strafrechtlicher Art, sondern polizeirechtlicher Art ist, übernehme ich heute formal das Einbringen dieses Gesetzentwurfs. Ich darf heute schon ankündigen, dass in der zweiten Lesung Kollege Goll als Justizminister für die Landesregierung sprechen wird.
Wir sind – um den wichtigsten Punkt verfassungsrechtlicher Art aufzunehmen – aufgrund dessen, was ich gerade gesagt habe, der Auffassung: Wir haben als Landesgesetzgeber die Kompetenz. Wir sind uns dessen auch sicher.
Aber, Herr Kollege Oelmayer, ich will nicht anstehen, zu sagen: Da gibt es ein gewisses Restrisiko, um das man nicht herumreden darf. Denn es ist noch niemand außer Baden-Württemberg diesen Weg gegangen. Wir betreten Neuland, aber wir betreten dieses Neuland nicht leichtsinnigerweise, sondern untermauert durch das Gutachten eines renommierten Wissenschaftlers. Auch dazu sind wir angesichts des verbleibenden Restrisikos nur bereit, weil wir sagen: In diesen wenigen Ausnahmefällen von solchen Bestien, um die es geht
ich habe ja Beispiele genannt –, ist eben auch ein selten eintretender Fall doch ein Fall zu viel, weil eben die Folgen jedes Mal ganz entsetzlich sind.
Deshalb, glaube ich, müssten vor diesem Hintergrund, der ja Motivation und Impetus dieses Gesetzgebungsverfahrens und dieses Gesetzentwurfs ist, die Bedenken des Anwaltvereins, die ich zunächst einmal nachvollziehen kann – denn es ist klar: eine sozusagen „nachträgliche Verschärfung eines Urteils“, untechnisch ausgedrückt, ist natürlich immer eine Sache, die Anwälten gegen ihr anwaltliches Selbstverständnis gehen muss –, angesichts dessen, dass es sich hier um wenige Ausnahmefälle handelt, aber jeder Fall angesichts der entsetzlichen Folgen eben einer zu viel ist, eigentlich relativierbar sein.
Die Einwände des Weißen Rings, der sich auch gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Allerdings bekommen wir wieder intern Hinweise, dass das vielleicht auch nicht so gemeint sei, was ja im Übrigen auch logisch wäre, denn der Weiße Ring muss natürlich den Opferschutz im Sinn haben; das ist ja seine Aufgabe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist im Grunde genommen der bestmögliche vorbeugende Opferschutz. Darum geht es.
Angesichts der verfassungsrechtlich durchaus heiklen Situation ist natürlich klar, dass der Gesetzentwurf an die nachträgliche Anordnung der Unterbringung außerordentlich scharfe Anforderungen stellt. Es müssen ohnehin zunächst einmal die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen. Es muss so sein, dass das Gericht im Zeitpunkt des Urteils noch nicht den Hang zu erheblichen Straftaten bei dem Straftäter bzw. ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit erkennen konnte. Viele andere Voraussetzungen, die im Detail im Gesetzentwurf enthalten sind, kommen hinzu.
Wichtigste Voraussetzung für die Anordnung einer solchen Unterbringung ist aber, dass von dem betreffenden, in einer Justizvollzugsanstalt einsitzenden Straftäter „eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer“ Menschen ausgeht. Nur dies rechtfertigt bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der Rechtsgüter den tiefen Eingriff in die Freiheit der Person, den wir zugegebenermaßen vornehmen, der aber angesichts der Gefährlichkeit dieser zahlenmäßig in der Regel Gott sei Dank wenigen Leute doch am Ende auch in einer verfassungsrechtlichen Abwägung angemessen und, so finde ich, auch notwendig ist.
Die Dauer der Unterbringung kann zeitlich befristet, aber, wie ich ausdrücklich hinzufügen will, auch unbefristet erfolgen. Der verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsanspruch gebietet es, den Grundrechtseingriff zu beenden, wenn er wegen Wegfalls oder wesentlicher Verringerung
der Gefahr nicht mehr erforderlich ist. Das Gericht – die Strafvollstreckungskammer – kann diese erforderliche Überprüfung jederzeit vornehmen. Es muss die Fortdauer der Unterbringung aber mindestens alle zwei Jahre überprüfen. Zuständig ist, wie ich schon angedeutet habe, die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit drei Richtern. Auch dies zeigt, dass wir die formalen Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung sehr hoch setzen.
Im Übrigen: Vor einer Anordnung der Unterbringung sind zur Feststellung der Gefährlichkeit des Betroffenen die Gutachten zweier voneinander unabhängiger Sachverständiger einzuholen. Einer der beiden Sachverständigen darf weder den Betroffenen behandelt haben noch Bediensteter einer Justizvollzugsanstalt sein. Damit soll auch die Entscheidung des Gerichts, der Strafvollstreckungskammer mit den drei Berufsrichtern, auf eine möglichst breite Basis gestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, anhand der Voraussetzungen, die ich jetzt im Wesentlichen gerade skizziert habe, wird deutlich, dass ein solcher Eingriff in Gestalt dieser nachträglich anzuordnenden Unterbringung die absolute Ausnahme bleiben muss und sich wirklich nur auf Menschen konzentriert, die trotz der Haft nach wie vor eine ganz erhebliche Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen. Wie gesagt: Es wird dabei um wenige Fälle gehen, aber jeder ist angesichts der schlimmen Folgen einer zu viel.
Ich darf noch einen Gesichtspunkt des Kollegen Goll aufnehmen. Darüber können wir gerne noch einmal diskutieren; Sie machen ja eine Anhörung, vielleicht auch einmal mit Anstaltsleitern. Wir haben immer wieder das Problem, dass in den Anstalten Sexualstraftäter einsitzen, die dringend einer Therapie bedürften, aber sich weigern, sich einer solchen Therapie zu unterziehen.
Natürlich, Herr Kollege Oelmayer. Da hat die Möglichkeit, dass dann, wenn sie sich einer solch notwendigen Therapie nicht unterziehen, bei einer verbleibenden erheblichen Gefährlichkeit diese nachträgliche Anordnung der Unterbringung ausgesprochen werden kann, sicherlich auch eine gute präventive und motivierende Wirkung.
Ich will ganz herzlich dazu einladen, dass dieser Gesetzentwurf in diesem Hause einen breiten Konsens finden möge. Ich darf ausdrücklich versichern: Es geht um wenige schlimme Ausnahmefälle. Wir sind uns des außergewöhnlichen Vorgehens – das räume ich durchaus ein – sehr wohl bewusst, aber sowohl Kollege Goll als auch meine Wenigkeit lassen uns davon leiten. Wir wollen bei diesen schlimmen Folgen, die wir schon erleben mussten, vor unserem Gewissen alles getan haben, um solch entsetzliche Taten zu vermeiden. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann einfach feststellen: Mit Ausnahme logischerweise der antragstellenden Fraktion der Republikaner sind alle anderen Fraktionen – die Fraktionen der CDU, der FDP/DVP, der Grünen und der SPD – gegen diesen Gesetzentwurf der Republikaner.
Damit ist, glaube ich, das Wichtigste heute gesagt.
Das Zweite: Wir hatten am 1. März 2000 eine Besprechung, immerhin auf Staatssekretärsebene, mit dem Bundesinnenminister. Mit Ausnahme der drei Länder Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein, die ein vergleichbares Gesetz haben, waren interessanterweise die anderen 13 Länder übereinstimmend der Auffassung, dass ein solches Gesetz nicht notwendig sei.
Im Übrigen kann man einfach festhalten: Wir haben aufgrund unserer bestehenden Rechtsordnung ein umfassen
des Auskunfts- und Informationsrecht, jedenfalls für diejenigen, die ein entsprechendes Interesse, zum Beispiel ein berechtigtes Interesse als Betroffene, geltend machen können. In der Praxis, im Vollzug, wie wir ihn täglich erleben, sind bisher nirgendwo irgendwelche Defizite festgestellt worden, sodass sich schlicht und ergreifend die Frage stellt: Warum soll man, wenn wir immer über die Normenflut klagen, dann in einer Situation, in der überhaupt keine Missstände bekannt geworden sind, weil wir ja eine umfassende Information betreiben, ein neues, zusätzliches Gesetz erlassen? Das kann, glaube ich, eigentlich niemandem einleuchten.
Im Übrigen muss ich auch noch einen Satz sagen, Herr Kollege Bebber, weil Sie ja mit Recht vermutet haben, das Thema werde auf der Tagesordnung bleiben und es werde immer wieder einmal darüber gesprochen werden: Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass wir eine Art Placeboeffekt konstruieren. Denn eines ist auch klar: Sie können ein solches Gesetz gestalten, wie Sie wollen. Diejenigen Gründe, die auch heute bestehen und die dann dazu führen, dass bestimmte Informationen und Auskünfte nicht erteilt werden dürfen, in der Regel weil es um schutzwürdige Interessen von dritten Personen geht – Datenschutz usw. –, würden genau bei einem solchen Gesetz logischerweise wieder greifen, sodass man einfach sagen muss: Mit einem solchen Gesetz wäre auch die Gefahr verbunden, dass irgendwelche abstrakten, konfusen Erwartungen erweckt würden, die man dann nachher gar nicht erfüllen könnte.
Deshalb ist auch die Landesregierung wie alle anderen Fraktionen der Auffassung: Dieser Gesetzentwurf muss abgelehnt werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Argumente sind ausgetauscht. Ich bitte, dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP in der Fassung, die er durch die Finanzausschusssitzung und die Innenausschusssitzung gefunden hat, zuzustimmen und die Änderungsanträge der SPD-Fraktion abzulehnen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir werden ein gutes Gesetz verabschieden.
Ich möchte mich bei diesem hohen Haus dafür bedanken, dass dieses Gesetz parlamentarisch sehr zügig behandelt worden ist. Dieser Dank geht an alle Fraktionen.
Ein kleiner Wermutstropfen, Herr Kollege Redling und Herr Kollege Oelmayer, ist natürlich, dass Sie dem Gesetz nicht zustimmen. Ich glaube, dass Ihre Gründe – wir haben darüber ausführlich und sorgfältig im Innenausschuss gesprochen – nicht stichhaltig sind.
Das Gesetz ist auch ausreichend präzise formuliert.
Bei der Definition der Kriminalitätsbrennpunkte, Herr Redling, verweisen wir auf § 26 des Polizeigesetzes. Wenn wir immer wieder davon sprechen, dass die Normenflut in Deutschland nicht größer, sondern eher kleiner werden sollte, müssen wir als Gesetzgeber uns daran auch ein kleines Beispiel nehmen.
Nein. Durch den Querverweis auf § 26 des Polizeigesetzes ist dies ja geklärt.
Genauso ist klar – allein schon wegen der Tatsache, dass das Gesetz auch präventiv einen Abschreckungseffekt entfalten sollte –, dass eine Hinweispflicht Grundlage dieser Videoüberwachung ist. Aber wie dann der Hinweispflicht entsprochen werden soll, das muss doch der Gesetzgeber wirklich nicht im Detail regeln. Entscheidend ist die Tatsache, dass hingewiesen wird.
Ich finde, dass die Forderung, die Aufzeichnung sollte erst beginnen, wenn quasi ein Verdacht auf eine Straftat bestehe – trotz Leipzig, Herr Kollege Oelmayer –, ein Denkfehler ist. Wenn bei dem Beamten, der am Monitor sitzt, ein solcher Verdacht entsteht, dann muss die Polizei raus auf den Platz und darf nicht mehr drin bleiben. Das ist wohl der entscheidende Gesichtspunkt.
Deshalb gibt es auch unter diesem Aspekt an dem Gesetzentwurf überhaupt nichts auszusetzen.
Ich denke, dass Ihre Bedenken letzten Endes eigentlich nur vorgeschoben sind. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich einwandfrei ist, der insbesondere auch beim Thema „Aufbewahrungsfrist von 48 Stunden“ wirklich auf der absolut sicheren Seite ist. Deshalb: Wenn Sie immer wieder sagen, Sie würden eigentlich im Grundsatz die Videoüberwachung bejahen, gibt es keinen Grund, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in der letzten Oktobersitzung eine Debatte über den gesamten Komplex Zuwanderung geführt, bei der wir feststellen konnten, dass wir uns doch in wesentlichen und wichtigen Punkten eigentlich einen Konsens vorstellen können. Ich finde, Herr Kollege Salomon, die Grünen – gerade das, was Sie in Ihrem zweiten Beitrag heute gesagt haben – haben sich in ganz beträchtlichem Umfang bewegt. Deshalb sollten wir diese Chancen ergreifen. Es ist ein ganz entscheidendes Thema für die Zukunft von Deutschland.
Jetzt kommen wir in die unselige deutsche Gefahr – das ist nicht das erste Beispiel –, Sachfragen und Begriffe ideologisch zu überfrachten, sodass am Schluss alles wieder in Weltanschauungskriege mündet und wir nicht zur eigentlich gebotenen Lösung der sachlichen Fragen kommen. Diese Gefahr sollten wir vermeiden.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass der Begriff „deutsche Leitkultur“ eine schiere Selbstverständlichkeit ist.
Ich kann mir eine solche Diskussion in einem anderen Staat wie Deutschland überhaupt nicht vorstellen. Das Problem ist meines Erachtens dadurch entstanden, dass unsere politischen Konkurrenten, vor allem auch Rot und Grün, aus sehr durchsichtigen Gründen diesen Begriff „deutsche Leitkultur“ in einer falschen Art und Weise auslegen und bestimmen
und uns damit Dinge unterstellen, die schlicht an den Haaren herbeigezogen sind. Das ist das Problem.
Wenn wir von „deutscher Leitkultur“ sprechen, meinen wir unsere Kultur im Jahre 2000 nach über 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland.
Ich will einmal daran erinnern, dass es gerade auch meine Partei war, die – wobei schärfste ideologische Auseinandersetzungen mit anderen Parteien stattfanden – in den Fünfzigerjahren durch den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer die Bundesrepublik Deutschland ganz bewusst in das westliche Bündnis
und in die westliche Wertegemeinschaft hineingeführt hat.
Diese Westorientierung prägt natürlich ganz entscheidend das, was heute bei uns gesellschaftlich in über 50 Jahren gewachsen ist.
Es war die SPD, die damals den Bundeskanzler Konrad Adenauer auf das Tiefste beleidigt hat mit den Worten, er sei der Kanzler der Alliierten,
weil er immer ein neutrales Deutschland abgelehnt hat. Diese Verankerung in das westliche Bündnis hat entscheidend zu dem beigetragen, was in diesen Jahrzehnten gewachsen ist. Dazu gehören – jetzt kann ich alles unterstreichen, was vorhin zu unserer deutschen Leitkultur gesagt worden ist – die Wertordnung unseres Grundgesetzes, die Grundrechte.
Übrigens: Dass wir bei dem Thema Integration keine Assimilierung wollen, ist im Grundgesetz und damit in der deutschen Leitkultur genau so angelegt, weil das Grundgesetz eine pluralistische Ordnung vorsieht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das ist ein Teil der deutschen Leitkultur. Wir wollen auch das entsprechende Menschenbild, wir wollen die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wir wollen keinen Fundamentalismus, wir wollen nicht ein Frauenbild, wie es in Teilen des Islam vorherrscht,
und wir wollen auch nicht, Herr Kollege Salomon, dass politische Auseinandersetzungen bei uns mit Gewalt, Intoleranz und Fanatismus ausgetragen werden. All das gehört zu unserer gewachsenen deutschen Leitkultur.
Wenn Sie – das war ein ganz entscheidender Satz in Ihrem zweiten Beitrag, den ich dankbar aufgreife, Herr Kollege Salomon – von „Anerkennung unserer Spielregeln“ sprechen, ist das auch eine Selbstverständlichkeit.
In meiner Heimatzeitung – das ist das „Badische Tagblatt“ – kann man in der Ausgabe vom 11. November folgenden Beitrag nachlesen: Ein Angehöriger des großen Unternehmens Daimler-Chrysler, mittleres Management, ging in eine gewisse Führungsposition nach Singapur. Jetzt war er gerade auf Heimaturlaub. Da ist er gefragt worden, wie es ihm in Singapur so gefällt. Da sagte er: Wunderbar, er könne sich sogar vorstellen, dass er sein ganzes Leben dort verbringen wolle. Danach hat ihn der Reporter gefragt: Aber die Strafen in Singapur – ich bin selbst Zigarettenraucher – sind ja sehr drakonisch und liegen, etwa wenn Sie einmal eine Kippe wegwerfen, gleich bei 2 000 Dollar, glaube ich. Da sagte er: „Ich bin hier nach Singapur gekommen. Ich bin mir bewusst, dass ich als Gast gekommen bin, und es ist selbstverständlich, dass ich die Gesellschaftsordnung und die Spielregeln hier dann auch beachte.“ So einfach ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb glaube ich: Das Problem besteht in der ideologischen Überfrachtung, darin, etwas in den Begriff „deutsche Leitkultur“ hineinzuinterpretieren,
was an den Haaren herbeigezogen ist. Das hat auch etwas mit unserem Selbstbewusstsein als Deutsche zu tun.
Da will ich einfach sagen: In über 50 Jahren haben wir, basierend auf – wie es in der Debatte ja mit Recht gesagt worden ist – der christlich-abendländischen und auch jüdischen Tradition – die Juden haben einen ganz großen Anteil an dieser gewachsenen Kultur, die bei uns entstanden ist – das Glück, eine Bundesrepublik Deutschland zu haben, in der Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und Freiheit so groß sind, wie es niemals in unserer Geschichte zuvor der Fall war. Ich bin persönlich all denjenigen dankbar, die als unsere Vorfahren einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass es so gekommen ist.
Ich sage auch: Für das, was im Dritten Reich an Entsetzlichem geschehen ist, werden wir weiterhin die Verantwortung haben und sie auch an folgende Generationen weitergeben. Auch dies gehört zu unserer Leitkultur. Aber zu unserer Leitkultur gehört auch, dass die deutsche Geschichte eine wesentlich größere Tradition hat als nur diese unsägliche Epoche im Dritten Reich.
Wie gesagt: Ohne Überheblichkeit und ohne Anmaßung stelle ich für meine Person fest: Ich bin stolz darauf, dass ich Bürger dieser Bundesrepublik Deutschland mit dieser deutschen Leitkultur sein darf.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben zwar über die ganze Problematik dieser möglicherweise bevorstehenden EU-Richtlinie schon einmal in der Plenarsitzung Ende Juni dieses Jahres gesprochen.
Trotzdem ist es notwendig, heute noch einmal die Diskussion zu führen, vor allem auch mit Blick auf die bevorstehende EU-Ministerratssitzung am 30. November.
Die Ausgangslage ist ja wie folgt: Die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung enthält zwei ganz gefährliche Entwicklungen. Die erste ist, dass künftig Kinder bis zum vollendeten 21. Lebensjahr nach Deutschland kommen können. Wenn eine solche Entwicklung Platz greifen würde, wäre dies für die Integrationsbemühungen, bei denen sich ja nach und nach ein Konsens abzeichnet, in Deutschland eine ganz verhängnisvolle Fehlentwicklung. Wir haben schon bei verschiedenen Gelegenheiten im Landtag über das Thema Integration gesprochen. Es gibt da und dort unterschiedliche Auffassungen, aber es gibt auch viele Punkte, bei denen Einigkeit besteht. Einigkeit besteht auf jeden Fall darüber, dass diejenigen jungen Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen, noch in einem Alter sein müssen, in dem sie die Chance haben, unser Bildungssystem mit Erfolg zu durchlaufen. Anders kann Integration ja gar nicht denkbar sein.
Das Alter von 16 Jahren ist nach Auffassung der CDU schon ein kritisches Alter, weil es mit 16 Jahren schwierig sein wird, noch Schulen erfolgreich zu absolvieren oder eine Ausbildung zu beginnen.
Wenn Sie aber das Nachzugsalter von 16 auf 21 Jahre anheben, ist auf jeden Fall klar, dass – von Ausnahmefällen abgesehen – eine Integration eigentlich überhaupt nicht mehr denkbar ist. Deshalb muss dieser Punkt auch mit so großem Ernst gesehen werden. Die Diskussion in Deutschland unter den Parteien – ich lasse jetzt einmal die Grünen außen vor, Frau Kollegin Thon; darauf komme ich nachher noch – ist eigentlich so, dass wir sagen: Es muss auf jeden Fall die Gewähr dafür gegeben sein, dass eine Integration von den äußeren Voraussetzungen her überhaupt noch denkbar ist. Deshalb müssen die jungen Menschen eher
früher als später nach Deutschland kommen und eben nicht bis zum 21. Lebensjahr.
Ich komme auch noch einmal zu einem anderen Gesichtspunkt: Neulich haben wir uns darüber unterhalten, dass Baden-Württemberg das erste Bundesland ist, das einen Vorstoß unternommen hat, Integrationskurse für nach Deutschland kommende Ausländer einzurichten. Ich habe in der letzten Plenardebatte feststellen können, dass zum Thema Integrationskurse eine große Diskussionsbereitschaft vorhanden ist. Nach unserer Debatte habe ich auch – das darf ich so sagen – mit Genugtuung feststellen dürfen, dass das Thema Integrationskurse auch auf der Ebene der Bundesregierung jetzt stärker betont wird. Das heißt, ich darf für heute einfach einmal festhalten: Wenn wir die baden-württembergischen Vorstellungen nehmen, die wir ja auch in eine Bundesratsinitiative eingebracht haben, bin ich, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, durchaus bereit, über einzelne Punkte zu sprechen. Entscheidend muss aber sein, dass wir zu einer Integrationskonzeption kommen, bei der solche Integrationskurse einen festen Bestandteil bilden, und zwar nach dem Grundsatz
doch, ich komme gleich darauf, Frau Kollegin Thon –, der mit Sicherheit richtig ist, dass wir die Menschen fördern müssen, dass wir sie umgekehrt aber auch fordern müssen. Das heißt, wenn wir Angebote machen, müssen wir darauf drängen, dass die Angebote auch angenommen werden. Wenn sie aus Gründen, die bei den Betroffenen selber liegen, nicht angenommen werden, muss das Ausschlagen unseres Angebots gewisse Konsequenzen haben.
Sie, Frau Kollegin Thon, haben in der letzten Debatte den Kostenfaktor angesprochen. Ich darf darauf hinweisen, dass solche Integrationskurse durch ein Bundesgesetz geregelt werden müssen. Deshalb haben wir auch keine landesgesetzgeberische Initiative ergriffen, sondern logischerweise eine Bundesratsinitiative. Im Rahmen einer solchen Initiative für ein Bundesgesetz können wir schlecht anderen Ländern sozusagen vorschreiben, wie sie die Kosten solcher Integrationskurse regeln. Das muss, glaube ich, jedem Bundesland überlassen bleiben.
Wir in Baden-Württemberg haben vor – ich habe dies bereits mehrfach in diesem hohen Hause betonen können –, über die Verwendung der Erlöse aus dem Verkauf der EnBW-Anteile, auch durch die zu schaffende Stiftung, solche Sprachförderkurse – es handelt sich in erster Linie um Sprachförderung – finanziell zu unterstützen.
Das heißt, wir streben bei solchen Integrationskursen oder Sprachförderkursen eine kostengünstige Lösung, eine so
zialverträgliche Lösung an. Allerdings sagen wir auch klar: Nulltarif sollten wir nicht wählen, denn es gilt auch der alte Satz: Was nichts kostet, ist nichts wert.
Aber mit unserem Anliegen wären wir, glaube ich, doch auf der richtigen Linie.
Jetzt komme ich zum zweiten Punkt, bei dem diese in Aussicht genommene EU-Richtlinie eben doch eine ganz große Gefahr und eine große Fehlentwicklung sein würde. Herr Kollege Heiler hat das vorhin angesprochen. Herr Kollege Heiler, ich darf daran erinnern. Wir haben Ende Juni dieses Jahres – es waren, glaube ich, auch Sie –, als wir dieses Thema zum ersten Mal diskutiert haben, gesagt, wir hätten gerne gewusst, welche Konsequenzen sich denn ergäben, wenn die beabsichtigte EU-Richtlinie in die Wirklichkeit umgesetzt werden würde.
Es gab damals noch verschiedene Zahlen – die haben die Bayern behauptet, der Bundesinnenminister hatte andere Zahlen –, aber inzwischen gibt es dazu eine übereinstimmende Aussage, und zwar sowohl von Bundesinnenminister Schily wie auch von dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, dem Kollegen Behrens aus Nordrhein-Westfalen.
Beide müssen heute – im Oktober und November dieses Jahres – die ursprünglichen bayerischen Befürchtungen bestätigen und sagen übereinstimmend: Wenn diese EURichtlinie mit dem erweiterten Familiennachzug, wonach im Grunde genommen die Großfamilie nach Deutschland kommen dürfte, so in Kraft träte, Frau Kollegin Thon, dann müsste man mit einem weiteren Zuzug von etwa 500 000 Personen pro Jahr nach Deutschland rechnen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre eine absolute Fehlentwicklung.
Nachdem sich bei dem Thema Zuwanderungssteuerung, Zuwanderungsbegrenzung – wie immer man das formulieren will – auch über Baden-Württemberg hinaus – so ist mein Eindruck – so langsam der Nebel lichtet und wir die Konturen klarer erkennen, darf ich eines feststellen: Wenn die Aussage noch Gültigkeit haben soll, dass wir künftig stärker beeinflussen wollen, wer eigentlich zu uns nach Deutschland kommt, und nicht einfach damit leben müssen, dass die Menschen sozusagen selber entscheiden, ob sie, aus welchen Gründen und auf welcher Schiene auch immer, nach Deutschland kommen, dann kann die Richtlinie so nicht akzeptiert werden. Ein solcher so stark erweiterter Familiennachzug wäre im Grunde genommen das Ende jeder Steuerungsmöglichkeit eines geordneten Zuzugs nach Deutschland. Über diese Konsequenz muss man sich im Klaren sein.
Auch aus diesem zweiten Grund kann diese EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung keine Akzeptanz in Deutschland finden.
Warum heute diese Diskussion? Die Lage hat sich inzwischen, Herr Kollege Heiler, etwas weiterentwickelt. Sie haben das selbst erwähnt. Als wir am 29. Juni 2000 diese Thematik zum ersten Mal im Landtag von Baden-Württemberg diskutiert haben, hatten wir noch die Hoffnung, dass die Kommission von ihrem Entwurf der Richtlinie zurückgehen würde. Diese Hoffnung hat sich – Sie haben es selbst erwähnt –, von Marginalien abgesehen, nicht bestätigt. Im Gegenteil, wir sind inzwischen sogar eine Stufe weiter. Das hat Frau Kollegin Thon dankenswerterweise vorhin in aller Offenheit gesagt. Denn das Europäische Parlament, meine sehr verehrten Damen und Herren – das muss man sich hier in diesem hohen Hause schon auf der Zunge zergehen lassen –, hat mit den Stimmen von Rot, Grün – Sie haben es selbst gesagt – und Gelb diesem Vorschlag und dieser Konzeption der EU-Kommission in der Sitzung im September inzwischen zugestimmt.
Da sehen Sie, wie wichtig einfach Ihre Präsenz auf allen Ebenen ist, Herr Kollege Glück. – Das heißt natürlich im Klartext, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Mitglieder von Rot und Grün im Europäischen Parlament die klare Aussage des Bundesinnenministers Schily, der ja von dieser Richtlinie aus den genannten Gründen auch nichts hält, auf der europäischen Ebene schlicht und ergreifend unterlaufen haben. Das muss man hier heute in dieser Debatte schon einmal ganz klar herausarbeiten.
Damit kommen wir im Grunde genommen zum nächsten Punkt. Der nächste Punkt besteht darin: Ich habe eigentlich eine gewisse Hoffnung, dass wir die schwierige Ausländerproblematik nach dem üblichen Hin und Her in den wesentlichen Eckpunkten doch bundesweit auf eine vernünftige Linie schaffen könnten, die dann auch im Konsens getragen werden kann. In einer Phase, in der man sich in Deutschland in verschiedenen Kommissionen und auch in den Parlamenten zusammenzuraufen versucht, weil man die Verantwortung bei diesem Thema spürt und fühlt, können wir aber störende Querschüsse seitens der Kommission und der EU nicht brauchen. Diese sind schlicht und ergreifend unerträglich für unsere Binnensituation in Deutschland. Deshalb ist die Richtlinie in dieser Phase und natürlich auch darüber hinaus von uns abzulehnen. Sie stört unsere Diskussion über Integration – wie soll Integration vonstatten gehen? –, und sie stört auch unsere Diskussion innerhalb von Deutschland: Wie wollen wir auf vernünftige Weise künftig eine bessere Steuerung der Zuwanderung erreichen? In einer solchen entscheidenden Phase der Diskussion können wir Querschüsse der Europäischen Kommission auf keinen Fall brauchen.
Es bahnt sich ja Schlimmeres an. Ich will heute nicht die schwierige Diskussion über eine Änderung des Asylgrundrechts aufgreifen, sondern auf Folgendes hinweisen: Wir
haben jetzt eine Richtlinie der Europäischen Union zur Familienzusammenführung auf dem Tisch liegen und sprechen heute darüber. Es bahnt sich bereits die nächste Richtlinie der Europäischen Union an, die auch wieder eine verheerende Fehlentwicklung zur Folge hätte, nämlich der Vorschlag für eine Richtlinie zum Thema „Harmonisierung der ganzen Asylverfahren“. Da geht es um Folgendes: Da ist nach dem Vorschlag – der Vorschlag ist bisher noch nicht zu einer – –
Ich komme darauf. Das wird dann am Schluss sozusagen das Finale werden, Herr Kollege Bebber. Jetzt nehmen Sie mir nicht einfach schon vorher die Pointe weg.
Bei dem Vorschlag bahnt sich Folgendes an – und das muss man heute schon einmal ansprechen –: Die Kommission der Europäischen Union will, dass die verfahrensbeschleunigenden Elemente, die wir bei dem legendären Kompromiss aus dem Jahre 1993 vor allem für Folgeanträge von Asylbewerbern erreicht haben, künftig so nicht mehr anwendbar sein sollen.
Die Kommission will als Zweites, dass das Thema „sichere Drittstaaten“, das ja auch Grundlage dieses Asylkompromisses aus dem Jahre 1993 war, in Deutschland künftig nicht mehr geltendes Recht sein soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hätten dann die aberwitzige Entwicklung, dass beim Thema „Grundrecht auf Asyl“ der Streit in der bekannten ideologischen Form seinen weiteren Lauf nähme, dass uns aber die anderen Elemente, die aus dem Kompromiss von 1993 stammen und die ja dazu geführt haben, dass ein Rückgang der Asylbewerberzahlen von über 400 000 auf jetzt unter 100 000 erfolgt ist, von der Kommission und der Europäischen Union weggeschlagen werden würden.
Meine Damen und Herren, für die Situation in Deutschland wäre dies eine unerträgliche Entwicklung. Deshalb darf ich heute noch einmal sagen: In der schwierigen Phase der Diskussion über die Ausländerpolitik in ihrer Gesamtheit, in der wir uns jetzt befinden, können wir solche störenden und verhängnisvollen Querschüsse der Kommission der Europäischen Union auf keinen Fall brauchen.
Damit komme ich zu dem, was mir Kollege Bebber vorhin eigentlich schon souffliert hat.
Ich komme zurück zur Nachzugsrichtlinie. Man müsste eigentlich meinen, das sei kein Problem. Der Bundesinnenminister hat sich – zuletzt übrigens in der Bundesratssitzung vor wenigen Wochen in Berlin – klar gegen diese Richtlinie ausgesprochen. Der Kollege Behrens aus Nordrhein-Westfalen und, glaube ich, alle Innenminister der SPD sprechen sich ebenfalls expressis verbis gegen diese Richtlinie aus.
Nun hat Kollege Bebber darauf hingewiesen, dass bei solchen Entscheidungen auf der Ebene der Europäischen Union immer noch das Einstimmigkeitsprinzip und nicht das Mehrheitsprinzip gilt. Das heißt, die Bundesregierung könnte bei der entscheidenden Sitzung des Ministerrats am 30. November das Inkrafttreten der Richtlinie mühelos verhindern, indem sie ein klares Nein sagt. Da das Einstimmigkeitsprinzip gilt, wäre damit die Geschichte zumindest einstweilen vom Tisch.
Da aber gibt es ein Problem, und ich bitte Sie, darauf in der zweiten Runde einzugehen; deshalb habe ich mich auch ausnahmsweise schon nach der ersten Runde zu Wort gemeldet. Sprechen wir die Dinge beim Namen an! Es ist offensichtlich so, dass innerhalb der Bundesregierung über die Frage, ob die Richtlinie kommen soll oder nicht, ein starker innerer Disput besteht.
Die SPD in Gestalt von Bundesinnenminister Schily ist gegen die Richtlinie. Aber die Bündnisgrünen, die auch an der Regierung beteiligt sind, zum Beispiel Außenminister Fischer, sind – Frau Thon hat mich in ihrem Beitrag eigentlich bestätigt – im Grunde genommen expressis verbis für die Richtlinie. Sie, Frau Kollegin Thon, haben das vorhin auch gesagt. Hinzu kommt, dass selbst die SPD-Mitglieder im Europäischen Parlament in der Septembersitzung für die Richtlinie gestimmt haben. Heute, am 22. November, ist wohl niemand in der Lage, meine Damen und Herren, verlässlich sagen zu können, wie die Bundesregierung in der entscheidenden Ministerratssitzung am 30. November abstimmen wird, nachdem sie innerlich gespalten ist.
Ich darf übrigens darauf hinweisen – ich sage dies an die Adresse der SPD –, dass die Richtlinie der Europäischen Union in dem Segment der Ausländerpolitik in Sachen Familiennachzug eigentlich in aller Vollständigkeit Elemente der grünen Politik übernimmt. Was wir hier vorliegen haben, ist grüne Politik pur.
Die Bundesregierung, die ja noch einen Partner hat, wird sich in den nächsten Tagen darüber klar werden müssen, ob sie entgegen der Auffassung von Schily und entgegen der Auffassung aller SPD-Landesinnenminister bei der Abstimmung am 30. November im Ministerrat dem kleinen Partner, den Grünen, nachgibt oder ob sich das durchsetzt, was die Innenpolitiker der SPD für richtig halten.
Die heutige Debatte, Herr Kollege Bebber, ist zeitlich goldrichtig. Meine dringende Bitte ist: Wir müssen die Bundesregierung mit allem Nachdruck auffordern, am 30. November in der Sitzung des Ministerrats entgegen den Auffassungen und Meinungen ihres Regierungspartners, der Bündnisgrünen, gegen die Richtlinie zu stimmen. Dann haben wir dieses Thema zumindest einstweilen vom Tisch, und das muss die klare Forderung dieses Landtags sein.
Das ist auch die klare Haltung, Auffassung und Forderung der Landesregierung von Baden-Württemberg.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur kurz an die Adresse der im Augenblick leider nicht anwesenden Frau Kollegin Thon: Wir brauchen heute keine allgemeine Diskussion über die Probleme der Ausländerpolitik zu führen. Deshalb kann ich mich insoweit auf zwei Punkte beschränken.
Erstens: Integrationspolitisch ist es nicht hinnehmbar, dass nach den Vorstellungen der Europäischen Union Kinder bis zur Volljährigkeit im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen sollen dürfen, weil wir dann nicht mehr in der Lage sein werden, sie zu integrieren. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.
Das Zweite: Ein Familiennachzug darf nicht so weit ausgedehnt werden, dass er über die eigentliche Kernfamilie hinaus die Großfamilie erfasst, indem auch aufsteigende Generationen kommen dürfen. Nach den Feststellungen der Bundesregierung hätten wir dann mit einem Nachzug von etwa 500 000 Personen pro Jahr zu rechnen. Dann wäre eine Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland nicht mehr möglich.
Wichtiger ist mir aber etwas anderes. Herr Kollege Heiler, das Problem besteht darin – deshalb ist die Sache schon heute hochaktuell –: Wenn Sie und, wie ich es vorhin der Debatte entnommen habe, auch Herr Kollege Bebber die Bundesregierung bei der Ministerratssitzung am 30. November vertreten würden, wäre alles klar.
Sie hätten nach dem, was Sie heute gesagt haben, unser volles Vertrauen, dass Sie das schon richtig machen.
Man wird ja sehen, wie er innerhalb Ihrer Partei aufsteigt. Die Bürgermeister haben ja schon immer den Marschallstab im Tornister.
Dann ist es ja gut, Herr Kollege Bebber, dass wir darüber noch einmal sprechen. Denn wir haben eine diffuse Situation. Ich darf einmal auf Folgendes hinweisen und gleich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten auch kurz zitieren:
In der Bundesratssitzung am 9. Juni kam mit großer Mehrheit ein Sachbeschluss des Bundesrats zustande, ein Beschluss, in dem sich der Bundesrat eindeutig gegen diese EU-Richtlinie aussprach.
Moment, Herr Kollege Maurer. Sie waren vorhin nicht da. Deshalb müssen Sie vielleicht erst noch etwas in die Diskussion hineinkommen.
Sehen Sie! Das hat dann doch auch sein Gutes.
Baden-Württemberg hat nach der betreffenden Sitzung des Europäischen Parlaments diese Problematik noch einmal zum Gegenstand einer Bundesratsentschließung gemacht. Sie ist am 10. November, also vor wenigen Tagen, behandelt worden.
Jetzt darf ich mit Erlaubnis des Herrn Landtagspräsidenten den amtierenden Präsidenten des Bundesrats aus dem Protokoll der Bundesratssitzung zitieren. Er sagt:
Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefunden, sodass wir zunächst darüber zu befinden haben, ob bereits heute in der Sache entschieden werden soll. Wer für sofortige Sachentscheidung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minderheit.
Das heißt, wir müssen das so interpretieren: Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen im Unterschied zu der Sitzung im Juni eine Sachentscheidung abgelehnt und die Angelegenheit an die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Das hat die bizarre Folge, dass das Thema vermutlich in der kommenden Bundesratssitzung am 1. Dezember erneut behandelt wird. Dann ist das Wiesle aber schon gemäht, weil der Ministerrat bekanntlich bereits am 30. November entscheiden muss, ob er Ja oder Nein sagt.
Das heißt an die Adresse der SPD – da ist es vielleicht gut, dass der Herr Fraktionsvorsitzende der SPD jetzt unter uns ist –:
Ich bitte schon um Verständnis dafür, dass wir Ihnen eines nicht durchgehen lassen können. Nachdem klar ist, wie die Haltung der Grünen auch in der Bundesregierung sein wird,
ist es für uns nicht akzeptabel, dass die SPD im Land Baden-Württemberg zwar sagt: „Wir sind auch gegen diese Richtlinie“, aber auf Bundesebene – innerhalb der Bundesregierung – nicht entsprechend handelt.