Elke Breitenbach

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wegner! Ich teile Ihre Position auch nicht eins zu eins, und ich finde, da müssen Sie auch noch einmal gucken, wie viel Agitation und Propaganda dabei war. Aber ich lasse es jetzt einmal stehen.
Vor 50 Jahren wurde das deutsch-türkische Anwerbeabkommen abgeschlossen. Wer damals nach Deutschland und nach Berlin kam, ist heute im Rentenalter. Wer heute früh auf dem Empfang war, konnte einige von ihnen kennenlernen. Diese Menschen aus der Türkei, aber auch aus vielen anderen Ländern haben die wechselvolle Geschichte der Integrations-, man kann aber auch sagen Desintegrationsgeschichte in der Bundesrepublik und auch in der DDR am eigenen Leib erfahren und zum Teil auch erlitten. Es hat sehr lange gedauert, nämlich bis Ende der 90er-Jahre – Herr Wegner! Bis Ende der 90er-Jahre – Ist der Mann eigentlich noch da? – Nein! Dann kann ihm das ja jemand sagen. –,
dass sich das vereinigte Deutschland dazu durchringen konnte, sich selbst als Einwanderungsland zu bezeichnen. Damals war zumindest die CDU nicht in Regierungsverantwortung.
Es hat im Übrigen auch dementsprechend lange gedauert, bis die gesellschaftliche Integration aller hier lebender
Menschen als eine gesellschaftspolitische Aufgabe begriffen wurde.
Die Bundesrepublik hat ab Ende der 50er-Jahre und in den 60er-Jahren gezielt Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus südeuropäischen Ländern angeworben. Sie sollten als billige Arbeitskräfte die Lücken in einer boomenden Wirtschaft schließen. Die jungen Männer und vor allem Frauen, die kamen, hofften auf vernünftige Arbeitsbedingungen, und sie hofften auf gute Löhne. Die Realität sah meist anders aus. Sie wurden nicht nur ausgebeutet, sie wurden auch ausgegrenzt, und viele von ihnen landeten im Wohnheim oder in Abrisshäusern. In der Bundesrepublik und auch – das sage ich noch einmal – in der DDR mit den Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern herrschte damals die Vorstellung, dass die Menschen zum Arbeiten kommen und dass sie, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Das entsprach auch dem Selbstbild der meisten Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Darüber konnten wir heute früh einiges hören. Dieses Selbstbild hat sich auch erst im Laufe der 70er-Jahre gewandelt.
Mit dem Anwerbestopp, den die Bundesregierung verhing, wurden die Grenzen für die Arbeitsmigranten geschlossen. Wer hier lebte, ging nicht mehr zurück, sondern holte die Familie nach oder gründete hier Familie. Viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten bauten für sich und ihre Familien hier eine Zukunft auf. Die Rückkehroptionen wurden verschoben und oftmals auch aufgegeben. Nur die offizielle Politik, Herr Wegner, hielt eisern an der alten Vorstellung der vorübergehenden Anwesenheit fest. Sie hielten auch an der alten Politik fest. Dies taten sie Jahrzehnte, obwohl die Realität alle Lügen strafte.
Der Bevölkerungsanteil der Menschen mit Migrationshintergrund wuchs. Ihre Löhne waren nicht hoch, und viele von ihnen lebten dort, wo Wohnungen billig sind und meist leider auch schlecht waren. Die Antwort der Bundesregierung darauf war Mitte der 70er-Jahre die sogenannte Zuzugssperre. Damit durften Ausländerinnen und Ausländer nicht mehr in Gebiete und Stadtteile ziehen, in denen der Ausländeranteil höher als 12 Prozent war. Schon ein Jahr später wurde die Zuzugssperre wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aufgehoben, allerdings nicht in Westberlin. Hier galt das Grundgesetz nicht, und an der Zuzugssperre wurde festgehalten. Erst in den 90erJahren beendete der damalige rot-grüne Senat dieses skandalöse Vorgehen. Man muss sagen: Sie haben es endlich beendet.
Diese Zuzugssperre in Berlin war für viele der Migrantinnen und Migranten der ersten und auch der zweiten Generation Realität. Dieses Zuzugssperre war vor allem ein Zeugnis dafür, dass die Migrantinnen und Migranten nicht als Teil dieser Gesellschaft anerkannt waren, und dass sie sich auch nicht als Teil dieser Gesellschaft fühlen sollten. Mit den Folgen dieser Ausgrenzung der Integrationspolitik haben wir alle heute noch zu tun, aber vor allem diejenigen, die dies damals erlebt haben und erdulden mussten.
Heute leben rund 160 000 türkeistämmige Berlinerinnen und Berliner hier, türkischer und kurdischer Zugehörigkeit, Muslime, Aleviten, Christen und Atheisten. Der 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens und ein Blick zurück zeigen, dass sich im gesellschaftspolitischen Verständnis von Berlin viel verändert hat. Die Stadt bekennt sich zu ihrer Vielfalt. „Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ ist das Leitmotiv der rot-roten Integrationspolitik.
Berlin ist die Hauptstadt der gesellschaftlichen Integration. Menschen aus über 190 Ländern leben gemeinsam in dieser Stadt. Die türkeistämmigen Migrantinnen und Migranten und viele andere, wie die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, politisch Verfolgte aus den unterschiedlichsten Ländern, ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter aus Vietnam, Angola oder Mosambik, und Zehntausende EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, sie alle haben Berlin geprägt, sie alle haben Berlin verändert, und zwar zum Guten.
Viele haben es schon gemacht, und ich finde, auch wir als Abgeordnete sollten uns bei ihnen dafür und diese Leistung herzlich bedanken.
Wir haben in Berlin mittlerweile eine ausgesprochen vielfältige und lebendige ethnische Ökonomie. Das ist nicht allein die klassische Dönerbude, das sind auch ITUnternehmen oder Werbefirmen, das sind Ärztinnen und Ärzte, das sind Rechtsanwälte, das sind erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler oder – wie wir in diesem Hause sehen – auch Politikerinnen und Politiker. Menschen mit Migrationshintergrund sind in allen Lebensbereichen. Die Realität dieser Stadt bricht z. B. auch mit dem Bild, dass die türkischstämmigen Menschen alle Gemüsehändler oder Kopftuchmädchen sind.
Eine Reduzierung darauf – und das konnten wir die letzten Monate immer wieder hören – zeigt, dass immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Weltanschauung diskriminiert und ausgegrenzt werden. Dagegen sollten wir alle uns auch weiterhin wehren.
Trotz all der schweren Bedingungen, die wir heute von vielen gehört haben, und trotz aller Widrigkeiten haben es große Teile der migrantischen Bevölkerung Berlins geschafft, zu einem wichtigen Teil dieser Gesellschaft zu werden. Das ist eine riesige Leistung in einer historisch kurzen Zeit, und sie wurde oftmals und immer wieder gegen den Widerstand des deutschen Establishments erbracht.
Die Integrationspolitik Berlins fußt heute auf völlig anderen Paradigmen. Integration heißt eben nicht Anpassung und Unterwerfung unter irgendwelche Leitkulturen. Integration ist ein zweiseitiger Prozess, bei dem sich alle verändern müssen. Das setzt auch voraus, dass man sich gegenseitig als gleichberechtigt anerkennt und gleiche Möglichkeiten und gesellschaftliche Teilhabe hat. Auf Bundesebene sind wir davon tatsächlich weit entfernt. Aber wenn die CDU so aktiv in diesem Bereich ist, werden wir sicherlich noch viel erleben, dass beispielsweise das Kommunalwahlrecht eingeführt wird
oder dass das Staatsangehörigkeitsrecht verändert wird – alles Sachen, die Voraussetzungen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in diesem Land sind. Ich bin sehr gespannt, was passiert.
Auf Landesebene haben wir mit dem Partizipations- und Integrationsgesetz und den beiden Integrationskonzepten, genau so mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“ und dem Aktionsplan gegen Rassismus politische Rahmenbedingungen für dieses gleichberechtigte Zusammenleben auf gleicher Augenhöhe geschaffen. Dafür werden wir auch in Zukunft weiter stehen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen wurde mit der Debatte zum Fachkräftemangel immer mehr zum Thema. Das war gut, aber es geht nicht allein darum, dem Fachkräftemangel zu begegnen; es geht in erster Linie darum, den Menschen ihre Berufsabschlüsse und Kompetenzen anzuerkennen und zu stärken. Und es geht auch darum, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie ihr Wissen und ihr Können einsetzen können und so eine Chance auf dem Arbeitsplatz und einen entsprechenden Job bekommen. Integration durch Partizipation heißt auch, Zugänge zu dem Erwerb
sarbeitsmarkt zu öffnen und Wissen und Ressourcen nicht einfach zu verschleudern.
Das System zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und Qualifikationen ist nach wie vor unübersichtlich. So kann beispielsweise eine Friseurin oder eine Köchin in dem jeweiligen Beruf beschäftigt werden, ohne dass ein formaler Abschluss nötig ist.
Allerdings werden diese Menschen oftmals – weil ihr Berufsabschluss eben nicht anerkannt ist – als Hilfskraft entlohnt. Würde die Friseurin als selbstständige Meisterin arbeiten wollen, brauchte sie die formale Anerkennung des Berufsabschlusses. Im akademischen Bereich ist ein Zugang ohne Anerkennung in der Regel gar nicht erst möglich. Hier ist die Gesetzeslage noch unübersichtlicher.
Alle waren sich darüber einig, dass sich hier etwas ändern sollte. Die Arbeits- und Sozialminister haben im letzten Jahr auf die Initiative der Länder Berlin und Bayern hin einstimmig einen Antrag zum Thema Berufsanerkennung mit Forderungen an die Bundesregierung verabschiedet, und diese hat sich auch bereit erklärt, die Anregung aufzugreifen. Dazu gehörten solche Sachen wie Festschreibung eines Anspruchs auf Feststellung der Qualifikation und der Kompetenzen.
Man kann nicht gerade von einem Erfolg von SchwarzRot reden
richtig, von Schwarz-Gelb! –, denn Schwarz-Gelb hatte versprochen, bis Ende des letzten Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
Das ist kleinlich? – Sagen Sie! – Jetzt wurde gesagt, dass dieser Gesetzentwurf bis Anfang des nächsten Jahres beschlossen sein soll. Wir hatten mehrmals die Debatte, und es gab unterschiedliche Anträge zu diesem Thema. Immer wieder haben wir gesagt: Wir warten erst einmal ab, was die Bundesregierung vorlegt. – Jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir nicht länger warten. Wir möchten, dass auf Landesebene Schritte eingeleitet werden, die den Menschen mit den nicht anerkannten Berufsabschlüssen neue Chancen bieten.
Wir haben dazu in Berlin schon gute Beispiele, wie etwa das Projekt „Starke Frauen“
oder in Marzahn-Hellersdorf das Projekt „Arbeit und Integration“ für russischsprachige Akademikerinnen und Akademiker.
Aber auch in den anderen Bundesländern gibt es gute Beispiele, von denen wir lernen können. Wir brauchen mehr Transparenz in dem Zuständigkeitsdschungel, und wir wollen nach wie vor in Zukunft verbindliche Regelungen auf Bundesebene. Aber trotzdem denken wir, wir haben lange genug gewartet. Wir haben auch diesen Antrag von uns lange genug liegen gelassen und möchten jetzt die notwendigen Schritte einleiten. Wir hoffen trotzdem darauf, dass die Bundesregierung ihre Regelungen noch vorlegt, aber ich bitte erst einmal um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tja, Herr Thiel! Bei uns ist es jetzt noch mal anders als bei der CDU. Bei uns würde jetzt schon der erste Satz allein reichen, um diesem Antrag nicht zuzustimmen.
Frau Grosse hat es schon gesagt: Im Gegensatz zu Ihnen hält Rot-Rot den ÖBS für ein wirksames und nicht für ein unwirksames Instrument. Ich sage Ihnen noch mal etwas zu Ihrem Argument, das Sie immer wiederholen: Der ÖBS ist zu teuer – das sagen die Grünen auch gern. Der ÖBS kostet im Monat – das habe ich hier auch schon mal gesagt – 278 Euro mehr als die Finanzierung von Erwerbslosigkeit. Wenn Sie sich angucken, welchen Wert Erwerbslose für diese Gesellschaft erwirtschaften, dann steht das in keinem Verhältnis zu dem, was Sie behaupten, dass der ÖBS zu teuer ist. Sie tun immer so, als würde das ansonsten nichts kosten.
Und dann, Herr Thiel, müssten Sie auch noch mal gucken, welche Instrumente die Bundesregierung für die sogenannte Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt anbietet. Und dann, Herr Thiel, müssten Sie sich mal die Vermittlungsquoten und die Erfolge angucken. Und dann, Herr Thiel, werden Sie feststellen, dass wir mit dem ÖBS viel erfolgreicher sind als das, was mit den – ich sage das mal so – nackten Bundesinstrumenten passiert. Wir machen mit dem ÖBS nichts anderes, als dass wir Bundesinstrumente nehmen und diese mit Landesmitteln auf mindestens 1 300 Euro aufstocken. Das heißt aber, dass die Bundeskriterien gelten. Wenn Sie heute sagen, hier werden Arbeitsplätze vernichtet und gefährdet, denn stellen Sie die Kriterien dieser Bundesinstrumente Ihrer Bundesregierung infrage, und dann sollten Sie das dort klären.
Jetzt komme ich noch einmal zu unseren Erfahrungen mit dem ÖBS und nenne Ihnen drei Punkte, warum wir sagen, der ÖBS ist ein wirksames Instrument. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es erstens möglich ist, Arbeitslosen durch den ÖBS eine berufliche Perspektive zu öffnen, mit allen Problemen, die wir haben. Die könnten wir auch beenden und könnten den ÖBS ordentlich auf eine andere Finanzierungsgrundlage stellen, wenn Ihre Bundesregierung dem zustimmen würde.
Wir haben zweitens gezeigt, dass es möglich ist, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Erwerbslose zu schaffen. Das heißt, man könnte die EinEuro-Jobs weitgehend ersetzen, und zwar ohne dass es viel teurer wäre.
Und wir haben drittens gezeigt, dass sich durch den ÖBS gesellschaftlich sinnvolle Arbeit verrichten lässt, von der diese Stadtgesellschaft profitiert. Deshalb sage ich noch einmal: Der ÖBS ist nicht zu teuer. Er ist gut angelegtes Geld.
Und immer wieder kommen Sie mit Ihren Anträgen und unterstellen, dass Arbeitsplätze vernichtet werden. Ich wiederhole noch einmal, was Frau Grosse gesagt hat – meine Redezeit beträgt noch 1 Minute 30 Sekunden, Sie hätten Zeit, mir eine Frage zu stellen, aber ich frage Sie: Kennen Sie ein Beispiel, wo Arbeitsplätze vernichtet wurden? Nennen Sie mir ein Beispiel! Sie haben sich bei all Ihren Anträge davor gedrückt. Eine solche Antwort erwarte ich von Ihnen, wenn Sie dies immer wieder behaupten. ´
Trotzdem sage ich: Jede Form von öffentlich geförderter Beschäftigung birgt natürlich die Gefahr, dass Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt gefährdet sind. Und
das ist nicht nur beim ÖBS, das ist bei allem so. Deshalb haben wir beim ÖBS Kontrollmechanismen eingezogen. Frau Grosse hat das bereits gesagt. Wir haben die Gemeinsame Erklärung, aber die Sozialpartner erhalten jedes Quartal die Listen mit allen ÖBS-Projekten. Die Sozialpartner kontrollieren diese Listen. Und wenn es irgendwelche Probleme gibt, wurde dem auch immer nachgegangen. Da, finde ich, haben wir einen guten Weg gefunden. Der wurde auch immer wieder verbessert. Er soll auch in Zukunft verbessert werden, wenn es Probleme gibt.
Herr Thiel! Liebe FDP! Deshalb ist Ihr Antrag, ehrlich gesagt, so nötig wie ein Kropf, und Sie machen mit solchen Anträgen nur Hetze. Deshalb werden wir dem auch nicht zustimmen.
Vielen Dank! – Ich frage den Senat:
1. Aus welchen Gründen wird die Stahl-Holzbrücke im Ernst-Thälmann-Park im Bezirk Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg, komplett mit Trägern und Fundament abgerissen und durch einen aufwendigen und
kostspieligen Brückenneubau ersetzt, und warum sollte eine Instandsetzung der Brücke nicht ausreichen?
2. Mit welchen Behörden wurde die Planung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung abgestimmt, und warum wurden die Anwohnerinnen und Anwohner nicht durch eine Bürgerversammlung informiert?
Ich komme noch einmal auf die Anwohnerversammlung zurück. Hätten Sie es, insbesondere nach Ihren Ausführungen, nicht für sinnvoll erachtet, eine solche Anwohnerversammlung durchzuführen?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an Frau Bluhm. – Die Bundesregierung hat gestern mitgeteilt, dass es erneut eine Neuorganisation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente geben soll. Das soll auch mit Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik verbunden sein. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf Berlin ein?
Vielen Dank! – Es war ja bekannt, dass die Bundesregierung so eine Neuordnung plant. Deshalb ist meine Frage, ob es im Vorfeld eine Positionierung oder eine Abstimmung auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz gab, wie damit umgegangen wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum ÖBS liegen in der Zwischenzeit drei Untersuchungen vor. Ich gehe davon aus, dass der eine oder die andere diese Un
tersuchungen kennt und sie gelesen hat. Ich denke, man sollte sich mit deren Ergebnissen auseinandersetzen. RotRot hat mit dem ÖBS gezeigt, dass es Alternativen zum Niedriglohnsektor gibt.
Werte Frau Grosse! Werte Frau Pop! Die Bürgerarbeit einer Frau von der Leyen ist Niedriglohnsektor. Es handelt sich um 900 Euro im Monat, von denen die Menschen leben können. Das wollen wir nicht.
Wir wollen diese Bürgerarbeit anders einsetzen. Deshalb, werte Frau Pop, werden wir Ihren dringlichen Antrag nicht zustimmen, in dem Sie fordern, dass weiterhin der Niedriglohn ausgebaut wird. Damit sind auch Sie wieder die alte Hartz-Partei.
Wir möchten die Bürgerarbeit unter ÖBS-Bedingungen einsetzen. Das sind 1 300 Euro im Monat. Und das können wir theoretisch auch.
Wir haben gezeigt, dass es auch möglich ist, Arbeitslosen durch den ÖBS eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen
und wenn Sie sich die Untersuchungen einmal angucken würden, Herr Meyer, und nicht seit sechs Jahren immer Aha! und So, so! sagen würden,
dann würden Sie feststellen – Herr Meyer möchte etwas fragen, ich bringe den Satz zu Ende –, dass die Mehrheit der Beschäftigten nicht nur ihre Arbeit selbst als sinnstiftend bezeichnet, sondern dass sie auch sagen, dass sich ihre finanzielle Situation verbessert hat. Jetzt kann Herr Meyer.
Herr Meyer! Im Unterschied zu Ihnen, der Sie ja schon sehr lange hier im Haus sind, ist mein Eindruck, dass der Finanzsenator, der noch nicht so lange hier ist, sich tatsächlich nicht ernsthaft mit diesen Studien auseinandergesetzt hat,
denn ansonsten könnte der Finanzsenator nicht zu solchen Ergebnissen kommen.
Herr Meyer! Ich habe eben gesagt: Viele der ÖBSBeschäftigten sagen, dass sich ihre finanzielle Situation verbessert hat,
insofern bin ich sehr dankbar, dass Sie noch einmal in Ihren Antrag geschrieben haben, dass so viele ÖBSBeschäftigte von dem Geld nicht leben können. Damit haben Sie recht. Herr Thiel hat es eben schon gesagt. Wer alleinstehend ist, kann von den 1 300 Euro leben, die anderen müssen tatsächlich aufstocken. Aber was sagt uns das? 7,50 Euro, das verdienen nicht einmal alle Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Was lernen wir daraus, Herr Meyer? – Wir brauchen bundesweit einen gesetzlichen Mindestlohn, damit die Menschen von ihrer Arbeit leben können.
Darüber können wir uns streiten, ob es 10 Euro oder 8,50 Euro sein müssen. Ich bin da nicht auf 10 Euro festgelegt, wie manch andere in meiner Partei. Aber ich finde, man braucht einen vernünftigen Einstieg, und der muss über 7,50 Euro liegen.
Ich komme noch einmal zum ÖBS. Im ÖBS wird gesellschaftlich sinnvolle Arbeit verrichtet. Ich glaube, dem widerspricht hier niemand mehr. Wir alle kennen die Beispiele: Nachbarschaftsdienste, Fahrgastbetreuer,
alle, die jetzt noch einmal durch die Presse gegangen sind. Wir kennen sie. Wenn Sie immer wieder sagen: Damit werden Arbeitsplätze vernichtet, dann sage ich Ihnen: Es gibt Listen, die haben auch die Sozialpartner. Bislang hat noch niemand Ross und Reiter genannt. Das aber muss man machen, denn dann muss man dagegen vorgehen. Aber dann müssen Sie auch sagen, wo Arbeitsplätze vernichtet worden sind.
Die Stadtteilzentren haben genauso wie die Initiative Kulturarbeit – beide haben Untersuchungen vorgelegt, Herr Meyer, Sie kennen die vielleicht nicht, Herr Thiel kennt Sie vielleicht – deutlich gemacht, dass der ÖBS dazu geführt hat, dass sie ihre Arbeit erweitern konnten und dass sie neue Zielgruppen angesprochen haben. Wenn Sie es sich genauer angucken, im Bereich der Kulturarbeit werden in dieser Untersuchung auch noch einmal arbeitsmarktpolitische Effekte dargestellt. Das sollten Sie sich doch noch einmal genauer angucken. Dort wurden nämlich – –
Warum soll ich das dem Finanzsenator erzählen?
Sind Sie jetzt das Sprachrohr des Finanzsenators oder was? – Im Kulturbereich wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, über den ÖBS hinaus. Das heißt, es gibt beschäftigungspolitische Effekte.
Jetzt läuft mir die Zeit weg. Jetzt komme ich noch einmal zur Finanzierung. Werte Frau Kroll! Um es einmal ganz, ganz einfach zu sagen: Für eine subventionierte Karte einer Oper in Berlin kann man einen ÖBS-Arbeitsplatz einen Monat lang finanzieren.
Um es einfach einmal in ein Verhältnis zu setzen. Was sagt uns das? – Es wird in dieser Gesellschaft immer wieder Bereiche geben, die sich nicht rechnen, die man subventionieren muss und wo es sinnvoll ist, Geld hineinzustecken. Dazu gehört unter anderem auch der ÖBS. Wir möchten auch den ÖBS weiterentwickeln, wir möchten ihn auch gern qualifizieren – auch dafür nennen die Studien einige Ansätze –, und wir möchten ihn verstetigen. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam machen könnten. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion war gegen den Hartz-Kompromiss. Insofern findet es meine Fraktion auch richtig, dass der Berliner Senat dem Kompromiss im Bundesrat nicht zugestimmt hat. Dieser Kompromiss ist nämlich nicht verfassungskonform.
Das allein zeigt auch schon ein Blick auf die Regelsätze und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Berechnungsgrundlage für die Regelsätze entspricht nämlich mitnichten den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es wurden beispielsweise nicht die Haushalte herausgerechnet, deren Einkommen zur Deckung des Existenzminimums nicht ausreicht. Es finden sich dort die Aufstocker, also diejenigen, die Leistungen beziehen müssen, weil sie von ihrer Arbeit nicht leben können. Es finden sich dort auch die versteckten Armen, also Haushalte, deren Einkommen unter den Arbeitslosengeld-IISätzen liegt.
Dass die Berechnung des Existenzminimums so niedrig ausgefallen ist, wie sie ist, muss einen nicht wundern. Diese Berechnungsgrundlage ist nicht verfassungskonform. Deshalb war es richtig, dem Kompromiss im Bundesrat nicht zuzustimmen.
Und das Bundesverfassungsgericht – das werden wir erleben – wird sich auch erneut damit beschäftigen müssen.
Lieber Herr Steuer! Wenn Sie immer von den traurigen Kinderaugen reden und davon, was die Bundesregierung so Tolles macht, sage ich Ihnen: Die Bundesregierung tut nämlich jetzt nur so, als würde sie viel für die Kinder tun. Auch hier wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts komplett ignoriert. Was hat das Bundesverfassungsgericht gesagt? – Das soziokulturelle Existenzminimum der Kinder soll in den Regelsätzen abgebildet und mit den Regelsätzen gesichert werden. Was haben wir? – Statt ausreichende Regelsätze, daran wurde nämlich nichts geändert, gibt es nun das sogenannte Bildungs- und
Teilhabepaket. Es wurde schon ganz viel gesagt, was es da alles Tolles gibt und wie toll es ist.
Ob das Geld dafür ausreicht, um sich überhaupt in einem Sportverein anzumelden oder in einer Musikschule zu singen, das möchte ich mal gerne sehen.
Zweitens werden die Eltern immer zum Amt rennen müssen, jede einzelne Leistung beantragen müssen.
Alles wird individuell geprüft, und dann wird es alles schön mit dem Anbieter abgerechnet. Was heißt es denn in erster Linie? – Eine Riesenbürokratie mit entsprechenden Kosten! Daher, liebe FDP, das lässt sich gar nicht unbürokratisch umsetzen, was Sie jetzt hier einfach so verlangen.
Das wurde von Ihrer Bundesregierung verhindert. Und auch deshalb, wegen dieses Bildungs- und Teilhabepakets war es richtig, dem nicht zuzustimmen.
Jetzt komme ich noch mal zu dem, was die Kommunen jetzt so Tolles alles kriegen. Ja, die Kommunen werden jetzt endlich von den Kosten der Altersarmut entlastet werden, und das ist richtig, denn die Kosten der Grundsicherung sind gestiegen, und sie werden weiter steigen, und zwar in erster Linie wegen der Politik der Bundesregierung, die nach wie vor prekäre Beschäftigung und auch den Niedriglohnsektor vorantreibt, die nach wie vor hinnimmt, dass Frauen für gleichwertige Arbeit weniger Geld kriegen, die nach wie vor dazu beiträgt, dass die Altersarmut weiterhin steigen wird.
Jetzt habe ich Ihnen einige Gründe genannt, warum es richtig war, diesem Kompromiss nicht zuzustimmen. Dieser Kompromiss ist teuer. Dieser Kompromiss ist bürokratisch. Dieser Kompromiss ist diskriminierend. Er verbessert nicht die Lebenssituation der Erwerbslosen, auch nicht die ihrer Kinder. Er hält ihnen Leistung vor, auf die sie Anspruch hätten. Und er treibt das Armutsrisiko weiter voran. Und deshalb war es richtig, diesem Kompromiss nicht zuzustimmen. Und deshalb ist es richtig, Ihrer Entschließung nicht zuzustimmen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wir haben mit dem ÖBS in Berlin gezeigt, dass es Alternativen zum Niedriglohnsektor und den Ein-EuroJobs gibt. Wir haben bewiesen, dass es möglich ist, Arbeitslosen eine berufliche Perspektive zu eröffnen und gleichzeitig gesellschaftlich sinnvolle Arbeit zu organisieren. Die Beschäftigten im ÖBS werden nach geltenden Tarifverträgen entlohnt, müssen aber mindestens 7,50 Euro die Stunde erhalten. Viele Beschäftigte im ÖBS werden nach Tarif bezahlt und haben ein höheres Gehalt. Und mit den 7,50 Euro werden zumindest Alleinstehende unabhängig vom Jobcenter.
Ein Beispiel für erfolgreiche ÖBS-Projekte: die Stadtteilmütter, die Kiezlotsen oder die Nachbarschaftslotsen, wie immer sie heißen, die in der Presse und auch hier im Hause immer wieder gelobt werden – das sind ÖBS-Projekte. Und ich behaupte, diese Projekte konnten nur so erfolgreich sein, weil sie eben genau über den ÖBS aufgebaut werden.
Und diese Behauptung von mir wird jetzt auch untermauert über eine wissenschaftliche Untersuchung des ÖBS und über die Selbstevaluierung der Stadtteilzentren. Sie können sich beides angucken unter www.von-arbeit
leben.de. Weil ich nur fünf Minuten habe, kann ich auf die Studien nicht genauer eingehen.
Wir möchten den ÖBS gern verstetigen, wir möchten ihn ausweiten. Deshalb brauchen wir eine andere, eine sicherere Finanzierungsgrundlage als bisher. Im Koalitionsvertrag haben wir geschrieben, dass wir in Berlin 2 500 Stellen in einem ÖBS schaffen wollen. Wir hatten im Jahr 2009 über 7 500 Stellen. Das ist ein Erfolg. Allerdings sinkt die Zahl der ÖBS-Stellen. Warum sinkt diese Zahl? – Wir nutzen als Finanzierungsgrundlage arbeitsmarktpolitische Instrumente des Bundes, die wir dann mit Landesmitteln kofinanzieren. Und mit dieser Finanzierung gibt es immer wieder Probleme. Mal werden auf Bundesebene die Bedingungen für das Programm X geändert, mal wird das Programm Y abgeschafft, oder es gibt ein Sparpaket auf Kosten der Arbeitslosen, wie wir es jetzt erleben. Deshalb der Antrag, den wir Ihnen heute vorgelegt haben. Wir möchten eine Bundesratsinitiative.
Das ist an sich noch keinen Applaus wert. Ich sage noch mal, was für eine Bundesratsinitiative wir wollen. – Wir wollen, dass die Gelder, die jetzt ohnehin zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit eingesetzt werden, gebündelt werden können, um sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeitsplätze im ÖBS zu schaffen. Dazu gehören die Entgelte aus den sogenannten EinEuro-Jobs, dazu gehören aber auch die Regelleistungen aus dem Arbeitslosengeld II inklusive der Sozialversicherungsbeiträge und der Kosten der Unterkunft. Und diese Summe, die sich daraus ergibt, wollen wir mit Landesmitteln bzw. mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds aufstocken, um damit diese Arbeitsplätze zu finanzieren. Den Bund kostet das alles keinen Cent mehr, und auch das Land kostet es nicht mehr. Aber der gesellschaftliche Mehrwert ist ein vielfacher, denn die ÖBS-Beschäftigten brauchen dann wirklich keine Transferleistungen mehr, und sie schaffen mit ihrer Arbeit auch ein Mehr an gesellschaftlichem Zusammenhang.
Die Forderung nach der Bündelung dieser Mittel ist eigentlich sehr logisch. Wir stellen sie auch schon seit vielen Jahren. Sie wird immer wieder von der Bundesebene abgelehnt. Wir möchten jetzt noch mal versuchen, eine Bundesratsinitiative zu starten. Diese Ablehnung der Bundesregierung erfolgt, behaupte ich jetzt auch noch mal hier, aus ideologischen Gründen. Frau von der Leyen möchte Menschen durch Niedriglohn mit ihrer Bürgerarbeit unter Druck setzen. Das kann aber nicht Sinn der Arbeitsmarktpolitik sein.
Deshalb werbe ich dafür, dass Sie unseren Antrag unterstützen, dass auch Sie dazu beitragen, dass der ÖBS in Berlin verstetigt werden und auf einer sicheren Finanzierungsgrundlage fortgeführt werden kann. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Thiel! Sie sind der Erste, der eine Zwischenfrage zugelassen hat! Meine Frage an Sie, weil Sie von den 200 Millionen Euro gesprochen haben: Ist Ihnen bekannt, dass diese 200 Millionen Euro, die dem Land Berlin in diesem Jahr in dem Eingliederungstitel fehlen, Gelder sind, die der Bund gespart hat, und stimmen Sie mir zu, dass es Sinn der Hartz-Gesetze, die fast alle Parteien beschlossen haben, gewesen ist, dass der Bund die Verantwortung für die Arbeitslosen übernimmt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Treberhilfe ist viel diskutiert und in der Zwischenzeit ist über sie alles gesagt. Eine rechtliche Klärung der Vorgänge wird an anderer Stelle erfolgen. Auf das Ergebnis bin ich persönlich sehr gespannt, Herr Schruoffeneger! Möglicherweise reden wir dann noch einmal über Dilettantismus.
Ich finde im Übrigen auch, dass wir über die Anträge, die heute vorliegen, bereits sehr lange diskutiert haben. Für mich ist heute aber auch ein guter Zeitpunkt, um noch einmal Bilanz zu ziehen. Hier komme ich allerdings zu einem anderen Ergebnis als Herr Schruoffeneger oder Herr Hoffmann. Aber das verwundert vermutlich auch nicht.
Wir müssen unterscheiden zwischen dem Bereich der Zuwendungen und dem der Entgelte. Im Bereich der staatlichen Zuwendungen, die ganz viele Projekte erhalten, gibt es ein hohes Maß an Transparenz. Die Gelder werden auf der Grundlage eines Antrags gewährt, der auch einen Finanzplan enthält. Die Abrechnung erfolgt centgenau und wenn man nicht über große kriminelle Energien verfügt, kann man dieses Geld auch nicht anders nutzen. Insofern ist hier eine große Transparenz vorhanden. Nichtsdestotrotz – das wird in einem Antrag der CDU gefordert – muss in Zukunft geprüft werden, inwieweit hier Verbesserungen nötig sind, denn – das ist bereits angesprochen worden – wir haben die Verträge für den Ligavertrag Soziales für den Integrierten Gesundheitsvertrag und für den Stadtteilzentrenvertrag verändert und damit eine neue Situation geschaffen. Das findet die Opposition falsch, Herr Hoffmann hat es eben noch einmal gesagt – ich glaube, Herr Schruoffeneger auch. Ich möchte zumindest noch einmal eines klarstellen: Dass die Ligaverträge geändert worden sind, hat nichts damit zu tun, ob irgendjemand die Ligaverträge geliebt hat oder nicht, sondern damit, dass die Landeshaushaltsordnung geändert worden ist und deshalb auch bei den Ligaverträgen etwas geändert werden musste. Das ist unabhängig von den Vorfällen bei der Treberhilfe. Unwahrheiten werden nicht dadurch wahrer, dass man sie immer wiederholt.
Jetzt liegt die Abrechnung für die Ligaverträge bei den jeweiligen Senatsverwaltungen. Dafür gibt es zusätzliches Personal. In dieser neuen Situation muss man gucken, wie die Umsetzung erfolgt. Wir als Koalition werden es beobachten und wenn nötig, werden wir gegensteuern. Wir haben in dem einen Jahr für mehr Transparenz gesorgt. Frau Radziwill hat es bereits gesagt. Die von Ihnen, von uns allen geforderte Datenbank ist in der Zwischenzeit freigeschaltet. Sie alle können sie sich im Internetauftritt der Senatsfinanzverwaltung ansehen. Damit trägt die Transparenzoffensive, die Frau Senatorin Bluhm initiiert hat, erste Früchte. Das ist positiv.
Herr Hoffmann! Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen würden, könnte ich es verstehen und sie sogar noch beantworten.
Ich komme jetzt zu dem Bereich Entgelte. Das ist der Bereich, in dem die Probleme größer sind. Das konnten wir an dem Fall Treberhilfe genau nachvollziehen. Hier schließt der Senat mit dem jeweiligen Träger einen Rahmenvertrag über die zu erbringenden Leistungen. Auch die Entgelte werden festgelegt. Die Festlegung der Entgelte erfolgt, Herr Schruoffeneger, aufgrund bundesweit einheitlicher Kriterien. Einfluss darauf, wie die Träger diese Entgelte aufteilen, hat der Senat nicht. Er kann beispielsweise bislang auch nicht bestimmen, dass die Beschäftigten tariflich bezahlt werden oder dass das Geld für Rücklagen verwendet werden muss. Es gibt außerdem nur ein eingeschränktes Recht, Einblick in die Unterlagen zu nehmen. Sie haben heute erneut behauptet, der Senat habe geschludert, es gebe Schlendrian. Das stimmt nicht. Ich schlage noch einmal vor, einen Blick in die Bundesgesetze zu werfen. Dabei werden Sie feststellen, dass es nur diese eingeschränkten Möglichkeiten gibt. Darauf haben wir immer wieder hingewiesen.
Genau deshalb haben wir unsere Bundesratsinitiative gestartet. Wir wollten die Kontrollmöglichkeiten und die Transparenz in diesem Bereich erhöhen. Dass hier auf Bundesebene etwas im Argen liegt, zeigt sich unter anderem daran, dass alle Bundesländer die Bundesratsinitiative des Landes Berlin unterstützt haben.
Jetzt sind der Bundestag und die rot-gelbe Koalition in der Pflicht weiter zu handeln.
Schwarz-Gelb! Entschuldigung! Natürlich die schwarzgelbe Koalition.
Die Kohl-Regierung hat in den 90er-Jahren – ich wiederhole es –: Die Kohl-Regierung hat in den 90er-Jahren den Sozialbereich für den freien Wettbewerb geöffnet. Damit ging einher, dass die Träger Rücklagen bilden durften, um nicht zu sagen sollten. Damit ging einher, dass die Gewinnspanne nicht weiter begrenzt wurde und richtig kontrolliert durfte auch nicht werden. Der Markt wird es
schon regeln – das war Ihre Maxime. Der Markt regelt es nicht. Deshalb bin ich nach wie vor davon überzeugt: Nur im Zusammenspiel mit der Transparenzoffensive des Senats, mit den notwendigen Korrekturen auf Bundesebene und durch Veränderungen bei den Rahmenverträgen werden wir in diesem Bereich zu mehr Transparenz und mehr Kontrolle kommen. Aus meiner Sicht ist Rot-Rot einen wichtigen Schritt gegangen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber spannend ist, ob Schwarz-Gelb, ob die Bundesregierung diesen Weg mitgeht, denn auf die sind wir angewiesen, um bestimmte Dinge überhaupt umsetzen zu können. – Vielen Dank!
Danke schön! – Ich darf ja nur eine Frage formulieren, also Herr Czaja: Stimmen Sie mir zu, dass für die Aufklärung, die Sie jetzt hier fordern, in der gegenwärtigen Situation die Staatsanwaltschaft und die Finanzbehörden zuständig sind und nicht die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales?
Die Umstrukturierung der Jobcenter in Berlin wird im Januar abgeschlossen sein. Ich bin froh, dass die Arbeit in
den Jobcentern trotz der Turbulenzen um die Neuordnung funktioniert hat und es keine zusätzlichen Probleme für die Erwerbslosen gab. Wir haben am Grundsatz der zwölf Jobcenter festgehalten, weil nur so der zweigliedrige Aufbau in Berlin – Land und Bezirke – berücksichtigt werden kann. Wir haben die landesweite Steuerung gestärkt und trotzdem die Mitsprache der Bezirke gesichert. Wir haben einheitliche Rahmenbedingungen für die Berliner Jobcenter gefordert, und die Vereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Arbeit und der Regionaldirektion, die kurz vor der Unterzeichung steht, sieht das vor. So wird es zukünftig einheitliche Öffnungszeiten in den Jobcentern geben. Erwerbslose werden nach einem Umzug weiterhin ihre Leistungen erhalten und müssen nicht, wie heute noch, einen Neuantrag stellen. Und es wird in Zukunft gewährleistet sein, dass Erwerbslose und ihre Familien nicht mehr immer wieder neu mit unterschiedlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über ihre Fragen und Probleme reden müssen, sondern persönliche Ansprechpartnerinnen und -partner haben. Uns ging es darum, trotz der Rahmenbedingungen von Hartz IV Verbesserungen für die Erwerbslosen herbeizuführen, und hier sind wir auf einem guten Weg.
Doch die Bundesregierung geht den umgekehrten Weg, denn die im Bundeshaushalt vorgesehenen Einsparungen werden weitreichende Folgen für die aktive Arbeitsmarktpolitik und bittere Einschnitte für die Erwerbslosen selbst nach sich ziehen. Das Elterngeld für Arbeitslosengeld-II-Empfangende wird ebenso gestrichen wie die Beiträge für die Rentenversicherung und der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfangende. Die Regelungen bei den Kosten der Unterkunft sollen verschlechtert werden. Und während sich die Bundesländer auf die entscheidende Abstimmung im Bundesrat vorbereiten, die Bundesregierung Mehrheiten für ihre Kürzungsorgie sucht, trifft sich die Führungsriege der Hamburger Grünen sonntagnachmittags in der Kneipe und beschließt mal eben den Ausstieg aus der Verantwortung einer schwarz-grünen Koalition, die schon am Ende war, als sie begann. Einen aktuellen Anlass für die Flucht wenige Wochen vor der Abstimmung im Bundesrat gab es nicht. Faktisch stärken die Grünen damit Schwarz-Gelb. Die Erwerbslosen und sozial Benachteiligten werden es Ihnen zu danken wissen.
Allein in Berlin werden voraussichtlich 200 Millionen Euro weniger für die aktive Arbeitsmarktpolitik zu Verfügung stehen. Wir brauchen aber ein Arbeitsmarktprogramm, das die Kompetenzen und Erfahrungen der Erwerbslosen in den Mittelpunkt stellt, um ihnen Wege in Erwerbsarbeit zu öffnen. Wir brauchen weiterhin öffentlich geförderte Beschäftigung, und zwar in erster Linie für diejenigen, die schon lange arbeitslos sind. Und wir brauchen sinnvolle und längerfristige Beschäftigung und nicht, wie jetzt von der Regionaldirektion geplant, vor allem kurzfristige Maßnahmen. Und wir brauchen auch weiter den ÖBS, mit dem wir für existenzsichernde Arbeitsplätze für Erwerbslose sorgen. Das Bundesarbeitsministerium hat nun endlich zugelassen, dass wir in Berlin auch die Bürgerarbeit als Finanzierungsgrundlage für den
ÖBS nehmen können. Damit können wir den ÖBS verstetigen und allen Unkenrufen zum Trotz den Nachweis führen, dass es eine Alternative zur Billiglohnlogik der Ein-Euro-Jobs und prekären Beschäftigung gibt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe FDP! Ich kann gleich am Anfang sagen, dass wir Ihren Anträgen nicht zustimmen werden.
Integration funktioniert nicht über Sanktionen, wie Sie das fordern. Integration funktioniert auch nicht über Anpassung und Assimilation. Unser Weg – Herr Wolf hat es heute schon mal deutlich gemacht – ist ein anderer. Integration braucht Partizipation.
Das ist unser Ansatz. Das ist der Ansatz von Rot-Rot. Das passt tatsächlich an keiner Stelle mit Ihrem Ansatz zusammen. Sie reden von Deutschenfeindlichkeit, gegen die man vorgehen muss. Sie reden von Integrationsverweigerern, die sanktioniert werden müssen. Beide Anträge von Ihnen machen deutlich, dass Sie weiter auf die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund setzen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir stellen individuelle Diskriminierungs- und Mobbingerfahrung von Herkunftsdeutschen überhaupt nicht infrage, egal ob das Kinder oder Erwachsene sind. Wir sagen auch, Hänseleien, Mobbing, Ausgrenzung sind niemals akzeptierbar und hinnehmbar. Selbstverständlich muss dagegen auch vorgegangen werden, immer und ohne Ansehen der Person. Aber Voraussetzung, dass man solche Probleme löst, ist, dass man sich auch über die Ursachen solcher Abwertungen von Menschen Klarheit verschafft. Erklärungsansätze und Untersuchungen finden Sie ganz viele, und alle kommen zu dem Ergebnis, dass es sich um ein soziales Problem handelt. Und eines ist auch klar: Nicht jede Form von Diskriminierung ist gleich Rassismus. Zu Rassismus gehört genauso wie zu Sexismus eine strukturelle Diskri
minierung, und deshalb, liebe FDP, trifft Ihr Begriff der Deutschenfeindlichkeit überhaupt gar nicht zu. Er ist nämlich genauso wie der Begriff der deutschen Leitkultur ein Kampfbegriff, mit dem Zugehörigkeitskultur fortgeschrieben wird. Es gibt ein „ihr“ und ein „wir“, Menschen oder Kinder von Menschen mit Migrationshintergrund bleiben per Definition außen vor. Und diese Ausgrenzung führen Sie mit beiden Anträgen fort.
Wenn Sie von den Integrationsverweigerern reden, die der Bundesinnenminister entdeckt hat, dann müssen Sie sich tatsächlich fragen, erstens: Wie wird das definiert? – Das konnte das Bundesinnenministerium nicht tun. Zweitens: Wo kommt die Zahl von 15 Prozent her, die der Bundesinnenminister festgestellt hat? Er redet von 15 Prozent Integrationsverweigerern. Auch ist bis heute nicht klar, wie er zu dieser Zahl gekommen ist. Auch das kann das Bundesinnenministerium nicht erklären. Und Sie wissen natürlich auch – dies am Rande –, dass Ihre Bundesregierung gerade die Mittel für die Integrationskurse noch weiter gekürzt hat.
Auf welcher Grundlage in diesem Land Stimmung gegen die Menschen mit Migrationshintergrund gemacht wird, das kann man in Ihrem Antrag lesen. Ich wiederhole jetzt genau den Satz, den Herr Saleh eben schon einmal vorgelesen hat: Sie schreiben in Ihrem Antrag:
Ein Teil der Menschen mit Migrationshintergrund, der teilweise seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebt, verweigert sich hartnäckig der deutschen Gesellschaft. Die hier geltende Rechts- und Werteordnung wird abgelehnt, alles Deutsche und alle Deutschen werden von diesen Menschen als minderwertig betrachtet. Das einzig Deutsche, was diese Menschen akzeptieren und gern und ausgiebig in Anspruch nehmen, sind die Leistungen des deutschen Sozial- und Gesundheitssystems.
Diese Sätze sind bitter für dieses Haus und für den Konsens, den wir mal hatten.
Und ich sage Ihnen zum Schluss: Solche Formulierungen könnte man als rassistisch bezeichnen, und dies wäre denn auch die Grundlage, auf der jegliche weitere konstruktive Debatte in diesem Haus vorbei wäre. Sie sollten noch einmal nachdenken, was Sie hier aufschreiben!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir reihen uns in diejenigen ein, die sagen: Die „Stadtteilmütter“ sind tatsächlich ein sehr erfolgreiches Projekt.
Das gilt übrigens auch für die Nachbarschaftslotsen, die Kiezlotsen, die Integrationslotsen, die Elternlotsen oder wie immer sie auch heißen mögen. Diese Arbeit wird in vielen Bezirken schon verrichtet, und sie trägt überall dazu bei, dass es sehr gute Integrationsarbeit gibt.
Ich bedaure zutiefst, dass Sie offensichtlich diese ganzen Projekte nicht kennen, die dazu beitragen, dass Familien bei vielen Alltagsproblemen geholfen wird. Viele Menschen mit Migrationshintergrund werden auf Ämter oder zum Arzt begleitet. Es wird bei Schulden oder bei Mietproblemen geholfen. Die Lotsen bieten auch Energieberatung für Menschen mit geringem Einkommen an. Es gibt Gesundheitsprävention. Dort werden außerdem Seniorenfrühstücke, Müttertreffs und Väterkurse organisiert, und es gibt eine enge Kooperation mit unterschiedlichen Schulen. Dort werden dann auch Deutschkurse sowohl für Väter wie Mütter angeboten. Auch werden Eltern und Lehrer zusammengebracht. Die dort beschäftigten Frauen und Männer haben Migrationshintergrund und bringen eine ausgesprochen große interkulturelle Kompetenz mit.
Ich wünsche das unbedingt.
Auf die Finanzierung wäre ich sowieso noch gekommen. Noch einmal: Die „Stadtteilmütter“ sind ein Projekt. Die Arbeit, die sie leisten, wird in vielen Bezirken von ähnlichen Projekten geleistet. Ich mache da keinen Unterschied. Aber was die Finanzierung angeht, darauf komme ich gleich noch.
Was ich jetzt noch sagen wollte, was wichtig ist: Die Menschen, die diese Lotsenarbeit machen, die kennen nicht nur die staatlichen Regelleistungen – die des Gesundheitssystems, des Schulsystems, des Sozialsystems –, sie sind vor allem auch noch in der Lage, anderen Menschen diese Regelleistungen näherzubringen. Darin liegt der große Erfolg dieser ganzen Projekte. Sie tragen dazu bei, dass Menschen mit Migrationshintergrund in staatliche Regelleistungen hineingeführt und begleitet werden, und das ist ein zentral wichtiger Punkt.
Damit werden nämlich Wege in die Gesellschaft geöffnet, die es durch keinen Integrationskurs gibt, durch kein Flugblatt und übrigens auch durch keinerlei Sanktionen. Ich sage es noch einmal: In diesen Projekten arbeiten Männer und Frauen. Insofern wurde Ihrem Antrag, was das angeht, schon nachgekommen.
Ich halte Ihren Antrag aber auch aus einem anderen Grund für unnötig. Wir machen das schon, und ich glaube, es ist etwas anderes nötig. Alles Gute hat viele Väter und Mütter. Deshalb möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Die meisten dieser Lotsenprojekte haben als Projekt im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Berlin begonnen.
Die Oppositionsparteien finden den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor falsch und lehnen ihn ab. Ich aber sage Ihnen: Wer diese Arbeit erhalten und verstetigen will – die der „Stadtteilmütter“ oder der Kiezlotsen –, muss sich für die Erhaltung und Verstetigung des Berliner ÖBS einsetzen, denn gerade dieser ist in Gefahr.
Der ÖBS setzt auf langfristige und existenzsichernde Arbeit, und wir alle wissen, dass die Arbeit der „Stadtteilmütter“ und der Kiezlotsen nur über Langfristigkeit erhalten werden kann, weil sie auf Vertrauen und Kontinuität basiert. Deshalb ist es wichtig zu versuchen, dass diese Langfristigkeit über den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor erhalten wird und dass die Menschen, die diese wirklich gute Arbeit machen, von ihrer Arbeit auch leben können.
Das war der Punkt der Finanzierung. Ansonsten sollten wir uns im Ausschuss verständigen, um welche Inhalte es Ihnen, uns und anderen in den einzelnen Projekten geht. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, der Antrag der FDP dokumentiert einmal mehr, wie sich die
FDP von ihren Wurzeln des politischen Liberalismus’ verabschiedet.
Sie möchte, dass in Zukunft die Zusammenarbeit mit den Zuwendungsempfängern im Bereich der politischen Bildung auf der Grundlage des staatlich verordneten Misstrauens stattfindet. Ihrem Antrag entsprechend, sollen alle Projekte unterschreiben, dass sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Damit sind Sie tatsächlich noch konsequenter als Ihre Bundesregierung, denn die beschränkt diesen Verdacht ausschließlich auf Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Alle anderen müssen das nicht unterzeichnen. Wir lehnen dieses Vorgehen der Bundesregierung ab. Daraus ergibt sich, dass wir auch Ihren Antrag ablehnen werden. Ein solcher Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliche Projekte, Initiativen und Organisationen ist antidemokratisch. Die Einführung einer solchen Gesinnungserklärung wäre fatal. Sie würde jegliche Grundlage für eine gesellschaftliches Engagement zerstören, denn jeder wäre sofort verdächtig.
Liebe FDP! Von den Projekten, an deren Seite Sie stehen – ich kann bestätigen, dass es die gibt, denn wir haben schon gemeinsam an Demonstrationen gegen Rechts teilgenommen –, wollen Sie eine solche Unterschrift. Ich finde, diese Projekte haben nicht unser Misstrauen verdient, sondern unseren Dank. Sie verdienen die Unterstützung und Anerkennung ihrer Arbeit,
denn zum Beispiel die mobilen Beratungsteams oder die Opferberatungsstellen sind zentrale Bestandteile des gesellschaftlichen Widerstands der Berlinerinnen und Berliner gegen die demokratiefeindlichen Bestrebungen von Rechtsextremen und Rechtspopulisten. All diese Projekte leben davon, dass sie staatsfern sind und sich in der Zivilgesellschaft engagieren. Selbstverständlich, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, müssen sie sich an die Gesetze halten, wie alle anderen auch. Aber bisher musste das niemand durch seien Unterschrift im Vorfeld dokumentieren.
Sie wollen diese Gruppierungen an ein staatliches Gängelbang legen, und vermutlich wollen Sie die Politik Ihrer Bundesregierung stützen. Damit machen Sie sich zum Schoßhündchen der Bundesfamilienministerin, die diese Erklärklärung verlangt. Sie geht noch weiter: Sie verlangt von den Projekten, diese Erklärung auch für alle Partnerinnen und Partner abzugeben, mit denen sie zusammenarbeiten. Niemand weiß, wie das funktionieren soll, aber das ist egal, denn letztlich ist das ein Ausdruck von autoritärem Denken. Deshalb fordere ich Sie auf, Ihren Antrag zur Gesinnungsschnüffelei zurückzuziehen!
Die Bundesregierung fordern wir ebenfalls auf, ihre Gängelungserklärung unmittelbar und sofort aus dem Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus herauszunehmen. Wir wollen einen lebendige, streitbare Demokratie und keinen Obrigkeitsstaat.
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Senftleben! Ich wollte darauf eingehen, was Sie eben gesagt haben. Ich gehöre einer Partei an, die eine besondere historische Schuld hat und dafür eine besondere historische Verantwortung trägt. Das hatte ich übrigens auch schon im Hauptausschuss gesagt. Diese Verantwortung macht solche Debatten sicherlich nicht einfach für uns. Diese Verantwortung tragen wir. Diese Verantwortung heißt auch für mich, als eine, die aus dem Westen kommt: In dem Moment, als ich diese PDS eingetreten bin, habe ich diese Geschichte der SED als Vorgängerpartei sozusagen mit eingekauft, und ich trage dafür eine Verantwortung.
Eins geht nämlich nicht: Man kann sich hier nicht anmaßen – und das passiert gerade, das haben die Grünen im Hauptausschuss und auch hier noch einmal deutlich gemacht –,
die Anerkennung der Opfer und ihrer Leistungen, die sie erbracht haben und die Anerkennung des Unrechts, das sie erfahren haben, daran zu messen, ob man Ihrem Antrag zustimmt, dass es einen Anspruch auf den BerlinPass gibt, oder nicht. Das geht nicht.
Man kann unterschiedliche Positionen haben, wer einen Anspruch auf den Berlin-Pass hat oder nicht. Ich habe es im Hauptausschuss zu begründen versucht, übrigens mit mehr als dem einen Satz von Frau Pop. Aber diese historische Verantwortung und die Anerkennung der Opfer daran festzumachen, ob man dem Antrag der Grünen zustimmt, das ist übertrieben.
Ich hoffe, Frau Senftleben, Sie haben verstanden, was ich gesagt habe, auch zu Ihrem Einwand. Wir distanzieren uns von denjenigen, die die DDR verniedlichen, und wir tragen diese historische Verantwortung, die wir haben. Das sehen Sie auch an sehr vielen Beschlüssen meiner Partei.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD –‚ Michael Schäfer (Grüne): Aber wie haben Sie die Frage beantwortet, ob Sie der Bitte dieser Verbände nachkommen oder nicht? Wir haben sie hier beantwortet! – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind jetzt nach jahrelangem Chaos auf der Bundesebene endlich auf einem guten Weg bei der Neustrukturierung der Jobcenter. Wir werden dafür sorgen, dass auch nach dem 1. Januar die Jobcenter, dann gemeinsame Einrichtungen, weiter funktionieren und die Menschen ihr Geld und ihre Unterstützung erhalten. Die Entscheidung für zwölf gemeinsame Einrichtungen, also in jedem Bezirk eine, ist gefallen, und sie war richtig. Denn nur so kann die zweigliedrige Verwaltung in Berlin, einerseits Land, andererseits Bezirke, berücksichtigt werden. Und nur über diesen Weg ist die Mitsprache der Bezirke gesichert, und nur über diesen Weg können sie ihre Kompetenzen einbringen.
Der Rat der Bürgermeister fand zwar die Entscheidung, pro Bezirk eine gemeinsame Einrichtung beizubehalten, im Grundsatz richtig, hat aber letztlich dem Umsetzungsgesetz für Berlin nicht zugestimmt. Das ist bedauerlich. Der RdB hat an vielen Punkten Kritik benannt, aber vor allem hat er die Befürchtung – so ist es in der Stellungnahme zu lesen –, dass der Senat versucht, zentralistisch in die gemeinsamen Einrichtungen einzugreifen. Diese Kritik teilen wir nicht. Der Bundesgesetzgeber hat die Verantwortlichkeiten für Bund, Land und Kommunen festgelegt. Herr Prof. Finkelnburg hat es in seinem Gutachten genau dargelegt, was wir im Ausschuss diskutiert haben. Diese unterschiedlichen Verantwortlichkeiten kann man nicht einfach ignorieren.
Wir teilen allerdings andere Kritikpunkte und Befürchtungen, die der RdB genannt hat, z. B. die Frage, ob der erhöhte Arbeits- und Koordinierungsanfall mit dem vorhandenen Personal in den Bezirksverwaltungen zu leisten ist. Diese Frage stellt sich übrigens auch für die Hauptverwaltung. Da tragen wir eine Verantwortung, da müssen wir einfach gucken und wenn nötig muss das in der nächsten Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden.
Trotzdem bleibt ein Dissens zwischen der Landes- und der Bezirksebene. Den kann man auch nicht schönreden. Wir als Koalition wollen vor allem die landesweiten Steuerungsmöglichkeiten in der Arbeitsmarktpolitik erhöhen. Berlin ist ein Arbeitsmarkt, und das muss sich eben auch in der Praxis der Jobcenter widerspiegeln.
Deshalb ist es wichtig, dass die Senatsverwaltung mit der Regionaldirektion über die Ziele und Schwerpunkte der Berliner Arbeitsmarktpolitik verhandelt. Und es ist auch notwendig, dass die Senatsverwaltung mit der Regionaldirektion die grundlegenden Fragen zu einer Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen festlegt. Es geht also um einen Rahmen, der dann für ganz Berlin gilt. Und wir sagen: Darin bleibt natürlich der Spielraum für bezirkliche Besonderheiten. Und hier ist eben auch die bezirkliche Kompetenz gefragt. Deshalb begrüßen wir auch, dass der Senat dann noch mal beschlossen hat, bei der Berufung und der Abberufung von bezirklichen Mitgliedern in der Trägerversammlung die Bezirke mit einzubeziehen. Das war eine Forderung des RdB. Dem ist der Senat nachgekommen. Wir hoffen, dass dies als das Zeichen verstanden wird, als das wir es sehen. Wir wollen den Sachverstand der Bezirke und die Kompetenz von Bezirken und Senatsverwaltungen zusammenführen. Nur so sind wir gegenüber dem Bund, mit dem wir ja verhandeln müssen, stark. Und nur so können wir Verbesserungen für Langzeitarbeitslose verhandeln und weitere Verschlechterungen ablehnen.
Zum Schluss aber noch eine Bemerkung: Auch wenn die Umstrukturierung der Jobcenter im Sinne der Betroffenen gelingt und wenn wir qualitative Verbesserungen erreichen, die geplanten Einsparungen der Bundesregierung bei den Eingliederungsmitteln werden Konsequenzen für die Arbeitsmarktpolitik mit sich bringen, und sie werden vor allem bittere Einschnitte für die Arbeitslosen selbst nach sich ziehen. Das kann allerdings auch die beste gemeinsame Einrichtung nicht verhindern und kaum mildern.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen legen uns heute eine schöne Farbmelange vor: schwarz-gelbe Tricksereien bei den Regelsätzen – dem stimme ich zu – und rot-rotes Chaos bei den Jobcentern – das sehe ich anders. Schwarz-gelb, rot-rot – da fehlt doch etwas. Es fehlt die Farbe Grün.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, in Regierungsverantwortung waren. Auch Sie haben die HartzGesetze mitentwickelt. Auch Sie haben die Regelsätze mit festgesetzt und die Kinder als Miniaturerwachsene betrachtet, ohne den spezifischen Kinderbedarf festzustellen.
Was Sie hier heute beklagen, war auch Ihr Versagen, meine Damen und Herren von den Grünen.
Anstatt immer mit dem Finger auf andere zu zeigen, wäre es vielleicht einmal an der Zeit, zu den eigenen politischen Entscheidungen zu stehen
und dafür Verantwortung zu übernehmen. Trotzdem, meine Damen und Herren von den Grünen, kann man natürlich heute für Verbesserungen eintreten. Wenn Sie das tun, dann ist das sehr gut.
Es ist bekannt, dass meine Fraktion immer eine andere Position zu den Hartz-Gesetzen hatte als andere Parteien. Darüber haben wir ewig geredet. Wenn sich auch viele unserer Kritikpunkte bewahrheitet haben, ist das wenig Grund zur Freude, denn zu groß sind die sozialen Verwerfungen, zu groß sind das Armutsrisiko und die Perspektivlosigkeit, die diese Gesetze mit sich gebracht haben.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Neuberechnung der Regelsätze gab die Chance, die Fehler aus der langen Nacht im Dezember des Jahres 2004 auszuräumen, als im Vermittlungsausschuss das Hartz-IVGesetz dank der CDU noch verschlechtert wurde. Schwarz-Gelb hätte die Chance gehabt, Regelsätze existenzsichernd auszugestalten und eine transparente Berechnung vorzulegen. Schwarz-Gelb wollte das nicht und hat alles gründlich vergeigt.
Schwarz-Gelb hat – das haben meine Vorredner großenteils gesagt – keine transparente Berechnung der Regelsätze vorgelegt und hat auch nicht die spezifischen Bedarfe von Kindern berücksichtigt. Wir bezweifeln auch, dass das Existenzminimum – einschließlich der sozialen und kulturellen Teilhabe – abgesichert wurde. Das wurde von Bundesverfassungsgericht als Grundrecht bezeichnet. Das wiegt übrigens auch schwerer als das sogenannte Lohnabstandsgebot, auf dem die Bundesregierung jetzt immer wieder herumreitet.
Grundlage für die vorliegenden Berechnungen, Frau Kroll, waren prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Niedriglöhne. Wer vom Lohnabstandsgebot redet, der muss Löhne zur Grundlage machen, von denen man leben kann. Deshalb brauchen wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn.
Was die schwarz-gelbe Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, setzt die Spirale nach unten fort, denn sie hat eben nicht, Frau Kroll, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, alle Haushalte, deren Einkommen zur Deckung des Existenzminimums nicht ausreicht, aus der Berechnungsgrundlage herausgenommen. Stattdessen finden sich in den Referenzgruppen Aufstocker, die ergänzende Leistungen beziehen, weil sie nicht von ihrer Arbeit leben können, und auch die sogenannten versteckten Armen, deren Einkommen unter den Arbeitslosengeld-II-Sätzen
liegt. Dann verwundert es nicht, wenn das errechnete Existenzminimum so niedrig ausfällt wie jetzt. Da haben die Grünen recht: Hier wurde getrickst.
Das Ergebnis dieses Theaters ist, dass die Regelsätze um 5 Euro erhöht worden sind. Die Regelsätze für Kinder, die nach Feststellung der Bundesregierung zu hoch sind, sollen aber nicht gekürzt werden. Wie großzügig! Das ist nicht nur eine Verhöhnung der Arbeitslosen, sondern das wird die Gesellschaft weiter spalten.
Deshalb haben wir eine Entschließung vorgelegt, die den Senat auffordert, den neuen Regelsätzen und den Änderungen im II. und XII. Sozialgesetzbuch in der derzeitigen Form nicht zuzustimmen. Die geplanten Kürzungen im Bereich der Renten, des Elterngeldes und bei der aktiven Arbeitsförderung müssen abgelehnt werden, denn auch sie treiben die gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung weiter voran.
Zum vorliegenden Antrag der Grünen: Wir brauchen heute keinen Beschluss, der lautet „Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: 1. Das Abgeordnetenhaus stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht beschlossen hat …“ Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen. Da müssen wir nichts mehr feststellen. Wir müssen uns allerdings überlegen, wie wir mit dem Ergebnis umgehen, das die Bundesregierung vorgelegt hat. Dem sollte man nicht zustimmen. Hierzu sollten wir uns alle positionieren. Wir würden uns freuen, wenn die Grünen unserem Antrag zustimmen würden.
Noch einige Worte zu dem angeblichen rot-roten Chaos bei den Jobcentern, das die Grünen jetzt ausgemacht haben: Ihre Fragen, Frau Pop, haben mich überrascht. Vielleicht sollten Sie mehr im Ausschuss bleiben und zuhören und weniger herausrennen. Vor fast drei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht die Konstruktion der ARGEn als Mischverwaltung für verfassungswidrig erklärt. Fast genauso lange hat es gedauert, bis die Bundesregierung endlich ein Gesetz zur Neuordnung vorgelegt hat, dank dem Chaos, das die Union vor der Bundestagswahl veranstaltet hat.
Jetzt mussten wir entscheiden, ob wir optieren wollten, also alles in die kommunale Hand legen, wie die Grünen es fordern – die zwischendrin auch einen Positionswechsel vorgenommen haben –, oder ob wir in Berlin eine oder zwölf gemeinsame Einrichtungen schaffen wollen. Wir wollen keine Optionskommune werden, das hat die Koalition schon vor langer Zeit und schon mehrfach erklärt. Optionskommune bedeutet Kommunalisierung von Arbeitslosigkeit. Das bringt ganz viele Probleme mit sich, wie viele Untersuchungen zeigen. Wir haben uns für das Modell zwölf gemeinsame Einrichtungen in Berlin entschieden, denn dieses Modell berücksichtigt als einziges
den zweigliedrigen Aufbau in Berlin – Land und Bezirke. Das Land kann so seine landesweiten Steuerungsmöglichkeiten erhöhen. Dafür hat Frau Grosse schon eine ganze Reihe von Beispielen genannt, die brauche ich nicht zu wiederholen. Gleichzeitig brauchen wir die Kompetenz der Bezirke zum Beispiel bei den kommunalen Leistungen. Wir wollen auch die Mitgestaltung der Bezirke erhalten. Das alles bedeutet in einem viel höherem Maß als bisher Koordination und Kooperation zwischen Bezirken und Land. Das alles wird auch konfliktreicher als bisher vonstatten gehen. Das zeigt sich bereits jetzt.
Letztlich geht es um die Arbeitslosen. Unser Anliegen war: Wir wollen keine Verschlechterungen, sondern Verbesserungen. Dies wird nur gelingen, wenn die Kompetenzen von Senatsverwaltungen und Bezirken zusammengeführt werden. Deshalb war die Entscheidung für eine gemeinsame Einrichtung pro Bezirk richtig und hat mit Chaos nichts zu tun. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Integration ist nicht Anpassung und ist nicht Assimilation.
Integration ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Menschen bereit sind, sich zu verändern und zu einem vielfältigen Ganzen zusammenwachsen. Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation. Ja, Herr Henkel, wir verfolgen grundsätzlich unterschiedliche Ansätze. Darüber bin ich froh.
Mit Ihnen möchte ich an bestimmten Punkten wirklich nicht in einer Ecke stehen.
Die Gründe, die ich eben genannt haben, sind die Hintergründe für das Ihnen vorliegende Partizipations- und Integrationsgesetz. Wir wollen Integration durch Partizipation. In der Integrationsdebatte werden Migranten immer wieder als Problem dargestellt, als Menschen, die sich nicht integrieren wollen, die ihre eigenen Welten in Parallelgesellschaften führen. Wir konnten es in dem Antrag von Ihnen lesen.
Auch wir haben in Berlin ein Problem mit gesellschaftlicher Ausgrenzung von Berlinerinnen und Berlinern mit und ohne Migrationshintergrund. Deshalb haben wir die Kitas zu frühkindlichen Bildungseinrichtungen umgebaut, die ab dem dritten Jahr gebührenfrei sind. Wir haben das gegliederte Schulsystem weitgehend abgeschafft. Deshalb haben wir viele Maßnahmen in der Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik, die Migrantinnen und Migranten neue Wege in die Erwerbsarbeit eröffnen sollen. Das Land Berlin geht mit gutem Beispiel voran.
Wir haben mit der Kampagne „Berlin braucht dich“ den Anteil von Auszubildenden mit Migrationshintergrund binnen vier Jahren auf fast 20 Prozent annähernd verdreifacht.
Die Realität ist nicht allein problembeladen. Dies wird nur leider nicht wahrgenommen. Fast 40 Prozent der Berliner mit Migrationshintergrund zwischen 18 und 65 Jahren haben die Hochschulreife. Gleichzeitig aber ist der Anteil von Migranten in wichtigen Positionen wie Medien, Politik oder Wirtschaft viel zu gering; er steigt auch zu langsam. Und auch deshalb wollen wir ein Partizipations- und Integrationsgesetz, das den Schwerpunkt auf die Partizipation legt, das bestehende Strukturen öffnet, Teilhabe fördert und erleichtert.
Wir wollen mit dem Gesetz die Beteiligungsgremien, die es bereits gibt – nicht neue schaffen, Herr Henkel! –, gesetzlich festschreiben. Dazu gehört der Integrationsbeirat, die Beiräte in den BVVen, Integrationsbeauftragte auf Landes- und Bezirksebene, dazu gehören aber auch die vielen Beteiligungs- und Beratungsgremien in dieser Stadt. Wir wollen die interkulturelle Öffnung der Verwaltung. Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz müssen endlich als Qualifikation von Beschäftigten bei Einstellung und Beförderung anerkannt werden. Wir wollen auch, dass alle Maßnahmen überprüft werden, ob sie diskriminierend sind oder partizipations- und integrationsfördernd wirken.
Wir definieren „Migrationshintergrund“, um Daten erheben zu können. Wir wollen messen können, inwieweit es uns tatsächlich gelingt, diese Stadt auch interkulturell weiter zu öffnen. Der Vorschlag für das Partizipations- und Integrationsgesetz kam aus den Reihen der migrantischen Selbstorganisation im Integrationsbeirat, der seit sieben Jahren mit seiner meist ehrenamtlichen Arbeit die Integrationspolitik in dieser Stadt geprägt hat und prägt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!
Mein letzter Satz: Integration lässt sich nicht über Gesetze verordnen, aber Gesetze können Integrationsprozesse und
damit auch Teilhabe von vielen befördern. Das möchten wir mit unserem Partizipations- und Integrationsgesetz erreichen. – Danke!
Vielen Dank! – Ich frage den Senat:
1. Welche Erkenntnisse hat die Gemeinnützigkeitsprüfung bei der Treberhilfe, die im Nachgang der so genannten Maserati-Affäre durchgeführt wurde, ergeben?
2. Wann wird die Prüfung abgeschlossen sein?
Können Sie denn sagen, ob es jemals, also im Nachgang, bei der Treberhilfe eine Gemeinnützigkeitsprüfung gegeben hat, oder unterliegt das auch dem Steuergeheimnis?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen wird mit dem Fachkräftemangel immer mehr zum Thema. Das ist zwar gut, aber es geht dabei nicht allein darum, dem Fachkräftemangel zu begegnen; es geht in erster Linie bei dem Thema auch darum, die Rechte der Menschen zu stärken, die einen Anspruch darauf haben, dass ihr Wissen anerkannt wird und dass sie eine Chance bekommen, Erwerbsarbeit ausführen zu können. Integration durch Partizipation heißt auch, Zugänge in den Erwerbsarbeitsmarkt zu öffnen und Wissen und Ressourcen nicht einfach zu verschleudern.
Da will ich nur mal eine Zahl nennen: 38 Prozent der achtzehn- bis fünfundsechzigjährigen Berliner mit Migrationshintergrund haben Hochschulreife. Das ist mehr als bei den Herkunftsdeutschen, aber bei weitem arbeiten nicht alle auch im hochqualifizierten Bereich. Und man muss feststellen, dass das System zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und Qualifikationen unübersichtlich ist. So können beispielsweise ein Friseur oder eine Bäckerin, die ihre Fähigkeiten nachweisen, in dem jeweiligen Beruf beschäftigt werden. Ein formaler Abschluss ist dabei nicht nötig. Will die Bäckerin aber als selbstständige Meisterin arbeiten, braucht sie die formale Anerkennung eines Berufsabschlusses. Noch unübersichtlicher ist das alles im akademischen Bereich, auch von der gesetzlichen Lage her. Und die Arbeits- und Sozialminister haben im letzten Jahr auf Initiative von Berlin und Bayern einstimmig einen Antrag zum Thema Berufsanerkennung mit unterschiedlichen Forderungen an die Bundesregierung verabschiedet. Diese hat angekündigt, dazu etwas vorzulegen. Das schreibt ja auch die FDP in ihrem Änderungsantrag, und Sie fordern auf, das zu unterstützen. Und da sage ich Ihnen mal: Das würden wir ja gerne.
Nur leider hat die Bundesregierung bislang noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt wie angekündigt, sondern nach wie vor ist es das Eckpunktepapier aus dem letzten Jahr, mehr gibt es leider nicht.
Das ist auch der Punkt, wo wir gesagt haben, wir möchten nicht länger darauf warten, dass die Bundesregierung etwas vorgelegt hat. Wir wollen schon noch mal gucken, dass man auf Landesebene Schritte einleitet, die dazu führen, dass Menschen mit anerkannten Berufsabschlüssen eine zweite Chance erhalten.
Es gibt in Berlin gute Beispiele wie das Projekt „Starke Frauen“ oder in Marzahn-Hellersdorf das Projekt „Arbeit und Integration für russischsprachige Akademikerinnen und Akademiker“. Es gibt aber auch viele andere gute Beispiele in anderen Bundesländern, von denen wir lernen können. Ein Beispiel haben wir genannt, das Weiterbildungsprojekt für Ärztinnen und Ärzte in Brandenburg. Etwas Ähnliches gibt es in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir brauchen auch mehr Transparenz im Zuständigkeitsdschungel. Deshalb nenne ich ein weiteres Beispiel. Wenn man einen Blick nach Brandenburg wirft, wird man feststellen, dass die vor Kurzem ein Internetportal eröffnet haben, das Beratungen und Hilfe und Zuständigkeiten deutlich macht und für alle eine Hilfe ist. So etwas bräuchten wir in Berlin auch. Da müssten sich alle beteiligten Senatsverwaltungen zusammensetzen und so etwas schaffen; deshalb unser Antrag. Wir glauben, dass es sehr viele Ideen gibt, die man hier schon einmal umsetzen kann. Wir hoffen weiterhin darauf, dass die Bundesregierung etwas vorlegt, was wir dann auch unterstützen würden. – Danke!
Meine Frage richtet sich an Senatorin Bluhm. – Frau Senatorin! Die Bundesarbeitsministerin hat angekündigt, dass sie die Bedingungen für die Leiharbeit verbessern möchte. Wie bewertet der Senat diese Vorschläge?
Man kann ja vermutlich nicht davon ausgehen, dass ein Großteil der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter vorher in dem Betrieb schon einmal beschäftigt war. Habe ich das insofern richtig verstanden, dass es für alle anderen, die vorher nicht in dem Betrieb beschäftigt waren, eigentlich gar keine großartigen Verbesserungen geben wird?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ihr Antrag geht von einer falschen Annahme aus. Das hat auch Frau Müller bereits gesagt. Es gibt keine unverausgabten Ausbildungsmittel, die sich einfach zusätzlich für Ausbildung verwenden lassen. Noch einmal: Ausbildungsmittel können niemals eins zu eins ausgegeben werden. Die Veranschlagung setzt nicht direkt an dem Tag des Ausbildungsbeginns an. Man weiß nicht, wer seine Ausbildung früher beendet. Man weiß auch nicht, wer seine Ausbildung abbricht. Man kann also viele Sachen nicht voraussagen.
Und wenn Sie sich noch einmal die rote Nummer ansehen, die wir im April im Hauptausschuss hatten, dann werden Sie dies auch dort alles nachvollziehen können. Sie werden auch feststellen, dass die Höhe der unverbrauchten Mittel – die gibt es ja – von Jahr zu Jahr enorm schwankt. Und da liegt Ihr Denkfehler. Eine Ausbildung dauert drei Jahre, und deshalb muss eine Ausbildung drei Jahre finanziert werden. Es reicht also nicht, den Blick nur auf ein Jahr zu richten. Nichtsdestotrotz finden auch wir, dass das Problem der Altbewerberinnen und Alt
bewerber nach wie vor vorhanden ist – nicht erst seit heute –, und wir haben darüber schon sehr oft gesprochen.
Es gibt vielfältige Gründe, warum diese jungen Menschen keinen Ausbildungsplatz erhalten haben. Wir sind davon überzeugt, dass nicht alle Probleme bei den Jugendlichen liegen. Aber es heißt immer wieder, dass sie nicht ausbildungsfähig sind. Das ist die Klage der Arbeitgeber seit vielen Jahren. Wenn die Altbewerber von der Schule kommen, werden sie dann in Maßnahmen geschickt. Diese Maßnahmen sollen dazu dienen, die Ausbildungsfähigkeit herzustellen. Frau Herrmann hat eben auch so gern diesen Begriff benutzt: Wenn sie ihre Ausbildungsfähigkeit hergestellt haben, wird es bei jeder Bewerbung negativ angesehen. Man redet von Warteschleifen. Das ist einfach ungerecht.
Die Zugangsvoraussetzungen für Ausbildungen haben sich in den letzten Jahren immer weiter verändert; sie wurden hochgeschraubt. Sie wurden so hochgeschraubt, dass Jugendliche ohne mittleren Schulabschluss heute kaum eine Chance haben. Auch das ist unwürdig. Das Problem ist und bleibt, dass wir nicht genug Ausbildungsplätze zur Verfügung haben. Die Wirtschaft drückt sich davor auszubilden.
Doch, das stimmt. Die Fachkräftestudie BerlinBrandenburg hat erneut aufgezeigt, dass der Schlüssel zur Fachkräftesicherung betriebliche Ausbildungsplätze sind und bleiben. Wenn Sie jetzt sagen, dass es nicht stimmt, kann ich nur auf die Zahlen verweisen. Schauen Sie sich diese einmal genau an! Sie werden feststellen, dass die Berliner Wirtschaft, die über Fachkräftemangel klagt, rund einem Drittel der jährlichen Ausbildungsplatzbewerber überhaupt keinen Ausbildungsplatz anbietet.
Schon rein rechnerisch kann sich so die Zahl der Wartenden nicht abbauen. Damit sägt die Berliner Wirtschaft an dem Ast, auf dem sie sitzt, und verwehrt ganz vielen Jugendlichen die berufliche Zukunft. Hier liegt der Skandal.
Wen trifft es? – Es trifft besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund. Wenn Sie sich da die Zahlen anschauen, werden Sie feststellen, dass deren Anteil noch einmal weit niedriger ist als die Jugendlichen in anderen Ausbildungsplätzen. Hier werden Potenziale vergeudet. Was wir brauchen, sind betriebliche Ausbildungsplätze und am besten in zukunftsträchtigen Berufen.
Hier liegen im öffentlichen Dienst ungenutzte Potenziale. Ich bedauere es, dass der Senat unsere Vorschläge hier eben nicht ausreichend aufgenommen hat, und finde nach wie vor, dass neue Wege angebracht sind. Das ist aber ein anderes Thema, das wir an anderer Stelle diskutieren
sollten. Ihr Antrag von der CDU ist nicht geeignet, um zu einer substanziellen Vermittlung der Altbewerber hin zu führen. Er ist auch finanztechnisch nicht umsetzbar. Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Herr Czaja! Ich frage jetzt doch noch einmal nach. Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass nur die Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz erhalten, ausbildungsfähig sind und alle anderen nicht in der Lage sind, eine Ausbildung erfolgreich zu absolvieren?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die uns vorliegenden Anträge sind ein buntes Potpourri völlig unterschiedlicher Forderungen: Flexibilisierungen arbeitsrechtlicher Regelungen, einfaches Steuerrecht, Repressionen gegen Arbeitslose, wie Herr Thiel gerade noch einmal ausführlich dargestellt hat. Was Sie hier fordern, darauf möchte ich nur noch mal hinweisen, sind Bundesgesetze. Sie sind Teil dieser Bundesregierung – wenden Sie sich bitte da hin, wenn Sie Bundesgesetze ändern wollen.
Was Ihr Antrag nicht leistet, ist, dass er sich mit der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in Berlin auseinandersetzt. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob Sie überhaupt mitbekommen haben, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Berlin angestiegen ist. Es stellt sich auch die Frage, ob Sie mitbekommen haben, inwieweit Arbeitslosigkeit in Berlin abgebaut wurde und dass sie weiter zurückgegangen ist als im bundesweiten Durchschnitt. Wirtschaftspolitisch haben wir in Berlin die richtigen Prioritäten gesetzt – das konnte Sie bei der McKinsey-Studie nachlesen, und die Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg hat noch mal deutlich gemacht, dass unser Schwerpunkt, Beschäftigte und Arbeitslose zu qualifizieren, genauso richtig ist wie die Strategie, auf die Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund zu setzen.
Das alles, liebe FDP, ignorieren Sie. Sie fordern Arbeit um jeden Preis, auf jeden Fall im ersten Arbeitsmarkt. Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht, dann muss eben über öffentliche Mittel aufgestockt werden. Das ist eine gigantische, öffentlich finanzierte Subventionsmaschinerie für private Unternehmen, die damit über Niedriglöhne Extraprofite erzielen.
Das ist bereits Alltag in diesem Land. Viele Menschen – Frau Grosse hat es schon gesagt – können von ihrer Arbeit nicht leben, auch wenn sie Vollzeit arbeiten. Das Problem, liebe FDP, lösen Sie nicht über branchenspezifische Tarifverträge, denn Sie wissen ja, dass die Tarifbindung abnimmt. Wenn Sie jetzt auf einmal auf Tarifverträge insgesamt setzen, dann wissen Sie auch, dass Tarifverträge kein Garant mehr für existenzsichernde Arbeitsplätze sind. Deshalb brauchen wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn.