Protocol of the Session on April 30, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 46. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich.]

Am 9. April 2009 verstarb nach schwerer Krankheit der frühere Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft Volkmar Strauch. Mit ihm verlieren wir einen über die Grenzen Berlins hinaus anerkannten Beamten und geschätzten SPD-Politiker, der sein Berufsleben lang für die Berliner Wirtschaft gearbeitet hat.

Volkmar Strauch wurde am 1. Januar 1943 in Halle geboren. Er ging in Celle und Hannover zur Schule. Von 1962 bis 1966 studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Marburg und Kiel.

Volkmar Strauch war bis 1975 beim Bundeskartellamt tätig und kam dann als Leiter des Referats „Landeskartellbehörde, Verbraucherpolitik, Preispolitik, Öffentliches Auftragswesen“ in die Senatsverwaltung für Wirtschaft. 1988 wechselte er zur Industrie- und Handelskammer zu Berlin und verantwortete schließlich dort als Geschäftsführer den Bereich „Planung, Umwelt, Recht und Finanzen“ der Kammer.

Bei der Neubildung des Senats 2002 wurde Volkmar Strauch zum Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft berufen. Er war maßgeblich an der Einrichtung der One-Stop-Agency, also an der Fusion der Berliner Absatzorganisation, der Wirtschaftsförderung Berlin und der Partner für Berlin zu einer Anlaufstelle für Investoren beteiligt. Ein wichtiges Anliegen war ihm die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Exportfähigkeit der Berliner Industrie. Er setzte sich für die Konzentration der Förderung auf bestimmte, eng umschriebene Wirtschaftsbereiche ein. Die Förderung der Gesundheitswirtschaft war einer seiner Arbeitsschwerpunkte.

Neben seiner Arbeit als Staatssekretär vertrat er Berlin in zahlreichen Aufsichtsräten und war als Honorarprofessor an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft tätig. Als Vorstandsmitglied und Mitbegründer der Berliner Wirtschaftsgespräche hat er stets aktiv an dieser Plattform der Begegnung zwischen Politik und Wirtschaft mitgearbeitet.

Volkmar Strauch war seit 1971 Mitglied der SPD.

Volkmar Strauch stand der Stadt auch nach seinem Ausscheiden als Wirtschaftsstaatssekretär am 1. Januar 2008 mit seiner Kompetenz, mit seinem persönlichen Rat und

mit seiner Arbeitskraft zur Verfügung. Er brachte sich auch dann mit viel Elan und in seiner ruhigen und sachlichen Art in die Arbeit für die Berliner Wirtschaft und für Berlin ein.

Volkmar Strauch war ein hoch kompetenter Wirtschaftsfachmann. Er war ein bescheidener Mensch, er war verbindlich, sachlich und freundlich im Auftritt, verbunden mit Offenheit und Menschlichkeit. Wir nehmen Abschied von einem Beamten und Politiker, der sich für das Wohl Berlins stets mit ganzer Kraft eingebracht und verdient gemacht hat.

Wir werden Volkmar Strauch und seine Leistung für Berlin nicht vergessen.

[Gedenkminute]

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Volkmar Strauch erhoben. Ich danke Ihnen.

Als jetzt amtierenden Fraktionsvorsitzenden der FDP habe ich den Kollegen Meyer zu begrüßen. – Herzlich willkommen! Sie sind ja ein alter Hase. Auf gute Zusammenarbeit!

[Beifall]

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Geschäftliches mitzuteilen, zunächst die Änderung einer Ausschussüberweisung. Der Antrag der Fraktion der CDU über mehr Personaleinsatz der Polizei für die Jugendverkehrsschulen, Drucksache 16/1919, in der 38. Sitzung federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und an den Hauptausschuss überwiesen, soll nunmehr federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und an den Hauptausschuss überwiesen werden. – Widerspruch höre ich dazu nicht, dann wird so verfahren.

Dann kommen wir zur Zurückziehung von Anträgen. Der Antrag der Fraktion der CDU über „Die deutsche Sprache als Kulturgut schützen“, Drucksache 16/1206, überwiesen in der 25. Sitzung am 28. Februar 2008 federführend an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten sowie mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg wird nunmehr zurückgezogen.

Der Antrag der Fraktion der CDU über Gedenken an den Beginn der Luftbrücke vor 60 Jahren, Drucksache 16/1253, überwiesen in der 26. Sitzung am 13. März 2008 an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten, wird ebenfalls zurückgezogen.

Die schriftliche Antwort des Senats, Drucksache 16/2343, auf die Große Anfrage über finanzielle Auswirkungen der Schließung und städtebaulichen Entwicklung des Flughafens Tempelhof, Drucksache 16/1969, ist eingegangen.

Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Gegen Gewalt – Berlinerinnen und Berliner für einen friedlichen 1. Mai“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Berlin vor dem 1. Mai – Senat hilflos gegen Brandanschläge, Sachbeschädigungen und linke Gewaltexzesse!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Nach dem Volksentscheid aufeinander zugehen – Ethik- und Religionsunterricht gemeinsam weiterentwickeln“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Brennende Autos als Vorboten eines heißen 1. Mai? Was tut der Senat, um die Bürger vor gewaltbereiten linken Chaoten zu schützen?“.

Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich jetzt auf. Das Wort für die SPD und die Linksfraktion hat der Kollege Gaebler. – Bitte schön, Herr Gaebler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit über 100 Jahren ist der 1. Mai der Tag der Arbeit, der Kampftag der Arbeiterklasse, ein Tag der politischen Demonstrationen und der Maifeiern. Das ist den vergangenen Jahren manchmal etwas in den Hintergrund gerückt, aber wir wollen heute noch einmal deutlich darauf hinweisen: Es ist der Tag der Arbeit, der Tag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und er soll es auch bleiben! [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Und das hat auch seinen Grund: An diesem Tag sind Arbeiter und Arbeiterinnen auf die Straße gegangen, um für soziale Gerechtigkeit, um für Mindestlöhne, angemessene Lebensbedingungen und ähnliches zu kämpfen.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Natürlich ging es bei den ersten 1.-Mai-Demonstrationen auch um Stundenlöhne, das haben Sie vielleicht verdrängt, Herr Lindner. Sie denken, das sei eine Erfindung der SPD, aber das ist eine Erfindung der Arbeiterbewegung, die das schon 1890 zum Ausdruck gebracht hat und das die SPD seitdem auch mit vertritt. Dass man von dem Erlös seiner Arbeit auch leben können muss, ist für uns eine zentrale Grundforderung, und das steht auch in der Tradition der 1.-Mai-Demonstrationen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wir wollen an diesem Tag auch daran denken, dass viele soziale Errungenschaften keine Selbstverständlichkeit sind, sondern dass sie über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hart erkämpft wurden.

[Genau! von der SPD – Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Der wird abgeschafft!]

Deshalb ist der 1. Mai auch ein Gedenktag an die Vielen, die das mit erarbeitet haben.

Wenn Sie, Herr Dr. Lindner, dazwischenrufen, der wird abgeschafft, dann ist das genau die Ideologie, die wir Ihnen immer unterstellen. Sie sind die Partei der Besserverdienenden, das wissen wir,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von der FDP)]

Sie haben kein Verständnis für die arbeitende Bevölkerung, danke, dass Sie das hier noch einmal demonstrieren.

Gerade wegen Leuten wie Ihnen ist es wichtig, dass man am 1. Mai auf die Straße geht und diese jahrhundertealte Tradition weiterhin aufrechterhält und daran erinnert. Wir treten dafür ein, und es gibt in dieser Gesellschaft eine Mehrheit für soziale Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wenn nun andere versuchen, darauf ihr politisches Süppchen zu kochen, dann ist das problematisch. Die NPD versucht seit längerem, den 1. Mai zum Tag ihrer ideologischen Darbietung zu machen. Wir finden es richtig, dass die Bürgermeisterin von Treptow-Köpenick zu Protesten dagegen aufruft – der 1. Mai gehört den Demokraten, keine nazistische Propaganda am 1. Mai in Köpenick – und dass man als Bürgergesellschaft dem friedlich entgegentritt. Wir unterstützen den Aufruf und fordern alle auf, sich am 1. Mai an den Märschen gegen die NPD zu beteiligen. Der 1. FC Union ruft z. B. auch dazu auf – es gibt ein breites Bündnis, das an diesem 1. Mai gegen die NPD, gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen will.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Es gibt auch noch andere, die in Internetforen die Polizei als Repressionsapparat bezeichnen. Die Kreuzbergerinnen und Kreuzberger sind da weiter; sie sehen die Polizei auch als Verbündete, die ihr Eigentum und ihre Sicherheit schützt – das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen, und das ist auch ein Ergebnis einer guten Zusammenarbeit zwischen Polizei und Zivil- und Bürgergesellschaft. Das muss weitergehen, das muss gestärkt werden, das ist eine der großen Errungenschaften, die wir mit dem rot-roten Senat vorangetrieben haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Joachim Esser (Grüne)]

Der 1. Mai ist, wie schon gesagt, auch ein Tag politischer Demonstrationen, aber das Anzünden von Autos von Arbeitnehmern ist keine politische Demonstration, sondern ein Ausweis politischer Dummheit.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Und das von Arbeitgebern?]

Es ist mir völlig egal, wessen, das Eigentum anderer zu beschädigen ist grundsätzlich kein Ausdruck politischer Reife. – Was aber noch hinzukommt, ist, wenn selbst ernannte Kiez-Taliban bestimmen wollen, wer in ihrem

Bereich leben darf und was dort zu machen ist. Das hat mit Politik überhaupt nichts zu tun, sondern das ist eine beispiellose Anmaßung, der die demokratische Gesellschaft entschlossen entgegentreten muss.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Christoph Meyer (FDP): Das sagen Sie mal Ihrem Koalitionspartner!]

Es gibt sicherlich auch andere aktuelle Themen, die man heute besprechen könnte – die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Thema „Pro-Reli-Abstimmung“ angemeldet. Wir glauben, dass es natürlich ein großer Erfolg ist, dass ganz klar Nein zu „Pro Reli“ gesagt wurde, dass sich die Berlinerinnen und Berliner zum gemeinsamen Ethikunterricht bekannt haben.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]