Protocol of the Session on February 22, 2007

Ich eröffne die 7. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die erfreuliche Gelegenheit, den neuen Staatssekretär in der Justizverwaltung, Herrn Hasso Lieber, in unserer Mitte zu begrüßen. – Herr Lieber, herzlich willkommen! Gute Zusammenarbeit und viel Erfolg bei der Arbeit!

[Beifall]

Dann komme ich zum Geschäftlichen. Die Fraktion der CDU hat ihren Antrag „Verwendungszeit für Überhangkräfte bei der Bekämpfung der organisierten Wirtschaftskriminalität auf dem Arbeitsmarkt verlängern!“, Drucksache 16/0116, der in der 4. Sitzung am 14. Dezember 2006 zur Beratung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss überwiesen worden ist, zurückgezogen.

Am Montag, dem 19. Februar 2007, sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Mit Sicherheit Berlin – Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Wirtschaftsstandort Berlin stärken – Flughafen Tempelhof offen lassen!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Berlin zur Hauptstadt des Klimaschutzes machen – erneuerbare Energien ausbauen, Energiesparpotenziale nutzen, neues Kohlekraftwerk verhindern!“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Arbeitslosigkeit, Armut, Anarchie an Schulen – aber Hauptsache Herrn Wowereit geht’s gut!“.

Zur Begründung, aber nur zur Begründung der Aktualität, rufe ich jetzt für die Fraktion der SPD und der Linksfraktion Frau Hertel von der SPD auf. – Bitte, Sie haben das Wort!

[Volker Ratzmann (Grüne): Jetzt bin ich aber gespannt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört zu den Gepflogenheiten oder Regeln dieses Hauses, dass antragstellende Fraktionen ihre Anträge für den Tagesordnungspunkt „Aktuelle Stunde“ begründen – weniger das Thema an sich denn die Aktualität.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Dann lassen Sie mal hören!]

Leidvolle Erfahrungen – die Bemerkungen, die mir hier entgegenschallen, unterstreichen das –, die wir in diesem Hause schon hatten, sagen uns: Manchmal war es auch erforderlich, dass die Aktualität begründet wird. Ich bin seit sieben Jahren Mitglied dieses Hauses und kann – wie einige von Ihnen – ein Lied davon singen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass das heutige Thema der SPD und der Linksfraktion „Mit Sicherheit Berlin – Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität“ mir in meiner Vorbereitung für die Begründung der Aktualität wenig Probleme gemacht hat. Ich merke allerdings an den Zurufen, dass für Sie – anders als für mich – die Gründe offenbar doch nicht so sehr auf der Hand liegen.

[Volker Ratzmann (Grüne): Stimmt!]

Darum möchte ich die mir zur Verfügung stehende Redezeit von fünf Minuten ausnutzen – anders, als ich bei meiner Vorbereitung dachte –, um Ihnen zu erklären, warum dieses Thema aktuell ist und wir uns heute damit befassen müssen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt haben Sie schon drei Minuten verschwendet! – Weitere Zurufe]

Ich werde dann, schon damit die Stimmung hier ein bisschen steigt und wir uns für die folgende Diskussion über dieses Thema so richtig warm machen, mit einigen Punkten anfangen, die im ersten Augenblick wenig aktuell scheinen. Wir schreiben das Jahr 2004 – Madrid –, 2005 – London –, und vor sechs Monaten und 22 Tagen – Deutschland.

[Mario Czaja (CDU): Was?]

Ja, meine Herren von der CDU, ich glaube Ihnen gern, dass Sie das vergessen haben! Gott sei Dank ging der Kelch noch einmal an uns vorbei. – Seit Wochen diskutieren unsere Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene die Frage des erweiterten, mit neuem Mandat oder nicht ausgestatteten Afghanistaneinsatzes. Sie diskutieren, inwieweit Tornados über Afghanistan dann wohl doch nicht nur nach neuen Brunnenbohrlöchern suchen werden. Unstrittig ist in dieser Diskussion – ich bin mir sicher, da bin ich mit jedem von Ihnen einig, auch wenn wir die politische Diskussion jetzt bitte nicht über Afghanistan führen –, dass dieser Einsatz definitiv auch Auswirkungen auf uns und unsere innen- und sicherheitspolitische Situation hat, weil wir noch näher in den Fokus islamistischer Terroristen und fundamentalistischer Ideen geraten. Damit Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Anders als offenbar Ihnen, Herr Henkel, ist mir bereits seit einiger Zeit klar, dass die Bedrohungslage in dieser Stadt und in diesem Land deutlich ernster ist, als es von der Bevölkerung realisiert wird. Das mag daran liegen, dass ich aufgrund meiner Aktivität und meiner Tätigkeit im Innenausschuss vielleicht ein bisschen näher dran bin.

[Volker Ratzmann (Grüne): So weit geht ja noch nicht mal Herr Henkel!]

Der BKA-Chef Zielke hat in einem Interview von vor einer Woche noch einmal dargestellt, dass es seit 2000 sechs massive Anschlagversuche gegeben hat, die teils

aus Glück und teils aufgrund intensiver Präventionsarbeit der Polizei und der entsprechenden Sicherheitsbehörden vereitelt werden konnten. Aber heute vor einer Woche hat in Madrid das in Europa vermutlich größte Verfahren gegen islamistische Terroristen begonnen, gegen die Zugattentäter.

[Zurufe von den Grünen]

Meine Damen und Herren von den Grünen! Nicht dazwischenquatschen, sondern einfach mal zuhören, wie wäre es damit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bei dem Rumgeplärre – bitte entschuldigen Sie die Formulierung, aber anders kann ich es nicht sagen –, Herr Mutlu, muss ich davon ausgehen, dass Sie nicht einmal wissen, dass vor einer Woche der europaweit größte Sicherheitskongress in dieser Stadt stattfand.

[Zurufe von den Grünen]

Und die haben sich mit Sicherheit nicht nur mit Fragen harmloser innerer Probleme beschäftigt, sondern ihre Schwerpunkte waren Terrorismus und organisierte Kriminalität.

[Özcan Mutlu (Grüne): Peinlich, peinlich!]

Das Urteil des BGH zur Online-Überwachung geht seit einigen Wochen als Thema durchs Land, und es wird mit wenig hilfreichen Argumenten diskutiert.

[Michael Braun (CDU): Wie lange darf sie noch reden?]

Ich gehe davon aus, dass Ihnen das alles – insbesondere deshalb, weil es von Ihnen so vehement niedergeschrieen wurde –, sehr wohl deutlich gemacht hat, dass es hier nicht mehr nur um die Aktualität dieses Themas geht.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Nein! Es ist höchste Zeit, dass wir uns mit dem Thema innere Sicherheit und der Frage, wie Berlin zu diesem Thema aufgestellt ist, in diesem Haus befassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Peinlich, kann ich nur sagen!]

Zur Begründung der Aktualität des Themas der CDUFraktion hat Herr Dr. Pflüger, der Fraktionsvorsitzende, das Wort! – Bitte schön, Herr Dr. Pflüger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Guten Tag, Herr Regierender Bürgermeister!

[Heiterkeit bei der CDU]

Wir hoffen alle, dass Sie nach Ihrem Ausflug in das Saarland wieder gut in Tempelhof gelandet sind.

[Ah! von der SPD und der Linksfraktion]

Wir sehen in der Tatsache, dass Sie sich gegen den Morgenflug um 8.00 Uhr nach Schönefeld entschieden haben und lieber etwas später nach Tempelhof geflogen sind, ein heimliches Bekenntnis zum Flughafen Tempelhof, und das gibt uns allen große Hoffnung.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir uns – ganz egal, wo wir politisch stehen – über die Frage Tempelhof nach dem in der letzten Woche ergangenen Urteil austauschen.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fragen Sie Herrn Diepgen!]

Bevor ich einige Fragen zur Begründung der Aktualität an das Haus und an den Regierenden Bürgermeister richte, möchte ich Folgendes sagen: In einem Punkt stimmen wir alle in diesem Haus überein, und das sollte sozusagen der Obersatz sein: Niemand will den Großflughafen BBI, den Berlin braucht, gefährden, schon gar nicht die Fraktion der CDU.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Ha, ha! von der Linksfraktion]

Aber es ist eben sehr aktuell, wenn Herr Wolf, der Wirtschaftsminister dieser Stadt, gestern in „Spreeradio“ sagt:

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Was Sie alles hören!]

Mit Herrn Lauder habe ich das letzte Mal vor zwei Jahren in einem ganz anderen Zusammenhang gesprochen. Ich habe mit ihm über sein TempelhofProjekt nicht gesprochen. Es gab einen Gesprächsversuch von Herrn Langhammer mit dem Regierenden Bürgermeister. Ob dieses Gespräch zustande gekommen ist, weiß ich nicht.

Man kann zu Tempelhof stehen, wie man will. Aber da kommt ein Investor und sagt, er gibt 350 Millionen €, er schafft 1 000 Arbeitsplätze, und der Wirtschaftsminister dieser Stadt hält es nicht einmal für notwendig, mit dem Investor zu reden, und weiß nicht einmal, ob der Investor mit dem Regierenden Bürgermeister gesprochen hat. So kann man in dieser Stadt nicht Politik machen, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU und der FDP]