Protocol of the Session on February 19, 2009

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 42. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, begrüße Sie alle und unsere Gäste sowie die Zuhörer sehr herzlich.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Geschäftliches mitzuteilen, erstens die Zurückziehung von Anträgen. Der Antrag der Fraktion der FDP über „Besserer Gesundheitsschutz durch effektive Schädlingsbekämpfung!“ Drucksache 16/1709, überwiesen in der 34. Sitzung am 11. September 2008 an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, wird zurückgezogen.

Der Antrag der Fraktion der CDU über „Prüfungsauftrag hinsichtlich der Einrichtung weiterer Kapazitäten für Klagen aus Versicherungsverträgen beim Landgericht Berlin“ Drucksache 16/2127, eingebracht zur heutigen Sitzung unter Tagesordnungspunkt 41, wird zurückgezogen.

Die schriftliche Antwort des Senats Drucksache 16/2113 auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke Drucksache 16/1838 „Berliner Konzepte zur Weiterentwicklung der Interventions- und Präventionsansätze gegen häusliche Gewalt“ ist eingegangen. Die anfragenden Fraktionen bitten um Überweisung der Großen Anfrage sowie der schriftlichen Antwort des Senats an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen. – Ich höre vom Senat hierzu keinen Widerspruch, dann ist dies so beschlossen.

Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD zum Thema: „Attraktivität Berliner Schulen weiter erhöhen – Bedingungen für Schüler und Lehrer verbessern“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Wowereits einsame Entscheidung zur Nachnutzung von Tempelhof macht die Senatorin für Stadtentwicklung überflüssig und zementiert eine nur temporäre Nutzung der Hauptflächen“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Wowereit verspielt Berlins Chancen bei der Föderalismuskommission“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Vermietung von Tempelhof: Jetzt müssen alle Fakten auf den Tisch – ehrlich und öffentlich“.

Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich nunmehr den Kollegen Graf von der Fraktion der CDU auf. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs kurz auf die Anträge der anderen Fraktionen eingehen, bevor ich den Antrag unserer Fraktion begründe. Die Regierungsfraktionen haben für die Aktuelle Stunde eine schulpolitische Diskussion angemeldet. Das ist nachvollziehbar. Schließlich sind die katastrophalen Zustände, die wir an den Berliner Schulen täglich erleben, unter Ihrer Führung zu einem aktuellen Dauerthema geworden, und das wird es auch bleiben.

Der Antrag der Fraktion der Grünen lässt zumindest mein Herz als Finanzpolitiker höher schlagen. Wir glauben auch, Herr Kollege Ratzmann, dass sich in der Tat die Frage stellt, ob die laxe Verhandlungsführung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit bei der Föderalismuskommission womöglich den Interessen des Landes Berlin geschadet hat. Wir finden auch, dass das hier schnellstmöglich besprochen werden sollte.

Für die heutige Aktuelle Stunde allerdings wartet das Parlament darauf, dass der Senat endlich für die umstrittene Vermietung des Flughafens Tempelhof Fakten präsentiert. Das sehen wir genauso wie die FDP-Fraktion und haben – in anderer Formulierung – einen Antrag eingebracht. Seit Wochen sorgt die Vermietung des Flughafens Tempelhof an die Modemesse „Bread and Butter“ für Aufregung in der Stadt.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Bei der CDU!]

In den letzten Tagen haben sich gleich mehrere Ausschüsse dieses Hauses, zuletzt gestern der Hauptausschuss, mit dieser Angelegenheit befassen müssen. Am Ende dieser parlamentarischen Beratungen bleibt ein Bild von Intransparenz, von Unstimmigkeiten und Kommunikationspannen bei der Vergabe, aber auch von Selbstherrlichkeit einer Regierung und von Arroganz der Macht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

So wurde von der Berliner Wirtschaft vor einigen Tagen das Verfahren scharf kritisiert. Ich erlaube mir, den Hauptgeschäftsführer der IHK, Herrn Jan Eder, aus der Sitzung vom vergangenen Montag im Stadtentwicklungsausschuss zu zitieren: So, wie das Verfahren mit Tempelhof-Investoren gelaufen ist, schadet es der Verlässlichkeit der Stadt.

Doch welchen Anteil hat der Regierende Bürgermeister an diesem Dilemma? – Mit der ihm eigenen Selbstherrlichkeit verkündete Herr Wowereit im Ausschuss: Mit diesem Vertrag ist eine Schlüsselentscheidung für die Nachnutzung des Flughafens Tempelhof getroffen worden. – Eine Antwort zu den Fakten dieser Entscheidung bleibt er schuldig. Das Informationsbedürfnis der Opposition mit dem Wunsch, den Vertrag in den geheimen Datenraum einzustellen, lehnt er kategorisch ab. Jede Auskunft über eine für den Mietvertrag nun wirklich wesentliche Information, die Miethöhe, wird verweigert. Dies ist ein inakzeptabler Umgang mit dem Parlament.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Wir fragen uns, Herr Regierender Bürgermeister: Wenn Sie den Vertrag für eine gute Sache halten und sich ver- sprechen, dafür gefeiert zu werden, was haben Sie eigentlich gegenüber dem Parlament zu verbergen?

Bei der Frage nach der politischen Verantwortung zeigen alle Senatsmitglieder auf die Berliner Immobilienmanagement GmbH, BIM. Man hat den Eindruck, die BIM wird in unerträglicher Art und Weise als eine Art von Schattenhaushalt genutzt, um mit einer privatrechtlichen Organisation zu verhindern, dass Verträge offengelegt werden. Das Defizit bei den Betriebskosten des Flughafens wird zwischen Haushalt und BIM hin und her geschoben, sodass am Ende keiner mehr den Überblick hat, wie hoch es überhaupt ist.

Auch einen Senatsbeschluss gibt es dazu nicht. Dass die zuständige Senatorin, Frau Junge Reyer, nicht mit einbezogen worden ist, kann man wohl inzwischen feststellen: Herr Sarrazin hat gestern im Hauptausschuss die Chronologie der Vertragsanbahnung erläutert. Mitte November, der Regierende Bürgermeister erfährt von dem Interesse der Modemesse, Ende November, Herr Sarrazin wird eingeweiht, kurz vor Weihnachten, waren sich nach den Ausführungen Sarrazins die Modemesse und die BIM einig.

Damit ist aber auch klar: Mit diesem Vertragsabschluss haben Sie die Bemühungen der Stadtentwicklungssenatorin und der Senatsbaudirektorin um ein eigenes Nachnutzungskonzept bewusst durchkreuzt und damit in aller Öffentlichkeit brüskiert. Es ist nicht nur peinlich, dass Sie damit den vom Senat selbst ins Leben gerufenen Ideenwettbewerb desavouiert haben. Sie haben damit auch Frau Junge-Reyer geradezu gedemütigt, indem sie noch die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs vorstellen ließen, obwohl man sich schon vor Weihnachten mit der „Bread and Butter“ handelseinig war. Noch schwerer als die Demütigung Ihrer Senatorin wiegt, dass Sie auch zahlreiche Interessenten und Bewerber, die Ideen, Fleiß und Geld investiert haben, brutal vor den Kopf gestoßen haben.

Wie tief die Verwerfungen sind, Herr Regierender Bürgermeister, zeigen die aktuellen öffentlichen Äußerungen von Herrn Fisser, Vorstand der Filmstudios Babelsberg. Aus Zeitgründen erspare ich Ihnen die Zitate. Sie haben sie selbst gelesen. Er wirft Ihnen „Wortbruch“ und „Täuschung“ vor. So geht man nicht mit Leuten um, die sich in Berlin engagieren, die hier investieren wollen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Schließlich geht es nicht nur um die Ansiedlung einer Modemesse. Es

geht um den Zukunftsplan von Tempelhof. Das haben Sie selbst gesagt. Folgerichtig stellt sich für uns als Parlamentarier auch die Frage: Wie kommen solche Schlüsselentscheidungen stadtentwicklungspolitischer, wirtschaftspolitischer und finanzpolitischer Natur zustande? Ein Verfahren, wie hier geschehen, nach Gutsherrenart, Herr Wowereit, ohne Einbeziehung des Parlaments, lassen wir hier nicht durchgehen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Begründung der Aktuellen Stunde der Grünen hat nun Herr Kollege Ratzmann, der Vorsitzende der Fraktion der Grünen das Wort! – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Föderalismuskommission II ist ernüchternd, eine eher zaghafte Schuldenbremse; Konsolidierungshilfen, die eher bescheiden sind, jedenfalls für das Land Berlin. Wir alle hätten uns mehr gewünscht, jedenfalls für unser Land. Aber dann hätte unser Regierender Bürgermeister vielleicht auch einmal dafür kämpfen müssen. Sie, Herr Regierender Bürgermeister, haben die Chancen vertan, die wir zweifellos im Rahmen der Reformen hatten, weil sie kein Interesse an diesem Thema hatten, weil Sie nicht sehen wollten, dass wir als Hauptstadt und Sie als Repräsentant in einem föderalen System Gesamtverantwortung übernehmen müssen, weil Sie verkannt haben, dass gerade Berlin mit seiner Verschuldungsgeschichte und seinen Erfahrungen eine wesentliche Rolle in dieser Debatte einnehmen musste und konnte. Das war Ihnen egal. Sie haben auf ganzer Linie versagt, und das muss dieses Parlament interessieren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Dabei, Herr Regierender Bürgermeister, haben Sie die Dimension dieser Reform sogar selbst benannt bzw. Ihre Verwaltung hat sie Ihnen auf Ihren Sprechzettel geschrieben, damals, ganz am Anfang, als sich die Kommission konstituierte, so ziemlich genau vor zwei Jahren.

Ich darf zitieren:

Die deutsche Finanzverfassung ist reformbedürftig. Sie schleppt überholte und ineffiziente Mechanismen und Theorien fort. Das gilt für die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern... ebenso wie zum Beispiel für die Regelung der Kreditaufnahme.

Richtig vorgelesen, Herr Wowereit! 1969 kam die geltende Regelung zur Kreditaufnahme ins Grundgesetz. Damals hatten wir 28 Milliarden DM Schulden. Heute sind es 1 500 Milliarden Euro, Tendenz steigend, maßgeblich

verursacht von Sozialdemokraten, insbesondere in Berlin, und das darf so nicht weitergehen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Unfassbar!]

Wir brauchen eine Schuldenbremse. Wir brauchen sie im Grundgesetz und in den Landesverfassungen. Nachhaltige Haushaltswirtschaft beschränkt sich in der Kreditaufnahme, und sie plant vor allen Dingen – so ist es mit dem Ergebnis der Föderalismuskommission vorgesehen – auch die Rückzahlung mit ein. Dieser Grundsatz gehört in die Verfassung, wie andere Grundsätze auch. Das ist unsere Verantwortung als Bundesland. Es ist unsere Sache, das für Berlin zu verabschieden und nicht die Sache des Bundes. Ihnen scheint das egal zu sein, uns jedenfalls nicht.

So, wie Sie im Land gegenüber politischen Akteuren wie den Gewerkschaften, den Kirchen, der Opposition auftreten, so sind Sie auch auf Bundesebene aufgetreten. Ihre Attacken gegen eine Schuldenbremse, Ihre Überheblichkeit in Bezug auf Haushaltsüberschüsse, die Sie angeblich produzierten und Ihre Entsolidarisierung mit den strukturschwachen Ländern haben dazu geführt, dass wir quasi aus dem Club der Empfängerländer ausgeschlossen wurden. Wir müssen es eher anderen Ländern danken als Ihnen, dass wir überhaupt noch in dem Kreis der Empfangsberechtigten sind.

[Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

Andere haben da etwas mehr für ihre Länder herausgeholt. Schauen Sie einmal nach Bremen oder in das Saarland. Sie können vielleicht einmal Bremen oder das Saarland fragen, wie sie ihre Ergebnisse in der entscheidenden Sitzung erzielt haben. Sie waren nicht da, vielleicht können Sie ihnen im Gegenzug erzählen, wie es auf dem Geburtstag von Kurt Beck war.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Da war Ihnen Ihr Parteiflügel wichtiger als das eigene Land. Herr Wowereit! Sie haben einen Amtseid auf dieses Land geleistet und nicht auf Ihre Partei. Wir verlangen, dass Sie sich daran halten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Sie haben mit Ihrem Verhalten dem Land geschadet. Sie haben Millionen verschenkt. Sie haben das Ansehen Berlins geschädigt. Machen Sie weiter so – Hochmut kommt vor dem Fall! – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Meyer das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Vorweg von mir eine Bemerkung: Die Ansiedlung der Modemesse „Bread and Butter“ in Berlin ist ein Erfolg für diese Stadt.

[Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und der Linksfraktion]

Es kommt selten genug vor, dass dieser Senat durch eigenes Handeln einen Ansiedlungserfolg in Berlin hinbekommt. Allein dies wäre schon eine Aktuelle Stunde hier im Hause wert.