Thüringer Gesetz zur Einführung der Juniorprofessur Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/591 ERSTE BERATUNG
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat im Jahre 2002 im Alleingang den Qualifikationsweg zu einer Hochschulprofessur einschränken wollen. Alleinige Voraussetzung, um Professor zu werden, sollte eine Juniorprofessur sein. Dies hätte bedeutet, die Habilitation wäre faktisch abgeschafft worden. Mehrere Länder, darunter auch Thüringen, haben gegen diesen Alleingang des Bundes geklagt. Es widerspricht unserer Rechtsauffassung, dass sich der Bund in eindeutige Länderkompetenzen einmischt und einen Weg zur Lebenszeitprofessur zum allein selig Machenden erklärt.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat unsere Ansicht voll bestätigt. Es hat das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Der Bund ist mit seiner überregulierten Gesetzgebung in die Schranken gewiesen worden. Dasselbe ist ja, wir haben dies im letzten Tagesordnungspunkt erörtert, noch einmal vor einem Monat passiert. Das Ende der Versuche des Bundes, sich in Angelegenheiten der Länder einzumischen, ist also jetzt in zweifacher Weise vernünftig durch das höchste Gericht geklärt. Nach der Aufhebung des Fünften HRG-Änderungsgesetzes hat der Bundesrat mit Unterstützung Thüringens den Bund aufgefordert, die personalrechtlichen Strukturen des Hochschulrahmengesetzes freizugeben und die Länder zu ermächtigen, eigenständig die Juniorprofessur einzuführen. Wir wissen, dass sich der Bund zu so viel Föderalismus nicht durchringen konnte, obwohl im Grundgesetz dazu ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet ist. Der Bund hat vielmehr darauf bestanden, den von ihm verursachten Scherbenhaufen selbst wegzukehren, er hat Ende letzten Jahres eine HRG-Reparaturnovelle verabschiedet, die seit dem 31. Dezember 2004 in Kraft ist. Damit ist nun wenigstens das Chaos beseitigt worden, welches zuvor durch Bundesgesetzgebung angerichtet wurde. Zugleich hat er die Juniorprofessur schließlich doch noch auf eine verfassungsgemäße Grundlage gestellt. Dies war im Sinne des wissenschaftlichen Nachwuchses, der von diesem zusätzlichen Qualifi
zierungsweg profitieren soll, was auch dringend erforderlich ist. Die Landesregierung begrüßt, dass sich der Bund nun im Einklang mit der Verfassung auf die notwendigen Regelungen zur Juniorprofessur beschränkt und die Habilitation als weitere Qualifizierungsmöglichkeit nicht mehr diskriminiert. Nicht zuletzt wurde durch die Reparaturnovelle wieder Rechtssicherheit für das wissenschaftliche Personal an den Hochschulen geschaffen, indem die durch das Bundesverfassungsgericht aufgehobenen arbeitsrechtlichen Befristungsregelungen wieder rückwirkend in Kraft gesetzt wurden. Diese Lösung konnte nur dadurch erreicht werden, dass Bund und Länder im Interesse der Betroffenen an den Hochschulen an einem Strang gezogen haben. Damit ist für Thüringen der Weg frei, die Juniorprofessur verfassungskonform auch im Thüringer Hochschulgesetz einzuführen. Kleine Anmerkung am Rande: Hätte sich der Bund von vornherein auf seine Kompetenzen beschränkt und nicht in der Bildungshoheit der Länder gewildert, hätten wir schon vor etwa drei Jahren so weit sein können wie heute.
Das vorliegende Gesetz zur Einführung der Juniorprofessur in Thüringen räumt alle Unklarheiten aus. Wir wollen unseren jungen Nachwuchswissenschaftlern Sicherheit und ihnen gleichzeitig mehrere Möglichkeiten geben, Professor an einer Hochschule zu werden. Wir sind für den Wettbewerb der Qualifizierungswege. Das heißt, dass die für die Einstellung als Professor erforderlichen wissenschaftlichen Leistungen auf verschiedene Art und Weise nachgewiesen werden können, beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule oder an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung oder im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit in der Wirtschaft oder in anderen gesellschaftlichen Bereichen im Inland oder im Ausland, aber eben auch im Rahmen einer Juniorprofessur. Das vorliegende Artikelgesetz schafft die dafür notwendigen Voraussetzungen. Wir nutzen die durch die Rahmengesetzgebung des Bundes gebotene Freiheit und gestalten sie aus, indem wir den Gestaltungsspielraum weit gehend in die Verantwortung der Hochschulen selbst übertragen, wie das auch bei den anderen Qualifizierungswegen zum Professor der Fall ist. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, damit die Juniorprofessur als Qualifizierungsmöglichkeit schon bald von unseren Hochschulen genutzt werden kann. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte nur einige kurze Anmerkungen machen zum vorliegenden Gesetzentwurf. Der Minister hat ja schon etwas zum Entstehen der ganzen Geschichte und zum Klageweg zur Juniorprofessur gesagt. Wir begrüßen den Gesetzentwurf vom Grunde her, weil wir denken, dass endgültig klare Regelungen geschaffen werden müssen für diesen Status Juniorprofessur. Jetzt sind zwei Wege möglich auf dem Weg der akademischen Laufbahn, und zwar der altehrwürdige Weg über die Habilitation und die Juniorprofessur. Die Regelungen dazu im Gesetzentwurf finden unsere Zustimmung. Es gibt einige wenige Aspekte, die wir gern im Ausschuss noch thematisiert hätten. Ich möchte einen Punkt benennen. Bisher ist es gängige Praxis, dass die Juniorprofessur mehr oder weniger eine One-man-Show ist. Sie erfüllt die gleichen Aufgaben wie eine normale Professur. Die Juniorprofessorin oder der Juniorprofessor erarbeiten und halten die Vorlesungen selbst, kümmern sich um die Einwerbung von Mitteln, betreuen Studierende. Um eine positive Evaluation zu erlangen, muss er oder sie Forschungsergebnisse vorweisen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehen im Gegensatz zu den herkömmlichen Professuren bislang keine Mitarbeiter zur Verfügung. Man kann diesen Nachwuchswissenschaftlern für ihre Arbeit nur Hochachtung zollen. Hier liegt auch ein Problem, über das wir gern reden würden, ob es zum Beispiel möglich wäre, die Einstellung eines Promotionsstudenten für ein konkretes vom Juniorprofessor angeschobenes Forschungsprojekt zu fixieren. Laut Studienordnung darf das ein Juniorprofessor im Moment nicht. Diese Dinge würden wir gern noch einmal im Ausschuss besprechen. Wir wissen auch, dass es mit der Mittelausstattung für die Juniorprofessur zusammenhängt, würden aber diese Diskussion gern im Ausschuss führen. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf hat ein wesentliches Ziel, die Schaffung der Rechtssicherheit für die Thüringer Juniorprofessoren. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004, durch welches die Fünfte Novelle des Hochschulrahmengesetzes für nichtig erklärt und der Hochschulpersonalkategorie Juniorprofessur die juristische Grundlage genommen wurde, hat in den vergangen Monaten doch zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Juniorprofessoren
selbst, aber auch bei den Thüringer Hochschulen insgesamt geführt. Ebenso werten wir es als positiv, dass die Landesregierung die Einführung der Personalkategorie Juniorprofessur in das Thüringer Hochschulgesetz und die entsprechende Modifizierung des Landeshochschulgesetztes recht zügig auf den Weg gebracht hat. Die ersten Reaktionen des Kultusministeriums auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil hatten da eher einen anderen Eindruck erweckt. Damals schien die Landesregierung ihre Hauptaufgabe mehr in der Bundesschelte zu sehen als darin, für die Betroffenen rasch zu einer gangbaren Lösung zu kommen. Dass hier in den vergangenen Wochen offenbar ein Umdenkprozess stattgefunden hat, ist daher umso erfreulicher. Unsere Unterstützung findet aber nicht nur das Hauptanliegen des Gesetzentwurfs selbst. Mit Befriedigung haben wir festgestellt, dass sich mit dem Entwurf auch Optionen für eine weiter gehende Reform der Thüringer Hochschulen selbst eröffnen. So soll die Besetzung der Juniorprofessur künftig aufgrund einer Ausschreibung in alleiniger Verantwortung der Hochschulleitungen erfolgen. Auf das herkömmliche Berufungsverfahren unter Beteiligung des Dienstherren, also des Thüringer Kultusministeriums in Vertretung des Freistaats, wird dabei verzichtet. Das erscheint uns als ein wichtiger erster Schritt zur dringend gebotenen Ausweitung der Hochschulautonomie, insbesondere in Fragen der Personalauswahl, Personalentwicklung und Personalführung. Die weiteren Beratungen im Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien sollten sich daher auch der Frage widmen, inwieweit diese Form der Ausschreibung nicht zum Standardverfahren bei der Besetzung von Hochschullehrstühlen gemacht werden könnte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem Positiven nun noch einige kritische Anmerkungen: Bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs ist mir in Artikel 1 Nr. 9 der geplante neue § 135 c des Thüringer Hochschulgesetzes ins Auge gefallen. Dort ist die Rede davon, dass die bisherigen Juniorprofessoren nur auf Antrag in ihrem Amt bestätigt werden sollen, und dies auch nur, wenn sie sich in Forschung und Lehre weiterqualifiziert haben. Mir erscheint dieses Verfahren zum einen recht bürokratisch und wenig an den Belangen der Betroffenen orientiert, zum anderen sind mir die Formulierungen zur notwendigen Weiterqualifizierung in Forschung und Lehre in ihrer kryptischen Kürze zu schwammig und vieldeutig, als dass sie wirklich handhabbar wären. Ebenso skeptisch stimmt mich ein Satz, der sich im Vorspann des Gesetzes beim Punkt d) - Kosten findet. Dort heißt es - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: "Die erforderliche Grundausstattung für die Juniorprofessuren ist von den Hochschulen selbst zu tragen." Hier sollte im weiteren Verlauf der Beratungen sorgfältig geprüft werden, ob die Thüringer Hochschulen dazu materiell überhaupt
und - falls ja - in welchem Umfang in der Lage sind oder ob ihnen damit eine weitere Belastung aufgebürdet wird, die sie aufgrund der unzureichenden Finanzausstattung durch den Thüringer Hochschulpakt nicht oder nur im geringen Maße schultern können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, um es auf den Punkt zu bringen: Wir begrüßen das Grundanliegen dieses Gesetzentwurfs, sehen aber noch Nachbesserungsbedarf in Einzelpunkten. Die weiteren Beratungen der Vorlage im Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien werden wir nutzen, um hier zu Veränderungen zu kommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere sehr geehrter Kollege Höhn, es ist angenehm, über Zukunftsthemen auch in dieser kompakten Form reden zu können. Wenn das dann mit den gleichen Rednern einhergeht, haben Sie es schlicht zu ertragen. Deshalb stehe ich gerne hier, um über den Gesetzentwurf der Landesregierung zu reden, den wir uneingeschränkt begrüßen.
Herr Bausewein, wenn ein Bundesland sich seinen Gestaltungsspielraum über das Verfassungsgericht zurückerobert, der ihm von der Bundesregierung unzulässig genommen werden sollte, so ist das doch nach erfolgreicher Klage einer Erwähnung wert.
Dass das nun die Bundesregierung erwischt, deren Partei Sie angehören, das müssen Sie schlicht hinnehmen. Frau Bulmahn hat sich wieder etwas angemaßt, was ihr nicht zusteht. Das Bundeskabinett hat diesem Unsinn auch noch zugestimmt. Jetzt ist er geflüchtet, Herr Matschie, jetzt kriegt er halt die Ohrfeige über das Mikrofon.
Er hat dieser Anmaßung auch nicht widersprochen. Wenn Sie sich als Hochschulpolitiker für das Land engagieren - Sie sind nach der Verfassung für das Landesinteresse gewählt worden -, so habe ich in den Monaten zuvor Ihren Protest gegen die unzu
lässige Einschränkung unserer Landesrechte schlicht vermisst. Sie haben als SPD-Politiker an dieser Stelle total versagt.
Wenn Sie heute den Gesetzentwurf begrüßen, ist das ein Teil von Wiedergutmachung, den wir gerne zur Kenntnis nehmen,
(Zwischenruf aus der SPD-Fraktion: Es ist aber eine bundeseinheitliche Rege- lung gewünscht, Herr Schwäblein.)
denn es ist eine bundeseinheitliche Regelung gewesen, die den bisherigen Zugang zur Professur schlicht abschaffen wollte. Das hat unseren Protest hervorgerufen, denn die Habilitation wäre dann als Regelweg verboten gewesen. Es wären viele Bildungsbiographien auf einmal ohne Abschluss gewesen. Die vielen Habilitationen, die schon angefangen waren, wie wäre denn mit Biographien umgegangen worden? Also, so unsensibel ist selten ein Gesetz gewesen und die Klage war überaus berechtigt. Ich bin auch dem Verfassungsgericht dankbar, dass die Argumente, die hier vorgebracht wurden, dort entsprechend gewürdigt wurden.
Was ist jetzt? Wir haben jetzt unseren Spielraum zurückgewonnen. Mit dem Entwurf werden wir ihn nutzen. Wir werden zur Ausdifferenzierung der Hochschulgesetze in Deutschland kommen und zur Ausdifferenzierung unserer Hochschulen, auch wenn Sie jetzt - aus welchem Grund auch immer - wieder "Einheitlichkeit" rufen. Wir brauchen den Wettbewerb um das beste Gesetz, um den größten Handlungsspielraum, um die beste Ausformung von Autonomie an unseren Hochschulen. Es sind eben schon einige Aspekte gewürdigt worden. Das Gesetz geht durchaus auch in diesem Punkt in die richtige Richtung. Die von Ihnen kritisierten Übergangsbestimmungen werden wir im Ausschuss diskutieren, das betrifft dort etwas mehr als 30 Personen und da muss es einen geordneten Übergang geben. Aber das ist jetzt die Abteilung Reparaturbetrieb, die uns Frau Bulmahn zusätzlich auferlegt hat. Das wäre schlicht nicht nötig gewesen; bedanken Sie sich bitte oder beschweren Sie sich bitte bei dieser Adresse. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie mit uns gemeinsam dieses Gesetz zügig beraten. Ich hoffe, dass wir es noch in der nächsten Ausschuss-Sitzung auf die Tagesordnung nehmen, obwohl diese bisher schon feststeht, dass wir - das wäre meine weitere Bitte - es so ausgiebig und intensiv diskutieren, dass wir mit der einen Ausschuss-Sitzung klarkommen und bereits im nächsten Plenum zur zweiten Lesung kommen, um dieses Kapitel trauriger Bundespolitik durch die Korrektur unseres Landesgesetzes dann erfolgreich abzuschließen. Vielen herzlichen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt worden die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien. Wer dieser Ausschussüberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist gegen diese Ausschussüberweisung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist diese Ausschussüberweisung mit großer Mehrheit angenommen.
a) Antrag des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 60 Abs. 2 des Thüringer Landeswahlgesetzes auf Zurückweisung des Einspruchs - Drucksache 4/532
b) Antrag des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 60 Abs. 2 des Thüringer Landeswahlgesetzes auf Zurückweisung des Einspruchs - Drucksache 4/588
c) Antrag des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 60 Abs. 2 des Thüringer Landeswahlgesetzes auf Zurückweisung des Einspruchs - Drucksache 4/589
Zur Berichterstattung aus dem Wahlprüfungsausschuss zur Drucksache 4/532 hat das Wort Frau Abgeordnete Walsmann. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Wahlprüfungsausschuss hatte über den Einspruch von Herrn Lothar Enders gegen die Gültigkeit der Landtagswahlen nach § 54 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes zu entscheiden. Das Schreiben vom 21. Juli 2004, mit welchem Herr Enders die Landtagswahl am 13. Juni 2004 anficht, liegt mit der Vorlage 4/2 vor. Der Einspruchsführer hebt in seiner Begründung zur Wahlanfechtung darauf ab, dass der Bürgermeister von Berlingerode zu den Landtagswahlen am 13. Juni 2004 ein Rundschreiben an alle Haushalte des Ortes verteilt habe, in dem er Wahlwerbung für die FDP betrieben habe. In einem zweiseitigen Rundschreiben habe der Bürgermeister zu kommunalpolitischen Ereignissen in Berlingerode Stellung genommen und für sich als Bürgermeister und die Kandidaten seines Wahlvorschlags zur Kommunalwahl geworben. Das Flugblatt ende mit der Unter
schriftszeile: "Ihr Bürgermeister Franz Bosold - Berlingerode, den 11. Juni 2004... PS: Am Sonntag, dem 13. Juni 2004 ist Europa- und Landtagswahl. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch!" Angesichts der Tatsache, dass sich das Schreiben des Einspruchsführers maßgeblich mit dem Inhalt des Rundschreibens des Bürgermeisters Bosold zu kommunalpolitischen Angelegenheiten auseinander setzt, und des Umstands, dass die FDP nicht mit im 4. Thüringer Landtag vertreten ist, Herr Bosold jedoch am 27. Juni 2004 für die FDP als Bürgermeister wiedergewählt wurde und die FDP neben der CDU im neugewählten Gemeinderat von Berlingerode vertreten ist und dass es sich bei dem Schreiben von Herrn Enders deshalb nach seinem Sinn und Zweck auch um einen Einspruch gegen die Ergebnisse der Kommunalwahlen hätte handeln können, wurde ihm durch Rückfrage in zwei Fällen Gelegenheit gegeben, zu erklären, ob es sich um einen Einspruch gegen die Ergebnisse der Kommunalwahl handelt oder ob er nochmals ausdrücklich bestätigen möchte, dass sein Schreiben als Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswahl zu verstehen ist. Der Einspruchsführer hat auf diese Rückfragen nicht geantwortet. Der Wahlprüfungsausschuss des Thüringer Landtags hat gemäß § 56 Abs. 2 und 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes die Stellungnahme des Landeswahlleiters eingeholt und nach Prüfung der Sach- und Rechtslage am 1. Dezember 2004 einstimmig beschlossen, gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes kann der Wahlprüfungsausschuss vor seiner Beschlussfassung von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Einspruch offensichtlich unbegründet ist. Ein Antrag ist dann offensichtlich unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der ihm zum Erfolg verhelfen kann. Dabei setzt die Beurteilung nicht voraus, dass die Unbegründetheit des Rechtsbehelfs auf der Hand liegt. Sie kann auch das Ergebnis vorangegangener gründlicher Prüfung sein.
Den Kern der Erörterungen im Ausschuss möchte ich wie folgt wiedergeben: Der Einspruch ist zwar form- und fristgerecht beim Thüringer Landtag eingegangen; er ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet. Eine Verletzung von Wahlvorschriften bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl zum 4. Thüringer Landtag am 13. Juni 2004, durch die die Verteilung der Sitze im Landtag beeinflusst wurde, ergibt sich nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses aus dem vorliegenden Vorbringen des Einspruchsführers nicht. Als Wahlfehler kommt hier ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien und gleichen Wahl und die Neutralitätspflicht des Staates in Betracht. Danach ist dem staatlichen
und gemeindlichen Organ untersagt, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen in den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes bei Wahlen einzumischen und Wahlempfehlungen zugunsten von Parteien oder Wahlbewerbern abzugeben.
Da der hier vom Landtag zu entscheidende Einspruch nach seinem Wortlaut gegen die Landtagswahl gerichtet war und der Einspruchsführer auf entsprechende Rückfragen, ob es sich nicht vielmehr um einen Einspruch gegen die Kommunalwahlen handelt, nicht reagiert hat, ist hier durch den Thüringer Landtag allein darüber zu entscheiden gewesen, ob dem Vorbringen des Einspruchsführers eine unzulässige amtliche Beeinflussung der Landtagswahl entnommen werden könnte. Es ist deshalb nicht von Bedeutung, ob der Unterzeichner des Rundschreibens mit seiner Stellungnahme zu den kommunalpolitischen Angelegenheiten gegen seine Neutralitätspflicht als Inhaber eines öffentlichen Amts auf Gemeindeebene verstoßen haben könnte und deshalb eine unzulässige Beeinflussung der Kommunalwahl erfolgt sein könnte. Einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass eine unzulässige Beeinflussung der Landtagswahl stattgefunden hat, bietet der vorliegende Sachverhalt nicht. Zwar konnte hier aufgrund der namentlichen Unterzeichnung mit dem Zusatz "Ihr Bürgermeister" die Meinungsäußerung des Unterzeichners als Äußerung eines Amtsträgers in seiner amtlichen Stellung angesehen werden und deshalb ein amtliches Handeln mit Bezug auf die Willensbildung der Wahlberechtigten im Vorfeld der Wahlen angenommen werden, bezüglich der Landtagswahl hat damit aber keine unzulässige amtliche Beeinflussung der Wahl stattgefunden, weil in Bezug auf diese Wahl durch das "PS" nur ein allgemeiner Aufruf an die Bürger, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, erfolgt ist. Diese Äußerung konnte der Bürgermeister auch in amtlicher Funktion treffen. Sie ist nicht zugunsten oder zulasten einer Partei oder eines Bewerbers für die Landtagswahlen erfolgt und konnte auch im Gesamtzusammenhang vom Wähler nicht als Wahlempfehlung zugunsten einer bestimmten Wahlbewerbung auf Landesebene verstanden werden. Ist demnach bezüglich der Landtagswahl kein Wahlfehler erfolgt, so ist es nicht mehr entscheidend, ob das Verhalten des Bürgermeisters die Verteilung der Sitze im Thüringer Landtag im Sinne des § 54 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes beeinflussen konnte. Aus den vorgenannten Gründen beantragt der Wahlprüfungsausschuss gemäß § 60 Abs. 2 des Thüringer Landeswahlgesetzes die Zurückweisung des Einspruchs. Die ausführliche Begründung entnehmen Sie bitte der Drucksache 4/532. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Ich rufe zur Berichterstattung aus dem Wahlprüfungsausschuss zur Drucksache 4/588 den Herrn Abgeordneten Hahnemann auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag in Drucksache 4/588 behandelt den Einspruch der Bürgerlichen Sozialen Union gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Thüringer Landtag am 13. Juni 2004. Der Ausschuss hat den Vorschlag unterbreitet, den Einspruch zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2004, beim Landtag eingegangen am 4. August 2004, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Thüringer Landtag eingelegt. Zur Begründung hat die Einspruchsführerin geltend gemacht, dass durch Angehörige der SPD Wahlplakataufsteller der BSU im Wahlkampf für die Landtagswahl in Thüringen entwendet und mit Wahlaufrufen für die SPD überklebt worden seien.
Mit diesem Vorgehen sei der Wahlkampf der BSU nachhaltig beeinträchtigt und behindert worden. Die Wahlplakatierung der BSU mit 16.000 DIN A 2Plakaten und weiteren 4.000 DIN A 3-Plakaten sei durch Wegnahme, Demolierung, Überklebung und Verunstaltung auf ein Minimalmaß reduziert gewesen. Gut 400 Plakate seien demoliert und 80 Wahlplakate verunstaltet worden.
Der Einspruch ist fristgerecht beim Thüringer Landtag eingegangen. Zweifelhaft ist jedoch, ob der Einspruch von einer Einspruchsberechtigten im Sinne des § 53 Thüringer Landeswahlgesetz eingelegt worden ist. Danach kann der Einspruch außer von Wahlberechtigten auch von jeder an der Wahl beteiligten Partei eingelegt werden.
Die genaueren Erwägungen der Ausschussberatungen und die Gründe für die Entscheidung des Ausschusses entnehmen Sie bitte der Vorlage 4/588.