Sie verkürzen die Studienzeiten, folglich treten junge Akademiker früher in das Berufsleben und damit auch in die sozialen Versicherungssysteme ein. Studienbeiträge machen aus einer anonymen Leistung eine individuelle Dienstleistung. Die Beziehungen zwischen Studierenden und ihrer Hochschule werden auf eine neue Grundlage gestellt. Sie erhalten ein deutlich höheres Maß an Verbindlichkeit. Mit ihren Studienbeiträgen erwerben Studierende Ansprüche an die Hochschule. Sie werden gewissermaßen zu Kunden, Professoren zu Dienstleistern,
zugleich aber stellen sie Ansprüche an die Studierenden selbst. Für jeden Einzelnen stehen sie unter dem Blickwinkel der Effektivität.
Herr Minister, wenn Sie die Wirkung von Studiengebühren so positiv beurteilen, können Sie mir dann bitte erklären, warum die Landesregierung nicht plant, Studiengebühren einzuführen?
Das will ich infolge meiner Ausführungen gern tun, wenn Sie mit etwas Geduld zuhören wollen, Herr Matschie.
Natürlich, ich habe schon darauf hingewiesen, Studienbeiträge müssen sozialverträglich ausgestaltet werden.
Darüber hinaus müssen Sie in ein leistungsfähiges Darlehens- und Stipendiensystem integriert werden. Schließlich müssen den Hochschulen die Studienbeiträge direkt zukommen, direkt und zusätzlich zu den ungeschmälerten staatlichen Zuweisungen. So können Betreuungsrelation und Ausstattung nochmals spürbar verbessert werden. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, spricht sich sogar die Mehrheit der Studierenden, Herr Matschie, 59 Prozent, und der Bevölkerung, 67 Prozent, für Studiengebühren aus. Das sagt eine aktuelle Forsa-Umfrage, die Sie sicher auch kennen. Das sind insgesamt Fakten, die man nicht zur Seite wischen sollte.
Trotzdem, wir in Thüringen wollen zunächst beobachten, welche Erfahrungen andere Länder mit ihren Studienfinanzierungsmodellen machen. Ich glaube, wir haben für diese Zeit der Beobachtung auch eine gute Ausgangsposition. Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, wir werden gründlich analysieren, diskutieren und auch miteinander gemeinsam beraten, denn wir wollen unsere Hochschulen optimal für den globalen Wettbewerb aufstellen. Trotzdem, und das ergibt sich logisch aus dem bisher Gesagten, der vorliegende Antrag dient einem solchen Ziel nicht. Ein umfassend unentgeltlicher Hochschulzugang und -besuch würde schon heute bedeuten, dass sie den Hochschulen Einnahmen in Millionenhöhe wegnehmen - Einnahmen aus Langzeitstudiengebühren, aber vor allem Einnahmen, die sich die Hochschulen mit einem guten Weiterbildungsangebot bereits verschaffen. Das gerade wachsende Pflänzchen weiterbildender Studienangebote würde sich wohl kaum zu einem starken Ast der Hochschulbildung entwickeln können, wie das in einer lernenden Gesellschaft erforderlich wäre. Es würde am Boden zertreten, Opfer einer ideologisch verbohrten und politische Effekte erheischenden Politik.
Meine Damen und Herren, niemandem ist mit dem Vorstoß der PDS gedient, nicht unserem Wissenschaftsstandort Thüringen, nicht unseren Hoch
schulen und am allerwenigsten den Studierenden in diesem Land. In diesem Sinne muss dieser Gesetzentwurf auch eine entsprechende Beantwortung im parlamentarischen Beratungsverfahren erfahren. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zumindest hat unser Antrag eines ans Licht der Welt gebracht, auch wenn wir ideologisch verbohrt sind: Die Diskussion um Studiengebühren, um die Erhebung allgemeiner Studiengebühren bei der Landesregierung in Thüringen ist weit fortgeschritten, und zwar auf dem Weg zur Erhebung von Studiengebühren. So konnten wir sie hier alle verstehen.
Herr Schwäblein, an Ihre Adresse: Sie haben uns hier wieder der sozialistischen Ideologie bezichtigt aus Ihrer Sicht. Ich möchte mal feststellen, wir sind die Partei des Demokratischen Sozialismus. Ihre Vorstellung war nicht gänzlich falsch. Sie zäumen aber das Pferd von hinten auf.
Sie diskutieren hier nur über die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren. Ich weiß, dass Sie die befürworten, das ist bekannt. Aber das können Sie nicht machen, auch im Vergleich mit anderen Ländern nicht. Dort gibt es völlig anders ausgestattete Systeme insgesamt. Es gibt Stipendiensysteme, es gibt andere Finanzierungsmodelle, es gibt andere Hochschulmodelle und Sie gehen nur diesen einen Weg, Erhebung von Studiengebühren, und sagen, damit kann die Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen erhöht werden. Das ist falsch, wenn Sie das so machen. Dann müssen Sie insgesamt das Gesamtpaket diskutieren. Das wäre eine viel weit reichendere Debatte, aber ich hoffe, die führen wir dann noch im Ausschuss. Das wollte ich Ihnen nur noch mal mit auf den Weg geben, das vielleicht insgesamt zu sehen.
Finnland bekannt ist. Dort liegt die Zahl der Studienanfänger über 70 Prozent aller Schulabgänger. Davon können wir doch hier nur träumen, auch in Thüringen nur träumen. Das wissen Sie ganz genau. Man kann doch nicht nur das eine diskutieren, sondern Sie müssen es schon im Komplex bereden. Wenn wir hier diesen Antrag gestellt haben - das muss ich sowohl Ihnen, Herr Goebel, als auch Ihnen, Herr Schwäblein, sagen, Sie sagen, wir wollen hier überhaupt nichts diskutieren. Wir wollen den Zugang insgesamt unentgeltlich machen. Hören Sie zu! Ich habe zum Eingang meiner Rede gesagt, dass wir dazu bereit sind, eine allgemeine Diskussion zu führen zu bildungspolitischen Ansätzen und zu bildungspolitischen Ansprüchen. Ich habe nochmals auf den Absatz 4 des Artikels in der Thüringer Verfassung verwiesen, wo formuliert ist, dass nach Maßgabe des Gesetzes geregelt wird. Über diesen Regelungsbedarf würde ich mich auch sehr gerne verständigen.
Sie haben hier die Meister und die Physiotherapeuten erwähnt, die ihre Fortbildungen und Qualifizierungen selbst bezahlen müssen. Ich habe auch das Wort der sozialen Gerechtigkeit erwähnt in meinem Eingangsstatement. Das haben Sie wahrscheinlich nur falsch verstanden. Sie reden über Steuern, ich habe über soziale Gerechtigkeit geredet. Soziale Gerechtigkeit heißt auch, bis zu welchem Punkt wird eine Ausbildung, eine Berufsqualifizierung finanziert und ab welchem Punkt kann sie nicht mehr allgemein finanziert werden. Diese Diskussion bin ich bereit zu führen. Ich habe auch gesagt, das Spektrum geht von grundsätzlicher Kostenfreiheit zu Bildungszugängen bis zu Regelungen. In dem Spektrum würde ich die Diskussion auch gern führen wollen. Sie müssen uns nicht etwas unterstellen, was wir hier nicht getan haben. Wenn Sie dann noch über das Geld des Steuerzahlers reden und was weiß ich nicht alles und sagen, das muss so und so gemacht werden - nicht nur das Steuernzahlen ist sozial gerecht. Sozial gerecht ist auch, wie der Zugang ermöglicht wird und unter welchen Voraussetzungen.
Sie haben selbst gesagt, Elternunabhängigkeit von Kindern beim Zugang zu einem Studium wäre sehr wünschenswert. Das finde ich auch wünschenswert. Nur, wir haben vielleicht zwei unterschiedliche Vorschläge. Sie haben den Vorschlag der Kreditaufnahme hier formuliert; ich habe den Vorschlag eines Grundstipendiums angedeutet. Das sind unterschiedliche Dinge und über die kann man aber reden. Die sind aber in diesem Punkt erst einmal alle nur im Nachgang zu bereden. Hier geht es um einen allgemein formulierten Grundsatz, dass der Zugang zu den Hochschulen unentgeltlich sein soll. Den Punkt 4 bitte ich Sie dabei zu berücksichtigen, dass dann geregelt werden muss, wie das ausgestaltet ist.
Sie sollten die Diskussion doch nicht von vornherein ablehnend führen, sondern auch unter dem Aspekt, dass sowohl ein Lehrling seine Ausbildung partiell finanziert bekommt, dass aber auch das Studieren möglich sein muss für jeden in dieser Gesellschaft, der die Zugangsvoraussetzungen für ein Hochschulstudium hat. Diesen Weg sollten Sie doch positiv unterstützen. In der hessischen Landesverfassung ist dieser Grundsatz übrigens auch formuliert. Damit hat der Ministerpräsident Koch im Moment die allergrößten Schwierigkeiten bei der Einführung von Studiengebühren. Ich denke, eine solche Formulierung zeigt doch auch, dass man in die Zukunft eines Landes etwas einbringen will.
Herr Minister Goebel, Sie haben noch gesagt, wir wollen damit auch die finanzielle Ausstattung der Hochschulen regeln. Wir wissen das doch, dass in der Novelle des Hochschulgesetzes Weiterbildung schon geregelt ist. Wir wissen, dass Langzeitstudiengebühren geregelt sind. Wir wissen auch, dass Sie eine neue Novelle einbringen wollen. Deshalb haben wir vielleicht auch diesen Antrag eingebracht, weil Sie die Novelle dann auch unter einem Aspekt ausstatten könnten, der zumindest - wie es Frau Schipanski immer gesagt hat - den ersten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei möglich macht. Das würde ich mir wünschen und in der Weise möchte ich auch im Ausschuss und dann vielleicht hier darüber diskutieren. Danke.
Ich lass mich aber nicht ignorieren. Ich habe zwei Fragen, Frau Kollegin. Ist Ihnen bekannt, dass gerade bei den finnischen Studenten viele mitgezählt werden, die in Deutschland nicht unter Studenten geführt würden oder werden, weil sie Berufe erlernen, die bei uns nicht mit dem Studium erworben werden?
Das ist mir bekannt, Herr Schwäblein, aber ich kann es nicht quantifizieren. Vielleicht können Sie das.
Dann würde ich sagen, wir bemühen uns beide im Ausschuss darum, die Zahlen herbeizubringen und es dann unter dem Aspekt noch einmal zu diskutieren.
Meine zweite Frage: Ist es Ihnen vielleicht möglich, mal alte Protokolle nachzulesen, in denen ich seit zehn Jahren für die Einführung von Studiengebühren werbe, wohl immer dazu sage, nur dann, wenn auch der soziale Ausgleich möglich ist, wenn wir ausreichend Stipendien eingeführt haben und wenn wir kein Talent ungenutzt lassen ob dieser Gebühren. Ist Ihnen das möglich, das nachzulesen und mich dann vielleicht richtig zu zitieren?
Frau Dr. Kaschuba, meinen Sie nicht, dass Sie mit Ihrem Antrag doch in die andere Richtung gehen, nämlich dass Sie ein Denkverbot verhängen und die Diskussionen tot machen, wenn Sie Studiengebühren in der Verfassung verhindern wollen? Meinen Sie nicht, dass Sie dann ein Denkverbot erheben.
Ich denke, dass wir kein Denkverbot erheben. Ich will nur sagen, die meisten hier haben das ja getan. Wir erheben damit kein Denkverbot. Haben Sie nicht zugehört, ich denke, das Denken fängt dort erst an.
Man kann einen Grundsatz formulieren, der heißt: Der Zugang zu den Bildungseinrichtungen ist unentgeltlich. Ich wiederhole mich jetzt nicht permanent. In welcher Weise, bis zu welchem Punkt und unter welchen Bedingungen, diese Diskussion muss man dann führen. Aber das Prinzip, dass Bildung nicht privatisiert wird vom Grundsatz her, sondern dass sie sozial gerecht zugänglich gemacht wird, das möchten wir in der Verfassung formuliert haben.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache. Es ist beantragt worden die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien und die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wir stimmen ab über die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien. Wer ist für die Überweisung? Wer ist gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist mit übergroßer Mehrheit die Überweisung befürwortet worden. Die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ist beantragt worden. Wer ist für die Überweisung an diesen Ausschuss? Wer ist gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist auch dieser Überweisung zugestimmt worden. Wir stimmen über die Federführung ab. Wer für die Federführung im Ausschuss von Wissenschaft, Kunst und Medien ist, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist gegen diese Federführung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien federführend in dieser Beratung.