Ich wechsele zu dem Thema Reichsbürger, hochinteressant, vor allem auch für uns Juristen; denn diese gibt es ja schon länger, aber sie werden immer aggressiver.
Die aktuelle Frage, die sich für uns stellt, ist, inwiefern sie nun aktuell Einfluss auf die sächsische Justiz nehmen und versuchen, in diese einzudringen.
Es ist im Prinzip die Zielrichtung dieser Personen, das Verwaltungshandeln zu erschweren: durch zivilen Ungehorsam, durch ihre Verhaltensweisen. Das ist beispielsweise die Adressierung von Briefen und Postkarten an Bedienstete, um zu signalisieren: Ich weiß, wo du wohnst, ich weiß, wo deine Familie wohnt. Das geht damit weiter, dass in Gerichtsverhandlungen größere Gruppen auftreten, um Prozessbeteiligte zu verunsichern und letztlich den gesamten Prozess ad absurdum zu führen. Es gibt Bedrohungen, Strafanzeigen werden erstattet. Die beschriebene Malta-Masche ist eine besonders ausgeprägte Vorgehensweise. Aber im Prinzip bedient man sich des gesamten Spektrums, das dazu geeignet ist, in irgendeiner Art und Weise Verwaltungshandeln zu erschweren, Bedienstete zu verunsichern und letztlich den Staat ad absurdum zu führen. – So kurz und bündig kann man es vielleicht an dieser Stelle sagen.
Herr Minister, auf welcher Definitionsgrundlage sprechen Sie denn von Reichsbürgern bzw. Selbstverwaltern? Sie haben vorhin die Möglichkeit der Rückfrage bei der Polizei erwähnt. Parallel dazu gibt es auch eine Erfassung beim Landesamt für Verfassungsschutz. Also, welche Definitionsgrundlage haben wir hier überhaupt?
In diesem Zusammenhang zur Frage von Herrn Modschiedler. Gibt es eigentlich Aussagen dazu, wie stark die Justiz durch Sinnlosverfahren belastet wird, die auch vielfach von dieser Kategorie betrieben werden?
Vielen Dank für die Frage. Das Landesamt für Verfassungsschutz erfasst bzw. beobachtet seit nicht allzu langer Zeit diese
Es fällt mir schwer, etwas über die Definition zu fachsimpeln, die dort vorliegt. Was ich weiß, ist, dass wir bei unseren Staatsanwaltschaften in den Fachverfahren – das heißt Web.Sta – eine zusätzliche Markierungsmöglichkeit einführen werden, um genau diese Eigenschaften zu verwenden. Natürlich ist es schwierig, grenzscharf abzutrennen, wo der Reichsbürger anfängt. Aber man nutzt in der Praxis Verhaltensweisen, die typisch dafür sind, Verhaltensweisen, die diesen Schluss nahelegen, zum Beispiel, wenn jemand mit Dokumenten kommt, die ganz offensichtlich keine offiziellen Dokumente sind, sondern irgendwelchen Fantasiegebilden entspringen, oder wenn bewusst der Bestand der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt wird. Solche wahrscheinlich sehr deutlichen Verhaltensmuster sind Anlass dafür, die entsprechende Markierung dort einzutragen. Dass man damit möglicherweise nicht jedem, der diesem Gedankengut anhängt und sich so verhält, in der Erfassung gerecht wird, kann ich nicht ausschließen. Jedenfalls hat man einige deutliche Anhaltspunkte für sich herausgezogen, um wenigstens einigermaßen erfassen zu können, welche Größenordnung überhaupt dahintersteht, um sich darauf perspektivisch einstellen zu können.
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht repräsentativ zu sagen, wie groß die Szene ist, um Schlussfolgerungen aus dieser Zahlenerhebung ableiten zu können. Im Moment zählen wir 718 Reichsbürger beim Landesamt für Verfassungsschutz. Welche Größenordnungen es bei den Staatsanwaltschaften sind, dazu muss ich an dieser Stelle passen. Wichtig ist noch, an dieser Stelle zu sagen, dass wir Ansprechpartner bei den Staatsanwaltschaften geschaffen haben, Staatsanwälte, die auf das Thema Reichsbürger spezialisiert sind, die ansprechbar sind, die das zusammenführen, was sich dort möglicherweise auch in größeren Dimensionen entwickelt.
Herr Minister, auch von mir noch eine Frage zu den Reichsbürgern: Bei den Gerichten besteht immer ein gewisses Bedrohungspotenzial, weil möglicherweise Gewalttaten drohen. Wie ist die Sicherheit dort gewährleistet? Welche vorbereitenden Maßnahmen trifft das Justizministerium für die Mitarbeiter bei den Gerichten?
Vielen Dank für die Frage. Das ist keine Frage, die sich nur an dem Thema Reichsbürger festmachen lässt, weil sich die allgemeine Sicherheitssituation verändert hat. Wir sehen das nicht zuletzt auch an der Anzahl der verbotenen Gegenstände, die bei den Einlasskontrollen immer wieder gefunden werden. Es geht in die Zehntausende, was dort herausgezogen wird. Bei meinen Besuchen vor Ort sagen die Bediensteten deutlich, dass der Umgang aggressiver geworden ist, dass der Respekt gegenüber den Bedienste
ten gerade auch im Zugangsbereich nachgelassen hat und die Situation insgesamt schwieriger geworden ist. Nicht zuletzt seit dem Vorfall in Dresden mit dem Tod von Marwa El-Sherbini sehen wir deutlich, wie weit so etwas am Ende gehen kann.
Mir ist völlig klar, dass wir das noch nicht lückenlos geschlossen haben. Aber wir haben den Bereich der Eingangskontrollen nach oben gezogen, haben in diesem Bereich mehr Justizwachtmeister im Einsatz, kombinieren das – was nicht die optimale Lösung ist, das sei ganz offen an dieser Stelle gesagt – mit privaten Sicherheitsdiensten, die allerdings immer in Begleitung eines Beamten sein müssen, weil es letztlich auch um Eingriffe in Persönlichkeitsrechte geht. Jedenfalls ist dadurch das Sicherheitsempfinden der Bediensteten in den Behörden erheblich gestiegen. Man hat das Gefühl, da ist jemand, der kontrolliert, ich bin hier oben nicht völlig ungeschützt.
Das Ganze wird mit entsprechenden technischen Vorkehrungen kombiniert. Das heißt, es gibt bei jedem Bediensteten einen Notruf, den er betätigen kann, woraufhin entweder ein Justizwachtmeister kommt bzw. ein Justizwachtmeister über die Telefonanlage in den Raum hineinhören kann, welche Situation dort im Moment vorherrscht. Wir sind dabei, das weiter auf einen sogenannten Amokrufschalter auszudehnen, den es zum großen Teil schon gibt, mit dem man im Falle eines Amoklaufes sofort Alarm auslösen kann. Wir sind ebenfalls dabei, in einem Pilotprojekt weitere technische Vorkehrungen zu testen, um sie gegebenenfalls einzuführen und damit die technische Seite abzudecken.
Einzelne Gerichtsstandorte sind jetzt schon mit Stichschutzwesten ausgestattet. Gerade am Amtsgericht in Leipzig kann man das gut sehen. Die Bediensteten sagen, das ist für das eigene Sicherheitsempfinden positiv. Man fühlt sich geschützter. Auf der anderen Seite entsteht bei Personen, die ins Gerichtsgebäude hineinkommen, der Eindruck von – sagen wir einmal – wehrhaften Bediensteten, was sich wiederum positiv darauf auswirkt, dass eher Respekt gezeigt wird, als das in der Vergangenheit der Fall war. Deshalb laufen jetzt interne Abstimmungen, die Justizwachtmeister großteils mit diesen Stichschutzwesten auszustatten. Ich glaube, das ist eine wichtige Sache, zumal wir sehen, dass gerade Stichwerkzeuge bei den Eingangskontrollen immer wieder herausgezogen werden. Ich denke, das sind wir den Bediensteten einfach schuldig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, die Anzahl der Reichsbürger ist – wenn man der Presse Glauben schenken darf – in den letzten Jahren angestiegen. Erste Frage: War das der Staatsregierung bewusst? Zweite Frage: Welche Gegenmaßnahmen wurden ergriffen?
Vielen Dank für die Frage. Es lässt sich anhand von Zahlen nicht eins zu eins nachvollziehen, wie diese Szene in den
letzten Jahren gewachsen ist. Aber die Konfrontation mit diesen Verhaltensweisen ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Das, was aus den Behörden und Dienststellen an Rückmeldungen kommt, lässt den Schluss zu, dass ein deutlicher Aufwuchs bei den Personenkreisen zu verzeichnen ist, die sich so verhalten, die offensichtlich diesen Ideen anhängen. Die Reaktionen darauf sind sehr verschiedengestaltig. Das, was ich vorhin erwähnte, die Frage der Befähigung der Mitarbeiter, zum Beispiel mit solchen Maschen wie der Malta-Masche umzugehen, ist die eine Seite. Die Schulungsveranstaltungen, die wir für die Bediensteten immer wieder durchführen – –
Mir fällt gerade ein, ich habe einen Teil der letzten Frage nicht beantwortet. Das werde ich noch nachholen. Vielleicht mache ich es gleich in dem Kontext. Die Arbeitsbehinderung, die zum Teil durch eine Vielzahl von Schriftsätzen stattfindet, die letztlich bearbeitet werden, weil man als Rechtsstaat auf jedes Anliegen, das herangetragen wird, angemessen reagieren will, auch wenn es – sagen wir einmal – sehr abwegig ist. Damit müssen die Mitarbeiter umgehen, zum Beispiel auch bei Gesprächen, wenn man merkt, es hat keinen Sinn mehr, weiter herumzudiskutieren, weil man nicht mehr zu seiner regulären Arbeit kommt, sich mit diesem Gesprächspartner so auseinanderzusetzen, dass dieses Gespräch kürzer ausfällt, letztlich die psychologischen Verhaltensweisen, die jeder Bedienstete an den Tag legen muss, damit er in seiner täglichen Arbeit überhaupt weiterkommt.
Das geht weiter über die technische Ausstattung der Bediensteten: Stichschutzwesten oder diese Alarmanlagen; denn wie gesagt, die Bedrohung durch Reichsbürger reicht in einem breiten Spektrum von einfacher Behinderung der Arbeit über Beleidigungen bis hin zu aggressivem Verhalten und Übergriffen auf Bedienstete.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Staatsminister, der Ministerpräsident hat in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ am 14.09. geäußert, dass man viel zu lasch mit Reichsbürgern in der Vergangenheit umgegangen sei. Frage an Sie, Herr Staatsminister: Teilen Sie diese Auffassung? Ist die sächsische Justiz zu lasch mit Reichsbürgern umgegangen?
Ich glaube, die Tatsache, dass wir mit diesem Phänomen immer stärker konfrontiert werden, hat zu einer stärkeren Sensibilisierung in der Verwaltung geführt – ganz ohne Frage. Viele der Maßnahmen, die ich aufgezählt habe, stehen sicherlich im Zusammenhang damit, Maßnahmen, die auf den Weg gebracht wurden, sind zum Teil noch nicht umgesetzt. Ich gehe fest davon aus, wenn diese Maßnahmen alle in Kraft sind – technische Ausstattung, die Befähigung der Mitarbeiter, damit umzugehen –, wird es auf jeden Fall einen noch härteren Umgang der Behörden mit diesen Personen geben. Insofern ist in jedem Fall
noch Luft nach oben. Aber die Reaktionen der Verwaltung und letztlich auch der Staatsregierung auf dieses Phänomen sind sehr prompt erfolgt.
Herr Staatsminister, das Thema Reichsbürger ist auch in der Bevölkerung ein sehr präsentes Thema. Mich würde interessieren, welche Möglichkeiten es für die Bevölkerung gibt, Dinge, die sie aufgenommen hat – Hinweise, Bedenken – an eine öffentliche Stelle weiterzugeben.
Vielen Dank für die Frage. Das hängt immer ein wenig davon ab, mit welcher Verhaltensweise man konkret konfrontiert ist. Wenn es sich im Bereich der Straftaten bewegt, ist jeder dazu aufgerufen, diese Straftaten auch zur Anzeige zu bringen. Bei Bediensteten, die zum Beispiel selbst beleidigt werden, haben wir häufig noch Strafantragserfordernisse im Raum. Das heißt, diese Bediensteten können die Strafanzeige dann erstatten, sollen das auch tun. Ich ermuntere jeden Bediensteten in den Gesprächen dazu, wenn so etwas passiert, das nicht einfach hinzunehmen, sondern tatsächlich Strafanzeige zu stellen, Strafanträge zu erstatten, auch wenn das vielleicht manchem mit Arbeit verbunden scheint oder möglicherweise mit weiterer Auseinandersetzung mit diesem Personenkreis.
Aber ich glaube, es ist wichtig, dass man im Gespräch – und ich suche diese Gespräche immer wieder mit den Leuten in den Dienststellen – den Leuten den Rücken stärkt und ihnen sagt: Ihr müsst das nicht über euch ergehen lassen. Ihr müsst helfen, das Machtmonopol des Staates durchzusetzen, indem ihr das nicht hinnehmt, indem ihr darauf reagiert, indem ihr entweder selbst solche Verhaltensweisen sehr selbstbewusst abwehrt oder wenn ihr die Hilfe des Staates braucht, darauf zurückgreift, indem ihr Strafanzeigen erstattet oder Strafanträge stellt.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatsminister, Sie haben es bereits ausgeführt. Besonders betroffen innerhalb der Justiz ist die Berufsgruppe der Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister, die an den größeren Gerichten eine erhebliche Belastung haben. Es wurden sogar mobile Einsatzgruppen zum Umgang mit Störungen von Reichsbürgern gebildet. Meine Frage: Ist es beabsichtigt, aufgrund der erweiterten Aufgabenbereiche, des gewachsenen Sicherheitsrisikos für die Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister, auch des generell geänderten Aufgabenprofils – Stichwort: bestimmte Verantwortung auch im Außenbereich der Gerichte – Änderungen in der Laufbahngruppe der Justizwachtmeister vorzunehmen und die Besoldung anzupassen? Ist es vorgesehen, zum Beispiel bei 30, 40 Justizwachtmeistern an einem großen Gericht in der erweiterten
A6 eine Anpassung an die jetzigen tatsächlichen Belastungen und Sicherheitsrisiken – speziell auch im Zusammenhang mit den Reichsbürgern – auf den Weg zu bringen?
Ich stimme Ihnen absolut zu. Das Aufgabenprofil der Justizwachtmeister hat sich geändert. Es entspricht letztendlich nicht mehr den Aufgaben, die zunächst – hauptsächlich im Bereich des Aktentransports und der verwaltungstechnischen Abläufe der Verwaltung – angedacht waren. Dieses Aufgabenfeld hat sich um viele Aufgaben erweitert. Das ist ein Gedanke, den ich selbst sehr intensiv verfolge. Ich denke, dass wir darüber in Zukunft noch sprechen müssen.
Herr BaumannHasske, haben Sie noch weitere Fragen? – Sie haben keine Fragen mehr. Wer hat noch weitere Fragen? – Ich schaue noch einmal in die Runde. Erst ist Herr Hütter an der Reihe und dann Frau Köditz.
Sehr geehrter Herr Staatsminister! Mich würde Folgendes interessieren: Wie möchten Sie weiterhin mit der Problematik des Waffenbesitzes bei Reichsbürgern, ob legal oder illegal, umgehen? Wir haben in der Zeitung lesen dürfen, dass man in Einzelfällen dagegen vorgegangen ist. Wie möchten Sie weiterhin mit dieser Problematik verfahren?
Vielen Dank für die Frage, die ich allerdings nur zum Teil beantworten kann. Ein großer Teil fällt nicht in mein Ressorts und ich kenne die entsprechenden Planungen im Detail nicht. Fakt ist jedenfalls – Sie haben es angesprochen –, dass der illegale Waffenbesitz im Zweifel mit Straftaten zu tun hat. Alles, was sich in diesem Zusam
menhang im Bereich des Strafrechts bewegt, wird verfolgt und konsequent verurteilt. Wenn kein Vorwurf nachweisbar ist oder im Raum steht, dann wird es nicht weiter verfolgt. Es kommt letztendlich das normale Strafrecht zur Anwendung. Alles andere fällt in den Bereich des Innenministeriums. Dazu kann ich an dieser Stelle keine Ausführungen machen.
Sie haben vorhin die Anzahl der erfassten sogenannten Reichsbürger bzw. Selbstverwalter genannt. Hat der Bereich der Justiz Zugriff auf diese Datensätze bzw. auch umgekehrt? Sie haben vorhin beschrieben, dass es einen Vermerk gibt. Gibt es eine Rückkopplung an das Landesamt für Verfassungsschutz, dass Personen als sogenannte Reichsbürger bei Ihnen erfasst wurden?
Vielen Dank für die Frage. Genau diese Rückkopplung gibt es. Wenn Personen entdeckt werden, die dieses Profil erfüllen, dann gibt es eine Rückmeldung. Das betrifft nicht nur den Bereich der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Das betrifft auch den Bereich des Justizvollzuges.
Meine Damen und Herren! Die Zeit der Fragestunde ist abgelaufen. Herr Minister, Ihnen einen herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Wir werden in folgender Reihenfolge diskutieren: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Dr. Meyer, bitte.