Protocol of the Session on November 20, 2015

Vielen Dank. Herr Staatsminister, ich habe zwei Fragen.

Erstens. Welchen Anteil hat die organisierte Kriminalität an der entsprechenden Gesamtkriminalität im Bereich Crystal? Hier interessiert mich besonders die Täterstruktur. Welche Gruppen sind da zu nennen: die organisierten Gruppen, die schwach organisierten kleinen Gruppen und die Einzeltäter? Wie würde sich das aufspalten?

Zweitens. Gibt es Erkenntnisse über Versuche von Tätern, Ermittlungsbeamte zu beeinflussen? Hier interessiert mich die Situation in Sachsen und vor allem in Tschechien.

Vielen Dank.

Das sind zugegeben sehr detaillierte Antworten, die Sie hier erwarten. Ich möchte folgendermaßen vorgehen. Ich führe kurz etwas Allgemeines aus und reiche Ihnen die konkreten Zahlen, die ich jetzt tatsächlich nicht parat habe, nach.

Es ist im Prinzip so, dass sich ein Großteil der Drogenküchen insbesondere in der Tschechischen Republik befindet. Dort hebt man im Jahr bis zu 400 Drogenküchen aus. Eine vergleichbare Zahl ist für kein anderes Land der Europäischen Union in irgendeiner Art und Weise belegt. Selbst in Deutschland haben wir es nur mit einem sehr niedrigen Anteil zu tun. Das heißt, schwerpunktmäßig auch innerhalb der gesamten Europäischen Union befindet sich die Herstellung dieser Droge im tschechischen Raum.

Welche Landsmannschaften dahinterstehen, lässt sich schwer sagen. Gerade im grenznahen Bereich hat die Generalstaatsanwaltschaft der Tschechischen Republik insbesondere vietnamesische Händler im Blick. Aber man kann es sicher nicht nur auf diese Gruppe einengen. Insofern hier prozentuale Zahlen herauszupressen wird relativ schwer für den Bereich der Tschechischen Republik. Für den Raum Sachsen würde ich Ihnen diese Zahlen aber sehr gern nachliefern.

Vielen Dank.

Die Fraktion GRÜNE, bitte.

Herr Gemkow, Sie sprachen vorhin von der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung zwischen Tschechien und Polen. Dazu möchte ich Sie fragen, wieso das erst jetzt kommt und ob angedacht ist, eine solche Vereinbarung auch mit Polen zu machen?

Eine Frage schließt sich daran an. Wenn ich die Pressemitteilung aus Ihrem Hause sehe, wäre demnach der

Fokus der Kooperation auf Drogendelikte und Diebstahlsdelikte gerichtet. Wieso gibt es da keine Ausweitung zum Beispiel auf Menschenhandel?

Diese Zusammenarbeit, aus der letzten Endes auch diese Kooperationsvereinbarungen resultieren, gibt es schon seit vielen Jahren. Es sind die Staatsanwaltschaften, die hier auf Arbeitsebene verstetigte Kontakte miteinander haben. Das zeitigt auch tatsächlich gute Erfolge. Zum Beispiel ist es durch diese enge Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften Sachsens, Tschechiens, aber auch Polens gelungen, dass die polnische Seite jetzt den Handel mit ephedrinhaltigen Medikamenten einschränkt. Das heißt, es wird höchstwahrscheinlich ab Beginn des nächsten Jahres außerdem beschränkte Abgabemengen von ephedrinhaltigen Medikamenten an Einzelpersonen in Polen geben.

Auch das sind Erfolge, die aus dieser Zusammenarbeit unter Einschluss Polens und von Staatsanwälten aus Polen resultieren. Das gibt es aber schon eine ganze Weile. So ganz neu ist das nicht.

Man hat sich schwerpunktmäßig mit dem Bereich Drogenkriminalität beschäftigt, auch mit dem Schleusen von Menschen, aber auch mit dem Schleppen von Kraftfahrzeugen. Inwiefern und in welcher Intensität auch das Thema Menschenhandel, den ich jetzt nicht unbedingt mit zu den Schleusungen hinzuzählen würde, ein Schwerpunkt in diesen Gesprächen ist, kann ich jetzt schlecht sagen. Ich gehe aber davon aus, dass auch dieses Thema in diesen Kreisen dort angesprochen wird. Man tauscht sich im Prinzip über alle Deliktbereiche aus, die in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eine Rolle

spielen.

Das war die Beantwortung der Frage von Frau Abg. Dr. Maicher. Wir gehen nun in die zweite Runde. Jetzt kommt der Themenkomplex der AfD-Fraktion hinzu. Es beginnt die CDUFraktion.

Ich möchte die Personalsituation ansprechen. Wir haben große demografische Herausforderungen, gerade den Generationenumbau in allen Bereichen der Staatsregierung. Ich möchte speziell für die Justiz wissen, wie sich dort die Situation, was die demografischen Herausforderungen angeht, darstellt.

Danke, Herr Modschiedler. Herr Minister, bitte.

Die Situation, insbesondere vor dem Hintergrund der Altersstruktur in der sächsischen Justiz, ist eine besondere Herausforderung, das ist ganz klar. Wir haben erhebliche Spitzen in den Jahrgängen, die zwischen 2025 und 2030 aus dem aktiven Dienst ausscheiden werden. Das ist folgender Entwicklung geschuldet:

Es wurden zu Beginn der Neunzigerjahre viele Bedienstete der alten Justiz entlassen. Man hat auf einen Schlag die

Justiz bei null aufbauen müssen, hat junge Assessorinnen und Assessoren eingestellt, die damals alle so um die 30 Jahre alt waren. Diese werden genau in den bezeichneten Jahren, nämlich Mitte der Zwanzigerjahre bis Ende 2030, zu einem großen Teil aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Das sind ungefähr 450 Richterinnen und Richter, die dann ausscheiden werden. Das entspricht ungefähr einem Drittel der gesamten Justiz im höheren Dienst.

Wenn es uns nicht gelingt, diese unausgewogene Altersstruktur auszugleichen, dann sehe ich drei große Schwierigkeiten, die auf uns zukommen:

Das erste Problem wäre, dass wir, wenn wir en bloc reagieren müssten und im selben Maße neu einstellen würden, wie Altersabgänge da sind, diese unausgewogene Altersstruktur in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen würden. Das heißt, irgendwann kommt diese Spitze in Generationen, die weit nach uns kommen, wieder zum Tragen, und man hat dasselbe Problem, vor dem wir heute stehen.

Das zweite Problem wird sein, wenn wir nicht gegensteuern, dass wir höchstwahrscheinlich nicht ausreichend Nachwuchs in diesen Jahren finden werden, denn die anderen neuen Bundesländer stehen vor einer ähnlichen Herausforderung. Auch dort hat man die Justiz damals bei null aufgebaut. Sie werden in diesen Jahren genauso auf der Suche nach jungen Absolventinnen und Absolventen sein, um sie dann einzustellen.

Die freie Wirtschaft wird in diesen Jahren auf derselben Suche sein, denn das sind auch die Jahre, in denen die Demografie zuschlägt, das heißt, Nachwuchs wird ohnehin nicht so einfach zu finden sein.

Das dritte Problem, das daraus erwächst, ist, dass durch den abrupten Wegfall von so viel Know-how und Wissen der erfahrenen älteren Richter ein Wissenstransfer auf die jüngeren Kolleginnen und Kollegen nicht mehr gewährleistet sein könnte. Deswegen müssen wir jetzt schon in jedem Haushalt zusätzliche Stellen im höheren Dienst schaffen, um nicht gezwungen zu sein, in diesen Jahren all diese Köpfe zu ersetzen, die dann wegfallen werden.

Deswegen ist es gut und richtig gewesen, dass in diesem Doppelhaushalt bereits 38 Stellen für den höheren Dienst zusätzlich zur Verfügung gestellt worden sind. Wir stehen momentan vor einer besonderen Herausforderung durch die hohen Antrags- und Verfahrenszahlen bei den sächsischen Verwaltungsgerichten, sodass auch dort im Juli noch einmal mit 20 zusätzlichen Richterstellen nachgesteuert worden ist. Auch diese kommen letzten Endes als Nebeneffekt der Entzerrung dieser Altersstruktur zugute.

Wenn es uns gelänge, bis zu diesen Jahren in jedem Jahr eine gute Zahl zusätzlicher Assessorinnen und Assessoren einzustellen, dann könnten wir diese Spitze in der Altersstruktur abmildern und langfristig zu einer ausgewogenen Personalbewirtschaftung kommen.

Darf ich nachfragen?

Das ist jetzt nicht möglich. – Die Fraktion DIE LINKE, Herr Abg. Schollbach, bitte.

Inwieweit ist es zutreffend, dass sichergestellte Beweismittel durch Gerichte bzw. die Staatsanwaltschaften an Tatverdächtige ungeprüft zurückgegeben werden müssen, weil die Untersuchung und Auswertung dieser Beweismittel nicht innerhalb der sich aus der Strafprozessordnung ergebenden Fristen vorgenommen werden können?

Konkrete Zahlen kann ich Ihnen jetzt nicht liefern. Ich gehe aber davon aus, dass es zu solchen Einzelfällen kommen kann. Das ist ein Zustand, der nicht wünschenswert ist. Deshalb, glaube ich, ist es auch notwendig, personelle Verstärkung in diesen Bereichen herbeizuführen.

Die SPD-Fraktion; Herr Baumann-Hasske, bitte.

Herr Staatsminister, Sie hatten eben zur Personalsituation schon darauf hingewiesen, dass die sächsische Justiz auch durch die Zahl der Asylsuchenden in den letzten Monaten vor besondere Herausforderungen gestellt war. Ich hätte gern die Gelegenheit genutzt, ein Spezialproblem anzufragen, und zwar geht es um die unbegleiteten minderjährigen Ausländer. Das kann für die Justiz spezielle Herausforderungen beinhalten. Mich interessiert, welcher Bereich davon betroffen ist und wie Sie personell damit umgehen wollen.

Die Anzahl der zu uns kommenden unbegleiteten minderjährigen Ausländer hat zur Folge, dass Amtsvormundschaften bestellt werden müssen. Das geschieht bei den Amtsgerichten. Anschließend ist ein Rechtspfleger damit betraut, das weiterhin auszuüben. Mit steigender Zahl dieser ankommenden unbegleiteten minderjährigen

Ausländer wird dort ein Personalbedarf entstehen. Darauf werden wir reagieren müssen. Momentan ist es an den Zahlen noch nicht absehbar. Aber sobald diese Zahlen nach oben gehen, werden wir auch Maßnahmen ergreifen, das abzufedern.

Die AfD, bitte; Frau Dr. Muster.

Herr Staatsminister, ich möchte auch noch einmal auf die Personalsituation, ganz konkret bei den Verwaltungsgerichten, eingehen. Wann führt die Überlastung der Richter und Rechtspfleger besonders in diesem Bereich der Verwaltungsgerichte zu einer Beeinträchtigung der Qualität der Arbeit? Oder haben wir diesen Punkt bereits erreicht?

Vielen Dank für die Frage. Diesen Punkt haben wir nicht erreicht. Mir ist auch nicht bange, dass wir diesen Punkt

erreichen werden; denn wir haben mit den jetzigen Einstellungen bei den Verwaltungsgerichten, die momentan monatlich in Tranchen ablaufen, eine gute Reaktion auf die ansteigenden Verfahrenszahlen gezeigt. Das sind 20 Stellen im höheren Dienst, das heißt Richterstellen, die wir zur Verfügung haben. Es sind außerdem sechs Stellen für die Geschäftsstellen hinzugekommen. Es ist klar, dass auch im höheren Dienst eine Untersetzung mit dem entsprechenden Geschäftsstellenpersonal stattfinden

muss.

Damit haben wir die Zahlen momentan sehr gut im Griff. Ich glaube nicht, dass es zu qualitativen Einbußen kommt. Wir sehen das insbesondere daran, dass sich die Verfahrensdauern vor dem Hintergrund dieser personellen Maßnahmen reduziert haben. Wichtig ist, dass wir die Zahlen im Blick behalten, dass wir schauen, wie die Verfahrenszahlen möglicherweise in den nächsten Monaten nach oben gehen. Ich bin sicher, dass wir dann reagieren müssen – dann werden wir auch reagieren.

Fraktion GRÜNE, Frau Meier, bitte.

Danke schön. Sie hatten kürzlich angekündigt, dass es zukünftig die Amtsanwälte geben soll. Das war unter anderem, glaube ich, eine Forderung des Rechnungshofs bereits aus dem Jahr 2011. Meine Frage ist jetzt: Wie wirkt sich das auf die Neueinstellung von Staatsanwälten aus und aus welchem Pool sollen die Amtsanwälte tatsächlich kommen?

Vielen Dank. Das wird sich auf die Einstellung von Staatsanwälten in keiner Art und Weise auswirken. Die Bedarfe, die wir im Bereich der Staatsanwaltschaften haben, betrachte ich isoliert von der Möglichkeit, Amtsanwälte einzuführen. Wenn wir selbst bei den Staatsanwaltschaften Bedarfe im Bereich der Staatsanwälte haben, müssen wir dort mit Staatsanwälten reagieren, und zwar mit originären Volljuristen.

Im Bereich der Amtsanwaltschaft ergibt sich in meinen Augen die große Chance, dass wir erstens Rechtspflegern eine weitere berufliche Perspektive eröffnen können. Die Rechtspfleger freuen sich sehr darüber, dass es dann eine Möglichkeit gibt, eine weitere Stufe zu gehen. Wir können damit aber auch die komplizierte komplexe Arbeit der Staatsanwaltschaften entlasten, indem Amtsanwälte dann in der Lage sind, kleinere unkomplizierte Verfahren mit abzudecken – alles in allem eine Möglichkeit, von der übrigens andere Bundesländer schon sehr lange Gebrauch machen, die wir jetzt hier nachvollziehen und die es gerade unseren Rechtspflegern ermöglicht, die eigene Karriere mit einem weiteren Schritt zu krönen.

Vielen Dank.

Wir gehen in eine neue Runde. Es beginnt wieder die CDU-Fraktion.

Herr Staatsminister, ich möchte noch einmal zur Crystal-Problematik zurückkommen. Für mich stellt sich die Frage, nachdem Sie erklärt haben, wie sich aus sächsischer Sicht und der hiesigen Konsumenten die Lage darstellt, woher vorrangig diese Drogen kommen und dass sie über Kleinstdealer hier verteilt werden: Wie sieht das Problem in der Prognose weltweit, insbesondere aber auch europaweit aus und wie geht man europaweit gegen die Verteilung oder die aufblühenden Crystal-Küchen vor, auch mit Blick auf Deutschland und die Auswirkungen? Das würde mich bitte noch interessieren.

Danke, Herr Kirmes. Herr Minister, bitte.