Protocol of the Session on December 4, 2008

Vielleicht nur ein Bild vorweg:

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ein klares Signal!)

Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass die ersten Röntgengeräte hoch gesundheitsschädlich waren. Wenn Sie sich heute einmal die technische Fortentwicklung ansehen, dann stellen Sie fest, dass es mit den Hochleistungstomografen

Geräte gibt, die dazu dienen, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen.

So, was wollen Sie? Sie sagen, da ist ein Gerät, bei dem sich alle einig sind, dass wir das nicht wollen. Sie sagen jedoch, weil wir das nicht wollen, dürfen wir aber auch nicht damit experimentieren, es könnte ja noch etwas Vernünftiges herauskommen. Das ist nichts anderes als das, was früher einmal Maschinenstürmerei hieß. Das zeigt, wie Sie neben der Wirklichkeit liegen.

Was ist Tatsache? – Tatsache ist, dass die Europäische Kommission neue Luftsicherheitsbestimmungen erlassen will. Sie sollen unter anderem auch dazu dienen, dass man wieder Flüssigkeiten mit an Bord nehmen darf. Das wollen viele. Nach dem Entwurf der Durchführungsverordnung werden diese Scanner auch zugelassen. Diese Verordnung wäre längst in Kraft, liebe Frau Düker – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis –, wenn nicht diese Bundesrepublik, wenn nicht dieser Innenminister, den Sie bezüglich der Menschenwürde für einen so fürchterlichen Menschen halten, gesagt hätte: Mit uns nicht. Diese Durchführungsverordnung ist angehalten worden, weil diese Bundesregierung, weil dieser Bundesinnenminister klar gesagt hat, das, was als Nacktscanner bezeichnet wird, verletzt die Menschenwürde, und einen solchen Einsatz gibt es in Deutschland nicht. Um was geht es also?

Jetzt hat er aber weiter gesagt: Die Technologie, die darin steckt, könnte dann sinnvoll sein, wenn sie eingesetzt wird, ohne dass die Menschenwürde verletzt wird. Was sagen die Hersteller? Sie sagen: Wir können uns durchaus vorstellen, dass wir die Geräte ein Stückchen weiter entwickeln, indem wir das, was wir entdecken sollen – Flüssigstrengstoff, Festsprengstoff, Keramikmesser –, nur als Piktogramm auf dem Bildschirm erscheinen lassen, ohne dass der Mensch auftritt, ohne dass der Mensch sichtbar wird.

Jetzt frage ich Sie einmal: Ist etwas dagegen einzuwenden, die Technik weiterzuentwickeln? Verletzt das auch die Menschenwürde, wenn wir Ganzkörpergeräte haben, die in der Lage sind, das, was heute nicht erkennbar ist, als Piktogramm abzuzeichnen, ohne dass von dem Menschen etwas zu sehen ist? Sie machen mir wirklich Spaß, indem Sie sagen: Ich wehre mich gegen das, was ich nicht will.

Wir hätten hier und heute erwartet, dass Sie deutlich machen, warum Sie sich gegen die Technik wehren. – Nichts zu hören! Sie haben wieder ein bisschen Spaß gewollt, nach dem Motto: Vielleicht kann ich zwischen FDP und CDU einen Keil treiben. Keine Sorge, da gibt es keinen. Wir sind uns einig! Die Menschenwürde wird nicht verletzt.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir sind uns aber auch einig darin, technische Möglichkeiten zu entwickeln, die die Sicherheit erhöhen. Für mich wäre es deutlich sympathischer, wenn ich

durch ein Gerät gehen kann, bei dem als Piktogramm vielleicht etwas sichtbar wäre, und man mir damit erspart, abgetastet zu werden. Von Frauen, die ich kenne, höre ich immer: Das ist unangenehm. Das wäre dann auch weg. Nichts anderes will der Bundesinnenminister, nämlich in Labortests mit Freiwilligen zu sehen, wie die Technik entwickelt werden kann.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Düker?

Nein. – Wer dagegen etwas hat, der hat die Gefahrenlage, in der wir uns befinden, überhaupt nicht erkannt, und der hat auch kein Interesse an einer wirklichen Lösung.

(Beifall von CDU und FDP – Theo Kruse [CDU]: So ist es!)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Rudolph.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere lieber Herr Kollege Biesenbach! Über Ihren Beitrag habe ich mich außerordentlich gefreut, weil ich immer dann, wenn Sie „Frau Düker“ gesagt haben, das durch „Herr Wolf“ ersetzt habe. Insofern empfand ich die Standpauke, die Sie dem Innenminister verpasst haben, außerordentlich interessant, weil eben dieser Innenminister die scharfe Kritik von Frau Düker zumindest in der „Rheinischen Post“ vom 1. Dezember noch übertrifft; denn da sagt er etwas, was Sie gerade nicht gesagt haben, nämlich, er wolle auch gegen diese Laborversuche auftreten. Ich könnte Ihnen das alles zitieren; ich gebe Ihnen das aber gleich zum Lesen. Das nur zu dem Thema, wie die Koalition in Nordrhein-Westfalen Einigkeit bei sicherheitspolitischen und freiheitspolitischen Fragen zeigt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Erwischt, Herr Dr. Wolf!)

Sie sind sich nämlich bei „Nacktscannern“ genauso wenig einig wie bei Online-Durchsuchungen, wie beim BKA-Gesetz und wie bei anderen Dingen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die besondere Kunst des Innenministers und der FDP, wie sie sich zu dem Antrag der Grünen verhalten, werden wir gleich sehen, und darauf bin ich schon gespannt, Herr Kollege Engel.

Nun will ich noch etwas zur Sache sagen, weil Sie von Maschinenstürmerei gesprochen haben. Herr Biesenbach, wahrscheinlich haben Sie in Ihrer Jugend genauso wie ich – eben wir als Jungs – diese Superman-Comics gelesen. Diese Superman-Co

mics waren ja auch deshalb so faszinierend, weil dieser Superman – wie wir zwei eigentlich im normalen Alltag ein bebrillter Softi; nur war Clark Kent Zeitungsreporter – durch die gelbe Sonne unseres Sonnensystems Superkräfte entwickelt hatte. Und zu diesen Superkräften zählte ja auch der Superblick, der Röntgenblick. Das waren alles fasziniernde Dinge und technische Spielereien, die uns als Jungen beeindruckt haben.

Ich weiß nicht, ob Sie dann, nachdem wir das Comic-Lesen aufgegeben haben, auch ins Kino gegangen sind und vor einigen Jahren den Film „Total Recall“ gesehen haben. Darin gibt es ja die berühmte Szene, wo der Gute in dem Film, Douglas Quaid, gespielt von Arnold Schwarzenegger, genau durch diese Box läuft und gescannt wird. Das funktionierte etwas anders als bei den neueren Geräten, nämlich eher wie mit einem klassischen Röntgensystem. Und man sieht seine Knochen und seine Waffe. Ich weiß, viele hätten sich gewünscht, dass seine falsche Ehefrau, die ja von Sharon Stone gespielt wurde, auch durch diesen „Nacktscanner“ auf dem Weg zum Mars läuft. Aber was wir vor einigen Jahren sozusagen als Science-Fiction-Film, der im Jahre 2084 spielt, gesehen haben, ist auf eine bedrückende Weise schon technische Realität geworden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das findet nicht mehr im Superman-Comic statt, und es ist auch nicht mehr irgendein ScienceFiction-Film aus dem Jahre 2084. Das ist schon technisch möglich und wird an einigen Flughäfen dieser Welt praktiziert. Dazu sage ich ganz deutlich: Ich halte das, was da passiert – ob in Amsterdam, in London oder auf anderen Flughäfen –, für schlichtweg obszön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Für mich ist es eine Perversion sicherheitspolitischen Denkens, jeden unbescholtenen Bürger, jede unbescholtene Bürgerin nackt auszuziehen. Und das ist nicht virtuell. Es ist ein reales, nacktes Ausziehen vor den angestellten Sicherheitsdiensten in privater Hand, die sich diese Bilder anschauen sollen.

Deswegen finde ich den Antrag der Grünen in diesem Punkt berechtigt, und wir sollten ihn auch unterstützen. Wir tun das als SPD. Herr Engel von der FDP wird gleich auch nicht anders können, weil er den Äußerungen seines Innenministers in der „Rheinischen Post“ folgen muss. Herrn Biesenbach und die CDU-Fraktion werden wir wohl heute nicht mehr überzeugen können, aber vielleicht das nächste Mal. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An Flughäfen muss es scharfe Sicherheitskontrollen geben. Daran besteht kein Zweifel. Seit zwei Jahren haben wir deshalb auch verschärfte Regeln für das Handgepäck, insbesondere hinsichtlich der Mitnahme von Flüssigkeiten. Wie effizient diese Kontrollen sind, kann man zum Beispiel erkennen, wenn man einmal hinter die Kulissen schaut und sich auch die Ausbildung des Sicherheitspersonals ansieht. Das kann man etwa in einer Firma in Essen tun, die auf vielen Flughäfen unterwegs ist.

Aber warum haben die sogenannten Nacktscanner, die nun im Gespräch sind, für so viel öffentlichen Widerstand gesorgt, sollen Sie es doch ermöglichen, versteckt am Körper getragene Waffen und Sprengstoff aufzuspüren, die mit den bisherigen Durchleuchtungsmethoden angeblich nicht zu erkennen sind? Die Antwort ist einfach: Weil der Durchsuchte für den Betrachter am Bildschirm „nackt“ zu erkennen ist.

Mir ist vor wenigen Minuten empfohlen worden, dass ich hier einmal ein vergrößertes Bild aus dem „Spiegel“ zeige. Ich habe darauf verzichtet, weil ich davon ausgehe, dass Sie diese Bilder kennen.

Der Scanner erzeugt vom Fluggast ein dreidimensionales Bild ohne Kleidung, aber mit Schambereich. Ein Scanner, der massenhaft, und zwar für jeden, der durch die Fluggastkontrolle geht, so realistische Nacktbilder produzieren soll, überschreitet die Schamgrenzen und verletzt durch diesen schwerwiegenden Eingriff das Persönlichkeitsrecht jedes einzelnen Fluggastes sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Die richtige Balance – und darüber diskutieren wir hier immer – zwischen Sicherheitsinteresse und Gewährleistung der Persönlichkeits- und Freiheitsrechte ist nicht gewahrt. Das eingesetzte Mittel steht also völlig außer Verhältnis zum angestrebten Zweck. Deshalb kann es hier nur ein hartes, kompromissloses Nein geben.

An den Flughäfen wird heute eben nicht jeder Passagier abgetastet, sondern immer nur dann, wenn das Detektorportal und auch die Handsonde Signal geben. Niemand muss sich also bislang standardmäßig in einer Kabine am Flughafen vor den Bediensteten ausziehen. Einzig bisherige Probleme in der Praktikabilität würden durch den Nacktscanner entschärft. Mehr nicht! Ein sekundenschneller, virtueller Striptease soll eine ansonsten im Einzelfall notwendige zeit- und personalintensive Einzelentblößung von Hand entbehrlich machen.

Alle anderen grundsätzlichen und rechtlichen bedeutenden Einwände bleiben.

Das Problem ist zudem, dass der Großen Koalition in Berlin insbesondere nach ihren sicherheitspolitischen Auswüchsen – etwa beim BKA-Gesetz oder dem Einsatz der Bundeswehr im Innern – keiner mehr so richtig traut. Der erneute Schlingerkurs in Berlin zum Scannerthema mit einem öffentlichen Nein und zugleich fragwürdigen heimlichen Labortests zeigt deutlich, wieso Misstrauen herrscht.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Wenn dabei herauskommen soll, Herr Kollege Biesenbach, dass die Detektoren und das Portal tatsächlich Piktogramme zeigen, haben wir damit kein Problem. Aber die Technik ist heute schon so weit, dass sie anzeigt, wenn etwas nicht stimmt. Im Einzelfall müssen die betroffenen Fluggäste herausgeholt und durchsucht werden. Das reicht. Heute rutscht auch keiner mehr durch. Ich empfehle Ihnen: Schauen Sie sich einmal bei der Firma in Essen um und sehen Sie sich an, wie die das machen. Man kann so gut wie ausschließen, dass jemand Sprengstoff oder Waffen durch ein solches Detektorportal durchschleust.

Der Datenschutz und die Bürgerrechte sind bei der Großen Koalition in Berlin in denkbar schlechten Händen. Das spüren wir immer mehr. Zu Recht fürchten Kritiker einen Dammbruch zulasten der Freiheits- und Bürgerrechte. Wir müssen in Deutschland nicht alles nachmachen. Wir haben eigene, hohe Wertmaßstäbe und Verfassungsgrundsätze, auf die wir stolz sein können.

Deshalb setzt sich die FDP stets für die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Bürger ein. Deshalb ein klares Nein zu dieser Art der Nacktscanner. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ja zu unserem Antrag!)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es ist heute schon das zweite Mal, dass ich mich an Herrn Biesenbach wenden muss. Sie von der CDU wollen angeblich immer nur das Gute. Oft genug tun Sie aber genau das Gegenteil. In dieser Angelegenheit sind Sie wieder einmal auf dem falschen Weg. Jetzt wollen Sie die Leute gleich ganz nackt vor sich haben.

Es ist wirklich schon eine perverse Form öffentlichen Voyeurismus, was man mit diesen Nacktscannern machen will. Deutschland ist keine Peepshow. Das scheinen Sie von der CDU immer noch nicht verstanden zu haben. Ich muss mich schon sehr über das wundern, was Sie hier treiben wollen und treiben.

Der Überwachungsstaat treibt immer wieder neue Stilblüten. Diese Nacktscanner sind eine neue Spielart. Trotz gegenteiliger Beteuerungen von Innenminister Schäuble lässt die Bundesregierung diese sogenannten Nackt- oder Bodyscanner testen.

Der Innenstaatssekretär Peter Altmeier von der CDU räumt in einer Antwort bezüglich Labortests ein, dass – ich zitiere – Gespräche mit den Herstellern liefen. Beim derzeitigen technischen Stand der Bildherstellung des Passagiers lehne die Bundesregierung die Durchführung von Realtestverfahren der Bodyscanner an deutschen Flughäfen zwar ab; Ziel der Gespräche zwischen Innenminister und Herstellern sei es jedoch, die Bilddarstellung so zu verändern, dass eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten auszuschließen sei. – Wie das in der Realität aussehen soll, erschließt sich bisher niemandem.

Ich kann nur sagen: Die Öffentlichkeit lehnt diese Art der Überwachung, die Sie hier vorhaben, vollständig ab. Die CDU ist mit ihren Absichten ziemlich alleine. Sie sollten wirklich einmal in sich gehen, ob diese Art und Weise richtig ist, mit seinen Bürgerinnen und Bürgerin in Deutschland umzugehen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Deutschland ist keine Peepshow!

Vielen Dank, Herr Sagel. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf.