Protocol of the Session on October 11, 2006

zeugen. Das entspricht den gesetzlichen Vorgaben und den Regeln der Technik. Eine Rechtsgrundlage für eine behördliche Forderung nach einem automatisch-technischen Sicherheitssystem unter Einbeziehung der Sonderfahrzeuge existiert bisher nicht. Selbst wenn man dieses unterstellen würde, kann eine solche Forderung nur erhoben werden, wenn das automatisch-technische Sicherheitssystem auf einer Versuchsanlage erprobt ist. Das ist bisher nicht erfolgt. Auch im Eisenbahnverkehr werden automatische Sicherungen nur teilweise und vollautomatische Sicherungen bislang gar nicht eingesetzt. Alle Systeme, auch im Luftverkehr durch Fluglotsen, setzen auf das Zusammenwirken von Mensch und Technik. Jedes technische System würde jedoch zwingend erfordern, dass im Notfall durch den Menschen in das System eingegriffen werden kann. Die TVE unterliegt bis heute dem Versuchsanlagengesetz, weil in Lathen kein Regelverkehr, sondern über die Jahre unterschiedliche Fahrzeuge, unterschiedliche Fahrwegsträger und unterschiedliche Betriebsleittechnik bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten unter Echtbedingungen gefahren werden. Nochmals: Auch eine andere rechtliche Grundlage hätte keinen Einfluss auf die Sicherheitsbestimmungen gehabt.

Zu Frage 3: Die Betriebsvorschriften für die Versuchsanlagen sehen vor, dass die Versuchsanlage und die Fahrzeuge so zu betreiben sind, dass aus ihrem Betrieb keine Gefährdung der Allgemeinheit oder des Einzelnen entstehen kann. Weder die Anzahl der Besucher noch die Entgeltlichkeit der Mitnahme führt daher dazu, dass andere gesetzliche Vorschriften greifen. Der Betrieb auf der Anlage muss sicher durchgeführt werden, unabhängig davon, ob lediglich Stammpersonal, ein Benutzer oder eine größere Anzahl von Besuchern an Bord ist. So wurde durch Gutachter festgestellt, dass bis zu 192 Besucher im Transrapid erlaubt waren. Auf diese Anzahl von Personen waren die im Transrapid vorzuhaltenden Rettungseinrichtungen ausgerichtet. Alle Feststellungen der Gutachter wurden berücksichtigt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allem tiefen Bedauern über dieses Unglück können aus der Sicht des Ministeriums nach eingehender Prüfung der Genehmigungsbehörde keine Versäumnisse vorgeworfen werden. Der Betrieb der Transrapid-Versuchsanlage war nach dem Erkenntnisstand aller Fachleute sicher und durfte genehmigt werden. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hat die Betriebsvorschriften nach Antrag des Betreibers und

gemäß dem Versuchsanlagengesetz genehmigt. Vor Erteilung der Genehmigung sind neben dem hausinternen Sachverstand insbesondere auch unabhängige externe Gutachter, zuletzt der TÜV Rheinland, eingeschaltet worden. Diese haben den Betrieb bei Beachtung der Betriebsvorschriften und der damit verbundenen Auflagen und Bedingungen als sicher eingestuft. An dieser fachlichen Einschätzung hat sich die zuständige Behörde orientiert. Das ist sachgerecht und nicht vorwerfbar.

Wir werden - das ist eine Selbstverständlichkeit gemeinsam mit dem Betreiber aufgrund der durch das Unglück gewonnenen Erkenntnisse zusätzliche Sicherungssysteme prüfen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich gebe jetzt die Rednerliste bekannt. Bisher haben sich zu Wort gemeldet die Abgeordneten Helmhold, Steiner, Janssen-Kucz, Dr. HeinenKljajić, Will, Meihsies, Korter, Hoppenbrock, Klein, Wenzel, Lenz, Prof. Lennartz, Konrad. - Frau Helmhold, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Hirche, obwohl Sie jetzt lang dargelegt haben, bleiben für mich, ohne dass ich diese gesetzlichen Bestimmungen im Einzelnen nachvollziehen kann, einige Fragen offen. Wenn Sie z. B. sagen, ein automatisches Sicherungssystem kann es nicht geben, weil es nicht erprobt werden konnte, da es eben noch eine Versuchsanlage ist, frage ich mich, warum man unter solchen Bedingungen einen regelmäßigen Personenverkehr zulässt, zumal es, soweit mir bekannt ist, im Eisenbahnbereich ja so ist, dass immer - das sage ich in Anführungsstrichen - mindestens ein Mensch und eine technische Sicherung gleichzeitig versagen müssen, damit es zu einem Unfall kommen kann. Herr Hirche, Sie haben selber am Freitag voriger Woche - das haben Sie eben noch einmal bekräftigt - gesagt: Versuchsanlagen sind nach Regeln der Technik genehmigt worden, aber jetzt müssen wir doch noch einmal sehr genau prüfen, ob es Lücken gegeben hat, die gegebenenfalls nachgebessert werden müssen. Daraus ergibt sich für mich die Frage, ob nicht nach Kenntnis der Aussagen des TÜV in der erwähnten

Veranstaltung, also bereits spätestens in der Genehmigung 2006, die Versuchsanlage doch unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Sicherheiten hätte genehmigt werden müssen, um das auszuschließen - oder zumindest zu versuchen, es auszuschließen -, was jetzt passiert ist.

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, die Genehmigung ist nach Rücksprache mit dem TÜV erfolgt. Ich darf vielleicht noch einmal präzisieren: Zur Arbeitsgemeinschaft des TÜV, die in diesem Zusammenhang zuständig war, gehörten die beiden Beamten, die in Dresden referiert haben. Wenn sie andere Interpretationen daraus gezogen hätten, als ich sie hier vorgetragen habe, dann hätten sie sie in den Genehmigungsvorgang eingebracht. Das haben sie nicht getan, und deswegen konnten wir bzw. die Landesbehörde mit Fug und Recht davon ausgehen, dass die anerkannten Regeln der Technik und der letzte Stand der Erkenntnisse berücksichtigt worden sind.

Ich will auch gerne sagen, dass nach einem solchen Unglück - selbst wenn nach Meinung der Staatsanwaltschaft und, wie ich hoffe, am Ende auch der Öffentlichkeit, bestätigt wird, dass alles so ist, wie ich es vorgetragen habe, und auch wenn sozusagen in den Kaskaden das alles als korrekt darstellbar ist - wir natürlich aus menschlichen Erwägungen prüfen müssen, ob wir zusätzliche Dinge erwägen können und müssen. Man muss mit den Leuten vom TÜV und mit dem Betreiber darüber reden, ob neben optischen Sperren zusätzlich akustische und andere sinnvoll sind. Auch wenn das nach Erkenntnis der Fachleute aus heutiger Sicht keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn bedeuten würde, würde es zusätzliche psychologische Sicherheit gewähren.

Frau Steiner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben selbst gerade und auch in der vergangenen Woche eine Prüfung auf Ausbesse

rungsbedarf reklamiert. Die automatisch-technischen Sicherheitssysteme, die Sie angesprochen haben, sind in bestimmten Teilen im Eisenbahnwesen seit Langem Standard, zum Teil sogar schon seit mehr als 50 Jahren. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Ist angesichts der weit unterhalb dieser Standards erteilten Betriebsgenehmigung für die TVE nicht doch von einer haftungsrechtlichen Mitverantwortung des Landes für das Unglück auszugehen?

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entgegen Ihrer Interpretation sehe ich das nicht. Ich habe dargelegt, dass auch im Eisenbahnbereich verschiedene Regelungen gleichwertig nebeneinander gelten, die den Regeln der Technik entsprechen. Wenn eine Notwendigkeit bestanden hätte, dies anders zu regeln, dann hätten wir das auf jeden Fall gemacht. Sie können sicher sein, dass jede rechtliche Möglichkeit, die es gibt, anderes durchzusetzen, wenn es einen höheren Gewinn an Sicherheit verspricht, auch wahrgenommen wird.

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete JanssenKucz.

Herr Hirche, wie Ihnen bestimmt bekannt ist, sagte Landrat Bröring in der hiesigen Zeitung, dem Wecker, einem Wochenblatt, dass er als Landrat den Transrapid ohne ein geändertes Konzept, ohne eine neue Betriebserlaubnis nicht wieder durch das Emsland rasen sehen will. Von daher frage ich die Landesregierung: Wird die Betriebserlaubnis bzw. die Betriebsgenehmigung durch die Landesbehörden zurückgenommen, um bisherige Versäumnisse auszuräumen?

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Genehmigung im Augenblick noch nicht zurückgenommen. Zur eventuellen Aufhebung der Genehmigung ist ein Anhörungsverfahren eingeleitet worden. Wir als Ministerium haben dem Betreiber aufgegeben, darzulegen, wie ein solcher Unfall, der sich am 22. September ereignet hat, künftig auf jeden Fall ausgeschlossen werden kann.

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Polat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche, ich möchte noch einmal auf Ihre Antwort zu der Frage der Kollegin Steiner eingehen. Sie sagten, dass die Sicherheitssysteme und die Regeln der Technik bei der TVE nicht denen des Eisenbahnverkehrs entsprechen. Wir müssen aber feststellen, dass auf der Transrapid-Versuchsanlage mittlerweile 750 000 Menschen seit Genehmigungsbeginn befördert wurden. Obwohl also eine Analogie zur Personenbeförderung festzustellen ist, unterliegt die Versuchsanlage nicht den Bestimmungen zur Personenbeförderung.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass die Regeln der Sicherheitstechnik, die Frau Steiner angesprochen hat, seit mindestens 50 Jahren Standard sind. Fahrsperre und Indusi sind seit 100 Jahren Standard und halten einen Zug an, wenn beispielsweise etwas auf die Schienen fällt. Sollten diese Sicherheitsstandards analog hierzu nicht auch bei der TVE zumindest zur Grundlage gemacht werden?

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein Nachtrag zur vorherigen Frage: Es ist ohnehin eine neue Genehmigung notwendig, weil das alte Fahrzeug, für das es die Genehmigung gab, zerstört worden ist. Jedes neue Fahrzeug bedarf einer neuen Genehmigung. Dies bedeutet auch immer

eine Gesamtbetrachtung des Sicherheitskomplexes.

Zur Frage von Frau Polat. Ich wiederhole: Die Sicherheitsbestimmungen gelten unabhängig davon, wie viele Personen befördert werden. Meine Damen und Herren, es wäre ja Wahnsinn, wenn man sagen würde: Weil 100 Leute befördert werden, müssen andere Sicherheitsbestimmungen gelten, als wenn nur eine Person befördert wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es kann nicht von der Menge der beförderten Personen abhängen, sondern die Kernfrage der Sicherheit als solche muss geregelt sein. Da sehen wir uns rechtlich auf einem geprüften Grund.

Leider kommt es ja auch in anderen Bereichen, etwa bei der Eisenbahn, trotz der Vorschriften, die Sie zitiert haben, immer wieder zu einem Aufeinanderprallen von Zügen auf eingleisigen Strecken, was auch nicht passieren dürfte. Wir können solche Dinge nicht völlig vermeiden, sosehr wir auch an der Veränderung und Verbesserung von Konzepten arbeiten.

Frau Dr. Heinen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche hat mehrfach ausgeführt, dass das Personenbeförderungsgesetz nicht anwendbar sei. Deshalb meine Nachfrage: Wenn Personen gegen Entgelt eine Fahrkarte kaufen und wenn es dazu einen verbindlichen veröffentlichten Fahrplan gibt, ist damit nicht etwa ein Beförderungsanspruch erworben und damit der Tatbestand des Personenverkehrs erfüllt worden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Hirche!

Das ist nicht so, wie Sie vermuten, Frau Kollegin. Vielmehr gibt es in allen Gesetzen, meistens in § 1, genaue Beschreibungen, wozu ein solches Gesetz dient, welche Gruppen es betrifft - entwe

der Menschen, Sachverhalte oder andere Dinge. Ich wiederhole: In § 1 des Personenbeförderungsgesetzes ist die entgeltliche und geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Oberleitungsbussen und Kraftfahrzeugen geregelt. - Die Landesregierung oder eine Landesbehörde kann keine Gesetze anwenden, die überhaupt nicht einschlägig sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Dann müsst ihr neue machen!)

Herr Abgeordneter Will!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, nach der Betriebsvorschrift ist eine Dokumentation des Fahrbetriebes notwendig und vorgeschrieben. Dabei gibt es auch eine Meldepflicht bei besonderen Vorkommnissen. Ist Ihnen aus der Vergangenheit etwas an besonderen Vorkommnissen, an Beinaheunfällen oder besonderen Gefährdungssituationen bekannt, die dokumentiert sind und den Aufsichtsbehörden gemeldet wurden?1

Herr Minister Hirche!

Nein, das ist mir und auch dem Ministerium nicht bekannt, Herr Kollege Will. Solche Meldungen liegen nicht vor - dies will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen -, sonst hätte es Hinweise darauf gegeben, was man gegebenenfalls hätte verändern müssen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Und 2004? Die beiden Werkstattwagen?)

Herr Abgeordneter Meihsies!

1 Siehe Schreiben von Minister Hirche vom 18.10.2006 (siehe Anlage zu diesem Stenografi- schen Bericht)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wurden die beförderten Personen auf dem Transrapid auf die Risiken des Versuchsbetriebes hingewiesen und, wenn ja, in welcher Weise?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Hirche.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer einmal mit dem Transrapid gefahren ist, kennt die Prozedur. Im Wesentlichen wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der elektromagnetischen Systeme Probleme für Leute mit Herzschrittmachern bestehen. Es gibt keine besonderen Instruktionen in Bezug auf Gefahren auf der Strecke, genauso wenig wie Sie das beim Omnibus, bei der Eisenbahn - solche Vergleiche werden ja immer gern herbeigezogen - oder aber in anderen Zusammenhängen bekommen. Jeder, meine Damen und Herren, der irgendein Verkehrsmittel benutzt, ist sich dessen bewusst, dass mit Bewegung auch Risiko verbunden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)