Offiziell sagen sie es natürlich nie. Aber auch diese Erfahrung muss man, glaube ich, mit einfließen lassen.
Sie suggerieren, und deswegen hier die klare Kante von uns, mit einem Nachbarrechtsgesetz würde die Anzahl der Klagen zurückgehen, es würde die Probleme lösen. Es ist hier schon gesagt worden und auch ich befürchte das Gegenteil. So viel, wie verfeindeten Nachbarn einfällt, können Sie gar nicht regeln. Und der Vergleich zum Beispiel mit Rheinland-Pfalz sagt eindeutig aus, dass die Pro-Kopf-Anzahl von Klagen dort wesentlich höher ist, und die haben ein Nachbarrechtsgesetz. Es trägt also nicht zur Förderung des Rechtsfriedens bei. Wenn ich mir überhaupt einen weiteren Schwerpunkt bei Gerichten vorstellen kann, sehr geehrte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, dann mit Sicherheit nicht beim Nachbarrecht, sondern eher beim Thema Zahlungsmoral.
Die Landesregierung wird in Kürze einen Gesetzentwurf zur obligatorischen Streitschlichtung beibringen, welcher auch Nachbarrechtsangelegenheiten erfasst. Das ist ein Argument, das haben Sie bisher nicht erläutert, Frau Borchardt, auf das werden wir warten. Dort wird auf alle Fälle die konsensuale Streitschlichtung im Vordergrund stehen und kein neues materielles Recht begründet. Insofern, Sie haben vorhin das klare Nein vermisst, hier ist es: Den vorliegenden Gesetzentwurf lehnen wir ab und ebenso die Überweisung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Früher, als die Parteien noch befreundet waren“ – wenn eine Klageschrift so anfängt, dann weiß jeder Richter, was ihn erwartet. Und es gibt hier genügend Juristen, die sich tagtäglich mit diesen Klageschriften auseinandersetzen müssen. Mit verstrittenen Nachbarn, denen es ums Prinzip, ums Recht oder oft einfach nur ums Streiten geht, ist oft kein Blumentopf mehr zu gewinnen, denn egal wie ein Urteil ausfällt, niemand kann und wird ausreichend zufriedengestellt werden können. Die gerichtliche Auseinandersetzung ist meist der letzte Schritt in einer langen Streitkette und für das weitere Zusammenleben alles andere als förderlich. Ist das Klima zwischen den Nachbarn erst einmal vergiftet, bleibt unabhängig vom Ausgang der konkreten Auseinandersetzung die Lebensqualität völlig auf der Strecke.
Insoweit ist das Anliegen nachvollziehbar, Nachbarn eine Hilfestellung an die Hand zu geben. Ob ein weiteres Gesetz Nachbarschaftsstreitigkeiten reduzieren kann, ist allerdings auch aus Sicht meiner Fraktion mehr als fraglich. Aber wir sollten das in den Ausschussberatungen näher erörtern. Insbesondere von Interesse sind hier sicherlich die Erfahrungen in den anderen Ländern.
Dem Anspruch aber, den Menschen konkrete Anleitungen an die Hand zu geben, muss der Gesetzentwurf erst einmal nachkommen. Mehr gesetzliche Regelungen sind nicht zwingend die Lösung des Problems. Fraglich ist sogar, ob nicht auf der Basis neuer gesetzlicher Grundlagen die Bereitschaft, vor Gericht zu klagen, in dem einen oder anderen Fall eher noch zunehmen wird.
Zu einer Diskussion im Ausschuss gehört natürlich auch zu hinterfragen, ob die vom Justizministerium herausgegebene Broschüre im Jahre 2008 mit der schriftlichen Zusammenfassung das Nachbarrechts hilfreich sein konnte, Nachbarrechtsstreitigkeiten zu verhindern. Wir werden einer Ausschussüberweisung zustimmen, dann werden wir uns im Zweifel eine Meinung zu den Aussagen der Justizministerin Frau Kuder bilden können. Sie hat im Zusammenhang mit der Broschüre damals gemeint: „Vielleicht hat gerade das Fehlen einer Vielzahl detaillierter Regelungen eine positive Wirkung. Das schafft Platz für vernünftige Lösungen unter Nachbarn.“ Meine Fraktion stimmt der Ausschussüberweisung zu.
Frau Borchardt, Sie haben mich richtig zitiert. Wir haben im Rechtsausschuss anhand des Berichtes des Bürgerbeauftragten das Für und Wider eines Nachbarrechtsgesetzes diskutiert. Und ich sage hier, der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, der ist handwerklich gut formuliert, das will ich gar nicht abstreiten, aber ich habe damit ein anderes Problem. Ich sehe nämlich, dass wir möglicherweise Rechtsstreitigkeiten herausfordern, wenn wir Regelungen treffen, auf die Nachbarn eigentlich gar nicht kommen.
Wenn sie nämlich vernünftig miteinander umgehen, sie miteinander reden – Frau Ministerin hat das gesagt –, dann ist es das, was wir eigentlich wollen. Aber das wollen wir nicht ohne Unterstützung. Wie Sie wissen, und das ist den Fraktionen dieses Hauses bekannt, ist derzeitig ein Gesetzentwurf im Umlauf, mit dem ein obligatorisches Schlichtungsverfahren gerade in diesen Bereichen vorgesehen ist, um die Gerichte zu entlasten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass eine obligatorische Streitschlichtung bei der Qualität unserer Schiedsstellen der bessere Weg ist, und zwar deshalb, weil zivilrechtliche Streitigkeiten, wenn sie erst bei Gericht sind, wenn sie – ich sage das für einen Berufsstand, dem ich bis vor Kurzem angehört habe – erst in der Hand der Rechtsanwender sind, dann geht es ums Rechthaben, und das ist …
Lassen Sie die Beleidigungen, das sind ehrenwerte Kollegen! Sie haben auch jemanden, der eine Zulassung hat. Den würde ich allerdings nicht gern als Kollegen bei Gericht sehen.
Ja, das glaube ich, da würden Sie immer den Kürzeren ziehen, wie wir gesehen haben. Selbst das können Sie nicht.
Aber zurück zu dem durchaus sinnvollen Antrag, den Frau Borchardt hier vorgelegt hat, den Ihre Fraktion, Herr Holter, vorgelegt hat. Ich bin der Auffassung, wir sollten den Weg gehen, den wir, seit wir in diesem Landtag miteinander debattieren, gehen. Wir sollten die Streitparteien dazu bringen, sich miteinander zusammenzusetzen.
Und jetzt sage ich Ihnen etwas aus eigener Erfahrung, und deswegen habe ich die Diskussion im Rechtsausschuss sehr interessiert mitgeführt: Ich komme aus einem Land, das sehr umfängliche Regelungen des Nachbarrechts hat, sogar sehr viel weiter ausgeformt als Ihr Gesetzentwurf, das ist Rheinland-Pfalz. Ich habe in meiner Zeit als Richter an einem Landgericht das Pech oder das Glück gehabt, einige solcher Nachbarrechtsstreitigkeiten in der zweiten Instanz zu haben. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Es war eine hohe Kunst, wenn wir es geschafft haben, die Nachbarn miteinander zu vergleichen, denn sie können in einem Nachbarrechtsgesetz eines nicht verordnen, nämlich dass die Leute von sich aus aufeinander Rücksicht nehmen.
Und wenn das erst einer zweiten Instanz bedarf und eines dunkel gewandeten Richters als Einzelrichter oben auf den Hunsrückhöhen, ich will das jetzt gar nicht dramatisieren, wo es manchmal im Winter sehr, sehr kalt ist, und sie dann anschließend in der Gaststätte einen Vergleich protokollieren, das habe ich ein paar Mal gemacht, wo das Gleiche hineingeschrieben ist, was die bei vernünftiger Beratung vor einer Schiedsstelle vor zwei Jahren und ohne viel Kosten hätten machen können, dann zeigt sich, dass auch in Ländern mit Nachbarrechtsgesetzen der Rechtsfrieden nicht besser gewahrt ist. Deswegen setzen wir auf eine verringerte Belastung der Gerichte durch ein obligatorisches Schlichtungsverfahren und nicht auf eine neue gesetzliche Regelung.
Die Lücken, die bleiben, sind, das wissen wir auch, durch die Rechtsprechung gefüllt. Insbesondere das Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtsnahme füllt eine ganze Menge von Schriften der Kommentarliteratur zu Paragraf 242 BGB und zu den sachenrechtlichen Bestimmungen. Das wissen wir alle. Ich glaube, es wird auch nicht besser, wenn man das noch durch ein paar Ergänzungen vermehrt.
Es wäre, wenn ich das so sagen darf, unehrlich und unanständig, wenn wir jetzt sagen würden, na gut, weil Sie sich so viel Mühe gemacht haben, verweisen wir Ihren Entwurf in die Ausschüsse und lassen uns das sagen, was wir jetzt schon wissen. Das wäre meines Erachtens nicht fair. Ich kann nur sagen, wir tragen Ihren Entwurf nicht mit. So offen, wie ich hier geredet habe, werde ich auch reden, wenn sich in zwei oder drei Jahren beweisen sollte, dass das Schlichtungsverfahren die Erwartungen nicht in vollem Umfang erfüllt, die ich heute indes habe. Ich hoffe, dass ich richtig liege, wenn ich sage, wir brauchen diesen Gesetzentwurf in unserem Lande nicht. Deswegen werden wir auch nicht herummogeln, sondern den Entwurf, obwohl er gut gemacht ist, aber wie gesagt, im Augenblick nicht passt in unseren Bemühungen, unser Recht zur Deregulierung, nicht weiter aufzuplustern, wir werden ihn ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit es privaten Grundbesitz gibt, finden auch Nachbarschaftsstreitigkeiten statt. Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches hatten also
schon jede Menge Erfahrungswerte, auf die sie zurückgreifen konnten. Seitdem sind noch einmal 109 Jahre ins Land gegangen.
Es ist zwar richtig, dass die Paragrafen 903 folgende im BGB das Nachbarrecht nicht abschließend regeln und das Einführungsgesetz im BGB eine weitere Ausgestaltung durch den Landesgesetzgeber zulässt, aber auf der Basis der bestehenden Vorschriften sind in den verflossenen 109 Jahren durch die Gerichte alle nur denkbaren Nachbarstreitigkeiten entschieden worden. Es gibt bald mehr Urteile als überhängende Zweige in den Gärten. Zu allem gibt es Rechtsprechungen, und zwar höchstrichterlich, mehr als bei fast allen anderen Rechtsgebieten, weil Streitigkeiten zwischen Nachbarn eben zu den absoluten Klassikern gehören und sehr häufig vorkommen. Jede nur denkbare Konstellation, und die sind ja endlich, hat sich bereits ereignet und ist bereits in irgendeiner Weise entschieden worden.
Deshalb ist, so leid es mir tut, Herrn Dr. Jäger Recht geben zu müssen in dieser Hinsicht, ein Nachbarschaftsgesetz schlicht überflüssig, wenn nicht sogar schädlich. Es ist eine Neuerung, die keiner braucht, die eher geeignet ist, Verwirrung zu stiften, wo im Augenblick einigermaßen akzeptable und berechenbare Verhältnisse herrschen.
Im Kern handelt es sich um ein Angeberunternehmen der LINKEN. Sie will vorführen, dass sie sich ein paar Juristen leisten kann, die ein Gesetz zusammenbasteln können, die Formalien stimmen alle, Problemstellung, Lösung, Kosten, es gibt 20 Einzelparagrafen, einige sogar mit drei Absätzen.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Was ich selber denk und tu, Herr Andrejewski, trau ich auch anderen Menschen zu.)
Das ist super für die Statistik der LINKEN, die sie sicherlich im Landtagswahlkampf stolz präsentieren wird. Aber Quantität heißt noch lange nicht Qualität. Es ist vielleicht ein Nachweis für Fleiß, wenn heutzutage etwa 5.000 Bundesgesetze und Bundesverordnungen in Kraft sind und ständig neue ausgespuckt werden, aber ob das so sinnvoll ist, ist eine andere Frage.
Mit einem Minimum an Gesetzen auszukommen und diese kurz und klar zu halten, wäre vielleicht die größere geistige Herausforderung. DIE LINKE schließt sich hier einem Trend an, den man nur als Unsitte bezeichnen kann. Ständig werden neue Textmassen produziert. Das Grundgesetz wird jetzt vollgeschmiert mit langatmigen Ausführungen zur Schuldenbremse. Das war früher einmal kurz und knapp, das wird jetzt zum Müllabladeplatz, weil jeder etwas hineinschreiben will. Die Europäische Union übertrifft natürlich alles – wie immer – mit einer Flut immer neuer Richtlinien und Verordnungen. Des Gesetzemachens ist kein Ende, wenn man die Bibel leicht verfremdet zitieren will. Dem muss man entgegenwirken, anstatt da auch noch mitzumischen. Deshalb lehnt die NPD-Fraktion dieses Renommierprojekt der LINKEN ab, denn das braucht keiner. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht wundern, dass wir über die Art und Weise des Umgangs mit unserem Antrag, dem Gesetzentwurf, nicht sonderlich überrascht sind.
Ich will mich aber trotzdem an dieser Stelle zu einigen Argumenten, die Sie hier genannt haben, noch einmal zu Wort melden. Ich will absichtlich, Herr Dankert, nicht mit Ihnen herumphilosophieren, warum, wieso, weshalb wer irgendwann einmal baden geht oder nicht baden gegangen ist.
Das könnten wir sicherlich einmal machen, nur da werden komische Ergebnisse herauskommen. Mir fällt dazu auch sehr viel ein.