Protocol of the Session on February 5, 2020

Der Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes ist nicht in der Lage, den im Grundsteuerurteil vom 10. April 2018 aufgestellten Reformauftrag des Bundesverfassungsge richts zu erfüllen.

Das war eine öffentliche Anhörung. Da hat Frau Professorin Hey genau dies bereits kundgetan.

Ich bin keine Verfassungsrechtlerin, aber von renommierten Verfassungsrechtlern weiß ich, dass die Erwartungen des Ver fassungsgerichts dann erfüllt sind, wenn der Gleichheitssatz gilt und wenn die Lastengleichheit gilt. Dafür müssen Belas tungsgrund, Belastungsziel und die Bemessungsregeln er kennbar und in sich schlüssig sein.

Nach den Regeln des Bundesverfassungsgerichts kann man nicht unterschiedliche Belastungsgründe oder -ziele mitein ander mischen. Das betrifft die Debatte, die in vielen Ländern über sogenannte Mischmodelle geführt wird, also aus allen Modellen das zu nehmen, was am besten gefällt, und daraus ein Kombi- bzw. Mischmodell zu basteln. Das ist verfassungs rechtlich extrem schwierig, weil man sich entscheiden muss, ob man nach Ertrag, nach Leistung oder nach Wert einerseits oder nach dem Äquivalenzprinzip andererseits besteuert. Demnach kann die Kommune für die Bereitstellung einer In frastruktur, die noch nicht durch Gebühren oder Abgaben fi nanziert wird, eine Steuer erheben.

Das geordnete Verfahren habe ich bereits dargestellt. Wir hat ten letzten Freitag eine sehr interessante Anhörung von Ex perten. Wir werden die Anregungen, die wir aus dieser Exper tenanhörung mitgenommen haben, jetzt intensiv prüfen. Im Falle einer Nutzung der Öffnungsklausel – das haben wir, die Regierung, in Übereinstimmung mit den Regierungsfraktio nen vor – werden wir zeitnah einen möglichst verfassungs konformen Vorschlag auf den Weg bringen. Wie gesagt: Mit der Bodenwertsteuer – dazu hat das Finanzministerium einen Gesetzentwurf in Arbeit – sind dafür die Grundlagen gelegt. Wenn die offenen Fragen geklärt sind, werden wir uns in der Koalition weiterhin konstruktiv und im Interesse Baden-Würt tembergs, der Kommunen und der Steuerpflichtigen beraten und sicherlich einen gemeinsamen Weg finden.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Schwarz.

Frau Ministerin, uns ist wichtig, dass wir das Aufkommen der Grundsteuer für die Kommunen sichern, dass wir Belastungsverschiebungen ver

meiden, dass wir ein Modell finden, das im Vollzug sehr ein fach ist.

Wir haben zudem das Interesse, dass es eine Anreizwirkung gibt, um Flächen, die bebaut werden können, die baureif sind, einer Bebauung zuzuführen, also einen Beitrag zur Innenent wicklung, zum Wohnungsbau zu leisten. Das wird gemeinhin unter Grundsteuer C diskutiert.

Können Sie uns sagen, welche Möglichkeit das Land BadenWürttemberg hat, eine eigene Grundsteuer C einzuführen, und wie hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen sind?

Vielen Dank für die Frage. – Ohne das Bundesmodell, das übrigens Ende letz ten Jahres verabschiedet worden ist – die Fristsetzung war nicht zufällig, sondern sie war vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben –, hätten die Kommunen ab dem 1. Januar 2020 keine Grundsteuer mehr erheben können. Sie hätten damit ei nen Einnahmeausfall von immerhin 1,8 Milliarden € allein in Baden-Württemberg zu verzeichnen gehabt. Das hätte natür lich schwerwiegende Eingriffe für die kommunale Aufgaben erfüllung bedeutet.

Im Bundesmodell ist eine Grundsteuer C vorgesehen. Das heißt, die Kommunen bekommen die Möglichkeit, für von ih nen selbst definierte baureife Grundstücke einen anderen He besatz anzuwenden als für alle anderen Grundstücke. Das ist deshalb wichtig, weil der kommunale Hebesatz innerhalb ei ner Kommune für alle wirtschaftlichen Einheiten gleich hoch ist. Die Kommune kann in der Regel nicht in einem Gebiet ei nen höheren Hebesatz anwenden als in einem anderen, son dern er ist überall gleich.

Mit der Grundsteuer C haben die Kommunen die Möglich keit, z. B. ein innerörtlich bzw. innerstädtisch brachliegendes Gebiet, das zur Bebauung geeignet ist, höher zu besteuern als andere Grundstücke. Ziel kann sein, solche Grundstücke bei spielsweise der Wohnbebauung zuzuführen. Deshalb ist das ein wichtiges Instrument.

Auch im Rahmen eines Modells, in dem wir die Fläche mit dem Bodenrichtwert – eventuell noch mit der Gebäudefläche – mulitplizieren, ist das Einführen einer Grundsteuer C nach meinem derzeitigen Kenntnisstand problemlos möglich. Dann, denke ich, sollten wir davon auch Gebrauch machen.

Danke schön. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Baron.

Frau Finanzministerin, meine Fra ge geht in eine ähnliche Richtung, sie betrifft auch die Grund steuer C. Gibt es eine klare Definition von „baureifen Flä chen“? Die Flächen sehen ja ganz verschieden aus. Gibt es ei ne klare Abgrenzung? Das ist meine Frage.

Welche Flächen der Wohnbebauung zugeführt werden sollen, entscheiden die Kommunen im Rahmen ihres jeweiligen Bebauungsplans. Dort sind die Wohngebiete, die Mischgebiete und die Gewer begebiete ausgewiesen. Würde das Grundstück dann laut Be bauungsplan in einem Wohngebiet liegen, würden hierfür die Voraussetzungen vorliegen.

Herr Abg. Gruber hat jetzt das Wort für seine Frage.

Frau Ministerin Sitzmann, Sie ha ben die Frage des Kollegen Hofelich, wann oder ob Sie ver fassungsrechtliche Bedenken vorgebracht haben, mit einem Zitat einer Wissenschaftlerin aus einer Bundestagsanhörung beantwortet. Mich würde jetzt – darauf aufbauend – interes sieren: Haben Sie sich diesen Standpunkt zu eigen gemacht? Haben Sie diesen im Bundesrat eingebracht? Insbesondere: Wie haben Sie, hat die Landesregierung im Bundesrat bei die sem Bundesgesetz abgestimmt?

Zur Abstimmung im Bundestag und im Bundesrat stand ein ganzes Gesetzes paket. In diesem Gesetzespaket waren zum einen ein Bundes modell für eine neue Grundsteuer sowie zwei Grundgesetz änderungen enthalten.

Die eine Grundgesetzänderung hat klargestellt, dass der Bund grundsätzlich die Kompetenz hat, die Grundsteuer zu regeln, obwohl es eine Steuer ist, bei der die Einnahmen ausschließ lich den Kommunen zukommen. Zum Zweiten gab es eine Grundgesetzänderung, in der es darum ging, dass die Länder von einer Öffnungsklausel Gebrauch machen können und ein vom Bundesmodell abweichendes Modell wählen können.

Allerdings ist es so: Bei den Vorgaben des Bundesverfassungs gerichts hat es zwei Fristen gegeben. Die eine Frist war der 31. Dezember 2019. Bis dahin musste ein neues Grundsteu ergesetz beschlossen sein. Diese Frist haben wir mit dem Bun desmodell eingehalten. Deswegen hat Baden-Württemberg diesem Gesetzespaket mit zwei Grundgesetzänderungen und einem Bundesmodell im Bundesrat zugestimmt. Hätten wir das nicht getan, hätte es vielleicht keine Zweidrittelmehrheit gegeben, hätten die Kommunen in Baden-Württemberg und darüber hinaus keine Grundsteuer erheben können und, wie gesagt, 1,8 Milliarden € weniger Einnahmen gehabt.

Selbstverständlich haben wir uns intensiv in die Debatte über eine Reform der Grundsteuer eingebracht. Die Debatten über die Reform der Grundsteuer währen bereits seit 50 Jahren. Warum ist das so? Die Werte, auf denen die Grundsteuer in den neuen Bundesländern beruht, stammen aus den Dreißi gerjahren. In den alten Bundesländern sind die Werte fast so alt wie ich; sie stammen aus dem Jahr 1964. Es war sehr schnell klar, dass man diese Werte fortschreiben muss, was aber in all den Jahrzehnten nicht geschehen ist. Deswegen wa ren auch Klagen beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Es war von Anfang an sehr wahrscheinlich, dass das Bundes verfassungsgericht das derzeit noch praktizierte Grundsteuer modell für verfassungswidrig erklären wird. Also war es in unserem eigenen Landesinteresse, dass dieses Bundesmodell beschlossen wird.

Die zweite Frist ist der 31. Dezember 2024. Bis dahin darf das alte Gesetz angewandt und umgesetzt werden. Erst dann wird ein neues Gesetz angewandt.

Wir können davon ausgehen, dass es, egal, welches Modell man wählt, Klagen geben wird. Es wird voraussichtlich Kla gen geben von denjenigen, die gemäß Bundesverfassungsge richt in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich zu wenig Grundsteuer bezahlt haben, die dann nach neuem Recht eine angemessene Grundsteuer bezahlen müssen. Deswegen ist es

uns, der Regierung und den Regierungsfraktionen, auch so wichtig, dass wir uns auf ein Modell einigen, das verfassungs konform ist. Bei dem gerade beschriebenen Bodenwertmodell war die Einschätzung unisono, dass es den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts genügen wird.

Da Sie jetzt noch einmal das Thema Einfachheit angespro chen haben, kann ich Ihnen sagen: Für das Bundesmodell wer den auch nur fünf Angaben des Steuerpflichtigen eingefordert. Das sind die Grundstücksgröße, die Gebäudefläche, die Ge bäudeart – Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus, Mehrfamili enhaus –, auf jeden Fall das Baujahr und der Bodenrichtwert. Das heißt, für die Steuerpflichtigen ist der Unterschied zwi schen dem Bundesmodell und einem Bodenwertmodell, dass bei dem einen Modell fünf Angaben gemacht werden müssen und bei dem anderen Modell zwei bis drei Angaben.

Die Berechnungsmethode, die hinter dem Bundesmodell steckt und die dann über die IT ausgeführt werden muss, ist allerdings sehr viel schwieriger. Da geht es dann um die Net tokaltmieten gemäß Baujahr, multipliziert mit der Wohnflä che und einem Faktor für die Zahl der Monate. Dann hat man einen Rohertrag. Anschließend muss man die Bewirtschaf tungskosten nach Baujahr abziehen und kommt dann zu ei nem jährlichen Reinertrag. Dieser wird dann mit einem Ver vielfältiger multipliziert, der sich nach Baujahr und Liegen schaftszinssatz bemisst. Dann erhält man den Barwert des Reinertrags.

Auf der anderen Seite müssen Sie den Bodenrichtwert mit der Grundstücksfläche und dem Abzinsungsfaktor nach Baujahr multiplizieren, um den abgezinsten Bodenwert zu erhalten. Das fließt dann in den Grundsteuerwert ein, der dann mit ei ner Steuermesszahl multipliziert wird. Das ist die Grundlage, auf der die Kommunen dann sozusagen den Hebesatz drauf geben und die Grundsteuer berechnen.

Verglichen damit ist das Modell „Grundstücksfläche multipli ziert mit Bodenrichtwert und eventuell Gebäudefläche“ – das muss man noch sehen – doch eine sehr viel einfachere Be rechnungsmethode, die dann von der Finanzverwaltung aus geführt werden muss, als beim Bundesmodell.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das war nicht meine Fra ge!)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, ich habe zwar noch eine Wortmeldung, aber die Zeit hierfür ist um. Die 30 Minuten sind ausgeschöpft.

Schade.

Deshalb vielen Dank, Frau Mi nisterin.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Jetzt habe ich mich gerade warmgeredet.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: So kurz hat sie zu dem Thema noch nie geredet! – Abg. Peter Hofelich SPD: Wo war denn der Kollege Wald? – Gegenruf des Abg. Ulli Hockenberger CDU: Er denkt gerade fest an uns!)

Ich rufe das nächste Thema auf, gemeldet von der Fraktion der CDU:

I n n o v a t i o n s s t r a t e g i e B W – F o r t s c h r e i b u n g 2 0 2 0

Herr Abg. Paal, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wirtschaftsministerium hat diese Woche die Fortschreibung der Innovationsstrategie des Landes vor gestellt. Bei der Erstellung der Strategie waren alle fachlich berührten weiteren Ressorts beteiligt. Die Innovationsstrate gie ist nicht nur Grundlage des Europäischen Fonds für regi onale Entwicklung – EFRE –, sondern natürlich auch wichtig für die Zukunft dieses Landes; ich erinnere an unsere Aktuel le Debatte von heute Morgen.

Uns interessiert natürlich diese Strategie brennend. Deshalb frage ich die Landesregierung: Wozu dient die Strategie? Was ist das Ziel? Was sind die wichtigsten Empfehlungen der Stra tegie? Und hat die Innovationsstrategie direkte Auswirkun gen, von denen wir hier in Baden-Württemberg profitieren werden?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Frau Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut. – Auch hier gilt natürlich, die Antwor ten möglichst kurzzufassen, damit noch viele Fragen möglich sind. Vielen Dank.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der De batte heute Morgen wurde wieder deutlich: Innovation – das ist der Weg, den wir gehen, den unsere Wirtschaft im globa len Wettbewerb beschreitet. Technologieführerschaft in unse ren Kernbranchen, aber auch in Nischen – die vielen Hidden Champions sind so erfolgreich im internationalen Wettbewerb, weil sie eben über Innovation ihre Produkte wettbewerbsfä hig global anbieten können.

Wir haben den Anspruch, dass wir auch in Zukunft Spitzen technologie aus Baden-Württemberg in die Welt verkaufen, die Unternehmen, die Wirtschaft hier in unserem Land gut aufgestellt sind. Baden-Württemberg ist eine der innovations stärksten Regionen Europas. Wir wollen, dass dies auch in Zu kunft so bleibt.

Wir befinden uns derzeit in einem tief greifenden Umbruch durch die Digitalisierung, aber auch durch die Veränderung im Bereich der Mobilität in aller Vielfalt. Deshalb ist es zwin gend notwendig, dass wir, die Landesregierung, eine Innova tionsstrategie erarbeitet haben, die die Grundlage darstellt, auch für unsere Aktivitäten, für unsere Investitionen, für un sere Förderungen auf Landesebene.

Wir haben uns gefragt: Wo steht unser Bundesland aktuell, wo wollen wir hin, und mit welchen Mitteln wollen wir diesen Weg beschreiten?

Die letzte Innovationsstrategie war aus dem Jahr 2013. Des halb freue ich mich, dass es uns jetzt gemeinsam gelungen ist, einen neuen Weg, neue Handlungsfelder zu definieren und

dann auch konsequent in den unterschiedlichen Bereichen um zusetzen.

Wir haben Handlungsstränge definiert, die wir jetzt in den Fo kus nehmen, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. Wir punkten durch unsere starke Forschungsinfrastruktur, durch die enge Verzahnung der Hochschulen, der anwen dungsorientierten Forschung, des Technologietransfers. Hier müssen wir unsere Anstrengungen weiter intensivieren.

Als zentrale Handlungsfelder haben wir die Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, nachhaltige Mobilität, Gesundheitswirtschaft, Ressourceneffizienz, Energiewende und auch die nachhaltige Bioökonomie identifiziert. In die sem Bereich passiert gerade auch sehr viel Innovation. Wir werden hierauf stärker den Blick richten.