Rainhard Lukowitz

Appearances

4/5 4/6 4/7 4/8 4/9 4/11 4/13 4/14 4/15 4/18 4/24 4/25 4/26 4/27 4/30 4/31 4/32 4/34 4/37 4/40 4/42 4/43 4/52 4/55

Last Statements

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne gern die Debatte der Fraktionen in der
Hoffnung, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt heute mit einer verantwortlichen Mehrheit dem Entwurf zu dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag seine Zustimmung erteilen wird und damit als eines der 16 zustimmungspflichtigen Landesparlamente mit bewirkt - ich glaube, zwölf haben schon zugestimmt und Brandenburg verhandelt wohl heute in etwa zur gleichen Zeit wie wir -, dass der ausgehandelte Kompromiss, der schwer genug war, am 1. April dieses Jahres in Kraft gesetzt werden kann.
Bisher, meine Damen und Herren, hatte jeder Rundfunkänderungsstaatsvertrag für sich gute Gründe. Aber kein anderer - vielleicht mit Ausnahme des allerersten Staatsvertrages, mit dem unter anderem das duale Rundfunksystem vor 20 Jahren etabliert worden ist - hat so tief greifende Diskussionen zur Entwicklung des öffentlichrechtlichen Rundfunks ausgelöst.
Ich sage das mit Bedacht, meine Damen und Herren; denn offensichtlich gibt es auch hier wie in anderen wichtigen Bereichen unserer Gesellschaft einen enormen Reformbedarf, der Entscheidungen vor allem von der Politik fordert. Hier hat die Politik eine wichtige Verantwortung. Sie darf sich nicht davonschleichen, wie das hier und da zu hören ist.
Das macht sich nicht nur an der extrovertiert geführten Gebührendebatte fest, aber zu einem wichtigen Teil auch an ihr, weil sie ein Spiegelbild so genannter wohlverstandener Staatsvorsorge auf Kosten der Gebührenzahler abbildet.
Deshalb halte ich es für geboten, dass die PDS-Fraktion in der Gebührendebatte nicht nur für noch höhere Gebühren als jetzt beschlossen eintritt und mit schweren Geschützen operiert wie „unzulässige Politiknähe“ und „Verfassungsinkonformität“, sondern dem Bürger gleichzeitig mitteilte, dass dies erneut auf seine Kosten geschehen solle, meine Damen und Herren.
Gleichwohl haben wir als Liberale selbstredend die im Raum stehenden Verfassungsbedenken sehr ernst genommen und auch die Entwicklungen in Sachsen sehr genau verfolgt. Im Ergebnis würdigt und unterstützt unsere Auffassung jedoch die Handlungsoption der 16 Ministerpräsidenten und damit auch die staatsvertragliche Empfehlung für unseren Landtag.
Persönlich bin ich jemand, der, wenn überhaupt, überwiegend öffentlich-rechtlich fernsieht und der diese Qualität auch würdigt. Diese Qualität aber ist auch ein Ergebnis der privaten Konkurrenz, also des dualen Systems, für das Deutschland in der Welt beispielgebend ist. Deswegen sind Chancengleichheit und Wettbewerb auch in der Medienwelt so wichtig; denn die Herausforderungen der Zukunft werden gesellschaftlich, sozial, politisch, aber auch technisch enorm sein.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt dabei zweifelsohne die Rolle eines wichtigen Fixpunktes, einer Orientierung für und in der Gesellschaft zu, wie es sinngemäß in der Begründung unseres Entschließungsantrages nachzulesen ist. Deswegen war und ist es wichtig, die Grundfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seinen Grundversorgungsauftrag, noch stärker in den Vordergrund zu rücken und die dafür erforderlichen rundfunkpolitischen und rundfunkrechtlichen Voraussetzungen zu definieren.
Deswegen muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in die Lage versetzt werden, auch durch die Gesetzgeber der Länder, sich finanziell und technisch auf die zweite Phase der auf vollen Touren laufenden digitalen Revolution einzustellen bzw. sich nicht nur darauf einzustellen, sondern sie mit zu bestimmen. Damit begründet sich für mich auch ein guter Teil der jetzt zu beschließenden Gebührenerhöhung.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, der vorliegende achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag und die öffentliche Auseinandersetzung darüber sind Zeichen eines tragfähiger Kompromisses über Parteien- und Ländergrenzen hinweg. Das duale System in Deutschland wird bestätigt und gestärkt. Wir haben zwar eine Gebührenerhöhung, wir haben aber in der Gesamtbeurteilung auch eine qualitativ beachtenswerte Selbstverpflichtungsbewegung in den öffentlich-rechtlichen Anstalten selbst und deren Gremien und damit auch ein klares Bekenntnis zur Strukturdebatte und zur zukunftsorientierten Strukturreform.
Damit werden sich auch gute Argumente in der eingeleiteten Beihilfeprüfung durch die EU-Kommission national entwickeln lassen. Die meisten von Ihnen wissen, dass die EU-Kommission in drei Bereichen ermittelt: Auftragsdefinition, Überkompensation und Transparenz. Das ist insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wichtig. All diese Argumente veranlassten uns auch, einer von der PDS beantragten erneuten Anhörung im Ausschuss nicht zuzustimmen.
Zum Schluss noch einen kurzen Verweis auf den vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP. Wir halten ihn für eine Wegbeschreibung in die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er würdigt zum einen das Erreichte, zeigt zum anderen auch die aktuellen Defizite auf. Er macht darüber hinaus deutlich, dass wir uns in die notwendigen Strukturdebatten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland weiter einmischen wollen und werden.
Genauer wird sicherlich mein Kollege Herr Schomburg darauf eingehen, der einen guten Anteil am Entstehen dieser Entschließung hat und dabei - ich sage das mit Vergnügen - erheblich liberale Züge freisetzte. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Eventualität, die Sie mir angeboten haben. - Herr Höhn hat das sehr moderat vorgetragen. Vielen Dank, Herr Höhn.
Wir werden uns über die verfassungsrechtliche Problematik im Ausschuss sicherlich sehr gründlich unterhalten können. Es gibt dazu im Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch - -
Ich fühle mich hin und her gerissen;
denn die Problematik ist spannend und sie wird uns alle noch sehr interessieren. - Also gut. Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich bitte um die Genehmigung, meine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.
Vielleicht wollen Sie einen spannenden Krimi sehen, eine kulturgeschichtliche Dokumentation, ein politisches Magazin, ein fesselndes Fußballspiel oder natürlich seriöse Nachrichten aus aller Welt, aber auch aus Ihrer Region - all das beschert uns das duale System im Wettstreit und im Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks. Lassen Sie mich das Thema etwas anders angehen als mein Vorredner Herr Höhn.
Das duale Rundfunksystem hat in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag gefeiert. Im Jahr 1984 nahmen die ersten privaten Radio- und Fernsehkanäle den Sendebetrieb auf. Heute sind in Deutschland rund drei Dutzend Fernsehprogramme empfangbar - eines der umfangreichsten Free-TV-Angebote der Welt. Deutschland ist hier ausnahmsweise einmal Spitze, anders als beispielsweise bei Pisa.
Wir Liberalen verschweigen nicht, dass wir große Anhänger des dualen Rundfunksystems sind und damit auch des privaten Rundfunks. Wir sind also für ausgewogene strukturelle Marktmechanismen in der immer komplexer werdenden Medienwelt. Ich erwähne dies so
prononciert, weil ich umgekehrt auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen möchte, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk zu den unabdingbaren Voraussetzungen unserer Demokratie und des grundsätzlich zu gewährleistenden Informationsanspruches gehört. Dass dafür sowohl eine angemessene transparente Finanzausstattung als auch eine ständig zu untersetzende Innovationsfähigkeit von ARD, ZDF und Deutschlandradio gewährleistet sein muss, ist gleichermaßen unbestritten.
Nun sind ausgerechnet im 20. Jahr des dualen Systems die Auseinandersetzungen mit besonderer Schärfe und auch - nicht immer ohne politischen Profilierungswert; siehe das so genannte SMS-Papier, das Stoiber/Milbradt/Steinbrück-Papier, und die „Saban-Show“ - im privaten Fernsehen geführt worden. Es bedurfte schon einer nennenswerten diplomatischen Qualität der 16 Ministerpräsidenten und der vielen Unterhändler, um bei der losgetretenen Gesamtdebatte eine belastbare konsensuale Basis nicht nur für die gegenwärtigen Problemlagen, sondern auch für die zukünftigen enormen Veränderungen in einer neuen digitalen Welt aufzuzeigen.
Die Kernpunkte der öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen heißen insbesondere Gebührenentwicklung und deren Zustandekommen sowie eine teilweise semantisch anmutende Kopplung an Strukturfragen und den Grundversorgungs- oder auch Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Natürlich sind Gebührenerhöhungen immer ein „Reizthema“ für die ganze Gesellschaft und das muss auch so sein - für Liberale aber insbesondere. Dass eine Debatte darüber gut ist und auch differenzierend wirkt, zeigt die diesbezügliche Genesis: Anmeldung der öffentlichrechtlichen Anstalten bei der KEF über 2 €, Festlegung der KEF auf 1,09 € und dann die politische Korrektur der Ministerpräsidenten vom 8. Oktober 2004 auf 0,88 €.
Die Politik hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine angemessene Belastung und auch den Schutz der Gebührenzahler, also Sozialverträglichkeit zu garantieren. Die Begründung in dem MPK-Beschluss ging daher dahin, dass die Gebührenerhöhung in das Umfeld einer deutlich angespannten Lage falle, die große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringe.
Insofern sind auch die Interventionen der öffentlichrechtlichen Anstalten nur mittelbar; denn immerhin sollen sie durch die Gebührenzahler mit einem Zuwachs von 88 Cent und somit in den nächsten vier Jahren mit 1,4 Milliarden € zusätzlich bedacht werden. Das ist zumindest eine deutlich antipodische Entwicklung im Vergleich zu allen anderen öffentlichen Haushalten - Bund, Länder, Gemeinden.
Auch wenn wir Liberalen eine ganze Reihe unserer Anforderungen an den Staatsvertrag nicht erfüllt sehen, wie zum Beispiel eine klare Entscheidung zur Werbung, Verzicht auf Sponsoring im Abendprogramm, Einstellung der Schleichwerbung, strikte Begrenzung der OnlineAktivitäten, Verringerung der Anzahl von Hörfunkprogrammen etc., und es bei den mittelstandsorientierten Regelungen zum so genannten Hotelprivileg Defizite gibt, halten wir den erreichten Kompromiss mit einer entsprechenden Dynamik auch in der Zukunft für tragfähig.
Einen „Königsweg“ wird es in der Medienpolitik, die ja Ländersache und damit nicht weniger kompliziert ist - 16 Landesregierungen, 16 Landesparlamente -, nicht
geben. Also ist ein Kompromiss gefragt. Nur über die Qualität des vorliegenden Kompromisses sollten wir entscheiden.
Hinzu kommt, dass Europa neue Maßstäbe setzt. Die zuständige EU-Generaldirektion „Wettbewerb“ schlägt laut „neue Töne“ an und fordert mehr „Markt“ in der Medienlandschaft. Die Gebührenfinanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland ist erst einmal unter den Verdacht der beihilferechtlichen Vorteilsnahme gestellt worden. Ich persönlich teile diese Auffassung nicht; aber ihre Umsetzung würde einen komplexen Eingriff vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeuten. Das ist die „europäische Großwetterlage“; diese muss auch landespolitisch von uns entsprechend beobachtet werden.
Für die FDP bleibt in der konkreten Ausgestaltung des vorliegenden Rundfunkänderungsstaatsvertrages entscheidend, dass der Bürger nicht zusätzlich und unbegründet durch weitere staatlich verordnete Gebührenerhöhungen gebeutelt wird, aber auch, dass das duale System auf beiden Seiten dieser beschriebenen Dualität für den Bürger in der nahen und mittleren Zukunft leistungsfähig bleibt. Das gilt also auch für den öffentlichrechtlichen Rundfunk.
Technisch wird dies zumindest eine wirkliche Herausforderung sein. Unmittelbar vor uns steht die zweite Phase der digitalen Revolution mit ihren ungeahnten Möglichkeiten. Ich darf die Schlagwörter nennen: digitales Kabel, DSL, UMTS, digitale Satellitenübertragung, DVB-T - eine nationale Erfolgsgeschichte, die digitale Welt pilgert nach Deutschland.
Programmatisch - das ist für uns sehr wichtig - ist mit dem vorliegenden Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Grundfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sein Grundversorgungsauftrag wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt worden. Dies begrüßen wir und wir werden die staatsvertraglichen Regelungen, gekoppelt an die Selbstverpflichtungserklärungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, trotz der aufgezeigten aktuellen Defizite positiv begleiten.
Herr Präsident! Ich mache das gleich vom Platz aus. Wir haben das Volksbegehren sehr ernst genommen. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Ich finde es auch gar nicht so selbstverständlich, dass wir die Volksinitiatoren mit Rederecht im Landtag ausgestattet haben, dass sie bei uns hier im Raum sein können und dass sie auch in den Ausschusssitzungen - -
Das ist gar nicht so selbstverständlich. Meines Wissens ist das bisher auch einmalig in deutschen Parlamenten. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Das ist eine Geste. Man kann sich möglicherweise juristisch darüber streiten. Aber die Koalitionsfraktionen haben das politisch so entschieden, und das sollte man auch entsprechend würdigen. Deswegen brauchen wir auch keine Moralisten im Landtag wie Herrn Gallert beispielsweise mit seiner Bemerkung vorhin.
Ich möchte für mich persönlich sagen: Ich war sehr interessiert an dem Beitrag der Einbringer, weil ich auch persönlich kritisch mit den Themen umgehen möchte. Ich hätte mir sehr gewünscht, die Einbringenden hätten auf alle Umfeldsituationen und auf alle populistischen Dinge verzichtet und hätten ihr Gesetz eingebracht.
Es wäre auch ganz sinnvoll gewesen, das zu begründen. Sie hatten ein wunderschönes Bild dessen gemalt, was in einer Kindertageseinrichtung alles zu passieren hat hinsichtlich der Bildung und Betreuung. Es fehlt nur jede Begründung dafür, warum das mit dem Kinderförderungsgesetz, das wir auf den Weg gebracht haben und das jetzt Gültigkeit hat, nicht geleistet werden kann. Kein Wort dazu.
Deswegen verstehe ich auch diesen oder jenen Kollegen, der unmutig geworden ist. Wir werden das Thema in den Ausschusssitzungen und möglicherweise auch in der abschließenden Behandlung hoffentlich wieder versachlichen können. Ich weise die Vorwürfe von Herrn Gallert klar und deutlich zurück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Soeben hat Frau Sitte darauf hingewiesen: Am 16. Juli dieses Jahres jährt sich zum zwölften Mal der Geburtstag unserer Landesverfassung. Das ist ein wichtiger und auch erfreulicher
Teil unserer sachsen-anhaltinischen Landes- und Staatsgeschichte. Herr Dr. Püchel hat das, glaube ich, umfassend begründet.
Verfassungen sind der Idee nach dauernde Grundsicherungen, das ruhende, beharrende, stabilisierende Moment des staatlichen Lebens. Die oft entfesselte Dynamik des Tagesgeschehens oder auch von politischen Launen sollten und dürfen in der Verfassungspolitik keinen Platz haben. Allzu häufige Verfassungsänderungen, meine Damen und Herren, schaden dem Ansehen einer Verfassung. Das wurde in Sachsen-Anhalt über ein Jahrzehnt beherzigt, dank auch der verantwortungsvollen und behutsamen Amtsführung der drei bisherigen Präsidenten dieses Hauses: Präsident Keitel, Präsident Schaefer und Präsident Spotka. Das würdigen die Liberalen im Landtag von Sachsen-Anhalt ausdrücklich, meine Damen und Herren.
Aber auch Verfassungen müssen lebendig sein und erlebte Staatspraxis ihrer Zeit und die in ihr wirkenden Menschen und ihre Ideen widerspiegeln.
Wenn also heute erstmals ernsthaft - weil von einem breiten verfassungspolitischen Konsens dieses Hauses getragen - nach zwölf Jahren bewährter Verfassungspraxis an die Änderung der Landesverfassung herangegangen wird, ist mir doch ein Blick in deren Entstehungsgeschichte auch persönlich sehr wichtig, weil ich dies Anfang der 90er-Jahre auch persönlich miterleben durfte.
Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir am 25. Juni 1992 in diesem Saal, der damals noch ein anderes, ja provisorisches Aussehen hatte, unsere Landesverfassung in zweiter Lesung beraten haben. Es war - alle, die dabei waren, werden sich sicherlich mit mir erinnern - der Tag der Beratung über die Beschlussempfehlung des Verfassungsausschusses zu den drei vorliegenden Verfassungsentwürfen, über zahlreiche Änderungsanträge, über den Bericht des Vorsitzenden des eigens dafür eingerichteten Ausschusses Herrn Dr. Reinhard Höppner, der eine unermüdliche Arbeit an dieser Verfassung geleistet hat, und einer, wie ich noch heute finde, sehr denkwürdigen Aussprache in diesem Haus.
Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag der ersten Wahlperiode Herr Professor Hans-Herbert Haase in dieser Aussprache zur Begründung des Einsatzes der FDP für eine Vollverfassung betont hatte, dass es die Überzeugung der Liberalen in Sachsen-Anhalt sei, dass diese Vollverfassung mit ihrem Grundrechtekatalog, den Einrichtungsgarantien und den Staatszielen ein wesentlicher Baustein im Gefüge unseres jungen Landes werden werde und dass es wichtig sei, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Verfassung und nicht irgendeine beliebige erkennen würden.
Der damalige Präsident Herr Dr. Keitel hat in seiner Rede im Rahmen der feierlichen Ausfertigung der Verfassung am 16. Juli 1992 unsere Erwartungen in die Worte gefasst, dass die Verfassung des Menschen Würde und Recht schütze und dass sie unserem konfliktreichen Zusammenleben einen verbindlichen organisatorischen Rahmen in der Hoffnung gebe, in ihm in der Gegenwart zu bestehen und in der Gewissheit künftiger Entwicklungen den friedlichen Wandel zu ermöglichen. - Das ist ihr, glaube ich, bisher gelungen.
Dass Präsident Herr Dr. Keitel außerdem betonte, dass die Verfassung von Voraussetzungen lebe, die sie nicht selbst, sondern nur die Bürgerinnen und Bürger, jeder und jede Einzelne schaffen und erhalten könne, entsprach durchaus auch unseren liberalen Grundüberzeugungen.
Fragen wir uns heute, was die damalige Verfassungsdebatte so konsensfähig hat werden lassen, meine Damen und Herren. Auch daran möchte ich kurz mit zwei Gedanken erinnern.
Zunächst wird man auch heute noch sagen können, dass es richtig war, das In-Kraft-Setzen der Verfassung an eine Zweidrittelmehrheit zu knüpfen. Sie wissen, dass dies nicht zwangsläufig erforderlich war. Wir Liberalen sind damals dafür eingetreten. Dieses hohe Quorum hat uns zum Konsens maßgeblich verpflichtet und uns der Versuchung widerstehen lassen, Teile des Hauses und damit der Gesellschaft von der Verfassungsgebung auszuschließen. Hierin liegt - so meine ich - eine wesentliche Grundlage für den schon damals relativ soliden verfassungspolitischen Konsens in unserem Hause.
Ein zweiter Grund für den Erfolg der Verfassung dürfte in unserer Selbstbeschränkung, in unserer Aufrichtigkeit als Verfassungsgeber gelegen haben. Ich halte es für das besondere Verdienst der damaligen Akteure, ausdrücklich nicht den Eindruck erweckt zu haben, dass die Verfassung einen Geldesel schaffe, wie es Paul Kirchhof am 16. Juli 2002 ausdrückte, sondern dass sie ihren Reichtum allein in der Freiheitsbereitschaft und in der Freiheitsanstrengung der Bürgerinnen und Bürger finde. - Das ist eine tiefe Wurzel des deutschen Liberalismus, meine Damen und Herren. Aktueller denn je betrachten wir den diesbezüglichen riesigen Reformbedarf in Deutschland heute.
Meine Damen und Herren! Nach der Rückkehr in dieses Parlament vor zwei Jahren fühlen wir Liberalen uns nahtlos miteingebunden in eine historische Entwicklung, die uns heute interfraktionell an die Änderung der Verfassung gehen lässt. Deshalb unterstützen wir die vorliegenden Vorschläge, die Quoren für Volksinitiativen und Volksbegehren maßvoll zu senken, die Wahlperiode zu verlängern und das Parlament auch insofern zu stärken, als die Ernennungskompetenz für all jene Amtswalter vom Ministerpräsidenten auf den Präsidenten des Landtages übergeht, die durch Wahlen durch den Landtag ins Amt gekommen sind.
Für uns Liberale besteht - das ist auch schon in einem Debattenbeitrag erwähnt worden - insbesondere zwischen der Absenkung der Quoren und der Verlängerung der Wahlperiode ein untrennbarer Zusammenhang. Auch wenn der Verfassungsrechtler Klaus Stern feststellt, dass für eine Verfassung, die sich so konsequent der repräsentativen Demokratie verschrieben und die unmittelbaren Staatswillensbildungsakte des Volkes bis auf wenige Ausnahmen - das sind im Wesentlichen die Wahlen; darauf wurde schon verwiesen - begrenzt habe, eine vierjährige Wahlperiode des Parlaments ein angemessener Zeitraum sei, schlagen wir heute eine Verlängerung vor.
Die gesellschaftliche Realität hat sich deutschlandweit fortentwickelt und, wie wir es beurteilen, auch bewährt. Außer Sachsen-Anhalt wählen nur noch Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ihre Landtage bzw. ihre Bürgerschaften für die Dauer von vier Jahren. An dieser Aufzählung erkennt man, dass auch Sachsen und Thüringen, die Partner Sachsen-Anhalts im Rahmen der
Initiative Mitteldeutschland einen Wahlturnus von mindestens fünf Jahren haben. Vor allem hat für uns das Effizienzargument an Bedeutung gewonnen, weil sich die Bedingungen im Parlament, um Politik zu machen, weiter verändert haben. Vieles ist dazu schon gesagt und begründet worden. Im Wesentlichen schließen wir uns diesen Begründungen an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass man das auch anders sehen kann und dass es auch in meiner Fraktion gelegentlich andere Auffassungen gegeben hat, die ich sehr respektiere. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir einen sauberen und fairen Kompromiss zwischen allen Interessenlagen gefunden haben, der auch in der Gesellschaft auf breite Akzeptanz stoßen dürfte und vor allem zum Vorteil des Landes sein wird.
Der zweite Kernpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die Änderung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Quoren für Volksinitiativen und für Volksbegehren, geregelt in den Artikeln 80 und 81 unserer Landesverfassung. Insbesondere an diesem Beispiel wird deutlich, dass die Einbringer der Gesetzesinitiative die Verfassung nicht ändern wollen, weil sie sich vielleicht nicht bewährt hätte, sondern dass sie geändert werden soll, weil sie den tatsächlichen Entwicklungen und Realitäten anzupassen ist.
Sachsen-Anhalts Einwohnerzahl wird aufgrund der neuesten Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes bis zum Jahr 2020 weiter erheblich sinken, was faktisch die Hürde für Volksinitiativen und Volksbegehren immer weiter erhöhen wird. Dieser Schwächung der plebiszitären Elemente soll durch eine angemessene Absenkung der Quoren entgegengetreten werden. Das wird die FDP maßvoll, aber mit Nachdruck verfolgen.
Das gibt mir Gelegenheit, Herr Püchel, Ihnen zu sagen: Ich habe Ihnen gern diesen Brief kurz vor den Kommunalwahlen geschrieben. Die FDP steht natürlich zu dem, was ich Ihnen darin mitgeteilt habe. Ich darf in diesem Hause darauf verweisen, dass die FDP-Bundestagsfraktion Ende des vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag eingebracht hat, der genau die Volkswahl für die europäische Verfassung vorgeschlagen hatte. Dieser Vorschlag ist von allen übrigen Fraktionen im Deutschen Bundestag abgelehnt worden, auch von Ihrer, wenn ich mich recht erinnere, lieber Herr Dr. Püchel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dritte wesentliche Änderung ist die explizite Festschreibung der Aufgaben des Landtages hinsichtlich der Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichtes, des Präsidenten des Landesrechnungshofes und des Landesdatenschutzbeauftragten. Damit einhergehend sollen die Rechte des Landtagspräsidenten durch Ernennung und Entlassung dieser Amtsinhaber gestärkt werden.
Wir sind der Auffassung, in Zeiten, in denen die Kompetenzen der Landtage ständig ausgehöhlt werden, sind diese Änderungen vor allem ein Zeichen dafür, dass Sachsen-Anhalt dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten will, nicht zuletzt auch im Rahmen der zurzeit laufenden heftigen Diskussion über die Reform der bundesstaatlichen Ordnung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss mei
ner Rede der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Ausschussberatungen und weiteren Lesungen des Gesetzentwurfes in ebenso konstruktiver und der Verfassung angemessener Weise erfolgen, wie es im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzentwurfes im Vorfeld der heutigen ersten Beratung der Fall gewesen ist.
Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und weise darauf hin, dass die verbleibenden sechs bis sieben Minuten von Herrn Kosmehl genutzt werden werden, der einige Ausführungen zu dem vorliegenden Informationsgesetz und der dazu gehörigen Informationsvereinbarung machen wird. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss ähnlich wie mein Kollege Bullerjahn improvisieren, der durch den bisherigen Verlauf der Debatte, glaube ich, ziemlich seinen roten Faden verloren hat. Ich muss außerdem schultern, dass die Fachpolitiker von allen Fraktionen gesprochen haben und ich meine liebe Kollegin Hüskens vertreten muss. Deswegen kann ich die Zahlen, die Herr Gallert aus dem Kopf wunderbar zusammengestellt hat, nicht ganz nachvollziehen. Herr Gallert, ich denke aber - -
- Ja. Sie haben doch schon einmal im Landtag gesagt, ich könne nicht rechnen.
Da ging es aber um das kleine Einmaleins. Jetzt geht es um große Beträge.
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner. Ich möchte nur relativ wenige Bemerkungen machen, um bestimmte Tendenzen aufzuzeigen und um vielleicht auf dieses und jenes einzugehen, was uns die Debatte gebracht hat.
Ich sage anfangs, dass die FDP-Fraktion keinen Zweifel daran lässt, dass die notwendig gewordene Neuverschuldung in Höhe von 368 Millionen € im Nachtragshaushalt auch uns nicht erfreut.
Ich sage auch dazu, weil Herr Bullerjahn das dem Finanzminister vorgeworfen hat: Ich denke, wir sind nicht ganz schuldfrei; denn nichts passiert auf dieser Welt, ohne dass man eine Mitschuld oder einen Miterfolg bei positiven Dingen hat. Das sollte man voraussetzen. Man muss das aber sicherlich prüfen und Herr Tullner hat das angekündigt. Wir werden das vernünftig begleiten.
Aber es gibt zwei Dinge, auf die ich aufmerksam machen möchte und die ich noch einmal untersetzen möchte. Herr Gallert gestattet vielleicht auch, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Sie kennen es vielleicht besser als ich. Nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich die Zahlen jetzt nicht richtig zusammenbringe.
Das Erste ist, dass wir tatsächlich ein bundespolitisches Problem haben. Ich will nicht im Einzelnen wiederholen, was auch der Volkswirt Paqué hier vorgetragen hat. Das ist alles richtig. Wir müssen auch ganz klar sagen, dass das keine Lex Sachsen-Anhalt ist, sondern dass sich die Situation quer über alle Bundesländer - ob ostdeutsch oder westdeutsch - ähnlich gestaltet. Es haben eben schon - wie ausgeführt worden ist - im Jahr 2003 acht Länder eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geltend gemacht. Bei weiteren vier lag das Ist über der verfassungsrechtlichen Regelgrenze. Das sind also im Jahr 2003 insgesamt zwölf von 16 Ländern. Das ist nicht von der Hand zu weisen; das sind klare Tatsachen.
Zum Zweiten, lieber Herr Gallert, sind Sie, wenn ich mich richtig erinnere - ich habe die vergangene Zeit auch so ein klein wenig im Blick -, bis 1998 zurückgegangen. Lassen Sie uns einmal drei Jahre weiter zurückgehen. 1995 nämlich sind die neuen Länder in den gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich einbezogen worden. Das waren die finanzpolitisch fetten Jahre. Ich muss Sie jetzt natürlich fragen, was Sie mit dem Geld gemacht haben, wo die Arbeitsplätze sind, wo die Menschen sind, die damals aus Sachsen-Anhalt abgewandert sind.
Ich rede von rund 900 Millionen DM, die 1995 zusätzlich in die Landeskassen gespült worden sind. 900 Millionen DM, das sind 450 Millionen €, also fast eine halbe Milliarde Euro. Da muss man sich schon fragen, was damit geschehen ist. Es gab eine Richtlinie des Bundes, nach der die Mittel entweder zur Verringerung der Staatsschulden oder zur Erhöhung der Investitionsquote eingesetzt werden sollten.
Beides ist nicht geschehen, lieber Herr Gallert. Sie haben damals von den 900 Millionen DM nur 100 Millionen DM zur Verringerung der Schulden eingesetzt. Im gleichen Jahr sank die Investitionsquote, wenn ich mich recht erinnere, um mindestens 0,5 %. Das muss man der Ehrlichkeit halber auch einmal sagen, wenn man uns vorwirft, was wir in zwei Jahren alles nicht erreicht hätten. Das wollte ich hier noch einmal sehr klar und deutlich sagen.
Ich wünschte mir, wir hätten die halbe Milliarde Euro von damals jetzt zur Verfügung. Dann könnten wir sicherlich ein schöneres Bild von Sachsen-Anhalt malen.
Dann möchte ich mich bei meinem Kollegen Polte - er ist gerade nicht im Saal - für seine gestrige sehr impulsive Rede bedanken. Er hat gesagt, es sollte endlich das Rollenspiel aufgegeben werden, dass die einen immer draufhauen und die anderen sagen, sie seien toll; das sei nicht so besonders. Ich muss sagen: Das hält
alles nur wenige Stunden. Was gestern wahr ist, ist heute schon nicht mehr wahr. Das finde ich schon bedauerlich.
- Herr Püchel, ich möchte jetzt viele positive Dinge sagen, die Sie in der letzten Zeit irgendwo zum Ausdruck gebracht haben; denn ich finde das vernünftig.
Ich möchte auch noch einmal auf das Prognosepapier von Herrn Bullerjahn eingehen, in dem viele Wahrheiten aufgeschrieben sind. Man muss sehen, wie man das Thema dann miteinander weiter bewältigt.
Sie, lieber Herr Püchel, haben im Rahmen der Halbzeitbilanz, die noch nicht so weit zurückliegt - das war in den letzten Tagen ein großes politisches Thema -, zum Beispiel gegenüber der „Volksstimme“ geäußert, eine SPDRegierung hätte auch Schwierigkeiten gehabt. Es gibt noch ein zweites Zitat, das ich jetzt nicht so schnell finden kann. Aber es geht in etwa in die gleiche Richtung, nämlich dass die SPD die gleichen Schwierigkeiten gehabt hätte wie diese Landesregierung.
Lieber Herr Bullerjahn, stehen Sie doch zu dem, was Ihr Fraktionschef gesagt hat. Sie müssen nicht unbedingt immer unterschiedlicher Meinung sein, sondern Sie können doch auch einmal seine Meinung vertreten.
Es kann doch niemand bestreiten, lieber Herr Bullerjahn, dass es, wenn - wie der Finanzminister es dargestellt hat - die Ausgaben mit diesem Nachtragshaushalt um 3 % gesenkt werden, eine positive Entwicklung ist. Warum können Sie denn zu dieser positiver Entwicklung nicht auch stehen?
Eine Einsparung bei den Ausgaben in Höhe von 3 % ist eine Menge Geld. Dass wir nicht anders können, als die Neuverschuldung zu erhöhen, weil die Einnahmen so extrem weggebrochen sind, ist doch eine objektive Tatsache. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Sie - auch entgegen Ihren Schriften, die Sie dankenswerterweise der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben - einfach nicht dazu stehen.
Ich habe in Ihren Schriften, lieber Herr Bullerjahn, einige schöne Dinge nachgelesen, die ich sehr unterstützen möchte - ich möchte zitieren -: Es sei nahezu aussichtslos, dass Sachsen-Anhalt nach dem Abschmelzen der Sonderförderung über ausreichend eigene Einnahmen verfüge. Oder: Auch dem Sparen seien Grenzen gesetzt, wenn die Funktionen eines Landes noch erfüllt werden sollten.
Gleich, wenn ich mit meinen Ausführung zu diesem Punkt zu Ende bin.
Oder: Sachsen-Anhalt sei von den allgemeinen Strukturproblemen Deutschlands eingeholt worden. Das ist doch eine kernige Aussage. Darum kann man doch heute nicht einfach herumgehen und sagen: Mensch, Fi
nanzminister, was erzählst du? Was hat Herr Böhmer vielleicht vor ein paar Tagen gesagt?
Dann haben Sie auch noch gesagt, lieber Herr Bullerjahn, seine Annahme der insbesondere durch den Bund zu verantwortenden rückläufigen Einnahmesituation des Landeshaushalts sei wahrlich nicht von der Hand zu weisen.
Ich möchte auch Sie noch einmal zitieren, Herr Gallert; ich habe das schon einmal getan. Vielleicht bereuen Sie ja die Aussage, die Sie am 19. Juli 2003 gemacht haben. Da haben Sie nämlich gegenüber der „Volksstimme“ gesagt - ich zitiere wieder -, dass es fast unmöglich sei, den Landeshaushalt zu konsolidieren, weil die permanenten Geschenke des Bundes immer wieder Löcher im Lande aufrissen.
- Sie haben das heute so ein bisschen schüchtern gesagt.
Ich habe in der Zeitung gelesen, er habe Angst vor Frau Hüskens, was ich ihm jedoch nicht glaube. Sie haben heute wieder hervorragend vorgetragen. Aber bei diesem Teil haben Sie sehr schüchtern vorgetragen.
Lieber Herr Gallert, stehen Sie doch einmal klar und deutlich zu den Dingen. Vielleicht ist die Persönlichkeit da auch ein bisschen zwischen dem gespalten, was Sie eigentlich sagen wollen, und dem, was Sie sagen müssen. Das kann alles sein.
Jetzt möchte ich gern die Frage von Herrn Bullerjahn zu beantworten versuchen. Ich weiß, dass ich der Frage wahrscheinlich nicht so recht gewachsen sein werde.
Herr Bullerjahn, erstens würde ich nicht erwarten - ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe -, dass Sie sich hier vorne hinschmeißen.
Zweitens. Wenn Sie der Auffassung sind - ich habe Herrn Paqué eigentlich nicht so verstanden -, dass wir nicht bereit sind, auf Sie zuzugehen, dann kann ich Ihnen namens der FDP-Landtagsfraktion zumindest versichern, dass wir den Weg zu Ihnen suchen werden und dass wir hoffen, dass Sie uns konstruktiv auf diesem Weg begleiten. Ich denke, das wird vernünftig werden. Da gibt es sicherlich auch interessante Verhandlungen im Finanzausschuss.
Insofern wird dieser Weg beschritten werden. Ich bin skeptisch - das sage ich auch in Richtung von Herrn Gallert -, dass wir noch zahlreiche Gelegenheiten haben werden, bei dem vorgelegten Nachtragshaushalt zu zusätzlichen Einsparungen zu kommen. Wenn Sie uns Wege aufzeigen, dann sind wir sicherlich gern bereit, diese gemeinsam mit Ihnen zu gehen. Wir haben aber, denke ich, alle Möglichkeiten ausgelotet.
Wenn ich mir die Zahlen noch einmal in Erinnerung rufe - Herr Gallert, Sie haben Sie sicherlich viel besser im Kopf -, dann haben wir doch Mindereinnahmen in Höhe von 350 Millionen €. Ausfälle in Höhe von 80 Millionen € kommen wahrscheinlich durch die Steuerreform der Bundesregierung jetzt noch auf uns zu, wobei ich letzteres - die Steuerreform - nicht bedauere. Ich begrüße sie, lieber Herr Püchel.
Das sind summa summarum 430 Millionen €. Diesen Betrag haben wir durch Sparmaßnahmen auf 368 Millionen € reduziert, um die wir jetzt über der Verfassungsgrenze liegen.
Das war ein gewaltiger Marsch. Dafür sollte man dem Finanzminister eher danken, als ihn hier pausenlos zu beschimpfen, meine Damen und Herren.
Ich danke Ihnen deshalb für die Nachfrage. Ich bin auch am Ende meiner Ausführungen und wünsche Ihnen allen viel Erfolg im Finanzausschuss. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Bundeskanzler wurde in einem Interview kürzlich vom „Cicero - Magazin für politische Kultur“ befragt:
„Haben Sie gedacht, dass die Probleme und die Kritik so knüppeldick auf Sie hereinprasseln?“
Seine Antwort:
„Es kommt wohl immer anders, als man denkt. Es ist alles wesentlich komplizierter und schwieriger geworden. Der Problemdruck ist gewaltig.“
Auf die anschließende Frage, meine Damen und Herren, welches Gefühl überwiege, Macht oder Ohnmacht, gab er die Antwort:
„Wohl zum Erstaunen muss ich sagen: nicht eigentlich Ohnmacht.“
In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. März 2004 hieß es dazu: „... wohl wissend, dass die Maßnahmen der Agenda 2010 erst mittelfristig Erfolg zeigen werden - mittelfristig heißt sicher nach 2006“.
Meine Damen und Herren! Der Kanzler regiert aber schon seit sechs Jahren. Und SPD und PDS haben acht Jahre lang in Sachsen-Anhalt regiert.
Was ist in dieser Zeit alles nicht passiert, meine Damen und Herren?
- Wir reden heute lediglich über zwei Jahre. Ich habe eigentlich nur Kritisches gehört, aber ich mache dazu noch ein paar Ausführungen.
Ich bleibe bei dem Positiven. Meine Damen und Herren! In der Agenda 2010 stehen für deutsche Verhältnisse Schwergewichte. Da kann es richtigerweise viele Meinungen geben wie: viel zu spät, nicht konsequent genug, nicht weitgehend genug usw. Aber politisch mutig und in die richtige Richtung gehend ist dies allemal. Das ist meine ganz persönliche Meinung, die sich sicherlich auch von dieser oder jener FDP-Meinung in Berlin und vielleicht auch in unserem Lande unterscheiden kann.
Aber genauso, wie ich diesen mutigen Schritt des SPDKanzlers respektiere - ich hoffe, er bleibt auch in wichtigen Dingen bei der Stange, wie zum Beispiel in Bezug auf die Einführung einer widersinnigen Ausbildungsplatzabgabe -, erwarte ich auch eine faire Beurteilung der Regierungspolitik in Sachsen-Anhalt, auch durch die Opposition in diesem Landtag.
Davon war auch heute leider überhaupt nichts zu spüren. Die Beiträge der Opposition waren nichts weiter als eine Mischung aus Pessimismus, zielloser Kritik und populistischen Luftschlössern, meine Damen und Herren.
Das ist aus meiner Sicht nicht nur ärgerlich, sondern auch verantwortungslos.
Sie, Herr Ministerpräsident Professor Böhmer, sind heute sehr ausgewogen auf die Lage im Land eingegangen. Sie haben berechtigterweise mit Genugtuung auf viele nennenswerte Erfolge hingewiesen.
Sie haben aber weder gejubelt, noch haben Sie die vielen, vielen Probleme und Aufgaben, die unser Land in naher und mittlerer Zukunft haben wird, unter den Tep
pich gekehrt. Dafür bin ich Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr dankbar.
Auch wir, die FDP, haben in den vergangenen zwei Jahren den Versuch unternommen, den Menschen - Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Arbeit Suchenden, Schülern und Rentnern - eine sehr transparente und verlässliche Landespolitik anzubieten. Wir Liberalen haben dabei den eher unfreiwilligen Vorteil, für die politische Entwicklung auf der Landesebene in den vergangenen acht Jahren keine Erklärungen abgeben zu müssen,
wie das hier im Hause oft hin und her geht.
Ich habe heute von Verhinderungslösungen, von Baustopps und von allen möglichen Dingen gehört. Daran brauchen wir uns nicht zu beteiligen.
Die PDS aber tut so - auch heute -, als sei sie in dieser Zeit, in der die Wirklichkeiten klar hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben sind, gar nicht da gewesen. Doch sie hat acht Jahre lang in Sachsen-Anhalt mitregiert.
Die SPD scheint langsam ein neues Politikverständnis zu entwickeln. Jens Bullerjahn präsentierte sehr differenziert seine Zukunftsstrategien, leider ohne die Ursachen für den schwierigen gegenwärtigen Zustand wirklich zu analysieren. Jedoch hat er auch Länder übergreifend Aufmerksamkeit erzeugt, und das hat diese Arbeit auch wirklich verdient.
So las ich kürzlich in den „Kieler Nachrichten“ vom 24. März 2004, dass der neue Realismus in SachsenAnhalt nunmehr auch die oppositionelle SPD erfasst habe und dass Jens Bullerjahn damit mit sämtlichen Illusionen aufgeräumt habe, was in seiner Schonungslosigkeit auch weitgehend auf die anderen Bundesländer übertragbar sei.
Ich denke, Ihr Werk, sehr geehrter Herr Bullerjahn, hat alle im Land noch einmal aufgerüttelt. Wir werden dafür sorgen - gern auch mit Ihrer Unterstützung -, dass uns der Pessimismus und die Selbstaufgabe nicht einholen. Vielmehr sollen das Lebenswerk vieler Sachsen-Anhalter, die Traditionen, die Zukunftsvisionen und vor allem auch eine gescheite Landespolitik helfen, Ihre doch eher düsteren Prognosen nicht eintreten zu lassen, sondern sie als Motivationsschub zu nutzen, meine Damen und Herren.
Genau in diesem Sinne bewerte ich auch die Regierungsarbeit von CDU und FDP. Ich denke, wir sind in den vergangenen zwei Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Einige Fakten, die das belegen können:
Die Wirtschaftspolitik zeitigt erste Erfolge. Wie Analysen belegen, beginnt Sachsen-Anhalt zaghaft, aber nachhaltig, sich von der in allen Bereichen fast schon gewohnten roten Laterne zu verabschieden. Die Exportquote steigt, die Industriedichte verbessert sich enorm. Ähnliches gilt für wichtige Infrastrukturprojekte im Land.
Fakt ist: Mit einem Umfang von 5 Milliarden € führt Sachsen-Anhalt die Rangliste der neuen Länder in Bezug auf ausländische Investitionen an.
Fakt ist: In den Industriebetrieben des Landes gibt es ein überdurchschnittliches Wachstum. Der Umsatz stieg im Jahr 2003 um 9,8 %. Das macht sich auch bei Neueinstellungen bemerkbar. Ende 2003 waren 1 200 Arbeitnehmer mehr beschäftigt als zu Beginn des Jahres. Dies entspricht einem Zuwachs bei den Arbeitsplätzen in der Industrie von immerhin 1,1 %.
Fakt ist, dass sich die konsequente Investitions- und Ansiedlungsoffensive mit öffentlich geförderten Investitionen von rund 3,3 Milliarden € sehen lassen kann. Ich könnte das fortsetzen, meine Damen und Herren, mit Konkretisierungen aus dem Fahrzeugbau, der Informationstechnologie, der Chemie, der Biotechnologie.
Die Errichtung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt ist ein weiterer wesentlicher liberaler Faktor zukünftiger Mittelstandspolitik.
Dagegen - das sage ich auch klar und deutlich - stehen die vielen Tagesnöte der Klein- und Kleinstunternehmen, die täglich um das wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. Dagegen stehen solche riesigen Probleme wie gegenwärtig in Halle-Ammendorf - dazu ist heute schon einiges angesprochen worden - oder Doppstadt oder KSR Automotive oder Rege Magdeburg, um nur einige zu nennen. Teilweise zeichnet sich offensichtlich bei MKM auch eine Besorgnis erregende Situation ab.
Also: Zeit und Anlass zum Zurücklehnen oder zur Zufriedenheit ist keinesfalls vorhanden. Am Ende werden wir alle fast ausschließlich daran gemessen, ob im Saldo spürbar neue Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt entstanden sind oder nicht.
Insofern hat das Rehberger-Ministerium bei aller gelegentlichen, auch berechtigten Euphorie noch deutlich alle Hände voll zu tun, und das weiß Horst Rehberger auch. Deshalb sollte für die weitere Regierungsarbeit innerhalb der Koalition gelten:
Erstens. Das Prinzip der Gießkannenförderung hat endgültig ausgedient, meine Damen und Herren. Masse durch Klasse ersetzen zu wollen taugt nicht mehr. Deshalb geht es nunmehr um die Konzentration der staatlichen Förderung auf Schwerpunktbranchen und -regionen, so wie es der Wirtschaftsminister angekündigt hat und schrittweise auch schon praktiziert.
Zweitens. Dem Schwergewicht Mittelstand ist eine deutliche Priorität einzuräumen. Dazu ist unter anderem die Investitionsbank zu dem zentralen eigenständigen Förderinstitut zu entwickeln. Wir erwarten eine deutliche Bündelung von Förderprogrammen und vor allem eine Einheit von Beratung und Finanzierungsbegleitung für den sachsen-anhaltischen Mittelstand.
Drittens geht es uns um eine wesentlich effektivere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere in der Grundlagenforschung und Produktentwicklung als Ausgangspunkt für Startups oder als Anreiz für interna
tional tätige Unternehmen. Ein Vorschlag dazu wäre: 30 % der staatlich finanzierten Grundlagenforschung sollten produktgebunden werden.
Viertens. Wir brauchen neue Impulse in der OsteuropaInitiative. Osteuropa ist - ich glaube, Herr Scharf hat das vorhin schon angeschnitten - für uns in erster Linie nicht eine wirtschaftliche Bedrohung, sondern eine wirtschaftliche Chance.
Einen letzten Punkt halte ich in diesem Zusammenhang noch für besonders wichtig: Das ist unser Wirtschaftsprojekt Mitteldeutschland. Auf die Zukunftskonferenz, die kürzlich in Halle stattgefunden hat, ist schon hingewiesen worden. Dort hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Regionenmarketing Mitteldeutschland GmbH, Herr Groot, gefordert, die Länder müssten schneller und besser zusammenarbeiten, die Wirtschaft in Mitteldeutschland brauche Dynamik. Dieser Forderung schließe auch ich mich in vollem Umfang an.
- Ich habe gut nachgelesen, Herr Püchel. Das machen Sie doch auch manchmal, oder?
Zu einem weiteren Schwergewicht liberaler Politik, der Bildung und Wissenschaft. Hierbei sind wir - das sagen wir ganz deutlich - im Land deutlich vorangekommen. Die dabei sehr engagierte, öffentliche und breite Diskussion war zweifelsohne notwendig und für die Entscheidungsfindung unabdingbar. Wir haben budgetiert, wir haben die Hochschulautonomie gestärkt, was ein urliberales Prinzip ist. Wir werden morgen - davon gehe ich mit Sicherheit aus - ein zukunftsweisendes Hochschulgesetz beschließen, in dem auch Strukturen justiert werden, die die Innovationskraft unseres Landes deutlich unterstützen werden und die wir uns - das ist besonders wichtig - tatsächlich auch dauerhaft leisten und die wir auch bezahlen können, meine Damen und Herren.
Gleiche Maßstäbe haben wir an eine deutliche Korrektur der Bildungs- und Schulpolitik angelegt. Wir haben einen klaren Schlussstrich unter alle Abarten der schon sprichwörtlich gewordenen „Kuschelpädagogik“ gesetzt und Schule wieder mit einem klaren Leistungsanspruch versehen. Das sind wir gerade als Landespolitiker unserer ganz jungen Generation einfach schuldig.
Die Regierung hebt in letzter Zeit familienpolitische Akzente sehr hervor. Entsprechende Vorschläge wurden heute ja vom Ministerpräsidenten und von meinem Kollegen Scharf vorgestellt. Das unterstützen wir prinzipiell, ganz ohne Frage,
doch wählen wir auch bei der Beurteilung dieser wichtigen Problematik einen ganzheitlichen Ansatz: Die FDPFraktion geht davon aus, dass Familienpolitik nur als Teil einer Bevölkerungspolitik insgesamt sinnvoll ist und nur im Zusammenhang mit einer primären Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftspolitik einerseits und einer innovativen Bildungspolitik andererseits zu bewerten und auch im Detail zu entscheiden ist.
Zu einem letzten Punkt - meine Damen und Herren, ich muss auf die Uhr gucken -: Verwaltungsmodernisierung. Diese hat ja heute schon eine große Rolle in der Debatte gespielt. Ich bin, meine Damen und Herren, so vermes
sen zu behaupten: Keine andere Landesregierung zuvor hat die Verwaltungsmodernisierung so konsequent und zeitnah vorangetrieben
wie unsere Koalition in nur zwei Jahren.
- Ich erläutere das ja jetzt noch, Herr Püchel.
Mit der unglaublich zügigen Überführung - Sie haben das ja nicht geschafft - der drei Regierungspräsidien in ein Landesverwaltungsamt und einer zukunftsgewinnenden Verwaltungsreform auf gemeindlicher Ebene ist wirklich ein beachtlicher Schlag, der auch über die Landesgrenzen hinaus gut beachtet wurde, gelungen.
- Das ist ja ein großes Paket insgesamt, das sollte man wirklich nicht kleinreden, ich halte das auch für verkehrt.
Doch jetzt dürfen wir - dazu stehe ich auch - uns nicht ausruhen und auch nicht vor unliebsamen Entscheidungen drücken. Eine Koalition, die sich zu einem Landesverwaltungsamt und zu großen leistungsfähigen Verwaltungsverbünden auf Gemeindeebene und großen Einheitsgemeinden bekannt hat, darf rein logischerweise vor einer Gebietsneuordnung der Kreisgebietslandschaft und vor einer klar subsidiär orientierten Funktionalreform nicht zurückschrecken, meine Damen und Herren. Genau deshalb hat die FDP-Landtagsfraktion sich aufgemacht, Hilfen in die Hand zu geben, die dazu geeignet erscheinen, noch in dieser Legislatur zu klaren und eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidungen zu gelangen.
- Es kann ja auch einmal zwischen Koalitionspartnern nicht deckungsgleiche Vorstellungen geben.
Dazu hat die FDP-Landtagsfraktion vor zwei Tagen ihr umfassendes Leitbild der Öffentlichkeit vorgestellt und präsentiert. Lieber Herr Kollege Püchel, abschließend von mir: Ich kann Sie zumindest in zwei Punkten beruhigen. Zum ersten hat der Ministerpräsident heute deutlich gemacht, wie nahe die Koalitionspartner auch bei dieser wichtigen Frage mittlerweile wieder beieinander stehen.
- Das muss Herr Scharf mit dem Ministerpräsidenten regeln. Das ist seine Angelegenheit. Ich habe heute gespürt, dass wir doch eine sehr große Nähe in unseren Vorstellungen haben.
Zweitens, lieber Herr Dr. Püchel, wollen wir - wenn Sie unser Leitbild richtig gelesen haben - diesen Reformprozess - im Jahr 2007 die Kreisgebietsreform und im Jahr 2008 die Funktionalreform - umsetzen. Dafür ist es notwendig - und davon gehen wir aus -, dass dann die
FDP in Sachsen-Anhalt noch in diesem Landtag ist und wahrscheinlich auch in der Regierung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Frau von Angern, Sie haben in einem netten Versprecher Frau Pieper zur Vorsitzenden der PDS gemacht.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Vielleicht leihen Sie sich Frau Pieper einmal aus, dann wird vielleicht neuer Wind auch in Ihre Partei kommen.
Ich nehme eine sehr gespannte Stimmungslage zu diesem Thema entgegen.
Aber ich habe mit Frau Pieper noch nicht Rücksprache gehalten, also keine Angst.
Meine Damen und Herren! Etwas ernster! Kollege Gallert hat mir in der letzten Plenarsitzung vorgehalten, ich könne nicht zählen, könne nicht rechnen. Das hat mich schon sehr beeindruckt und ich habe darüber nachgedacht. Es ist auch für einen Politiker nicht gut, wenn er nicht zählen und nicht rechnen kann - und das, obwohl ich - das muss ich dazu sagen - eine Kinderkrippe, einen Kindergarten und auch eine Schule mit Hort besucht habe.
Aber noch viel weniger gut für die Politik ist es, meine Damen und Herren, wenn man sehr ernsthafte und wichtige gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen gerade im sozialen Bereich parteipolitisch ideologisiert und instrumentalisiert.
Genau das macht der Antrag der PDS.
Meine Damen und Herren! Ich bin jedenfalls froh und sehr dankbar, dass sich der Landtag von SachsenAnhalt mit überzeugender Mehrheit für das neue Kinderförderungsgesetz ausgesprochen hat, auch wenn Frau Grimm-Benne das jetzt etwas relativiert hat, was
ich überhaupt nicht verstehe. Das ist eine klare Frage in Richtung der SPD-Fraktion.
Wir haben in Sachsen-Anhalt eine einzigartige Kinderbetreuung, auch mit diesem neuen Kinderförderungsgesetz. Darauf lege ich besonderen Wert und das möchte ich auch für die anwesenden Medien noch einmal verdeutlichen. Das Land investiert jährlich rund 130 Millionen € in die Kinderbetreuung. Das ist nicht gerade die Portokasse, meine Damen und Herren.
Bei den Kosten für die Kinderbetreuung pro Einwohner nimmt Sachsen-Anhalt den dritten Platz ein und bezogen auf den einwohnergewichteten Gesamthaushalt den vierten Rang bundesweit - und das trotz der Tatsache, dass wir pro Einwohner das am höchsten verschuldete Bundesland sind. In welchem Spannungsgefüge wir uns befinden, hat der Ministerpräsident vorhin noch einmal sehr deutlich dargestellt.
46 % der Kinder im Krippenalter besuchen eine Kindertagesstätte - 46 % -, im Westen sind es ca. 4 %. 90 % besuchen den Kindergarten, in Westdeutschland sind es 75 %. 25 % besuchen einen Hort, in Westdeutschland lediglich 3 %, meine Damen und Herren.
Der Ministerpräsident hat sich bei der Eröffnung des Landesverwaltungsamtes mit dem Begriff „Benchmark“ beschäftigt und hat gesagt, bei der Landesverwaltung seien die Benchmarks irgendwo in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, glaube ich mich zu erinnern. Hierzu muss man sagen: Wir bestimmen, was die Kinderbetreuung anbetrifft, in dieser Bundesrepublik die Benchmarks mit, meine Damen und Herren. Darauf müssen wir stolz sein und können das nicht ständig in die Kritik bringen.
Das gibt mir auch Gelegenheit, noch einmal auf Frau Pieper umzuschwenken, weil das vorhin allgemeine Zustimmung gefunden hat.
Ich finde es auch nicht in Ordnung, Frau von Angern, dass Sie die Dinge nur halbwahr der Öffentlichkeit vorstellen. Frau Pieper hat ein 14-Punkte-Programm aufgestellt, und zwar nicht als Vorsitzende des Landesverbandes der FDP, sondern als Generalsekretärin der FDP. Sie hat darin genau die großen Differenzen angesprochen, die in der Kinderbetreuung zwischen West und Ost bestehen.
Ich kann Ihnen auch genau sagen, was Frau Pieper zu diesem Punkt exakt gesagt hat. Sie fordert nämlich, die Kostenbefreiung bei der Kinderbetreuung für Kinder ab drei Jahren bis zur Vorschule in der Höhe eines Halbtagsplatzes mittelfristig anzustreben.
Sie haben auch nicht gesagt, dass von den anderen 14 Punkten eine ganze Reihe von Punkten im Land Sachsen-Anhalt schon verwirklicht worden ist. Auch das will ich der Wahrheit wegen noch einmal deutlich gesagt haben.
Meine Damen und Herren! Es geht weiter: Wir sind das einzige Land, das für alle Kinder - durchgängig für alle Altersstufen - einen Rechtsanspruch auf gesellschaftlich organisierte Betreuung garantiert. Auch in Bundesländern, in denen die PDS mitregiert - das möchte ich dazu
sagen - ist man sehr weit vom sachsen-anhaltinischen Standard entfernt.
- Das ist nicht falsch. Dazu können Sie nachher noch fragen. - So plant zum Beispiel die PDS-Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern auch im neuen Kinderförderungsgesetz - man bemerke hier auch die Gleichheit der Wortwahl -
keinen Rechtsanspruch ab null Jahren, Herr Gallert. Das muss man auch deutlich sagen.
- Ja, dann lassen wir doch die Mecklenburger noch eine Weile nach vorn laufen, bis sie uns mal erreicht haben werden, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, ich komme zum Abschluss. - Ich sage es noch einmal bewusst mit sehr starken Worten: Die frühkindliche Bildung und Betreuung gehört im Katalog der bundesweiten Standortdebatte zu den besondern Vorzügen von Sachsen-Anhalt. Das muss man klar und deutlich sagen.
Meine Damen und Herren! Wenn dann der zuständige Ressortminister über eine weitere Fortentwicklung öffentlich nachdenkt, dann sollte er im Interesse der Zukunftsinvestitionen und des Standorts Sachsen-Anhalt unsere Unterstützung bei der Prüfung seiner Vorschläge erfahren. Auch das möchte ich klar und deutlich sagen.
Mein Eindruck ist: Die PDS läuft mittlerweile in diesem Bereich der Entwicklung hinterher, weil sie offensichtlich eine rechtzeitige Beteiligung im Land Sachsen-Anhalt verspielt hat.
Deshalb ist unser Fazit: Der Antrag ist nicht einmal gut gemeint, dafür aber schlecht gemacht. Wir werden ihn ablehnen, meine Damen und Herren.
Ich gebe Ihnen noch eine Gelegenheit, Herr Gallert; das ist mir schon klar.
Die erste Frage lautet: Können Sie mir bestätigen, dass ich die Aussagen von Herrn Dr. Püchel gestern richtig verstanden habe, der sagte, dass er ursprünglich plante, das Landesverwaltungsamt erst im Jahr 2007 einzurichten, und im Fortgang der Entwicklung sei man fiktiv auf die Jahr 2005 gekommen. Ich habe das gestern so verstanden und das Jahr 2007 im Gedächtnis behalten. Das wäre allerdings für die Koalition viel zu spät gewesen. Deshalb haben wir viel schneller gehandelt, als Sie das jemals in Ihrer Regierungszeit getan haben.
- Vielleicht gestatten Sie, dass Herr Gallert die Fragen beantwortet. Seine Aussage wäre mir wichtig.
Zweitens haben Sie aus meiner Sicht die Begabung, alles negativ darzustellen. Sie haben aber einen Satz gesagt, den ich von Ihnen noch einmal bestätigt haben möchte. Sie sagten, dass Sie der Auffassung sind, dass wir, was die Kreisgebietsreform betrifft, auf dem richtigen Weg seien.
Es wäre mir lieb, wenn Sie mir noch einmal bestätigen, dass zumindest Sie der Auffassung sind, dass sich die Koalition jetzt auf dem richtigen Weg befindet.
Meine dritte Frage lautet: Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass man, wenn man die Regierungsverantwortung übernimmt und sich mit den Aufgaben- und den Gebietsstrukturen im öffentlichen Bereich beschäftigt, den folgerichtigen Weg geht, das heißt, zunächst über die Funktionalität nachzudenken, dann eine Aufgabenkritik vorzunehmen und schließlich über die Strukturen zu entscheiden? Ist das aus Ihrer Sicht richtig oder falsch?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Viele unserer Probleme entstehen dadurch, dass die öffentliche Hand grundsätzlich ihre Aufgabenstruktur - unabhängig davon, ob es sich dabei um Leistungsgesetze, um Personalausgaben oder um den Schuldendienst handelt - so gestaltet hat, dass jede Pause oder auch nur eine Verlangsamung im Wachstum der Einnahmeseite sofort zu einer Krise führt, weil Mindereinnahmen nicht geplant sind.
Das gesamte Ausgabenvolumen wird selbst in Hochkonjunkturphasen sofort der Einnahmeseite angepasst. Folglich haben wir keinerlei Rücklagen gebildet. Seit Jahren finanziert der öffentliche Gesamthaushalt 9 bis 10 % seiner Ausgaben aus dem Zuwachs der Schuldenstände. Damit wurde der gesamte Schuldendienst mittlerweile auf mehr als 10 % der Gesamtausgaben bzw. auf 4 % des Bruttoinlandsproduktes getrieben.
Die gesamtstaatliche Verschuldung nimmt kontinuierlich stärker zu, als in den mittelfristigen Finanzplanungen vorgesehen und der Volkswirtschaft zuträglich ist. Das betrifft nicht allein das Land Sachsen-Anhalt, sondern das hat etwas mit der Gesamtlage zu tun, in die wir eingebunden sind.“
Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Abgeordnete! Diese Ausführungen waren nicht O-Ton Lukowitz - Herr Präsident, ich zeige das Zitat nachträglich an -, sondern sie waren ein Zitat meines geschätzten Kollegen Dr. Fikentscher aus dem Jahr 1999 zur Begründung des damaligen SPD-Haushaltes.
Was damals gegolten hat, das sollte auch heute gelten. Ich bitte darum, dass das auch für dieses Haus gilt. Damals lag das bundesweite Wirtschaftswachstum bei über 2 %, meine Damen und Herren. Die Mindereinnahmen des Landes Sachsen-Anhalt lagen nach den Steuerschätzungen bei rund 30 Millionen €. Wir haben heute Ausfälle von mehr als 300 Millionen € zu verkraften.
Schauen wir uns einmal die heutigen Rahmenbedingungen genauer an. Wir haben bundesweit die höchste Arbeitslosigkeit, ein Nullwachstum und die schlimmste Pleitewelle seit der Gründung der Republik. Beim Wachstum innerhalb Europas steht Deutschland auf dem letzten Platz. Deutschland verletzt in Folge die Stabilitätskriterien für den Euro. Im Bundeshaushalt 2004 sind die neuen Schulden höher als die Investitionen.
Die negativen Auswirkungen für unser Land sind enorm. Für den Landeshaushalt sind nach den Steuerschätzungen vom Mai und vom November Mindereinnahmen von mehr als 300 Millionen € zu erwarten. Hinzu kommen die Erbmassen. Ich möchte diesen Begriff eigentlich nicht weiter strapazieren, muss aber doch auf die Lehrerzeitkonten hinweisen und - einige werden das nachher noch ansprechen - auf die wenig glückliche Lösung bei der Finanzierung des Talsperrenbetriebes. Das sind hausgemachte Probleme, meine Damen und Herren, die in das Tal der Vergangenheit zurückreichen.
Lieber Herr Fikentscher! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Gesamtlage ist ungleich dramatischer, als sie es in den Jahren von 1999 bis 2001 war. Deshalb erachte
ich es als einen wirklich beachtenswerten Erfolg der CDU-FDP-Koalition, dass wir diesem Haus einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen konnten.
Wir sind damit im Gegensatz zum Bund, aber auch zu einer ganzen Reihe von Bundesländern, die mit großer Wahrscheinlichkeit an diesem Anspruch scheitern werden. Wir sollten deshalb dieses Ergebnis nicht kleinreden. Für das Image eines Landes ist nicht nur die Regierung verantwortlich, sondern auch die Opposition, meine Damen und Herren.
Es macht für mich wenig Sinn, wenn Kollege Gallert in einer Pressemitteilung vom 24. November erklärt - ich darf zitieren -: