Protocol of the Session on February 7, 2003

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 14. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie alle recht herzlich.

Meine Damen und Herren! Am heutigen Tag hat das Mitglied des Landtages Herr Kurt Brumme Geburtstag.

(Beifall im ganzen Hause)

Im Namen des Hohen Hauses und natürlich auch ganz persönlich gratuliere ich Ihnen, Herr Brumme, herzlich und wünsche Ihnen alles Gute, Gesundheit und Glück.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir setzen nun die 8. Sitzungsperiode fort. Vereinbarungsgemäß beginnen wir die heutige Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 4, der Aktuellen Debatte. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 5 bis 9.

Wir treten damit in den Tagesordnungspunkt 4 ein:

Aktuelle Debatte

Dazu liegen zwei Beratungsgegenstände vor. Zunächst geht es um die Zinsabgeltungssteuer und dann um die Zukunft der Hochschulfinanzierung. Für jede Fraktion stehen zehn Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich rufe das erste Thema auf:

Zinsabgeltungssteuer statt Vermögensteuer - Verschärfung der Finanzkrise in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/515

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: Die PDS spricht als beantragende Fraktion, dann die Fraktionen der FDP, der SPD und der CDU. Ich bitte die Abgeordnete Frau Dr. Weiher, für die antragstellende Fraktion das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hiobsbotschaften in Form von Steuermindereinnahmen sind seit einigen Jahren, so sarkastisch es klingt, Teil der ganz normalen Haushaltslage beim Bund, den Ländern und den Kommunen geworden. Und dass immer den Letzten die Hunde beißen, demonstrierten vor einigen Tagen die Kommunen des Landes eindrucksvoll. Sie haben gezeigt, was passiert, wenn sich nichts ändern wird: Lichter aus, Bäder zu, Bibliotheken geschlossen, Jugendklubs verrammelt.

Der gestrige Haushaltsbeschluss wird die dramatische Lage der Kommunen verschärfen. Und von „dramatisch“ muss man wahrlich sprechen, wenn die Hälfte der Kommunen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hat. Im Bereich des Finanzausgleichs 96,3 Millionen € weniger, Steuermindereinnahmen von 72 Millionen € müssen verkraftet werden, die Rückzahlung der 83 Millionen € an Mindereinnahmen aus dem Jahr 2002 und weitere Kürzungen außerhalb des FAG. Hinsichtlich der Ausgabenkürzungen auf Landesebene und bei den Kommunen ist das Ende der Fahnenstange längst erreicht.

Auf der Einnahmeseite scheint es an Phantasie nicht zu mangeln, zumindest wenn man sich die Medienberichte der letzten Wochen und Monate einmal vor Augen hält: Mehrwertsteuer, Mindeststeuer, Spekulationssteuer, Subventionsabbau, gar die Vermögensteuer war im Gespräch.

Damit schien vor Weihnachten fast ein Lichtpunkt am Horizont zu sein: Endlich waren sich viele einig. Gewerkschaften, Institutionen, Wissenschaftler, SPD-geführte Länder wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen und sogar Parteien wie die SPD und die PDS forderten die Wiederbelebung der Vermögensteuer. Warum auch nicht, zeigen doch ausreichende Studien, dass eine Einnahmeverbesserung in der BRD zwischen 8 Milliarden € und 25 Milliarden € möglich wäre, bei entsprechenden Freibeträgen natürlich für persönliches und Betriebsvermögen und Steuersätzen von 0,5 % oder 1 %.

Selbst wenn ein erhöhter Aufwand moniert wird, bleibt unter dem Strich genug übrig, auch für Sachsen-Anhalt, wie der geschätzte Kollege Püchel vor Weihnachten berechnete. Wenn ich mich recht erinnere, sprach er von einer Größenordnung von 200 bis 300 Millionen € nach dem Länderfinanzausgleich.

Nach einem Gutachten von Eicker-Wolf aus Marburg zu Perspektiven der Vermögensbesteuerung in Thüringen wären in Sachsen-Anhalt zwischen 250 Millionen € und 800 Millionen € möglich, immerhin 5 bis 18 % der jetzigen Steuereinnahmen oder 10 bis 30 % der Investitionsausgaben. - Und Sie verzichten darauf. Offenbar haben wir dieses Geld weder für Bildung, Arbeit oder Investitionen nötig.

Selbst die meisten OECD-Länder einschließlich der USA, Japan und Großbritannien wissen sehr wohl die Milliarden zu schätzen, die sie dadurch in ihre Haushalte bekommen, jährlich, wie gesagt, und nicht einmalig.

Aber der Kanzler sprach ein Machtwort: Die Vermögensteuer ist tot, es lebe die Zinsabgeltungssteuer - auf den ersten Blick ein äußerst einleuchtender und geschickter Schachzug des Bundeskanzlers. Er trifft vor allem die gleichen Leute wie bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer. Und das Größte dabei ist: Alle sind dafür. CDU und FDP behaupten, schon seit Jahren genau dafür zu werben. Der BDI ist dafür, die Verbände der Kreditwirtschaft, sogar der Bundesbankpräsident.

Wo aber liegt der Haken; denn es muss einen geben. Und es gibt einen. Dieser lässt sich klar formulieren und sogar berechnen, wie ich Ihnen anschließend zeigen werde.

Bei der Zinsabgeltungssteuer handelt es sich nicht um eine Steuererhöhung, sondern um eine Steuersenkung. Der Haken bei der Sache ist, dass die Einnahmen der öffentlichen Haushalte durch diese Steuer noch weiter sinken werden, statt zu steigen. Der Haken ist, dass sich die steuerliche Belastung noch stärker von den Vermögenden in Richtung der Klein- und Mittelverdienenden verschieben wird.

Lassen Sie mich das anhand einiger Zahlen deutlich machen: Derzeit erfolgt die Besteuerung der Zinseinkünfte im Rahmen der allgemeinen Einkommensteuer. In der Regel wird durch die Banken ein Abschlag von 30 % auf die Zinsbeträge erhoben. Die endgültige Besteuerung erfolgt durch den persönlichen Einkommensteuerbescheid.

Wenn der persönliche Steuersatz unter 30 % liegt, erhält der Betreffende eine Rückerstattung vom Finanzamt. Liegt der persönliche Steuersatz deutlich darüber - womöglich bei dem derzeitigen Spitzensteuersatz von 48,5 % -, werden auch die Zinsen nachbesteuert.

Das ist nicht nur in meinen Augen ein Stück Steuergerechtigkeit. Hat jemand ein hohes Einkommen, ein hohes Vermögen und dazu hohe Zinseinnahmen, dann soll er auch höher besteuert werden. Wird der derzeitige Zinsabschlag durch eine Abgeltungssteuer von 25 % ersetzt, dann fällt die Nachbesteuerung - möglicherweise auch die Rückerstattung - ersatzlos weg. Wer bisher den Spitzensteuersatz bei den Zinsen zahlte, wird zukünftig nur noch knapp die Hälfte an den Fiskus abführen müssen. Der Rest bleibt dem Vermögenden erhalten.

Aus einem Teil der Einkommensteuer wird eine definitive Quellensteuer. So einfach geht das mit den Steuergeschenken. In Zahlen ausgedrückt sieht diese Umwandlung folgendermaßen aus:

Derzeit nehmen die öffentlichen Haushalte bei einer Grundlage von 30 Milliarden € an Zinserträgen rund 9 Milliarden € Zinsabschlag ein. Bei einer Reduzierung von derzeit 30 % Abschlag auf 25 % endgültige Besteuerung gehen dem Fiskus 1,5 Milliarden € verloren. Bei einem angenommenen durchschnittlichen Einkommensteuersatz von 35 % - wie es das Kieler IfW angibt - entfällt die Erhöhung des Steuersatzes und es drohen weitere Steuerausfälle in Höhe von 1,5 Milliarden €.

Darüber hinaus ist nach wie vor ungeklärt, ob und inwieweit der Solizuschlag zukünftig auf die Abgeltungssteuer zu entrichten ist. Sie entsinnen sich: Bisher sind 5,5 % auf die Einkommensteuer dafür zu zahlen. Durch die Verringerung des Zinssteuersatzes und den Wegfall der Nachbesteuerung bei der Einkommensteuerveranlagung sinken die Einnahmen beim Solizuschlag auf jeden Fall um rund 160 Millionen €.

Auch die Verteilung, die sich dann ändern wird, führt zu zusätzlichen Einschnitten bei den Kommunen. Aus den jetzt 15 % Beteiligung an der Einkommensteuer einschließlich der Zinsbesteuerung werden 12 % Beteiligung an der Abgeltungssteuer. Die größeren Kuchenstücke von jeweils 44 % fließen an Länder und Bund. Alles in allem ist das bisher ein schlechtes Geschäft, und zwar insbesondere für die Letzten in der Reihe, die Kommunen.

Die Mindereinnahmen will Schröder durch eine Amnestie für Steuerflüchtlinge oder „eingeschränkt Steuerehrliche“ - wie manche auch sagen - kompensieren. Man rechnet damit - so ist aus Berlin zu hören -, dass von den 300 Milliarden €, die außerhalb Deutschlands auf Konten in der Schweiz, in Luxemburg oder ganz weit weg liegen, im Jahre 2003 etwa 100 Milliarden € zurückfließen werden. Voraussetzung dafür ist eine einmalige Steuerzahlung von 25 %. Das sind einmalig 25 Milliarden € für die öffentlichen Kassen. Der Rest bringt bei einer angenommenen Verzinsung von 5 % jährlich eine knappe Milliarde Euro durch die Zinsabgeltungssteuer. Auf der einen Seite stehen also jährliche Einnahmen von 1 Milliarde €, auf der anderen Seite stehen jährliche Verluste von mehr als 3 Milliarden €.

Ob die angenommenen 25 Milliarden € im Jahr 2003 fließen werden, darf getrost bezweifelt werden. Warum sollte ein Steuerpflichtiger, der sich mit seinem Auslandskonto sicher fühlt, seine Zinsen in Deutschland versteuern, zumal er hier noch eine einmalige Steuer von 25 % auf sein Kapital zahlen soll? Welche Gründe

wiegen so schwer für eine Rückkehr, wenn es auch nach einer möglichen EU-Harmonisierung der Zinsbesteuerung Länder geben wird, deren Quellensteuer bei Null oder zumindest weit unter 25 % liegen wird? Die Schweiz, Luxemburg, Belgien und Österreich haben ihren Protest angemeldet. Dort wird sich auf absehbare Zeit nicht so sehr viel ändern, von den zahlreichen Steueroasen außerhalb der EU ganz zu schweigen.

Ein Rückfluss der Geldvermögen wird durch die Zinsabgeltungssteuer nicht in Gang gesetzt. Notwendig wäre dafür eine weitgehende Verunsicherung der Steuerbetrüger durch die Einführung von Kontrollmitteilungen. Aber auch das ist nach dem derzeitigen Stand in Bundestag und Bundesrat mehr als fraglich.

Gewinner und Verlierer stehen bereits vor der Einführung der Zinsabgeltungssteuer fest. Gewinner werden die Vermögenden sein. Die Wurst wird dem Schinken hinterhergeworfen. Verlierer werden die Menschen mit kleinem und besonders die mit mittlerem Einkommen sowie die öffentliche Hand sein.

Mit dieser Abgeltungssteuer verabschiedet sich die Bundesregierung endgültig von ihrem Ziel einer gerechten und gleichmäßigeren Besteuerung. Menschen mit gleich hohem Einkommen werden zukünftig unterschiedlich besteuert. Wer für sein Geld arbeiten muss, wird mit einem Steuersatz von bis zu 48,5 % bestraft, während Menschen, die von ihren Zinsen gut leben können, mit einem Steuersatz von 25 % belohnt werden.

Genau diese Ungerechtigkeit macht deutlich, warum nun erst recht die Vermögensteuer wieder eingeführt werden muss. Genau dadurch könnte wenigstens teilweise die Ungerechtigkeit der ungleichen Besteuerung aufgehoben werden. Es könnten diejenigen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben stärker beteiligt werden, die es auch finanziell verkraften können.

Die PDS bleibt bei ihrer Forderung, die wir gestern in der Haushaltsdebatte formuliert haben. Für uns gibt es keinen Grund, auf zusätzliche Einnahmen von Bund und Ländern in Höhe von mindestens 8 Milliarden € zu verzichten. Für uns gibt es keinen Grund, eine Politik leerer Kassen zugunsten einer geringeren Steuergerechtigkeit zu verteidigen. Wer meint, angesichts der leeren öffentlichen Kassen auf Steuereinnahmen verzichten zu können, der soll uns nicht erklären, wo wir alle zukünftig sparen müssen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Weiher. - Nun spricht Herr Minister Professor Paqué. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat das Thema „Zinsabgeltungssteuer statt Vermögensteuer - Verschärfung der Finanzkrise in Sachsen-Anhalt“ zum Gegenstand der Aktuellen Debatte gemacht. Es drängt sich dabei der Eindruck auf, dass auf diese Weise noch einmal Trauerarbeit geleistet werden soll, und zwar Trauerarbeit wegen der Tatsache, dass die Bundesregierung die Vermögensteuer gegen den Widerstand gewisser Meinungen in den SPD-geführten Bundesländern von der politischen Agenda heruntergenommen hat, wobei ich hinzufüge: vorläufig von der Agenda heruntergenommen hat. Dieser Bundesregierung - das muss ich ganz

ehrlich sagen - traue ich zu, dass sie das jederzeit wieder aus der Tasche zieht.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Ihnen traue ich auch alles zu!)

Ich habe meine Meinung zum Thema Vermögensteuer im Rahmen der Aktuellen Debatte am 12. Dezember 2002 bereits sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich will nur noch einmal Folgendes sagen: Die Vermögensteuer ist der falsche Weg. Die Vermögensteuer ist ungerecht. Die Vermögensteuer bedeutet letztlich eine Dreifachbesteuerung des gleichen Einkommens bzw. der gleichen Wertschöpfung, nämlich über die Einkommensteuer, über die Vermögensteuer und schließlich über die Erbschaftsteuer. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Es ist auch ein Schlag gegen die private Altersvorsorge, die wir dringend brauchen.

(Unruhe bei der PDS)

Die Vermögensteuer - das ist vielleicht noch wichtiger - ist aber auch wirtschaftlich schädlich. Sie würde gerade in Mittel- und Ostdeutschland verhindern, dass sich endlich eine vernünftige Eigenkapitalbasis der jungen Unternehmen bildet.

Ich sage ganz deutlich: Es ist pure Heuchelei, wenn man auf der einen Seite über die schwache Eigenkapitalbasis der Unternehmen klagt und auf der anderen Seite die Einführung einer Vermögensteuer fordert, die dann zu Größenordnungen bei den Einnahmen führt, die Sie, Frau Dr. Weiher, skizziert haben; Sie sprachen von Hunderten Millionen Euro. Das würde den vollkommenen Ruin des gewerblichen Mittelstandes in diesem Land bedeuten.

(Zurufe von der PDS)

Die Regierung wird das in keiner Weise unterstützen. Sie wird das verhindern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die PDS erweckt mit dem vorgegebenen Thema dieser Debatte den Eindruck, die Abgeltungssteuer sei eine Art Ersatz für die nicht wiederbelebte Vermögensteuer.

(Zuruf von Herrn Krause, PDS)