Heike Polzin
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schnoor! Ich habe eigentlich von Ihnen in Ihrer letzten Schuldebatte eine sachliche Auseinandersetzung auf pädagogischem Niveau erwartet. Was ich erlebt habe, das war ganz deutlich das Allerletzte, was ich von Ihnen jemals gehört habe.
Ich bin ja normalerweise nicht so sehr bekannt dafür, dass ich gleich die große Keule raushole, aber ich muss sagen, das hat meinen Pegel wirklich absolut überschritten. Sie sind fürchterlich angepikst, dass man immer wieder von Ihnen erwartet, im Büßerhemd durchs Land zu laufen. Ich habe das niemals von Ihnen erwartet. Aber als Peitschen schwingende Do… – das wird jetzt unparlamentarisch –, das dürfen Sie erst recht nicht. Und genau das haben Sie in Ihrer Rede heute versucht, indem Sie sich nämlich auf Nebenkriegsschauplätze begeben haben, die weit ab von dem, was dieses Schulgesetz insgesamt leistet, liegen, indem Sie nämlich über solche Dinge nicht zugeben müssen, dass das Schulgesetz an sich genau der richtige Weg ist. Sie reden von einer Sparschule und führen unzählige Zitate an. Vergessen haben Sie aber dabei, dass noch vor kurzem Ihre Aussage war, nur zweizügige Systeme sind pädagogisch sinnvoll. Das war im Zusammenhang mit der anstehenden Schulentwicklungsplanung. Wir haben es ermöglicht – die Koalitionsfraktionen –, dass nach wie vor einzügige Systeme möglich sind. Das war nicht Ihre Aussage. Sie erzählen hier das eine und da das andere, gerade so, wie es populär ist und wie man der Klientel, der man gerade gegenübersitzt, nach dem Munde reden kann.
Sie behaupten, ein Schulprogramm, das wir ja alle gemeinsam wollen zur Schulprofilierung, wäre von uns so gedacht, dass Eltern und Schüler kein Mitspracherecht haben. Ich kann Ihnen nur empfehlen, lesen Sie doch einfach den Gesetzestext noch mal, da stand nämlich auch schon ohne Ihre Anregung drin, dass die Schulkonferenz zwingend einzubeziehen ist. Ja woraus besteht sie denn? In Drittelparität aus Eltern, Schülern und Lehrern. Was sollte denn also Ihre Ergänzung noch? Wie wollten Sie das organisieren? Dieser Antrag ist von Ihnen einfach handwerklich schlecht gemacht und dann müssen Sie auch mit der Konsequenz leben.
Sie haben mit Ihrem Zitat „Überholen, ohne einzuholen“, das Sie einem falschen Sprecher zugeordnet haben, für mich eigentlich nur symptomatisch wieder eins deutlich
gemacht: das, was hier nämlich passiert ist und zu dem Bildungs- und Erziehungsstand führte, den wir heute vor uns sehen, nämlich in geringster Kenntnis der hiesigen Verhältnisse uns hier ein System überzustülpen, das völlig inkompatibel war, das sich an keiner Realität orientierte,
das hier keinen Stein auf dem anderen ließ und das dafür gesorgt hat, dass wir einen umgepflügten Acker vor uns fanden.
Und wenn Sie sich dann heute hinstellen, auch den Lehrern gegenüber, und sagen, Sie waren ja die Gute, können Sie natürlich nur hoffen, dass diese ein kurzes Gedächtnis haben. Aber ich denke, die meisten haben es nicht, denn sie wissen genau, wem sie es nicht nur zu verdanken hatten, dass Tausende Lehrer gekündigt wurden, vor allem junge.
Das hat was mit der heutigen Altersstruktur zu tun. Es hat auch was damit zu tun, dass alle die Dinge, die uns heute auf die Füße fallen, nämlich das Wort „Erziehung“, aus Ihrem vorläufigen Schulgesetz – mehr haben Sie ja leider nicht zustande gebracht – gestrichen wurden. Das hat was damit zu tun, dass man die Kita völlig abgetrennt hat von der Schule, also wichtige Erziehungs- und Bildungspotentiale weggekickt hat. Das hat was damit zu tun, dass man die Grundschule von der weiterführenden isolierte. Das hat was damit zu tun, dass man die Lehrer bei unterschiedlicher Ausbildung in völlig neue Gruppen sortierte und sofort „Teile und herrsche!“ gespielt hat. Denn Ihr ganzer Anspruch dreigliedriges Schulsystem lässt sich schon an der Stelle hinterfragen: Wenn er denn für die Schwächsten sein soll, warum ist es dann so, dass die Lehrer, die im Bereich Hauptschule arbeiten und eine wirklich schwere verantwortungsvolle Arbeit leisten, immer die Gekniffenen sind nach Ihrer Einteilung, was die Stundenzahl und die Bezahlung anbelangt? Da ist das Ganze doch schon konterkariert.
Und dann versteigen Sie sich noch dazu, uns in der Anhörung vorzuwerfen, man würde Grundgesetze verlassen. Ach, wissen Sie, im Prinzip könnte ich ja so machen, das ging ja so was von daneben, normalerweise. Aber wenn mir eine Frage nicht mehr gestattet ist, was hinter der Aussage eines Professors der Uni Rostock steht, die im Übrigen 180 Grad unterschiedlich zu der war des Greifswalder Professors zum Thema Regionalschule,
wenn dieser Rostocker Professor uns auffordert, auf die Wissenschaft zu hören, und ich nachfrage, welche meinen Sie jetzt, weil sie eben 180 Grad unterschiedlich war, und mich einfach vergewissern will, wer steht jetzt dahinter – ich halte das für eine legitime Frage –, dann müssen Sie das mitnichten zu einem Staatsakt aufbauschen. Aber vielleicht haben Sie es ja nötig, an der Stelle ein bisschen auf den Putz zu hauen, weil woanders ja nichts ist.
Und jetzt kommt die Krönung – und ich habe noch nicht ein Wort von meiner eigenen Rede gesagt, das ist eigentlich ein bisschen schade, aber ich habe ja genügend
Redezeit –, jetzt behaupten Sie noch, in der Anhörung wäre niemals die Rede davon gewesen, Prüfung für alle. Ich werde Ihnen im Laufe meiner Rede aus Protokollnotizen nachweisen, dass dies eine falsche Behauptung ist. Aber wenn Sie daher meinen, wir sollten das Gesetz noch mal wieder ein bisschen auf Eis legen, dann guckt für mich nur ein Ohr aus der ganzen Geschichte – was Sie nämlich wirklich wollen: keine Planungssicherheit für die Schulen, kein rechtzeitiges Verabschieden des Gesetzes, um dann draußen rumzulaufen und zu sagen, die kommen wieder nicht aus dem Knick, die kriegen gar nichts fertig. Das ist Ihre wahre Absicht mit diesem Antrag.
So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, dass ich von meiner sonstigen Modalität abgewichen bin, aber ich meine, man kann manche Dinge auch einfach nicht mehr im Raum stehen lassen.
Was zu beweisen war.
Es ist vollbracht! Mit der heutigen Zweiten Lesung des Gesetzentwurfes haben wir eins der kompaktesten Änderungsverfahren der Legislaturperiode abgeschlossen. Unter der Zielsetzung, den Schulen so früh wie möglich Planungssicherheit zu geben, war der Apriltermin ein sehr ehrgeizig gesetzter. Dass wir ihn erreicht haben, ist der engagierten Arbeit aller zu verdanken. Und hier sehen Sie schon mal wieder meine verbindliche Art. Das habe ich geschrieben, ohne Wissen, was heute von Ihrer Seite kommt.
Das umfassende Anhörungsverfahren und die Gesetzesberatung verlangten sowohl den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen als auch den Fachexperten, den Vertretern des Ministeriums und in ganz besonderem Maße den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen ein enormes Arbeitspensum ab. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Mit den vorliegenden Gesetzesänderungen werden entscheidende Weichen gestellt zu einer effizienteren Nutzung der Lebenszeit junger Menschen. Durch die Wiederaufstockung der Stundentafel in den Jahrgängen 5 bis 11 erfolgt schrittweise der erforderliche Gegentrend zur Stundenreduzierung von 1992. Ich sage das gar nicht so laut. Es ist ja nur einfach mal so. Abitur wird nach zwölf Schuljahren wieder möglich sein. Damit setzen wir uns in Mecklenburg-Vorpommern mit an die Spitze der Bewegung zur bundesdeutschen Verkürzung.
Wir machen hier quasi also auch einen Alleingang, den aber eigentlich keiner in Frage stellt. Dieser Teil fand sowohl in der Anhörung als auch in der öffentlichen Wahrnehmung einhellige Zustimmung. Dennoch ist der einseitige Blick auf das 13. Schuljahr des Gymnasiums bei weitem nicht die komplette Problemsicht auf den späten Schulabschluss einer wachsenden Zahl von Jugendlichen. Späte Einschulungen, in der Regel auf Wunsch der Eltern, die ihr Nesthäkchen noch ein wenig von der rauen Schulwirklichkeit fernhalten möchten, …
Frau Schnoor, hat Ihre Redezeit noch nicht gereicht? Vielleicht haben Sie ja nachher noch ein bisschen.
… führten mit dazu, dass eine Realschulkarriere mit 18 Jahren zunehmend Normalität wurde. Mit der neuen Regelung wird die Entscheidung zu einer Verschiebung der Schulpflicht nicht nur ausschließlich den Eltern überlassen. Entwicklungsgutachten sind eine Grundlage für eine qualifizierte Entscheidung, die nur im Einvernehmen mit der Grundschule getroffen werden kann.
Die bisherige Gesetzesregelung, nach der nur vier Jahre der Grundschulzeit auf die Schulzeitpflicht angerechnet werden durften, wirkte sich ebenfalls kontraproduktiv aus. Im Zusammenhang mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht ohne Abschluss auf der Schule bleiben zu können, zeigte sich in der Praxis die Auswirkung in Form einer steigender Zahl von 18-jährigen, also volljährigen Schülern, die in Klassenstufe 8 oder 9 ihre Arbeiten selbst unterschreiben dürfen, andererseits aber am Bildungsprozess eher kaum teilhaben, jedoch aufgrund ihres Verhaltens diesen oft behindern. Die Gesetzesnovelle zieht an verschiedenen Stellen Verbindlichkeiten ein, die auf eine zielorientierte Schulzeitnutzung abstellen und dafür sorgen werden, dass Jugendliche früher in ein selbstverantwortetes Leben treten können und müssen.
Das Fünfte Änderungsgesetz stellt ebenso die Weichen zum Erhalt einer wohnortnahen Beschulung in unserem Flächenland angesichts der demographischen Entwicklung. Wer die Realitäten im Land ignoriert und glaubt, das dreigliedrige Schulsystem scheiterte nur an den ideologischen Barrieren von Rot-Rot, muss sich wirklich fragen lassen, weshalb keins der anderen neuen Bundesländer dieses übernommen hat. Könnte es vielleicht sein, dass man dort, unabhängig von jeweiligen Regierungsmehrheiten, gut überlegt hat, wie vorhandene Gegebenheiten und zukünftige Erfordernisse kompatibel gestaltet werden können? Könnte es sein, dass die Mittelschule in Thüringen, die nun beileibe nicht von Sozialdemokraten installiert wurde, der vernünftige Weg war? Warum ging Mecklenburg-Vorpommern damals den Einzelweg, der ein Holzweg jedenfalls für unser Land war?
Mit der Regionalen Schule reagieren wir einerseits auf die demographische Entwicklung. Viel entscheidender jedoch ist, dass wir agieren. Strukturell wird sich mittelfristig ein zweigliedriges Schulsystem entwickeln, was auch nach bisherigem Gesetz passiert wäre, eine flächendeckende Entwicklung zur verbundenen Haupt- und Realschule mit einer wachsenden Zahl von Mischklassen.
Gestaltet hat die Koalition diesen unausweichlichen Prozess mit einer Palette von inhaltlichen Verbesserungen, die der Qualitätssicherung dienen. Von der Erhöhung der Erziehungskompetenz und der konsequenten Leistungsorientierung als Zielstellung zeugen sowohl die Orientierung der erhöhten Stundentafeln auf Kernkompetenzen, definierte Standards in einem verpflichtenden Schulprogramm, das die Profilierung und größere Eigenverantwortung der Einzelschule zum Ziel hat, zeugen sowohl die Einführung der Klassenleiterstunde sowie die Möglichkeiten kooperativer Bildungsangebote für verhaltensauffällige Kinder.
Leistungsförderung in äußerer Fachdifferenzierung erfolgt nicht mehr wie bisher nach dem Motto „Einmal Hauptschule, immer Hauptschule“, sondern orientiert sich am Einzelschüler mit seinen persönlichen Stärken und
Schwächen. Wer in Mathematik große Schwierigkeiten hat, kann doch im sprachlichen Bereich durchaus Stärken entwickeln. Nach den Möglichkeiten der Regionalen Schule kann er also unterschiedliche Leistungsniveaus besetzen. Darüber entscheidet jetzt jedoch nicht mehr der pauschale Stempel „Haupt- oder Realschüler“, sondern die jeweilige fachliche Leistung. Ich finde diese Regelung pädagogisch sehr sinnvoll.
Mit der Qualitätssicherung verbunden sind in jedem Fall vergleichbare Leistungsstandards. Mit anderen Worten: Die Wege zum Ziel werden an den einzelnen Schulen, ja, für den einzelnen Schüler individueller werden. Am Ende der Wege jedoch müssen definierte Standards stehen, die für den jeweiligen Bildungsabschluss allgemein gültig sind.
Bisher gab es diese Standards nur als Endkontrolle in Form der zentralen Real- und Abiturprüfung. Weitere Vergleichsarbeiten zielten vor allem auf Qualitätskontrolle im Bereich Deutsch und Mathematik der Haupt- und Realschule ab. Grundschulen, Gymnasien und Gesamtschulen blieben im Prinzip außen vor. Das muss sich grundlegend ändern. Von einer Endkontrolle, deren Ergebnisse nicht mehr zu korrigieren sind, müssen wir zu einer Prozesskontrolle kommen.
Die allgemeine Erwartungshaltung, dass ein Kind am Ende der 4. Klasse sinnerfassend lesen kann und zumindest die Grundrechenarten beherrscht, muss nicht nur angesichts der PISA-Ergebnisse in konkrete Zielstellungen gegossen und natürlich auch kontrolliert werden. Der Erwerb des Abiturs mit dem Anspruch der Hochschulreife muss viel stärker geknüpft werden an eben diesen Anspruch.
Selbstverständlich brauchen wir möglichst viele junge Menschen mit dem Abiturabschluss. Aber dies ist keine ausschließliche Frage von Quantitäten. Nicht irgendwelche Abiturabschlüsse können das Ziel sein, sondern qualitativ hochwertige, die sich unter anderem auch in einer hohen Studierquote widerspiegeln. Ist es nicht auch Vergeudung jugendlicher Lebenszeit, wenn die Schulbank drei Jahre länger gedrückt wird, obwohl man weiß, dass für den Berufswunsch durchaus ein Abschluss der mittleren Reife genügt? Dieser Trend wurde durch die bisherige Vergabe des Realschulabschlusses ehrenhalber für Gymnasialschüler durch Versetzung in Klasse 11 noch verstärkt. Ohne Prüfung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben als ein Realschüler, ist ein nachzuvollziehendes Motiv, das Gymnasium zu wählen, ohne der eigentlichen Aufgabe des Gymnasiums, auf ein Studium vorzubereiten, entsprechen zu wollen. Die Entscheidung, die mittlere Reife nur noch nach einer bestandenen Prüfung zuzuerkennen, war also sowohl ein leistungsforderndes Moment als auch ein Akt der Wahrung von Chancengerechtigkeit.
Der Ansatz im Regierungsentwurf wurde von fast allen Verbänden getragen. Jedoch entspannen sich in der Anhörung die Nachfolgediskussionen darum, wie ein Schüler am Gymnasium zu einem Schulabschluss käme, wenn er das Abitur nicht schafft. So schlug zum Beispiel die GEW vor, dass alle Schüller, die nach der 10. Klasse abgehen wollen, sich einer Prüfung an ihrem Gymnasium beziehungsweise ihrer IGS stellen sollen. Die Vereinigung der Gymnasialschulleiter Mecklenburg-Vorpommern votierte unter Punkt 5: „Da mit der Aufhebung des § 19 (3)
Satz 2 keine Gleichwertigkeit mehr besteht, muss geregelt werden, wo und wie die Mittlere Reife für die Gymnasiasten abgelegt werden kann. Ist die Prüfung für alle gedacht? Am Gymnasium kann sie wohl nicht stattfinden!“ Der VBE stellte ähnliche Fragen und konstatierte: „Unstrittig ist, dass der Abschluss nach Klasse 10 … und 12 … nach entsprechenden Prüfungen erfolgt. Es wäre hier aber sinnvoll, auch im Gesetz zu verankern, dass zentrale Prüfungen im schriftlichen Bereich abgelegt werden.“
Die konkretisierte Forderung der IHK, vertreten durch Dr. Ulrich Hoffmeister, liest sich im Anhörungsprotokoll auf Seite 15/16 folgendermaßen: „…, dass alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nach Abschluss der Klassenstufe zehn eine Prüfung ablegen sollten, unabhängig davon, ob sie diese Schule nach der Klassenstufe zehn verlassen möchten oder nicht.“ Diese Zitate belegen zunächst, dass Klärungsbedarf zur Prüfung signalisiert wurde.
Vorschläge unterschiedlichster Art wurden erarbeitet. Gerade aber mit der konkreten Forderung der IHK ist die Fama widerlegt, dass eine Prüfung für alle nicht Gegenstand der Anhörung war. Mit dem Beschluss der Koalitionsfraktionen im Bildungsausschuss wurde die geforderte Klarstellung in den Gesetzestext aufgenommen. Damit haben wir die Anzuhörenden sehr ernst genommen, wenn auch nicht im Sinne einer gewissen Gruppe. Das ist nun einmal klar, hundert Prozent Einigkeit gibt es in keinem Punkt.
Sie bedeutet, dass es für alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium am Ende der 10. Klasse eine Prüfung geben wird. Diese führt im Zusammenwirken mit der Jahresleistung zu einer Versetzungsentscheidung in die 11. Jahrgangsstufe. Somit hat sie die Funktion einer Zwischenprüfung, die am Ende der Sekundarstufe I vergleichbare Leistungsstandards setzt und speziell auf den gymnasialen Bildungsgang ausgerichtet wird. Schüler am Gymnasium erleben also Jahre vor dem Abitur eine Prüfungssituation, die es ihnen ermöglicht, ihren individuellen Entwicklungsstand zu erfahren, und die Chance gibt, in den Jahren bis zum Abitur zielorientierter an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten.
In Klammern: Eine verhauene Prüfung bedeutet noch lange keinen Verweis vom Gymnasium.
Neben der Qualitätskontrolle hat der Schüler mit der Versetzung in die 11. Klasse den anerkannten Abschluss der mittleren Reife.
Selbstverständlich sind weiterführende Fragen nicht nur im Zusammenhang mit Prüfungen untergesetzlich detailliert zu klären. Gesetze haben es nun mal so an sich, nur die erforderlichen Eckdaten zu sichern. Die Ausgestaltung und Umsetzung in Verordnungen und vor allem vor Ort in der Einzelschule erfordern motivierte Kleinarbeit. Ein wirklicher Qualitätsschub ist nur zu erreichen durch die engagierte Mitarbeit der am Bildungsprozess Beteiligten, durch Kontinuität, Verbesserung der materiellen Rahmenbedingungen der Einzelschule.
Qualitätsentwicklung ist ein Prozess. Eine Schülergeneration durchlief seit 1990 die Bedingungen des Bil
dungssystems der Bundesrepublik. Die Teilnehmer der PISA-Studie dokumentieren also Erfolg oder Misserfolg eines Systems. Ein Umsteuern wird wiederum Jahre in Anspruch nehmen, Jahre des Vergleichens mit erfolgreichen Ländern, des kritischen Hinterfragens eigener Positionen, Jahre der permanenten Personalenwicklung im Bildungsbereich. Nicht nur unsere Lehrkräfte brauchen zur Unterstützung in ihrer verantwortungsvollen Arbeit hochqualifizierte Fort- und Weiterbildung. Defizite im wissenschaftlichen Vorlauf, insbesondere im methodischdidaktischen Bereich müssen an den Universitäten aufgearbeitet werden. Die Ausbildung junger Nachwuchskräfte kann sich nicht an den Erfahrungen gestriger Konzepte orientieren, sondern an europäischer Entwicklung.
In dieser Konsequenz ist wohl nicht damit zu rechnen, dass die Fünfte Änderung des Schulgesetzes für die nächsten 20 Jahre die letzte gewesen ist. Mein Mathematiklehrer pflegte moralinsauer in die Klasse zu fragen, wenn eine Leistung unsererseits ihn nicht zufrieden stellte: Wie kam Karl hinter die Hammel? Mittlerweile gewitzt antworteten wir im Chor: Er ist stehen geblieben. Hinter die Hammel zu kommen kann unser Anliegen nicht sein. Entwickeln wir sie also weiter, bleiben wir nicht stehen, entwickeln wir sie weiter, die Bildungschancen für unsere Jugend! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Frau Schnoor – ist sie noch vorhanden? –,
ich glaube nicht, dass ich mir hier den Ruf eines Polarisierers erarbeitet habe, aber ich muss gestehen, Sie haben mich schon ein bisschen in Rage gebracht. Und im Grunde zeigt mir das nur wieder ganz deutlich: Dies ist eine der Hauptursachen, dass wir in dieser Bildungsmisere stecken. Es gibt nur ein ideologisches Aufeinandergehacke und Schuldzuweisungen, wir haben das richtig gemacht und die anderen nicht. Und wir kommen keinen Schritt weiter.
Zweiter Punkt: Worüber wir hier reden, auch in meiner Rede, das ist nicht nur Schulpolitik, das greift im Grunde viel weiter. Und wenn wir diesen Horizont nicht endlich mal erweitern, dann haben wir auch nichts gekonnt. Aber mir ist ja aufgrund Ihrer Redeanmeldung jede Menge Redezeit zugewachsen. Ich werde dann also am Ende meiner Rede auf Einzelnes auch noch mal eingehen. Zunächst mal würde ich ganz gerne meinen integrativen Ansatz verfolgen, weil ich denke, diesen Problemen kann man sich nicht mehr mit dem alten Instrumentarium stellen. Man muss neu anfangen zu denken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Schulgesetzänderungsentwurf der Landesregierung liegt uns ein Maßnahmepaket vor, das richtige Weichen stellt. Dieses möchte ich im Einzelnen im Kontext zum brandaktuellen Bildungsthema PISA-Studie darstellen. Deshalb sei mir ein etwas umfangreicherer Exkurs gestattet.
Seit einer Woche ist es nun offiziell, was so recht keinen überraschen konnte: Die Schüler in Deutschland sind
nicht mal mehr Mittelmaß. Und wie immer setzt eine öffentliche Wahrnehmung von Problemen erst ein, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Immerhin kritisieren Lehrerverbände, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter seit Jahren das Absinken des Bildungsniveaus und den Werteverfall. Vielleicht – vielleicht auch nur – ist dieser PISA-Schock ja heilsamer und setzt einen gesellschaftlichen Umdenkungsprozess in Gang, der erfolgreicher ist als punktueller Aktionismus, einseitige Schuldzuweisungen und die ausschließliche Fehlersuche im Bildungsbereich.
Dieses gesellschaftliche Problem kann Schule allein nicht richten. Wie kann es denn angehen, dass bei vergleichsweise üppigen Rahmenbedingungen für deutsche Schülerinnen und Schüler die Bildung nicht nur kostenlos, sondern in Teilen auch umsonst ist? Es gibt auf diese Fragen viele Antworten. Eine umfassende Analyse tut Not und wird uns in den kommenden Monaten beschäftigen. Einige Aspekte jedoch gehören schon vor der Veröffentlichung der Detailergebnisse in den Blickpunkt, weil sie erfahrungsgemäß immer zu kurz kommen.
Erstens. Es ist eine Binsenweisheit, dass ein motivierter Schüler auch aus dem miserabelsten Unterricht noch etwas lernen kann. Kinder in der ganzen Welt treten den Beweis an. In Indien: Mit leerem Magen lernen Kinder bis in die Nacht – Greencard-Experten von morgen? In Nordirland: Unter Polizeischutz werden Erstklässler in ihre Schulen gebracht. In Afrika: 40 bis 50 Kinder in einer einzigen Dorfschule, einziges Unterrichtsmittel eine Tafel. Hoch motivierte Kinder, die wissen, dass nur Bildung ihre Lebenschancen verbessert. Oder denken wir an die eigene Großelterngeneration: 4-Klassen-Dorfschule, ein Lehrer für alle Klassenstufen, sinnerfassendes Lesen, korrektes Schreiben der Muttersprache – na aber, selbstverständlich!
Was also läuft bei uns so schief, obwohl alle Bedingungen so viel besser sind? Ich denke, die schwach bis überhaupt nicht ausgeprägte Lernmotivation ist ein Schlüsselproblem. Warum sollte ein Schüler oder eine Schülerin den Lernwillen aufbringen, wenn er oder sie kein erstrebenswertes Ziel sieht, das nur mittels eigener Anstrengung zu erreichen ist? Wie lohnend ist für unsere Jugend ein durch harte Lernarbeit erreichter Berufsabschluss, der Eigenständigkeit und Selbstverantwortung bedeutet, wenn Hotel Mama doch alles viel bequemer bietet? FunGesellschaft auf allen Kanälen, körperliche Arbeit gerät zur Peinlichkeit. Vorbilder, Leitbilder? – Fehlanzeige! Alles, was auch nur den Anschein von Autorität hatte, wird in der öffentlichen Wahrnehmung systematisch demontiert. Besonders betroffene Berufsgruppen dabei sind Lehrer, Polizisten, Politiker, Wissenschaftler und Künstler.
Wann erleben Kinder die Achtung vor Leistung und menschlicher Größe, inwieweit erscheint gute Bildung für sie erstrebenswert? „Big Brother“ und die Sternschnuppen am Mode- und Musikhimmel machen eher bildungsimmun. Aber davon träumen die Jugendlichen. Immerhin kann man inzwischen ja mit umfänglichem Faktenwissen Millionär werden. Aber genau das Pauken gilt ja in den Schulen als äußerst verpönt.
Da es inzwischen offensichtlich fast unmöglich ist, sich wenigstens auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner eines gesellschaftlichen Wertekanons zu verständigen, bleiben die Zehn Gebote und gegebenenfalls das Strafge
setzbuch. Ein bisschen dünn für eine demokratische Gesellschaft! Und Bildung als gesellschaftlicher Wert ist leider längst nicht mehr im Trend. Spaß- und Konsumgesellschaft ist mit Eigenheiten wie Fleiß und Anstrengung schlecht vereinbar. Für eine positive Lernmotivation haben wir gegenwärtig nur Negativmeldungen auf der ganzen Strecke.
Wenn also behauptet wird, die Bildungspolitik hat versagt, so wird hier wieder mal zu kurz gegriffen. Die ganze Wahrheit lautet: Die Gesellschaft hat versagt
und es liegt auch in der Verantwortung der ganzen Gesellschaft umzusteuern. Letztendlich schlägt es auf uns alle zurück, wenn wir eine Jugend heranbilden und erziehen, die einem selbst verantworteten Leben nur unzureichend gewachsen ist. Drogen, Gewalt, Kriminalität und Vandalismus sind extreme Symptome, aber Jugendliche ohne Schulabschluss, mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten, Lehrabbrecher oftmals schon die Vorboten. Grund genug, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Bildung und Erziehung endlich wieder zu übernehmen. Schule kann allein nicht richten, was in der Gesellschaft schief läuft.
Zweitens. Die proklamierte aktuelle Bildungskatastrophe ist in Wahrheit eine Erziehungskatastrophe. Und es ist nur nahe liegend, die Hauptverantwortlichen für die Erziehung in den Analyseprozess einzubeziehen – die Eltern als Erziehungsberechtigte, aber doch auch -verpflichtete.
Die Detailstudie PISA weist nach, dass es einen engen Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und Leistungsniveau gibt. Man spricht auch von bildungsfernen Kreisen, die ihren Kindern deutlich schlechtere Chancen mit auf den Weg geben. Auch dies ist eine Binsenweisheit. Allerdings scheint man wie selbstverständlich davon auszugehen, dass die Schule diese Chancenungleichheit vollständig ausgleicht. Dies kann sie in Ansätzen auch tun und es gibt, wie wir auch heute wieder gehört haben, umfassende Überlegungen, Förderung zu verbessern. Aber die Frage darf doch mal gestellt werden, inwieweit Verantwortung von Eltern verbindlicher geregelt werden kann, Verantwortung für die Erfüllung der Schulpflicht, der Ausstattung und Unterstützung schulischer Belange. Eltern brauchen Hilfe und Orientierung in dieser schwierigen Aufgabe. Wo bekommen sie diese? Auch hierüber wird neu nachzudenken sein.
Wenn man aber, wie zunehmend real, die Prägung eines kindlichen Weltbildes fast ausschließlich einem willkürlich zusammengewürfelten Medienprogramm überlässt, kann man sich über Ergebnisse eigentlich nicht mehr wundern. Die Scheu vor Interventionen und Grenzsetzungen im Kleinen führt zwangsläufig dazu, dass Erziehung zunehmend nicht mehr stattfindet. Wissenschaftliche Analysen zeigen erschreckende Tendenzen auf, was falsch verstandene Liberalität und Toleranz, Gleichgültigkeit, Reizüberflutung und Konsumübersättigung in unserer jungen Generation anrichten; Auswirkungen auf den Lernprozess inbegriffen.
Drittens. Wenn die Erwartungshaltung an Schule in der öffentlichen Darstellung geprägt ist von müheloser Unterhaltungspädagogik, von Kuschelecken, Lehrern als Moderatoren, Fun haben, Actionprojekten und ähnlichen Unverbindlichkeiten, wenn Schule nur dann in Schlagzei
len gerät, weil zunehmender Vandalismus die gesetzlichen Kassen auf den Plan ruft, oder wenn die Freiheit einer Schülerin in Friedland zu verteidigen ist, die bei vier Grad minus Außentemperatur nicht nur mit freiem Bauch, sondern vor allem auch halbwegs freigelegtem Hinterteil das Unterrichtsgeschehen bereichern möchte. Leider interessierte es keinen bei dieser Knallerbsenstrauchaktion, dass an dieser Schule, gemeinsam getragen durch Eltern, Lehrer und Schüler, seit Jahren gegen den Strom geschwommen wird, gegen den Strom von Gewalt und Vandalismus, gegen Schulaversion und Leistungsverweigerung. Da bauen alle Beteiligten mühevoll an einem Lernklima der gegenseitigen Achtung, der Gewaltfreiheit – und jetzt der Skandal! Die Würde einer Schülerin aufs tiefste verletzt, sie soll ihre Unterwäsche nicht offen tragen dürfen!
Der PISA-Schock kann auch in diesem Falle nur heilsam sein. Man beschäftigt sich endlich mal wieder mit den wirklichen Aufgaben von Schule. Die SVZ zum Beispiel stellte meiner Meinung nach die richtigen Fragen. Was machen erfolgreichere Länder anders? Was sollten wir übernehmen? Sachliche Hintergrundinformationen ermöglichen ein objektives Gesamtbild. Vor allem, man redet mit den Beteiligten, nicht über sie. In der Folgezeit wird den Medien eine große Verantwortung zuwachsen, Reformprozesse zu begleiten, weil sie eben nicht nur die Schule selbst betreffen und eben nicht nur bildungspolitisch einzuordnen sind. Zum Glück ist erkennbar, dass der größte Teil der Journalisten sich dieser Verantwortung engagiert stellt. Da kann man auch solche Plattheiten in Stammtischmanier, die Schüler lernen nichts, die Lehrer sind schuld, schon mal in den Skat drücken. Hoffentlich bilden sich die Leser auch darüber mal ihre Meinung.
Die Qualitätssicherung von Bildungs- und Erziehungsprozessen ist absolut kein Thema für Parteienstreit. Zu deutlich ist bereits jetzt erkennbar, dass sowohl der konservative gegliederte Bildungsansatz nach frühestmöglicher Selektion als auch die ausschließlich auf Wissensvermittlung orientierte Schuldefinition ebenso wie die antiautoritäre Pädagogik der 68er-Reformer nicht die erträumten Ergebnisse zeigten. Hier können nur mutige Lösungen helfen und im Vorfeld die kritische Überprüfung auch eigener Standpunkte. Wär’ schön gewesen, Frau Schnoor!
Die Schulgesetzänderung greift wichtige Problemfelder bereits auf, denn die Qualitätsdebatte hat in Mecklenburg-Vorpommern bereits stattgefunden. Sie findet ihren Niederschlag im Gesetzestext, in Versetzungsordnungen, in aufgestockten Stundentafeln im Kernbereich, in der weiteren Ausgestaltung der Ganztagsschule. Das sind übrigens alles Punkte, die angesprochen wurden auf der KMK, von der Sie vorhin sprachen.
Die intensive Arbeit am Qualitätssicherungskonzept und die nunmehr zur Diskussion stehende Einführung der Regionalen Schule und des 12-Jahres-Abiturs ab dem kommenden Schuljahr zielen darauf ab, Schule verstärkt leistungsorientiert, differenziert und motivierend zu gestalten, den Unterricht allgemein bildend und praxisnah durchzuführen sowie die Bildungsgänge einerseits berufsorientierend und andererseits studienvorbereitend bei größtmöglicher Durchlässigkeit zu profilieren. Das wird eine größere Akzeptanz bei Schülerinnen, Schülern, Eltern, Lehrkräften und auch in der Wirtschaft hervorrufen und gleichzeitig einen großen Motivationsschub an unsere Schulen bringen. Davon bin ich überzeugt.
Die qualitative Verbesserung der Haupt- und Realschulen erfolgt durch die Ausrichtung auf Berufswelt und Lebenspraxis in den künftigen Regionalen Schulen. Rahmenpläne und Schulprogramme befördern anwendbare Wissensaneignung. Die Erziehungsfunktion der Schule wird gestärkt durch die Einführung einer Klassenlehrerstunde, durch die Berücksichtigung des Arbeits- und Sozialverhaltens in Zeugnissen, durch das aufwachsende Angebot an Ganztagsschulen. Und Schulstationen fördern gezielt verhaltensauffällige und schulaversive Kinder.
Durch die Schulorganisation ist gesichert, dass der höchstmögliche Abschluss über alle Bildungswege erreichbar ist. Durchlässigkeit ist damit bis zum Ende von Klasse 10 gewahrt. Leistungsanforderungen werden konsequenter gestellt. Die Versetzungsentscheidung nach Klasse 5, die Stärkung der Klassenkonferenz bei Laufbahnentscheidungen nach der Orientierungsstufe, die Anerkennung der mittleren Reife nur nach erfolgreicher Prüfung erhöhen Verbindlichkeit und verbessern Förderchancen.
Die Verkürzung des gymnasialen Bildungsganges orientiert sich an europäischen Standards und ist eine allgemeine Forderung der Gesellschaft. Das Gesetz schafft Rahmenbedingungen für eine Konzentration der Bildungsinhalte und Organisationsformen. Dies schließt jedoch erhöhte Anforderungen an die Einzelschülerinnen und den Einzelschüler ein, die sich nun in einer aufgestockten Stundentafel und veränderten Versetzungsbedingungen niederschlagen. Hierbei gilt es, Bedingungen in unserem Flächenland zu beachten. Längere Schulwege erhöhen die Belastung der Schüler im ländlichen Raum. Das Ganztagsschulangebot wird gerade in diesen Fällen Chancengleichheit sichern.
Wenn ich mich in meinen Ausführungen auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Gesetzesänderungen konzentrierte, ohne mich eng am Gesetzestext entlangzuhangeln, dann geschah dies in erster Linie, um Wiederholungen zu meiden, vor allem aber auch deshalb, weil die Arbeit am Entwurf in den Ausschüssen durch Expertenanhörungen sicher dafür sorgen wird, dass es in einzelnen Formulierungen durchaus Änderungen geben kann. Das wird zum Beispiel aus meiner Sicht für den Paragraphen 66 Absatz 2, der die Entscheidung der Klassenkonferenz bei einem Wechsel des Bildungsganges regelt, mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen. In der jetzigen Formulierung ist nur eine Einbahnstraße vorgezeichnet, die auf Antrag der Eltern den Wechsel in eine andere, ganz offensichtlich aber nur höhere Schulart in Betracht zieht. Bleibt es bei dieser einseitigen Durchlässigkeit wird das den Run aufs Gymnasium nach Klasse 4 nur verstärken, denn nach Klasse 6 wird es schwieriger wegen der Leistungsparameter.
Was aber geschieht mit Schülern, die am Gymnasium nachweislich überfordert sind? – Nach der jetzigen Lesart ohne Antrag der Eltern gar nichts. Also bleibt der hier zurzeit gültige Ist-Stand. In mancher Hinsicht wird auch genau zu prüfen sein, wie die Gesetzesregelungen auf dem Verordnungsweg zu untersetzen sind. Wie ermöglichen wir beispielsweise Gymnasialschülern, die das Abitur nicht schaffen, den Abschluss der mittleren Reife? Und, nicht ganz unwichtig der Gedanke, welche aktuellen Anregungen zur Verbesserung von Schulqualität können in die Gesetzesdebatte einfließen, besonders im Hinblick auf die Stärkung der Erziehungsfunktion von Schule?
Im Kontext der internationalen Schulqualitätsdebatte setzt das veränderte Schulgesetz die richtigen Schwerpunkte, die auch im Maßnahmekatalog der Kultusministerkonferenz vorkommen: gesichertes Grundlagenwissen, verbesserte Förderung des jeweiligen Leistungsniveaus, verbindliche Regelung des Erziehungsauftrages, Orientierung auf anwendbare und gesellschaftlich relevante Bildungsinhalte.
Mit diesem Gesetz kann jedoch noch längst kein Schlusspunkt gesetzt werden. Qualitätssicherung ist ein permanenter Prozess. Die Frage nach vorschulischer Bildung und Erziehung, die Frage nach gezielter Förderung von Schülern mit so genanntem bildungsfernen Hintergrund beispielsweise durch Ganztagsschulen oder gezielte Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung wird diesen Prozess ebenso begleiten müssen wie die Frage nach materieller Ausstattung oder dem Stellenwert von Bildung für den Einzelnen und die Gesellschaft.
Von den ersten Thesen zur Regionalen Schule bis zur heutigen Gesetzesberatung liegt bereits ein umfangreicher Diskussionsprozess hinter uns, begleitet von einer interessierten Öffentlichkeit. Wir gehen davon aus, dass das weitere Verfahren zügig und konzentriert gestaltet werden kann, denn für die Schulen ist es vor allem wichtig, rechtzeitig Planungssicherheit zu bekommen. Das wird angesichts der Terminenge eine hohe Einsatzbereitschaft aller Beteiligten voraussetzen, aber dies sollten uns die Schulen schon wert sein.
So weit zu meinem Redetext.
Nun noch einige Anmerkungen im Anschluss zur Rede von Frau Schnoor: Sie fordern, dass wir unseren Gesetzesentwurf noch mal zurückhalten wegen der neuen gründlichen Analyse. Ja wissen Sie, wie lange denn eigentlich noch?
Was haben wir denn eigentlich hier gemacht in den letzten Jahren? Glauben Sie, schon die Ergebnisse der Studie TIMSS sind völlig unbeachtet an uns vorbeigegangen? Dann müssen Sie aber wirklich tief geschlafen haben die ganze Zeit,
denn alles, was hier eingeflossen ist, Frau Schnoor, das ist bereits Beachtung internationaler Standards und das ist bereits Gegensteuern. Sie unterstellen uns kollektive Amnesie. Willkommen im Klub, Frau Schnoor, denn all Ihre Ansätze, die fingen komischerweise erst ‘94 an! Wer hat denn in diesem neuen Bundesland – als einziges übrigens! – das dreigliedrige Schulsystem hier völlig inkompatibel an unseres angedockt?
Wissen Sie, ich bin nun wirklich kein Ideologe. Ein dreigliedriges Schulsystem kann durchaus funktionieren, wenn es die richtigen Rahmenbedingungen hat wie in Bayern und die Traditionen. Mag ja alles sein. Hier bei uns war es ein Kardinalfehler. Und alle anderen neuen Länder haben es nicht getan. Da gibt es Mittelschulen, da gibt es Sekundarschulen. Da war man nicht der Meinung, dass man alles auseinander klatschen muss.
Wir sind doch im Grunde jetzt nur dazu da, diesen Kardinalfehler behutsam auszugleichen, und zwar so, dass das Ganze hier passt zu unseren Bedingungen in Mecklenburg-Vorpommern und zu unseren Traditionen und zu unserer Ausbildung der Lehrer,
die vor zehn Jahren bei Schülern in der fünften Klasse weitaus bessere Ergebnisse erzielt haben.
Und da kann es ja nicht Schuld der Lehrer sein, dass das jetzt nicht mehr so klappt. Wenn wir uns also wirklich fragen, bitte schön, fragen, dann fangen Sie auch bei sich an! Wir sind gerne dazu bereit, in meinem Redebeitrag habe ich es angeboten, habe ich gesagt, wir müssen alle neu anfangen. Aber solange dieses Kleinkarierte, Ideologische,
Tiradenhafte hier weiter passiert,
können wir nichts oder wir können es nur ohne Sie. Schade eigentlich! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU präsentiert uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Vorstellungen von einer humanen Leistungsschule. Schon im Vorfeld tönte es aus allen Knopflöchern der Bildungsalleinvertreterin Frau Schnoor, dass man nunmehr die richtigen bildungspolitischen Grundsätze beieinander habe, um dem krisengeschüttelten Bildungssystem den richtigen Drive zu verpassen.
Behauptungen wie, die Hauptschule finde bei Eltern nur deshalb keine Akzeptanz, weil Rot-Rot sie nicht wollte, reihen sich von der geistigen Wertigkeit mühelos ein in die höchstbescheidene Selbsteinschätzung. Mit dem Kon
zept zur humanen Leistungsschule präsentiere man ein umfassendes Angebot an die Schule von morgen. Nach all dem Vorgeklingel dürfte man ja wohl den großen Wurf erwarten. Entsprechend hoch motiviert machten wir uns ans Studium der Details und stellten sehr schnell ernüchtert fest, dass die neue CDU-Lesart von Schule zusammengefasst heißt: Wenn nur an allen Ecken Restriktionen und Verbindlichkeiten erhöht werden, dann gelingt es auch wesentlich besser, die Schüler entsprechend ihren Leistungen, Begabungen und Neigungen in die richtigen Schubladen zu bugsieren, denn für Sie, Frau Schnoor, gibt es schließlich keine Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem.
Zur grundsätzlichen Verständigung sei gesagt: Es gibt einige Ansätze im Gesetzentwurf, die wir teilen, wie das von der Landesregierung erarbeitete Konzept zur Regionalen Schule ja beweist. Zur Durchsetzung leistungsfördernder Parameter, wie zum Beispiel der Anerkennung des Realschulabschlusses nur nach erfolgreicher Abschlussprüfung oder der verbindlicheren Einbeziehung des Sozialverhaltens in die Gesamtbewertung von Schülerinnen und Schülern, liegen unsere Auffassungen nicht weit auseinander.
Betonen möchte ich aber, dass Kopfnoten beim besten Willen nicht die beste Lösung und selbst bei Lehrkräften als Schwarz-Weiß-Methode stark umstritten sind. Im Übrigen ist der entscheidende Ansatz für konsequentere Leistungsforderung in der Regel untergesetzlich zu suchen, beispielsweise in der Versetzungsordnung. Hieran – wir haben es heute noch mal gehört – wird im Ministerium schon gearbeitet.
Stimmen wir in Einzelfragen durchaus überein, möchte ich aber doch auf Grundsatzfragen zurückkommen, die es unserer Fraktion schon sehr schwer machen, diesen Gesetzentwurf als diskussionswürdige Verhandlungsbasis zu akzeptieren.
Im Kern zielt er, wie schon erwähnt, erstens auf die Beibehaltung und den Ausbau des dreigliedrigen Schulsystems, das entgegen Ihrer Behauptung, Frau Schnoor, in keiner Weise den modernen Anforderungen an zukunftsfähige Schule auch im internationalen Maßstab Rechnung trägt.
Zweitens stellt er eine klare Absage an die verbesserte Durchlässigkeit der Orientierungsstufe in Klasse 5 und 6 dar, die mit diesem Schuljahr praktisch umgesetzt wird. Er dreht somit eine wichtige Entwicklung hin zu mehr Bildungschancen für alle Kinder bis Klasse 6 zurück. Sie können von uns nicht ernsthaft erwarten, dass wir dieses Spiel mitmachen.
Ihr Entwurf enthält im Wesentlichen drei Schwerpunkte, auf die ich nachfolgend eingehen möchte:
Erstens fordern Sie die Landesträgerschaft der Sportgymnasien. Diese Möglichkeit – wir haben es heute ja schon zweimal gehört – räumt das bestehende Schulgesetz bereits ein. Wir können also auf eine weitere Debatte verzichten, weil der Antrag diesbezüglich überflüssig ist.
Zweitens wollen Sie das Abitur nach zwölf Jahren wieder einführen. Dazu treffen wir uns in Kürze wieder, denn dies ist ja, wie Sie wissen, auch unser erklärter Anspruch. Allerdings war es wiederum das Schicksal der regierungstragenden Fraktionen, die hehren Pläne auch finanziell untersetzen zu müssen. Das bedeutet bei knappen Kassen, Mehrbedarfe in Größenordnungen freizusetzen. Ich denke, dies darf schon mal etwas länger dauern als eine Pi-mal-Fensterkreuz-Rechnung, für die man als Opposition noch nicht mal die Deckung andenken muss. Aber seien Sie versichert, die Verhandlungen waren erfolgreich und gekennzeichnet von dem Bemühen, dem hohen Stellenwert von Bildung auch finanziell Rechnung zu tragen. Sie dürfen also davon ausgehen, dass noch in diesem Jahr schon nach der Sommerpause der Gesetzentwurf der Regierung das Parlament passieren wird, der das Abitur nach zwölf Jahren unter den erhöhten Anforderungen eines Stufenverfahrens ermöglicht. Auch in dieser Frage ist also, wenn wir zudem die öffentlichen Äußerungen der Landesregierung berücksichtigen, Ihr Antrag überflüssig.
Ein dritter großer Bereich umfasst eben jene schon angedeutete Reform des Hauptschulbildungsganges. Hierzu will ich etwas ausführlicher werden:
Die Grundintention Ihres Entwurfes, die da lautet, wir wollen die Hauptschule, koste es, was es wolle, können und wollen wir – und dies wird Sie nicht überraschen – mitnichten teilen. Es ist schwierig, mit jemandem zu diskutieren, der nicht bereit ist, die wirklichen Ursachen für das Scheitern der reinen Hauptschullehre zu suchen. Ich versuche es trotzdem, um davon ausgehend den neuen Bildungsansatz Regionale Schule abzuleiten. Dazu sei auch mir ein kurzer Ausflug in die jüngste Vergangenheit gestattet.
Als der erste Kultusminister der neuen Zeitrechnung, Herr Wutzke, in seiner unendlichen Weisheit beschloss, das bayerische Schulsystem hier einzuführen, wurde in völliger Ignoranz der vorhandenen Strukturen und Entwicklungschancen alles kurz und klein gehauen. Dazu habe ich mich wiederholt und detailliert geäußert und auch darüber, dass wir die negativen Auswirkungen jetzt, nachdem eine Schülergeneration das tolle neue System durchlaufen hat, deutlich zu spüren bekommen.
Ja, darauf komme ich gleich noch.
Damals mussten die Lehrpläne durch Rahmenpläne ersetzt werden. Sie wurden zum Nonplusultra erklärt und die Lehrpläne als ideologische Altlast verpönt. Nun schlägt uns die CDU in ihrem Gesetzentwurf vor, von Rahmenplänen wieder zu Lehrplänen zurückzukehren, ein Anliegen, das den Gesetzentwurf im Übrigen auch ungeheuer aufbauscht. Auf die inhaltliche Gestaltung hat der Begriff nun wirklich keinen Einfluss.
Was soll also die erneute Namensänderung?
Anfang der 90er standen die Lehrerinnen und Lehrer dem völligen Umkrempeln der Schullandschaft extrem ablehnend gegenüber. Leider gab es in diesen Jahren nicht mal im Ansatz den Willen, einen gesellschaftlichen Dialog zu Schule in Gang zu bringen. Der Acker wird
gepflügt – fertig, aus! So viel zur Philosophie derjenigen, die bei den geringsten Abweichungen des von ihnen installierten Systems Zeter und Mordio schreien und die Diskontinuität verteufeln.
Nichtsdestotrotz gab es sowohl in den Schulen als auch bei den Eltern zunächst eine Aufgeschlossenheit gegenüber den erweiterten Fördermöglichkeiten durch bildungsgangbezogenen Unterricht. In den ersten Jahren entsprach die Zahl der Hauptschülerinnen und -schüler sogar noch den Empfehlungen. Heute wehren sich Eltern mit Händen und Füßen gegen die Hauptschule. Was ist also passiert?
Erstens. Es hat sich herumgesprochen, dass die Chance auf eine Lehrstelle gegen Null tendiert, und dabei ist der von der Wirtschaft beklagte Wissensstand nur die eine Ursache. Die 15-Jährigen – Frau Schnoor erwähnte es vorhin selbst – sind schon aufgrund ihres Alters in vielen Bereichen überhaupt nicht einsetzbar.
Zweitens kommt hinzu, dass die eigentlich zu Fördernden doch schon sehr schnell eine Minderheit in einer Hauptschulklasse bilden, weil sie ein Sammelbecken für überalterte Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten bieten. Eltern haben also schlicht Angst um ihre Kinder.
Welche Antworten geben Sie darauf in Ihrem Gesetzentwurf? Der neu gefasste Paragraph 56 oder gar 64 kann es doch wohl nicht sein, denn die laufen nur darauf hinaus, wie man sich schwieriger Schüler schneller entledigen kann. Aber wohin letztendlich mit ihnen? Mögen Sie dem Innen-, Sozial- oder Justizministerium auf die Füße fallen? Ich sage dazu schon mal vorausschauend mit Blick auf die Regionale Schule, dass wir dem Thema Erziehung nicht nur durch Kopfnoten und Rausschmiss beizukommen versuchen wollen.
Es gibt aber auch einen ganz entscheidenden Fakt, der die Bildung von Hauptschulklassen kaum noch ermöglicht, und den kennen Sie im Grunde sehr genau, den gravierenden Geburtenrückgang im Land. Und der ist wohl kaum Rot-Rot anzulasten. Der daraus resultierende Schülerrückgang zwingt völlig unabhängig von unseren Debatten hier im Landtag zu praktischen Entscheidungen vor Ort. Vor allem im ländlichen Raum wird die Eröffnung von Hauptschulklassen immer schwieriger, ohne unseren Kindern und Jugendlichen enorme Fahrwege zuzumuten. Unsere Zielrichtung in der Schulpolitik ist daher eine andere: Wir müssen uns um die bereits existierenden Mischklassen kümmern, deren Zahl kontinuierlich steigt. Das heißt in erster Linie, die Rahmenbedingungen für den bildungsgangübergreifenden Unterricht durchgreifend zu verbessern. Mit den Neuregelungen zur Regionalen Schule stellen wir uns dieser Verantwortung. Die breite Diskussion im Land im Gegensatz zu 1991 läuft bereits. Wir sind auf einem guten und richtigen Weg und ich lade Sie, Frau Schnoor, und Ihre Fraktion ein, sich hier konstruktiv einzubringen auf der Basis der von uns eingeschlagenen Richtung.
Ich frage mich, Frau Schnoor: Was aber ist Ihr Ansinnen in dem vorgelegten Änderungsentwurf? Einerseits erheben Sie die Hauptschule ungeachtet der Entwicklung zum Dogma. In der Praxis setzt dies jedoch mindestens eine Zweizügigkeit voraus, denn bildungsgangübergreifender Unterricht wird von Ihnen ja als Ausnahme deklariert. Neh
men Sie doch endlich zur Kenntnis, dass er zur Regel wird, ganz ohne Gesetzesänderung. Andererseits ziehen Sie durch die Lande und verteufeln den Minister für die neue Verordnung zur Schulentwicklungsplanung. Besonders die Mindestschülerzahl von 22 hat es Ihnen angetan. Wie stellen Sie sich in Ihrer Logik denn bei 14 Schülern noch Fachleistungsdifferenzierung vor? Oder ist Ihrerseits ein Flugdienst für die Hand voll Hauptschüler geplant – zwei einzurichtende Klassen pro Landkreis?
Aber Sie glauben sicher, wenn man den Elternwillen aushebelt, wird alles gerichtet, oder? Wie ordnen Sie denn in diesem Zusammenhang die Tatsache ein, dass es seltsamerweise an einzügigen Schulen seit einigen Jahren überhaupt keine diagnostizierten Hauptschüler mehr gibt? Könnte es damit zusammenhängen, dass die Schule überhaupt kein Interesse hat, diese wenigen Schüler, die nicht für die Bildung einer eigenen Klasse genügen, an eine andere Schule fahren zu lassen? Daran wird sich auch durch Ihre Gesetzesnovelle überhaupt nichts ändern.
Im Übrigen trägt das widersprüchliche Verhalten der Landes-CDU und das der vielen regionalen Vertreterinnen und Vertreter keinesfalls zur Glaubwürdigkeit bei. Wenn sich gar ein Kreisfürst hinstellt und sagt, wir lassen es bei der alten Planung, mögen alle Schulen bestehen bleiben, auch wenn es nur noch sieben Schüler pro Klasse gibt, ist dies in höchstem Maße verantwortungslos, auch und gerade den Kindern gegenüber, die ein Recht auf Chancengleichheit haben.
Ein besonderes Highlight in der proklamierten Aufwertung der Hauptschule ist aus Ihrer Sicht die zentrale Hauptschulprüfung, zumindest im theoretischen Teil. Mal ganz abgesehen vom eigentlichen Anliegen, den Hauptschüler stärker zu motivieren oder doch eher zu bedrohen, worüber sich trefflich streiten ließe, gab es nach meiner Erinnerung zum Thema Prüfung sogar eine Lehrerabfrage in der Ägide Frau Marquardts, die mit klaren Mehrheiten zu dem Ergebnis führte: Zentrale Realschulprüfung ja, Hauptschulprüfung nein! Die Lehrerinnen und Lehrer werden sich etwas dabei gedacht haben. Vielleicht fragen Sie einfach mal nach. Mir fallen etliche Argumente ein, aber dieses Kapitel würde den Rahmen nun wirklich sprengen.
Kurz zusammengefasst wird man mit Sicherheit eins nicht stärken, die Akzeptanz der Hauptschule. Zum anderen sehe ich in den von Ihnen vorgeschlagenen Abschlussprüfungen für alle Bildungsgänge erhebliche Auslegungsfragen durch nicht eindeutige Formulierungen. Plädieren Sie dafür, dass zum Beispiel alle Gymnasiasten auch eine Haupt- und Realschulprüfung ablegen? Das gibt Ihr Änderungstext her, kann aber doch wohl nicht ernst gemeint sein, betrachtet man den hohen organisatorischen Aufwand, zumal der praktische Prüfungsteil an einer Hauptschule abgelegt werden muss.
Liest man Ihre Erläuterungen dazu, kommt man zu dem Schluss, dass es eventuell den Schülerinnen und Schülern frei gestellt ist, sowohl im Realschulbildungsgang als auch im gymnasialen Bildungsgang den Hauptschulabschluss und den Realschulabschluss zu erwerben, der ja nur über eine Prüfung zu erreichen ist. Welche praktischen Auswirkungen sind damit verbunden? Ich unterstelle Ihnen, dass Sie beide Prüfungen für diejenigen
vorsehen, die tatsächlich vorzeitig vom Gymnasium oder der Realschule abgehen. Egal wie Ihre Position aussieht, für mich bleibt unverständlich, wie Sie die Zugangsvoraussetzungen von Realschülern, Gymnasiasten und für die Hauptschulprüfung oder Realschulprüfung schaffen wollen, wenn doch die einzelnen Bildungsgänge speziell ausgerichtet und ausgestattet sein sollen. Hier scheint also noch erheblicher Klärungsbedarf auf Ihrer Seite zu liegen.
Nach letzter für mich wahrscheinlicher Lesart sieht es ja wohl so aus, dass ein Gymnasiast also in der 12. Klasse vor Absolvierung der Abiturprüfung (im Ernstfall) nicht mal den Hauptschulabschluss hat. Der Ernstfall kann in der Biografie eines jungen Menschen vieles sein. Gesetzt den Fall, er scheitert an der Abiturprüfung, gäbe es verschiedene Konsequenzen: Ehrenrunde Klasse 12 oder zurück in die 10., um die Realschulprüfung zu schaffen? Oder in die 9., um den Hauptschulabschluss zu machen? Mit links und 40 Fieber kommt niemand durch die Prüfung einer anderen Schulart, wie schon etliche gescheiterte Gymnasiasten bei der Realschulprüfung feststellen mussten. Die Zahl derjenigen ohne Schulabschluss würde sprunghaft in die Höhe schnellen. Das kann nicht Ihre Intention sein.
Genau dies wird aber passieren, denn auch die Durchfallquote an Hauptschulen wird nur die Lehrer noch mehr unter einen falschen Druck setzen.
Ich verzichte darauf, jedes Komma in diesem Entwurf zu kommentieren. Einen Aspekt der angestrebten Änderungen muss ich jedoch zumindest hinterfragen. Nach Ihrem Willen sollen also zunächst nach Klasse 4 Eltern über die Schullaufbahn entscheiden. Vorgegebene Eignungsparameter sind also eine Orientierung, kein Zwang. Nach Klasse 6 entscheidet dann ausschließlich die Klassenkonferenz. Ich will das nicht abschließend bewerten und ich meine, man muss sich generell einer solchen Diskussion ohnehin stellen, sollte man den Elternwillen flankieren mit Leistungsanforderungen. Das ist hier keine abschließende Äußerung, aber die Frage stellt sich mir trotzdem. Ist bei Ihrem vorgeschlagenen Weg nicht zu fürchten, dass noch mehr Eltern gleich nach Klasse 4 ihre Freiheit nutzen, denn es ist ungleich schwerer aufzusteigen, als heruntergestuft zu werden, und ist nicht weiterhin zu fürchten, dass ein Durchschnitt willkürlich ist? Man muss sich schon sehr genau verständigen über Eingangsparameter.
Welche Größen sollen angelegt werden? Die vorzunehmende untergesetzliche Regelung durch das Bildungsministerium erhielt ja viel Spielraum.
Zusammengefasst ist zu konstatieren, dass der vorliegende Entwurf auf die brennenden Fragen zu Schule von heute und morgen nur die Antworten von vorgestern hat.
Welche Inhalte muss Schule haben, um angesichts weltweiter Entwicklungen nicht in die Bedeutungslosigkeit abzudriften?
Welche Kompetenzen brauchen unsere Jugendlichen?
Wie befähigen wir Schule, den Erziehungsfaktor wieder stärker einzusetzen?
Wie gelingt es, schulaversive Schüler einzubinden?
CDU-Antwort: Prüfungen, Hauptschulaufwertung, Zuweisung von Bildungsgängen und irgendwie Schulprogrammen – nichts Genaues weiß man nicht. Seit der Rede von Frau Schnoor weiß ich zugegebenermaßen ein bisschen mehr, aber aus dem Text war davon nichts zu entnehmen. Also doch wieder nur ein Streit um Förmlichkeiten? – Schade eigentlich. Dabei ist doch bei gutem Willen eine gewisse Annäherung von Positionen zu verzeichnen. Die CDU stellt fest: Schule muss nicht nur bilden, sondern auch erziehen, ein beachtlicher Durchbruch dies!
Die SPD bekennt sich neben der Leistungsförderung auch zur Forderung. Dies war vor ein paar Jahren auch noch nicht so selbstverständlich und ist wohl auch stark ostakzentuiert. Über die Wege zu beiden Ansprüchen wird es wohl noch viel Diskussion geben. Wir stellen uns dem, jedoch auf der Grundlage eines Gesetzentwurfes, der nicht die Holzwege noch festklopft, sondern zeitgemäße Lösungen anbietet. Dieses ist der vorliegende leider nicht. Wir beantragen pflichtgemäß die Überweisung in den Bildungsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine momentane Stimmung würde an und für sich eher nach sich ziehen, dass ich jetzt noch mal richtig draufhaue, aber es ist meine persönlich Referenz an mindestens ein Mitglied der CDUFraktion, von dem ich weiß, dass hinter diesem Antrag ein ehrliches Anliegen steht, und insofern meine ich, damit fair umgehen zu müssen, was im Übrigen ja auch in der bisherigen Debatte so gelaufen ist.
Der vor uns liegende Antrag der CDU-Fraktion klingt zunächst – bei oberflächlichem Lesen und für nicht informierte Leser – überdenkenswert. Anerkennung und Gerechtigkeit gegenüber politisch Verfolgten, dies ist ein Anliegen, dem sich die SPD bereits seit 1990 verschrieben hat, und zwar wesentlich konkreter als mit blumigen Absichtserklärungen, wie ich im Folgenden noch herausstellen werde. Da jedoch weder das oberflächliche Lesen noch die Desinformiertheit über den komplexen Sachverhalt unseren Umgang mit diesem Antrag auszeichnen, tritt eine Reihe von Fragen und Widersprüchen auf, die ich in die Bewertung des CDU-Anliegens zwingend einfließen lassen muss:
1. Welche Härtefälle von Verfolgungen fasst die CDU bei ihrem Antrag ins Auge und wie soll hier ein konkreter Nachteil nachgezeichnet werden?
Aus der Antragsbegründung wird deutlich, dass die Voraussetzung für eine Einmalzahlung der Anerkennungsstatus als verfolgte Person im Sinne des Paragraphen 3 Berufliches Rehabilitierungsgesetz ist. Da diese Gruppe einschließlich verfolgter Schüler schon aufgrund der geltenden Rechtslage mit Rechtsansprüchen geschützt ist, die Genugtuung und materielle Wiedergutmachung für zugefügte gewichtige Beeinträchtigungen schaffen – zu
nennen wären hier vor allem Ansprüche auf bevorzugte berufliche Fortbildung, Umschulung sowie Ansprüche auf Ausbildungsförderung –, kann es also im Antrag in der Tat nur um Menschen gehen, die aus politischen Gründen nicht zum Abitur zugelassen waren oder denen aus eben diesen Gründen ein Studium verwehrt wurde.
So wünschenswert eine grundsätzliche Einbeziehung dieses Verfolgungssachverhaltes auch ist, gab es in den letzten Jahren bekanntermaßen jedoch fundierte Ablehnungsgründe. Einen davon möchte ich besonders Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, in Erinnerung rufen, er stammt aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung von 1993 zum Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Dort findet man unter den Erläuterungstexten des Paragraphen 1, Punkt 19: „Mangels hinreichender Konkretisierung des Berufswunsches reicht dagegen der Schulverweis oder das Verwehren des Zugangs zu einer höheren Schulbildung nicht aus. Das Nachzeichnen hypothetischer Kausalverläufe ohne Anhaltspunkt für das Einschlagen einer bestimmten beruflichen Richtung über einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren ist nicht durchführbar.“ Dies klingt für mich insofern plausibel, als ein nicht erreichter Abitur- oder Studienabschluss nicht zwangsläufig gleichzusetzen war mit nachhaltiger Beeinträchtigung der DDRBiographie, und zieht für mich die nächste Frage nach sich:
2. Würde mit einer solchen Regelung nicht neue Ungerechtigkeit erreicht?
Da die Zulassung oder Delegierung zur Erweiterten Oberschule streng quotiert war, wurde nicht nur politisch unbequemen Schülern der Abiturzugang verwehrt, sondern auch leistungsstarken Schülern, die nicht ins soziale Raster passten. Primär galt die Förderung den Arbeiterund Bauernkindern. Kinder aus der so genannten Intelligenzschicht oder dem Selbständigenbereich hatten da häufig das Nachsehen, wenn die Quote erfüllt war. Von Rechts wegen müsste auch diese Ungleichbehandlung analog zu bewerten sein. Könnten Sie sich die Konsequenzen ausmalen?
Außerdem wird die Betrachtung des Sachverhaltes aus heutiger Sicht den Gegebenheiten des DDR-Alltags keinesfalls gerecht. So stand eine Entlohnung der Studienberufe in ganz anderem Verhältnis zur Bezahlung in Ausbildungsberufen als heute. Zwei kleine, persönliche Beispiele mögen dies ansatzweise verdeutlichen: Ein Schulkamerad von mir verließ nach der 8. Klasse die Schule freiwillig (null Bock mehr). Nach seiner Berufsausbildung, drei Jahre, im Tiefbau verdiente er fünf Jahre früher erheblich mehr als ich mit meinem Abitur und vierjährigem Lehrerstudium. Er nahm dies bei Klassentreffen großzügig zum Anlass, mir mal ordentlich einen auszugeben.
Zweites Beispiel: Mein Schwiegervater, gelernter Schlosser und Lokfahrer, ließ sich überreden, ein Fachschulstudium nachzuholen.
Das kann man laut sagen.
Mit dem Ingenieurabschluss und als frisch eingesetzter Leiter der Parchimer Dienststelle durfte er als Belohnung 200 Mark monatlich Gehaltseinbuße entgegennehmen.
DDR-Alltag hieß also keinesfalls, dass ein nicht absolviertes Studium zwangsläufig eine gravierende Schlechterstellung nach sich ziehen musste.
Es ist also nahezu unmöglich, hypothetisch nachzuzeichnen, worin die gravierende Beeinträchtigung bestand, wenn der Verfolgungstatbestand ausschließlich in teilweiser Bildungsverwehrung liegt. Alle anderen Verfolgungssachverhalte werden bereits gesetzlich geregelt. Dies führt zu meiner dritten Frage:
Sehr geehrter Herr Helmrich, im Anschluss bitte.
Also meine Frage:
3. Weshalb kommt der Antrag zu diesem Zeitpunkt?
Die Diskussion und die Rechtsprechung um die Wiedergutmachung von DDR-Unrecht umfasst viele Kapitel. Acht Jahre lang hatte die CDU die Möglichkeit, diese entscheidend mitzuschreiben. Die politische Auseinandersetzung zeugte dabei vom gemeinsamen Willen, der sich jedoch in den Gesetzestexten nur teilweise niederschlug. Bis zum Ende der Kohl-Ära waren Kardinalfragen nicht gelöst, so zum Beispiel die einheitliche Kapitalentschädigung sowie eine Aufstockung, die Einbeziehung von Hinterbliebenen ohne Ansehen ihrer wirtschaftlichen Situation, die Verlängerung der Antragsfristen für Opfer und die Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden. Diese Probleme wurden durch die jetzige Bundesregierung 1999 zügig im Zweiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR gelöst. Dieses war und ist das richtige Signal gegenüber den Opfern und bringt ein Stück mehr Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Nun jedoch starten die einstigen Ausbremser durch und überholen die Karawane flugs, um zu rufen: Jetzt wollen wir aber noch mehr! Dies führt mich zur nächsten Frage:
4. Was, bitte schön, hat zu diesem Umdenkungsprozess geführt, gegen eigene Begründungen, ich zitierte sie vorhin, zu argumentieren? Neue Sachverhalte oder gar eine üppigere Haushaltsausstattung, die eine solche Kehrtwendung gestatten?
Ich denke, diese Frage kann ich rhetorisch so stehen lassen, da jeder die Antworten sehr genau kennt. Damit komme ich zu meiner abschließenden Frage:
5. Welchen Sinn macht eine Landesregelung, die neben der stark verbesserten Bundesgesetzgebung eine zusätzliche freiwillige Aufgabe übernimmt und ergo auch finanzieren muss?
Hier müssen wir klar und deutlich sagen, dass die Haushaltslage uns eine solche Zusatzregelung nicht gestattet. Wie immer und wohl in Kenntnis der Situation fehlt im Antrag jeglicher Hinweis auf Möglichkeiten der Kompensierung, selbst eine vorstellbare Größenordnung sucht man dort vergeblich, aber, ich korrigiere, Herr Helmrich hat das ja in seiner Einbringung formuliert.
Sehr geehrter Herr Riemann, wenn ich Herrn Helmrich jetzt schon mal abblitzen lasse, dann Sie erst recht. Bitte hinten anstellen!
Welcher Bereich soll denn der CDU zufolge Einschnitte erfahren,
um nötige Mittel zu erschließen? Ich möchte nicht falsch verstanden werden, wir alle tragen die moralische und gesellschaftliche Verantwortung gegenüber dem Schicksal der Opfer des SED-Regimes.
Auch das Land stellt sich dieser Verantwortung durch die Beteiligung an der verbesserten Situation für die Opfer.
Soll ich ein bisschen leiser reden, Herr Riemann, um Sie nicht zu stören?
Darüber hinaus sehen wir in der von der CDU thematisierten Erweiterung nicht den richtigen Weg und lehnen den Antrag ab.
Und da ich Sie ja nun so erheitert habe, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU,
bin ich jetzt auch gerne bereit, die Fragen in der Reihenfolge zu beantworten, wenn die Frau Präsidentin es denn zulässt.
Herr Helmrich, nun kam zum Schluss ja tatsächlich noch die Frage. Ich könnte genauso gegenfragen: Haben Sie meiner Rede nicht zugehört?
Wenn ich mal rübergeguckt habe, war das offensichtlich nicht so durchgängig der Fall. Ich meine schon, dass ich sehr genau verstanden habe, welchen Personenkreis Sie meinten. Das steht ja in der Antragsbegründung,
dieses habe ich sogar erwähnt. Und dennoch meine ich, wenn es sich ausschließlich um den Tatbestand der Schulbildungsverweigerung in diesem Moment handelt, ist das ganz, ganz schwierig festzustellen, das Ganze hypothetisch über Jahrzehnte teilweise nachzuverfolgen und wirklich nach dem Motto: Was wäre, wenn?
Herr Riemann, Ihre Frage kommt mir sehr gelegen, weil Sie im Grunde ein sehr typisches Beispiel sind für diese Frage. Sie haben sehr richtig gesagt, dass Ihnen in früher Jugend Unrecht widerfahren ist und dass Sie einen wirklichen Knick in Ihrer Biografie dadurch hatten. Sie stellen aber jetzt, denke ich, in Ihrer ganzen Persönlichkeit
ganz deutlich dar, dass es sehr schwierig ist, in diesem Zusammenhang eine nachträgliche Beeinträchtigung zu sehen,
das muss ich schon mal ganz deutlich sagen. Und da ich dieses Thema wirklich nicht zum Klamauk verkommen lassen möchte, möchte ich es einfach mit dieser Antwort so weit bewenden lassen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Zweiter Lesung beschäftigen wir uns hier und heute mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Psychischkrankengesetzes. Im Rahmen der Ausschussberatungen hat es eine Anhörung im Rechtsausschuss gegeben, bei der – und das gehört ehrlicherweise auch dazu einzuräumen – der vorliegende Gesetzentwurf durchaus Kritik der Experten gefunden hat.
Ich will auch gar nicht drum herumreden. Auch an mir sind diese Anhörung und die Ausführungen der Experten nicht spurlos vorübergegangen. Auch ich habe mich nach der Anhörung gefragt, ob das alles so richtig ist, was wir mit unserem Gesetzentwurf vorhaben. Letztlich bin ich aber mit den Kollegen im Sozial- und Rechtsausschuss zu der Überzeugung gelangt, dass der durchaus neue Weg, den wir mit diesem Gesetzentwurf eingeschlagen haben, richtig und vertretbar ist. Denn vergessen wir eines nicht, dieser Gesetzentwurf ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Konkret sind diesem Entwurf doch einige Entweichungen aus dem Maßregelvollzug in Ueckermünde vorausgegangen, die unser Land tage- und wochenlang bewegt haben. Damit einher ging eine breite und sehr intensiv geführte öffentliche Diskussion darum, wie die Sicherheit solcher Einrichtungen verbessert werden kann. Das dürfen wir nicht aus den Augen lassen, wenn wir den Gesetzentwurf vor den Ergebnissen der Expertenanhörung bewerten. In einem Bundesland, in dem es seit Jahren keine Entweichungen gegeben hat, käme man wahrscheinlich nicht auf die Idee einer solchen Konstruktion, wie wir sie gefunden haben.
Nur leben wir nicht irgendwo, wir leben hier und wir mussten hier Lösungen suchen und finden.
Korrekt, aber spektakulär waren sie ja unter anderem bei uns.
Dabei darf die Suche nach Lösungen aber nicht mit Aktionismus verwechselt werden.
Und gerade in dieser Phase der öffentlichen Diskussion, auch hier im Landtag, sind die Koalitionsfraktionen zu dem Entschluss gekommen, das Justizministerium stärker als bisher bei sicherheitsrelevanten Fragen mit einzubeziehen. Die Bedenken, dass diese Einbeziehung des Justizministeriums in sicherheitsrelevante Maßnahmen des Maßregelvollzuges womöglich in Deutschland einmalig sei, überzeugen mich nicht, um daraus den Schluss abzuleiten, das Justizministerium weiter außen vor zu lassen. Wir sollten den Mut haben, neue Wege zu gehen, und nicht nur immer darauf schauen, ob es andere Bundesländer gibt, die schon vergleichbar vor uns so gehandelt
haben oder angekündigt hätten, uns zu folgen. So kann und darf Politik nicht sein.
Nach den Entweichungen der vergangenen beiden Jahre musste etwas geschehen. Die Bevölkerung hat aus meiner Sicht zu Recht ein entschiedenes Handeln der Politik gefordert und genau das haben wir getan. Ich stehe mit meiner Fraktion dazu, dass, obwohl oder gerade weil die Belange der Therapie und Sicherheit beim Maßregelvollzug eng miteinander verwoben sind, die Sachkunde des Sozialministeriums in Fragen der Therapie ergänzt werden sollte um die Sachkunde des Justizministeriums in Sicherheitsbelangen. Dieser Gedanke zieht sich durch den gesamten Gesetzentwurf. Die Befürchtungen der Experten, durch Kompetenzüberschneidung käme es letztlich zu einem Kompetenzvakuum, müssen in der Praxis durch organisatorische Planung und detaillierte Absprachen entkräftet werden. Ich bin davon überzeugt, dies wird geschehen.
Zufrieden bin ich damit, dass es gelungen ist, die im Sozialausschuss und Rechtsausschuss am Gesetzesentwurf vorgenommene Änderung einstimmig, also mit den Stimmen der Opposition einzubringen. Inhalt dieser Änderung ist, dass die Kontrolle der Einrichtung, ob diese die Maßregeln gegenüber den Betroffenen rechtmäßig und zweckmäßig vollzogen hat, sowie die Überwachung der Krankenhaushygiene nicht mehr von den Gesundheitsämtern der kreisfreien Städte und Landkreise durchgeführt werden sollen, sondern zukünftig durch das Sozialministerium. Dies hat, und das möchte ich klarstellen, nichts mit Misstrauen gegenüber der kommunalen Ebene zu tun. Alle Fraktionen waren sich darin einig, dass diese Aufgabe besser durch das Sozialministerium, quasi durch eine Hand, wahrgenommen werden sollte.
Abschließend möchte ich festhalten, dass ich in den Beratungen den Eindruck gewonnen habe, dass die CDU den Gesetzesentwurf an sich gar nicht so schlecht findet, diesen zumindest als einen Schritt in die richtige Richtung sieht. Auch die Rede von Herrn Glawe bestätigte diese Wahrnehmung meinerseits. Umso weniger kann ich das abschließende Urteil, das er mit dem Satz gefällt hat, wir werden ablehnen, dann verstehen.
Ja, aus Prinzip und überhaupt.
Ja. Ich habe auch gehört, wie die Experten den beurteilt haben, Herr Glawe. Das habe ich sehr deutlich gehört. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, Ende des vergangenen Jahres nicht einen eigenen Gesetzesentwurf eingebracht hätten, wären wir uns bei diesem Gesetz wahrscheinlich schneller näher gekommen.
Bei einem ja nicht ganz unwesentlichen Änderungsantrag waren sich Koalition und Opposition auch einig.
Meine Damen und Herren, die Koalition wird der Beschlussempfehlung in der vorliegenden Fassung zustimmen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Riemann ist leider nicht da, ihn wollte ich noch mal explizit begrüßen und ihm wenigstens eine Frage vorweg nehmen, nämlich die nach meiner Bekanntheit mit Lehrerproblemen. Das könnte ich schon mal vorher sagen: Ich weiß, wovon ich rede, wenn wir bei der heutigen Thematik sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bevölkerungsschwund, wegbrechende Arbeitsplätze, gravierender Vertrauensverlust in der Nahrungsmittelbranche, Rentenproblem, Finanzlöcher, das ewige Mistwetter – die Opposition singt die Schauerballade nach der Melodie von Rudi Carrell: „Und schuld daran ist nur die SPD“
und nun eine neue Strophe oder Katastrophe
mit dem Titel „Der Unterrichtsausfall in MecklenburgVorpommern“. Lohnt es sich eigentlich, unter diesen Umständen und nach diesen Tönen, die ich heute auch wieder gehört habe, erneut zu beteuern, dass die Unterrichtsversorgung Priorität in der Bildungspolitik der Koalition hat? Der Minister, meine ich, hat detailliert dargestellt, wie intensiv wir uns mit diesem Problem befassen und um eine Minimierung kämpfen.
Die rechnerisch hundertprozentige Unterrichtsversorgung fängt natürlich in der Praxis nicht jeden Krankheitsfall, nicht jede Grippewelle und nicht jede nicht besetzte Stelle auf, aber sie ist doch wohl ein Schritt, der zu Ihren Amtszeiten, Frau Schnoor, nicht denkbar war.
Angesichts der Thematik habe ich meine alten Vertretungspläne von 1992 bis 1994 mal wieder herausgekramt. Ich war nämlich diejenige, die in solchen Zeiten ganz schnell eine Lösung finden musste, wenn es morgens hieß, drei Lehrer fehlen und nun sieh mal zu, wie können wir es kompensieren, wir können die Kinder nicht auf den Hof schicken. Ich weiß, wie oft mir selbst der Angstschweiß auf der Stirn stand, um noch etwas herauszuholen. Aber das war auch zu Ihren Amtszeiten durchaus so, Frau Schnoor, und ich sehe da kaum Unterschiede. Leider, an und für sich müssten wir ja langsam mal etwas besser werden durch die bessere Unterrichtsversorgung.
In Spitzenzeiten mussten wir teilweise – 1992 habe ich das detailliert bei uns nachgelesen – sogar ganze Klassen tageweise zu Hause lassen, weil kein Lehrer zur Verfügung stand. Ich kann mich nur nicht erinnern, dass wir dafür eine Kultusministerin verantwortlich gemacht haben,
denn damals hat man wirklich versucht, Ursache und Wirkung zueinander zu bringen. Nur damals waren die landesweiten Erfassungen ja noch auf einem anderen Level, wie jeder Insider weiß, und ich weiß nicht, offensichtlich leiten Sie daraus das Recht ab, jetzt und heute den Katastrophenzustand auszurufen. Den hatten wir, wenn man es so bewerten will, jedes Jahr zur Winterzeit, und nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Der Ländervergleich zeigt, dass der Unterrichtsausfall in unserem Land keinesfalls an der Spitze liegt. Offensichtlich kann auch keine CDU/CSU-Regierung in Bayern verhindern, dass Lehrer erkranken oder in vorzeitigen Ruhestand treten.
Fast ist es mir peinlich, hier über Selbstverständlichkeiten zu reden, aber das Problem liegt nun mal am Faktor Mensch. Bei kranken Beamten stapeln sich die Akten höher, die Arbeit des Lehrers kann nicht liegen bleiben. Papier ist geduldig, Kinder sind es in der Regel nicht. Vertretungsunterricht und auch Ausfall werden also nie ganz zu vermeiden sein.
Das ist schlecht, aber irgendwo auch gesetzmäßig. Eine Horrormeldung ist aber erst dann berechtigt, wenn der Ausfall signifikant größer ist als in Vorjahren oder signifikant größer als in anderen Ländern. Beides ist nicht der Fall. Worüber reden wir hier also? Worüber reden wir, wenn wir bei fachfremd erteiltem Unterricht alles Mögliche inszenieren? Beispielsweise der Zusammenhang der Landesvorsitzenden: Nur weil im Sozialkundeunterricht so viel fachfremd erteilter Unterricht stattfindet, hat die Regierung im Kampf gegen Rechtsextremismus versagt.
Nee, ne? Ich habe auch schon überlegt, wenn der Wind von rechts kommt, ob es dann dunkel wird, oder ob hohe Schuhe wärmer sind als braune.
Also um einfach mal die Logik vollständig zu machen, das wird doch einfach ein bisschen schlicht und billig. Ich stelle dann auch mal die Frage: Ist denn jetzt nur noch der Sozialkundelehrer für Erziehung zuständig? Das lässt ja an und für sich diese Behauptung zu.
Und da sind wir nämlich genau bei dem grundsätzlichen Problem:
Warum inszenieren Sie dieses? Ich werde im zweiten Teil meiner Rede – das drohe ich jetzt schon mal an, ich komme noch mal –
auf einige detaillierte Anfragen und Aussagen hier noch eingehen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor allem meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition!
Wenn Sie denn mal einen kurzen Moment von Ihrer Hau-drauf-um-jeden-Preis-Taktik abließen
und ein wenig Objektivität in Ihren Wahlkampfhorizont bekämen,
wüssten Sie sehr wohl, dass etwas mehr nötig ist,
um anhand von Statistiken gültige Aussagen zu treffen.
Vor allem, meine ich, kommt es in erster Linie darauf an, den Willen nach den richtigen Fragen zu offenbaren und auch die Zusammenhänge zu benennen. Ich möchte das ganz gern anhand etlicher Aussagen Ihrerseits mal ein bisschen untersetzen.
Ach, ich fand das schon motivierend für bestimmte Leute, Herr Born.