Protocol of the Session on May 24, 2000

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 40. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Herrn Dr. Berndt Seite nachträglich ganz herzlich zu seinem 60. Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei den Abgeordneten)

Ebenso möchte ich Herrn Dr. Ulrich Born nachträglich zu seinem 50. Geburtstag herzlich gratulieren.

(Beifall bei den Abgeordneten – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: So ein junger Mensch. – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist relativ.)

Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute, Gesundheit und viel Schaffenskraft.

Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung „Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 9. September 1998 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen“, Drucksache 3/1288, am Donnerstag, dem 25. Mai 2000 als Zusatztagesordnungspunkt im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 23 durchzuführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

(Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Ich bin dann leider nicht da, werde aber dazu reden wollen, Frau Präsidentin. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die Zweite Le- sung. – Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Ach, die Zweite Lesung. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Situation der Theater in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.

Aktuelle Stunde Situation der Theater in Mecklenburg-Vorpommern

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schnoor von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jedes Jahr wieder, könnte man bei diesem Thema sagen. Kein Land in Sicht und die Probleme werden nicht weniger, sondern mehr. Die Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern wird ärmer, statt Aufschwung zu nehmen. Diesen wollten nach den letzten Debatten eigentlich alle Fraktionen und auch der Kulturminister, nachdem er sich allerdings anfangs geweigert hatte, die Verantwortung für den Kulturbereich in diesem Land anzunehmen. Scheinbar äußert sich diese Verweigerungshaltung den Theatern gegenüber auch in dem anhaltend bestehenden Dilemma, in dem sich die Theater selbst befinden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber das Dilemma geht seit 1990, Frau Schnoor.)

Das Konzept, das der Minister zu den Theatern vorgelegt hatte, sagt nichts Neues, auf jeden Fall nichts konzeptionell Neues. Zwar ist zu begrüßen, dass die derzeitige Landesregierung am 4-Standorte-Konzept festhalten will. Aber im gleichen Atemzug zu sagen, liebe Theater und Träger, wie ihr das macht, müsst ihr selbst entscheiden, das ist nicht im Sinne einer positiv ausgerichteten Kulturpolitik für Mecklenburg-Vorpommern. Im Gegenteil, die Theater und die theatertragenden Kommunen fühlen sich allein gelassen von der Landesregierung. Nach wie vor kann man begrüßen, dass die Theaterförderung mit der Übernahme in das FAG verstetigt wurde. Zu den finanziellen Auswirkungen werden wir an anderer Stelle noch etwas hören.

Aber Frau Marquardt war schon 1997 froh, dass sie sich dieses heiklen kulturpolitischen Themas entledigen konnte.

(Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

Der heutige Kulturminister ist eigentlich nicht minder froh, nur wird er heute mit einer verschärften Situation konfrontiert, die politisches Handeln erfordert, wenn die Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern sich nicht auflösen soll. Sie wird sich auflösen, wenn nicht politisch gewollte und untersetzte Konzepte Raum greifen. Sie wird sich auflösen, wenn Sparkurse in den theatertragenden Kommunen und die Stagnation der Landesmittel aufwendige und attraktive Inszenierungen unmöglich machen. Sie wird sich auflösen, wenn die Fritz-ReuterBühne aufgrund fehlender Mittel selbst regionale Identität nicht pflegen kann. Dann stehen irgendwann keine Busse aus Hamburg, Kiel oder Lübeck mehr vor den Toren des Staatstheaters in Schwerin. Damit wäre eine Einnahmequelle aus Sicht des Kulturministeriums schon ad absurdum geführt, nämlich die Einnahmen zu erhöhen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bemühungen der Landesregierung müssen konkreter werden. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass in der Region Neustrelitz/Neubrandenburg eine Verflachung der Verwaltungsstruktur zum Erhalt der Theater dort wesentlich beitragen kann. Das Problem der Tarife und anderer Kostenfaktoren bleibt. Warum ist es eigentlich unmöglich, mit dem NDR darüber zu verhandeln, dass dieser die Finanzierung der Staatskapelle übernimmt? In jedem anderen Bundesland im Raum des NDR wird es praktiziert, nur nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Warum ist es denn nicht möglich,

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

dass Mittel aus dem Hauptstadtvertrag zur Finanzierung des Schweriner Theaters herangezogen werden?

(Angelika Gramkow, PDS: Das wird ja längst getan. Sie sollten sich informieren! – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, auf wessen Druck, Frau Gramkow?)

Hier und da im investiven Bereich, aber nicht zur Finanzierung.

(Angelika Gramkow, PDS: 1,2 Millionen für Pre- mieren. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das weiß ich nun wirklich besser.)

Hier und da finden sich Mittel und Wege, wie man aus einem selbst verschuldeten Dilemma herauskommt. Dazu gehört auch, dass man sich ernsthaft mit den Theaterleu

ten und den theatertragenden Kommunen an einen Tisch setzt und überlegt, wie viel Theater mit welcher Qualität dieses Land benötigt. Aber dann muss auch die Landesregierung diesen Gestaltungswillen erkennen lassen und nicht mit halbherzigen Konzepten, die ein Aufguss alter Konzepte aus anderen Zeiten mit anderen Bedingungen sind, Aktionismus vortäuschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Schnoor.

Das Wort hat jetzt der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Professor Kauffold.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass Frau Schnoor das Debüt Ihrer Rückkehr als Kassandraruferin einleitet. Ich hatte eigentlich von der Opposition erwartet, dass sie, wenn sie diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung setzt, auch einige konstruktive Vorschläge macht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Nehmen wir das alte Theaterkonzept vom Jahr 1992, was die vier Standorte oder die vier Regionen anbelangt. Vier Standorte waren es ja nicht, sondern zwölf, und vier Regionen haben wir aber. Das war damals sicherlich ein sprachliches Missverständnis. Das ergibt sich aus den geographischen und Standortbesonderheiten. Das ist kein überwältigender politischer Ansatz. Das muss jeder so machen. Zum anderen waren dort Dinge vorgesehen, die bis heute nicht umgesetzt sind, die ganze Zeit nicht bis jetzt.

(Steffie Schnoor, CDU: Eben, eben, eben!)

Das betrifft einmal die Finanzierung. Es war vorgesehen, dass die Landesanteile sich reduzieren und die kommunalen Anteile steigen. Das war also die eine Seite. Die Realitäten wollen das nicht so.

(Wolfgang Riemann, CDU: Bei sinkenden Kommunalfinanzen! Wie sollen wir denn das machen?)

Ja, ja. Wie wollen wir das denn bei sinkenden Landesfinanzen machen? Das ist doch alles lächerlich, wenn wir die Verantwortung hin und her schieben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das ist die eine Seite. Zum anderen waren Annäherungen, Fusionen vorgesehen, ein enges Aneinanderrücken. Dies ist nur verwirklicht in Vorpommern. Das ist auch vernünftig so und in anderen Landesteilen müssen wir es bewirken.

Ich habe in den letzten eineinhalb Jahren hier viel mit Theaterleuten gesprochen, in letzter Zeit ungeheuer intensiv. Es wird immer wieder das Bedauern geäußert, dass wir uns nicht mal auf die Inhalte verständigen und dass wir nicht einmal die Leistungen der Theater würdigen. Ich meine, es ist dieser Ort auch einmal dazu angetan, dass wir zunächst einmal von Leistungen sprechen. Ich meine, wir sollten auch mal im Landtag sagen, dass die Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern eine sehr erfolgreiche künstlerische Arbeit leisten.

(Beifall bei SPD, PDS und Wolfgang Riemann, CDU)

Sie haben im vergangenen Jahr erneut unter Beweis gestellt, dass sie zu den strukturbestimmenden, strukturvernetzenden und multifunktionalen Kunst- und Kommunikationseinrichtungen gehören. Die Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern haben einen Aufwärtstrend in der Besuchergunst. Das zeigt sich dadurch, dass im Vergleich zur Spielzeit 1997/98 in 1998/99 in den Theatern etwa 110.000 Besucher mehr gezählt wurden.

Ich möchte auch hier einmal feststellen, dass unsere Theater und Orchester deswegen so erfolgreich sind, weil sie sich des hohen Stellenwertes, den sie für das gesellschaftliche Leben des Landes und der Kommunen besitzen, sehr bewusst sind. Das betrifft nicht nur Veranstaltungen und Aufführungen der eigenen Ensembles oder Gastspiele mit hohem Qualitätsanspruch. Sie stellen sich auch den sozialen und pädagogischen Aufgaben. Ich denke dabei an die Zusammenarbeit mit Laiengruppen, mit Schultheatergruppen, mit Musikschulen. Ich denke aber auch an die künstlerische Aufarbeitung sozialer und gesellschaftsrelevanter Themen.

Ein zweites Beispiel ist die Jugendtheaterbegegnung „Aufbruch“. Sie wurde in Vorpommern zum zweiten Mal organisiert und sie führte Theatergruppen aus Jugendtheatergruppen aus vier baltischen Ländern zusammen. Dieses Projekt wie auch die stete Zusammenarbeit aller Theater – ich möchte betonen, aller Theater – des Landes mit Jugendlichen sind sehr wertvolle Beiträge zur Jugendarbeit, die wir auch unter den schul- und jugendpädagogisch-politischen Gesichtspunkten nicht hoch genug würdigen können.

Ein weiterer Gesichtspunkt wird immer deutlicher. Die Theater des Landes stellen in immer stärkerem Maße ihre Rolle als wirtschaftsfördernde Standortfaktoren unter Beweis, indem sie Angebote wie Sommertheater organisieren. Ein Beispiel, das zuerst zu erwähnen ist, ist die sehr erfolgreiche „Aida“-Aufführung des Mecklenburgischen Staatstheaters, zu der man dem Theater sehr gratulieren kann, die nachweislich auch positive Effekte für die Schweriner Unternehmen mit sich brachte.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Siegfried Friese, SPD)

Das ist natürlich auch Gelegenheit, an die Wirtschaft zu appellieren und erneut zu sagen, was der Staatsminister Naumann ja auch deutlich macht, dass der Staat immer die hoheitliche Aufgabe hat, Kultur zu alimentieren. Da er das im wünschenswerten Umfang aber nicht mehr ausschließlich und alleine tun kann, ist hier auch die Wirtschaft aufgerufen, ihre Beiträge zu leisten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich denke aber auch an die traditionellen Angebote der Vorpommerschen Landesbühne Anklam mit ihrem besonderen Theaterkonzept,

(Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

die insbesondere für die Insel Usedom auch ein Stück Lebensgefühl und Lebensqualität darstellt. Kulturtheater ist ein Wirtschaftsfaktor, Kulturtheater ist ein Faktor, der wesentlich ist für die Identität der Menschen in diesem Lande, und ein Magnet für die Besucher unseres Landes.

Es reicht natürlich nicht aus, die erfolgreiche künstlerische Arbeit der Theater nur an Highlights zu messen.

Ohne die kontinuierliche kreative künstlerische Arbeit über die gesamte Spielzeit hinweg wären solche Höhepunkte nicht zu erreichen. Diese Kontinuität haben die Theater und Orchester des Landes durch eine ausgewogene Spielplangestaltung und deren erfolgreiche Umsetzung unter Beweis gestellt. So viel zu den Leistungen und Erfolgen, die umso höher zu bewerten sind, als die wirtschaftliche Lage der Theater ja nun nicht rosig ist. Sie ist problematisch. Die Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen.