Meine Damen und Herren Abgeordneten, es wäre schön, wenn Sie ins Plenum kommen. Es haben – diese Information für die Besucher – eben noch Fraktionssitzungen stattgefunden, die bis auf die letzte Minute liefen. Darum kommen die Abgeordneten jetzt erst.
Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 56. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der 56. und 57. Sitzung liegt Ihnen vor.
Mit Schreiben vom 6. März 2001 hat mich der Abgeordnete Riemann von der Fraktion der CDU darüber informiert, dass er seinen Antrag gemäß Paragraph 28 Absatz 3 Geschäftsordnung des Landtages zurückzieht. Damit entfällt der Tagesordnungspunkt 20. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der PDS hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Zukunftsfähige Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man sollte Visionen haben. Warum? Landwirte, alle in der Landwirtschaft Beschäftigten sind unter Druck geraten. Ungenügendes Wissen der Nichtlandwirte um die Zusammenhänge im Agrarbereich, Halbwahrheiten in der Mediendarstellung, Tierkrankheiten und Seuchen, aber auch Fehler, durch den Berufsstand verursacht, haben die Möglichkeit eröffnet, eine beispiellose Hysterie zu gestalten.
Wir wollen eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Doch wie soll diese aussehen? Wenn man mit Bürgern ins Gespräch kommt, wenn man Zeitungen liest und TalkShows über sich ergehen lässt, kann man zu dem Eindruck kommen, alle wissen, wie sie aussehen soll, die zukunftsfähige Landwirtschaft, nur die Landwirte nicht. Alle wähnen sich als Fachleute, nur den Landwirten wird in ihren ureigensten Angelegenheiten oftmals die Kompetenz abgesprochen. Dazu die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Frau Renate Künast am Beginn ihrer Regierungserklärung zur neuen Verbraucherschutz- und Landwirtschaftspolitik: „Der BSE-Skandal markiert das Ende der Landwirtschaftspolitik alten Typs. Wir stehen … vor einem Scherbenhaufen.“ Man kann dieser Feststellung zustimmen oder nicht, auf alle Fälle kann man der Ministerin unterstellen, dass sie etwas Neues will.
Wenn man etwas Neues will, muss man selbstverständlich bestehende Rahmenbedingungen berücksichtigen. Und vor diesem Hintergrund möchte ich nun die wichtigsten Zwänge darstellen, denen unsere Landwirte, die Betriebe ausgesetzt sind.
Erstens. Jeder Landwirt steht unter dem Druck, mit seinem betriebswirtschaftlichen Konzept den Kapitaldienst
unter anderem für aufgenommene Verbindlichkeiten zu leisten. Er hat also zunächst die Kapitalverwertung zu sichern. Erste Voraussetzung dafür ist, dass seine Produkte gebraucht werden und auf dem Markt nachgefragt werden.
Zweitens. Die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft werden von der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, also GAP, bestimmt. Die Agrarpolitik ist in Europa der einzige Politikbereich, der mit hoher Verbindlichkeit und gemeinsamer Finanzierung organisiert ist. Die nationalen Kompetenzen sind deshalb und folgerichtig stark eingeschränkt.
Nicht umsonst war die Agrarpolitik zu Beginn der Europäischen Gemeinschaft die Klammer, die die Europäer letztlich zusammengeführt hat. Schließlich war damals die Sicherung des Grundbedürfnisses Ernährung die entscheidende Frage. Das haben viele heute in Zeiten der Fleischberge und Milchseen, in der Zeit der Herauskaufaktionen und Ressourcenvernichtung vergessen, obwohl weltweit das Ernährungsproblem nicht zu den Akten gelegt ist und ein Politikum ersten Ranges darstellt.
Der Prozess der Europäisierung der Landwirtschaft, der 1954 begann – das ist auch das Jahr, in dem ich meine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen habe –,
erhielt durch die Reformen von 1992 und die Agenda 2000 wichtige inhaltliche Korrekturen und Präzisierungen. Ich habe die Agrarpolitik der Europäischen Union auf diesem Gebiet immer kritisiert, weil durch ausgeprägte Reglementierungen und durch die Bürokratisierungen teilweise Regularien der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt wurden.
Ein weiterer Grund für meine Kritik ist, dass mit 50 Prozent des Budgets der Europäischen Union gegen den Markt ansubventioniert wird und die Landwirte von jeder dafür vorgesehenen Mark öffentlicher Mittel eigentlich nur 20 Pfennig erhalten. Das Ziel einer neuen Agrarpolitik kann es deshalb nicht sein, diese Subventionierung unter dem Vorzeichen Öko gegen den Markt fortzusetzen.
Nur bei der Entwicklung einer entsprechenden Nachfrage sollte man den Landwirten die Umstellung ihrer Produktion empfehlen.
Drittens. In den letzten zehn Jahren hat sich eine gewisse Stabilisierung und Konsolidierung der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern vollzogen. Die Landwirtschaft ist in den ländlichen Regionen der größte Arbeitgeber und stellt die ökonomische Grundlage dar. Deshalb sollte man dies als Chance und Aufgabe bezeichnen und begreifen.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aus welchem Grunde sollte man es denn sonst auf die Tagesordnung setzen?)
oder will wieder einmal Primogenitur betreiben. Aber die Rahmenbedingungen werden nun mal in Brüssel gemacht und es hängt vom Verhandlungsgeschick des MSD ab, wie gut unsere Landwirtschaft abschneidet.
Fast alle Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern haben ihre Chance genutzt. Ich bin überzeugt, dass viele in der Lage sind, auch unter ungünstigeren politischen Bedingungen in Brüssel, Berlin und Schwerin ihren Weg weiterzugehen. Ich stelle allerdings fest, die schönen Zeiten sind nun einmal vorbei.
Aber im Nordosten ist man raues Klima gewohnt. Ich glaube – das sage ich vorweg – an die Zukunft der Landwirtschaft in unserem Land, auch wenn die Zeit der Opfer absehbar nicht vorbei ist.
Es ist wahr, in Deutschland wird an der Landwirtschaft mehr verdient als in der Landwirtschaft. Das deutsche und europäische System der Agrarförderung stellt nicht nur eine Unterstützung der Bauern dar, sondern auch eine Quersubventionierung anderer Branchen, weil die billigen Lebensmittelpreise es den Leuten ermöglichen, ihr Geld für andere Produkte und Dienstleistungen auszugeben.
Größenwachstum ist Ausdruck der Bemühungen der Landwirtschaft, die Arbeitsproduktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhöhen, das ist der Zwang aus den Rahmenbedingungen, die übereifrige deutsche und europäische Politik vorgaben und vorgeben. Dies soll sich nun ändern, nur keiner weiß so recht wie. In einem Zeitalter, in dem man Zahnbehandlungen bereits rektal ausführen kann, bekommt man Seuchen nicht in den Griff,
(Heiterkeit bei den Abgeordneten – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Henning Klostermann, SPD)
da versucht man als Allheilmittel die Umorganisation der Agrarpolitik. Und der Bundeskanzler, der Volkes Wille stets blitzartig zu bedienen weiß, zaubert ein Verbraucherschutzministerium aus dem Hut – ich frage, warum nicht auch gleich ein Steuerzahlerschutzministerium –
aber von der Herkunft her, und das wiederhole ich, von der Herkunft her für die Bauern eine Strafe ist.