Wolfgang Hoderlein

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CSU und die SPD haben zum Thema Lissabon, aber auch schon zum Vertragsentwurf übereinstimmende Positionen, wie es sich für eine große Koalition gehört. Wir haben dem zugestimmt. Die GRÜNEN haben dazu eine sehr kritische Position, sie haben es abgelehnt. Das ist bekannt.
Nun haben wir einen Antrag der GRÜNEN vorliegen, dem wir heute zustimmen werden, und zwar im Unterschied zur CSU.
in Polen, in Tschechien und in Großbritannien Hürden, die noch genommen werden müssen. Auch in Deutschland muss das Bundesverfassungsgericht noch über die anhängigen Klagen entscheiden. Trotzdem ist in allen Mitgliedsstaaten nach wie vor der feste Wille vorhanden, den Vertrag von Lissabon so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Die Fairness und die politische Klugheit gebieten es, den Iren genügend Zeit zu geben, um sich mit der entstandenen Situation auseinanderzusetzen und am Ende wie schon beim Vertrag von Nizza in zumutbarer Weise zu einem positiven Votum zu kommen. Wer jetzt vorschnell die Totenglocke für den Vertrag von Lissabon läutet, verbaut Europa die Chance, in absehbarer Zeit zu einem neuen besseren Vertrag zu kommen.
Zweitens. Der Vertrag von Lissabon ist das Maximum. Ich sage nicht das Optimum. Ich sage, er ist das Maximum dessen, was derzeit von 27 Regierungen politisch erreicht werden kann. Man kann an diesem Vertrag inhaltlich viel kritisieren. Das tun die GRÜNEN in ihrem Dringlichkeitsantrag ausführlich. Wer aber Realist ist und einen erzielbaren Fortschritt erreichen will, muss eingestehen, dass mehr und Besseres in absehbarer Zeit nicht zu schaffen ist. Auch wir haben im Zusammenhang mit der Beratung des Verfassungsvertrags und des Vertrags von Lissabon umfangreiche Kritik an den Entwicklungen in der Europäischen Union geübt und zahlreiche Verbesserungsvorschläge eingebracht. Leider haben wir aber nur mit einem Teil davon Erfolg gehabt. Ich erinnere an die offene Methode der Koordinierung, an die Daseinsvorsorge und an eine Reihe von anderen Punkten, nicht zuletzt an die Begrenzung der Zahl der Kommissare auf 18, mit der Folge, dass am Ende auch Deutschland einmal als größter Mitgliedsstaat nicht durch einen Kommissar in der Kommission vertreten sein wird.
Jetzt, wo ein politischer Kompromiss auf dem Tisch liegt, muss jeder wissen: Wer sich, wie die GRÜNEN und die SPD, einem Wunschdenken hingibt, wer den Vertrag zu Fall bringt, der wird am Ende nicht einmal den Vertrag von Nizza haben, der wird stattdessen mit leeren Händen dastehen, denn die Bestrebungen zu weiterer Einigung nehmen eher ab als zu. Wahrscheinlich wäre es weiser gewesen, und so war es auch der Wille der Mitgliedstaatsregierungen, vor der Osterweiterung diese Hausaufgaben zu erledigen. Daran ist der Vertrag von Nizza aber gescheitert. Bei der Ost-Erweiterung konnte man da nicht mehr zurück. Nun vermehrt sich die Zahl der Mitgliedstaaten und damit auch die Frustration über die ganze Europäische Union.
Im Übrigen, und das möchte ich den GRÜNEN ein Stückweit ins Stammbuch schreiben, beruht das, was von den GRÜNEN hier so heftig bekämpft wird, zum größten Teil auf dem Verfassungsvertrag, für den der GRÜNE, Joschka Fischer, ständig die Miturheberschaft reklamiert.
Ich weiß, Sie von den GRÜNEN haben sich schon früh von dieser Miturheberschaft distanziert. Trotzdem, wo es um die Aufklärung der Wähler geht, muss das in diesem Hause schon einmal festgestellt werden.
Vertrags. Sie sagen, das sei bereits passiert. Wir wissen nicht, ob es bereits passiert ist. Für den Fall, dass es passiert, muss man sich aber Gedanken machen. Und dazu sehen wir durchaus vernünftige Vorschläge bei den GRÜNEN. Ich kann es in fünf Minuten nicht weiter erklären, deshalb werden wir zustimmen.
Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken äußern. Dieses Europa geht letztlich zurück auf das Frankenreich. Karl der Große hat vor zwölfhundert Jahren gelebt. Lange bevor es eine EU und ähnliche Gedanken gab, ist dort bereits etwas vorweggenommen worden, worüber wir heute und auch die Generationen nach uns philosophieren. Hier steht ein Franke, nicht ein Franke Karls des Großen, sondern ein Franke, der in seinen Gebietsansprüchen inzwischen etwas bescheidener geworden und Teil des Freistaats Bayern ist.
Nein, das nicht. Es ist ein Teil des Freistaats Bayern. Wir Franken haben gezeigt, dass wir sozialverträglich, europaverträglich, auskömmlich usw. sind. Auch wenn wir dies bisher gezeigt haben, muss man doch immer wieder an die Zukunft denken. Über den Verbleib Karls des Großen ist heute nichts Näheres bekannt. Deshalb kann man von ihm auch nicht verlangen, dass er den Europagedanken weiterträgt. Ich als Franke will Ihnen aber sagen: Wenn Sie den Europagedanken weitertragen wollen und nicht mehr weiterwissen, fragen Sie einen Franken. Der weiß es am allerbesten, weil er zum Geburtsstamm Europas gehört. Das ist immer noch eine gute Adresse für die Zukunft. Herzlichen Dank und Ihnen alles Gute!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen
uns etwas vor und auf der unteren Ebene hat man dann Schwierigkeiten. Ich sehe Martin Fink, der gegenwärtig wegen der EU-Führerscheine und der Bestimmungen bezüglich der Feuerwehren so stark kämpft. Das scheint ein kleines Problem zu sein, aber es ist ein großes Problem für die Leute vor Ort. Deswegen greife ich jetzt einige Beispiele heraus, die genau in dieser Qualität sind.
Es gab vor Kurzem einen Richtlinienvorschlag der Kommission zur Förderung saubererer Straßenfahrzeuge. Nach diesem Vorschlag sollten die Regionen, und zwar einseitig die Regionen und Kommunen, zur Beschaffung von neuen Straßenfahrzeugen verpfl ichtet werden. Da fragt man sich wirklich: Was geht das die EU an? Das führt eindeutig zu Wettbewerbsnachteilen; die Privaten sind da ausgenommen. Und, und, und.
Lassen Sie mich ein anderes Beispiel bringen. Das haben wir erfolgreich verhindert: Es geht um das Grünbuch Städtischer Verkehr. Schon der Titel wirft die Frage auf, weshalb sich die EU mit Themen wie Begrünung, City-Maut, Verkehrsleitsystemen und Videoüberwachung öffentlicher Räume befassen soll. Durch Unterstützung zahlreicher unserer Änderungsanträge ist dieses Grünbuch noch einmal in den Fachausschuss zurückverwiesen worden, und die endgültige Fassung der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zeigt zumindest Zurückhaltung bei einheitlichen Lösungen.
Die Bodenschutzrichtlinie ist ebenfalls ein Beispiel, auch die Migrationspolitik.
Lassen Sie mich herausgreifen das Grünbuch Anwendung der Satellitennavigation. Mittels eines Änderungsantrages haben wir zumindest die Forderung verhindert, dass die Galileo-Aufsichtsbehörde in einem neuen EUMitgliedstaat angesiedelt werden soll. Für uns in Bayern wäre es sehr wichtig, dass diese nach München kommt.
Ich könnte noch viele andere Beispiele hier aufzählen, an denen deutlich wird: Es ist wichtig, dabei zu sein, Änderungsanträge zu stellen und andere Regionen, andere Kommunen einfach dafür zu sensibilisieren, was es heißt, wenn Brüssel etwas einheitlich regelt, was das für die Umsetzung „unten“ in den Ländern, bei uns den Bundesländern, heißt oder auch, was das für die Kommunen bedeutet.
Wichtig für unsere Arbeit war auch die europäische Transparenzinitiative. Die Kommission – Sie wissen es – will Lobbyarbeit in Brüssel transparenter machen. Wir haben deutlich gemacht – und Bayern hat dies auch auf allen anderen Ebenen getan-, dass die Arbeit der deutschen Länder und ihrer Vertretungen in Brüssel keine Lobbyarbeit ist, dass wir, die Länder und Regionen, als Gliederungen der jeweiligen Mitgliedstaaten Träger des Allgemeinwohls und Teil der europäischen Verwaltungsstruktur sind. Wichtig ist, dass diese Unterschiede zu
Funktion meiner Meinung nach bis dato nicht befriedigend oder nicht ausreichend befriedigend erfüllt.
Trotzdem fällt mir nichts Besseres ein. Man muss sich das jedoch klarmachen und darf nicht drumherum reden. Wenn er diese Aufgabe besser erfüllen will, müsste meiner Meinung nach eine stärkere Rückkopplung seiner Vertreter und der Ebenen, die sie jeweils vertreten, erfolgen. Konkret: Frau Kollegin Männle, ich freue mich, dass Sie uns nach zwei Jahren diesen Bericht gegeben haben. Uns wäre es jedoch lieber, wenn Sie uns mit einer gewissen Regelmäßigkeit – zum Beispiel halbjährlich oder jährlich – im Ausschuss berichten würden. Dann könnten Sie nämlich auch unsere Wünsche aufnehmen.
Manchmal werden vom Städtetag oder vom Landkreistag Anliegen an mich herangetragen, die durchaus im AdR vorgebracht werden könnten. Deshalb wäre es gut, wenn wir es institutionalisierten, damit Sie Empfehlungen, Aufträge und Willensbekundungen des Parlaments mitnehmen. In der Praxis wäre das dann so etwas wie die Funktion einer zweiten Kammer in einem Parlamentssystem.
Sie haben die Verteilung angesprochen. Demnächst wird die Zahl der Sitze um etwas mehr auf 350 steigen. Diese Sitze verteilen sich jedoch auf die neuen Beitrittsstaaten insgesamt, sodass für die bisherigen Mitgliedstaaten dabei nicht mehr herüberkommt. Umso mehr müssen wir darauf achten, wen wir in diesen Ausschuss schicken. Ich möchte Sie dabei – nicht ohne einen gewissen Stolz – korrigieren: Ich glaube, mich zu erinnern, dass es der Abgeordnete Hoderlein war, der im Jahre 1993 gesagt und beantragt hat, dass es immer dann, wenn der AdR mit zwei Vertretern besetzt wird, logisch wäre, dass ein Vertreter von der Exekutive und einer von der Legislative stammt. Wenn die Exekutive von der A-Partei besetzt wird, müsste der Vertreter im Parlament logischerweise von der B-Partei sein. Diesem Wunsch wurde jedoch in Bayern nicht entsprochen. In allen mir sonst bekannten Ländern wurde diesem Wunsch zumindest zur Hälfte Rechnung getragen.
Richtig, das kann sich alles ändern.
Frau Kollegin Männle, Sie haben einen neuen Aspekt angesprochen, auf den ich auch noch einmal eingehen will. Mit dem Verfassungsvertrag haben wir eine Dimensionserweiterung in Richtung Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung. Das ist – genau wie die Subsidiarität – ein deutsches Prinzip, das nicht allen in der EU sofort zugänglich und eingängig ist. Die kommunale Selbstverwaltung – anerkannt im System – kann auch in den AdR eine neue Qualität bringen. Ich meine damit nicht, dass dort auch Vertreter des Städtetages oder Oberbürger
Dank, Frau Kollegin Männle, für diesen Bericht. Sie haben mit der Bemerkung geschlossen, dass Sie sich für die Aufmerksamkeit bedanken. In der Tat waren die Kolleginnen und Kollegen außergewöhnlich ruhig. Aber erfahrene Pädagogen wissen, dass das nicht unbedingt mit Aufmerksamkeit gleichzusetzen ist.
Wir müssen uns schon darüber klar werden, dass wir für die Sache Europa im Allgemeinen sowohl in der Politik wie in der Bevölkerung noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen und vor allen Dingen auch Interesse an der Sache wecken müssen.
Die Materie ist nun einmal nicht so, dass sie von Haus aus Begeisterung auslöst, und deshalb braucht es immer wieder neue Vehikel. Aber Sie haben sich bemüht und ich möchte Ihnen danken für den Bericht, aber auch für die Arbeit, die Sie dort geleistet haben.
Ich habe gerade die Kollegin Männle von der CSU gelobt für die Arbeit, meine Damen und Herren. Es ist eigentlich schade, wenn das nur die Opposition beklatscht.
1993, 1994 mit dem Maastricht-Vertrag ist dieser Ausschuss der Regionen eingerichtet worden. Streibl und Bayern insgesamt waren sicherlich ein Motor; ob er der alleinige „Genspender“ für das Subsidiaritätsprinzip war, lasse ich einmal dahingestellt sein. Aber es war sicherlich ein Motor, wie gesagt.
Der AdR war gedacht sozusagen als die Institutionalisierung des Subsidiaritätsprinzips. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir darum gerungen haben. Schon damals haben instinktsichere Politiker gewusst, dass das Konstrukt Europa immer komplizierter wird und damit die Gefahr in sich birgt, immer volksferner zu werden und sich mit der Volksferne gewissermaßen ein Projektrisiko für die EU insgesamt ergibt. Diese Gefahr galt es institutionell abzufedern. Das ist die Absicht gewesen, und sie umzusetzen ist zum großen Teil durchaus gelungen; das kann man nach 14 Jahren sagen.
Die zweite Implementierung war, mit dem AdR eine Art zweite Kammer im Parlamentssystem zu etablieren. Auch dafür gibt es weltweit kein Beispiel. Die EU ist weder ein Bundesstaat, noch ist sie umgekehrt ein Staatenbund, sondern eine neue Konstruktion, und der AdR hat diese
renz und damit zur Akzeptanz der europäischen Bevölkerung hat.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Männle, Sie haben den Ausschuss für Wirtschaft und Soziales erwähnt. Ich möchte Ihnen dazu meine spezielle Meinung mitteilen: Unser verehrter Kollege Dr. Stoiber ist in besonderer Funktion tätig. Wir alle wollen, dass weniger Bürokratie herrscht. Darin sind wir uns einig. Die Frage, inwieweit wir als Politiker zu deren Aufbau beitragen, stellen wir uns seltener. Wir sagen vielmehr stets in geübter Rhetorik, dass die Bürokratie abgebaut werden müsste. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss arbeitet nach einem anderen Prinzip als der AdR. Er kommt auch woanders her. Er wurde nicht in Maastricht festgelegt, sondern in den Römischen Verträgen.
Sehen wir uns einmal an, was seit 1957 passiert ist: Eine ganze Heerschar von Lobbyistenbüros mit Tausenden von hochqualifi zierten Menschen hat längst die tatsächliche Arbeit dieses Ausschusses übernommen. Heute muss ich sagen: Das ist eine längst überholte Institution, die abgeschafft werden könnte, ohne dass in der Sache irgendetwas schlechter oder nicht mehr erfasst würde.
Lassen sie uns hier einmal ein Beispiel setzen. Wir würden damit der europäischen Idee nicht schaden, sondern nutzen, wenn eine solche Institution abgeschafft oder um eine bestimmte Personenzahl verringert würde. Auch solche Gedanken können richtig sein, wie der Gedanke mit dem links- und rechtsgedrehten Joghurt, Herr Kollege Zengerle.
Wir sollten demnächst einmal, wenn Herr Kollege Dr. Stoiber kommt, mit ihm darüber reden, ob es nicht im Bereich des Denkbaren wäre, den Ausschuss für Wirtschaft und Soziales abzuschaffen.
Der Ausschuss der Regionen als Institution hat sich seit 1993 dem Grunde nach bewährt. Meiner Meinung nach muss er sich die Existenzfrage nicht stellen lassen, weder nach innen noch nach außen. Er muss sich aber selbstkritisch beleuchten oder zumindest dazu bereit sein. Bezüglich der Einbringung von Interessen, Meinungen, Stellungnahmen und subsidiärer Elemente in die großen Prozesse hat er Großes geleistet. Allerdings hat er noch nicht das Optimum erreicht, wenn es darum geht, den kleinen Leuten, den kleinen Institutionen und den subsidiären Elementen transparent zu machen, dass er etwas für sie tun kann. Wir wollen gemeinsam hoffen, dass es Ihnen und anderen in der Periode von jetzt bis zum Jahr 2010 und danach gelingen wird, dies zu vermitteln.
meister dabei sind, sondern dass das Prinzip als Solches Arbeitsprinzip und Einbringungsprinzip in den Gesetzgebungsprozess wird.
Sie bemühen sich um Subsidiarität, Proportionalität, um Verhältnismäßigkeit und um Maßstäblichkeit mittels AdR. Das ist gut angesichts des Giganten „Europa“. Die kommunale Selbstverwaltung als unterste Gliederungsebene darf in der EU nicht fehlen, sondern sie muss institutionalisiert werden. Das war vor dem Reformvertrag so nicht gewährleistet. Es könnte jetzt gewährleistet werden. Wir wissen nicht, wie sich das konkret auswirken wird. Meine Bitte an Sie und alle Vertreter im AdR lautet, dass Sie in der Praxis ausprobieren sollten, wie das erreicht werden kann.
Ein weiteres Stichwort ist die Transparenzinitiative. Für mich sind Subsidiarität und Transparenz zwei Seiten derselben Medaille. Wenn Sie die Aufgaben der unteren Ebene nicht an obere Ebenen delegieren wollen, können Sie das nicht nur damit rechtfertigen, dass die untere Ebene diese Aufgaben besser als die obere Ebene erfüllen kann. Sie müssen auch sagen, dass diese Aufgabe durch die untere Ebene dem Bürger, dem Souverän, auch transparenter wird. Wenn Sie eine Aufgabe vor Ort erledigen wollen, weil Sie sie dort besser überblicken können, können Sie das nur rechtfertigen, wenn Sie den Bürgerinnen und Bürgern gleichzeitig deutlich machen: Durch mich wisst Ihr auch, was geschieht, wie es geschieht und durch wen es geschieht. Wenn solche Aufgaben an höhere Institutionen abgegeben werden, wird das nicht mehr der Fall sein.
Eine Transparenzinitiative dieser Art hat der AdR bisher nicht geleistet. Frau Kollegin Männle, das ist kein Vorwurf an Sie persönlich, sondern insgesamt. Machen wir uns nichts vor: Das Geschehen in der Europäischen Kommission und im Europäischen Parlament ist für weite Kreise der Bevölkerung sehr geheimnisvoll. Einige von uns haben sich einen Heilungsprozess dieser Situation durch die Institutionalisierung des AdR erwartet. Dieser Heilungsprozess ist nicht eingetreten. Die Tätigkeit des AdR bleibt genauso geheimnisvoll wie die Tätigkeit des Parlaments und der Kommission. Hier wurde eine Chance vertan, was vermeidbar gewesen wäre.
Meine Bitte lautet, dass die alten Häsinnen und Hasen im AdR, wenn die Neukonstruktion mit 350 neuen Mitgliedern vollzogen wird, den Versuch einer selbstkritischen Bespiegelung unternehmen. Da die Mitglieder des AdR von „unten“ und nicht aus den „EU-Tempeln“ kommen, sollten sie versuchen, aus Brüssel etwas zu den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu bringen. Außerdem sollten sie versuchen, Probleme, die die Bürger bewegen und die sehr lange brauchen, bis sie in die oberen Instanzen kommen, schneller und volksnäher zu transportieren. Wenn dies nicht gelingen sollte – ich habe diesen Eindruck –, dann hätte der Ausschuss seine idealistische Aufgabenstellung leider nicht erfüllt. Das muss er aber, weil er besser als jeder andere die Chance zur Transpa
gerinnen und Bürger auf dem Weg mitzunehmen. Auch das ist gescheitert. Eigentlich muss man sagen, das Gegenteil ist bewirkt worden. Zumindest einen solchen Schaden hat der Ausschuss der Regionen noch niemals angerichtet.
Frau Männle, spannend wäre es für uns gewesen – ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie darauf eingehen, dass wir hier die Debatte führen –, wenn Sie die Position der CSU und der Staatsregierung zu aktuellen Streitfragen dargestellt hätten. Da ist uns insbesondere der Dissens zwischen den Kommunen und den Ländern in Deutschland hinsichtlich der Vertretung im Ausschuss der Regionen begegnet. Der Präsident des Bayerischen Städtetages, Herr Schaidinger, Oberbürgermeister von Regensburg, hat gefordert, es soll ungefähr halbe-halbe aussehen. Zurzeit haben wir bekanntlich 24 Vertreterinnen und Vertreter, drei davon kommen von den Kommunen, die restlichen 21 aus den Ländern – also doch ein erheblicher Unterschied. Ich denke, wir sollten uns noch einmal an anderer Stelle darüber auseinandersetzen, wie Sie hier positioniert sind.
Sehr viel gehört haben wir zum Reformvertrag. Was bedeutet denn dieser? – Da wird generell das Loblied der Aufwertung des Ausschusses der Regionen durch die Aufnahme in den Reformvertrag gesungen. Es geht auch um die Klagemöglichkeit beim Europäischen Gerichtshof bei einem Verstoß gegen die Subsidiarität. Wir erlauben uns, das an dieser Stelle noch einmal ins rechte Licht zu rücken. Es gibt sehr viele Kann-Bestimmungen; der Ausschuss der Regionen kann Stellungnahmen abgeben, er kann klagen, wenn er vorher hätte gehört werden müssen, aber nicht gehört worden ist. Ich darf noch einmal zitieren, wie es im Artikel 307 des Vertrages heißen soll:
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Das ist der bisherige EG-Vertrag. Da heißt es:
Der Ausschuss der Regionen wird vom Europäischen Parlament, vom Rat oder von der Kommission in den in den Verträgen vorgesehenen Fällen und in allen anderen Fällen gehört, in denen eines dieser Organe dies für zweckmäßig erachtet.
Und dann heißt es weiter:
Der Ausschuss der Regionen kann, wenn er der Auffassung ist, dass spezifi sche regionale Interessen berührt werden, eine entsprechende Stellungnahme abgeben. Er kann, wenn er dies für zweckdienlich erachtet, von sich aus eine Stellungnahme abgeben.
Das wäre gut für Europa, für den AdR und damit auch für Bayern.
Jetzt hab’ ich wohl „Sandmännchen-Funktion“.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir scheint, der Verlauf der Debatte könnte ein Beleg dafür sein, warum es die Europapolitik so schwer hat, beim Volk Freunde zu finden; denn sie verliert sich gerne im Wald und achtet nicht darauf, dass es auf das Wesentliche ankommt und nicht so sehr auf Details. Wenn ich die Details nicht so sortieren kann, dass ich auf den wesentlichen Punkt komme, muss ich mich nicht wundern, wenn mir nur wenige folgen.
Die GRÜNEN haben zwei Anträge vorgelegt, über die wir debattieren und abstimmen sollen. Der eine will, dass etwas ungeschehen gemacht oder neu geschehen solle, was längst irreparabel geschehen ist. Was ist irreparabel geschehen? – Es war die schöne Zeit von 2003 bis 2005, in der wir fast alle hofften, dass das Werk, das sich umgangssprachliche „Verfassungsvertrag für Europa“ nannte, gelingen möge. Rot-Grün war damals an der Regierung und hat für Deutschland verhandelt. Ohne Zweifel hat Joschka Fischer wesentlich mit verhandelt. Am Ende hatten wir in Bayern eine ungewöhnliche Situation; die bayerischen GRÜNEN sind ihrem „Kopfmann“ in Berlin nicht gefolgt und haben den Verfassungsvertrag, den Deutschland wesentlich mitverhandelt hat, abgelehnt. Das ist euer gutes Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN. Wir haben damals sozusagen die grüne Ehre gerettet und haben dem Verfassungsvertrag zugestimmt.
Nun wissen wir, was zwischenzeitlich in Frankreich und Holland mit dem Referendum geschehen ist. Der Traum vom Verfassungsvertrag ist vorbei. Jetzt kommt Lissabon. Das ist die Rettung dessen, was auf europäischer Ebene zu retten ist. Dort ist einiges angesprochen – in fünf Minuten nicht zu wiederholen –, was wir ähnlich sehen.
Eines ist es aber nicht, Herr Kollege Runge: Wir, die wir damals für den Verfassungsvertrag stimmten, obwohl wir uns in unserer Phantasie etwas Schöneres hätten vorstellen können, haben zugestimmt. Der erste Lehrsatz der Europapolitik ist aber: Du darfst dir viel vorstellen, aber du musst am Ende unwahrscheinlich realistisch sein, weil das, was 25 Staaten an Konsens hervorbringen können, nicht viel ist, sondern unendlich viel weniger als die Phantasie des Einzelnen hergibt.
Wir sind nicht der Auffassung, dass wir heute einen Antrag unterstützen müssen, der da lautet: „Der Landtag begrüßt, dass der Europäische Rat … abgerückt ist vom Verfassungskonzept …“. – Wir begrüßen das eben nicht. Wir hätten begrüßt, wenn der Verfassungsvertrag in Europa Wirklichkeit geworden wäre. Deshalb begrüßen wir nicht die Alternative, obwohl sie so ist, wie sie ist und die, nachdem sie als einzige Alternative übrig ist, sicherlich besser ist als nichts. – Ablehnung dieses Antrags, weil wir nicht bekommen haben, was wir von Anfang an
wollten. Das ist kein Nein zum jetzt neu vorliegenden Entwurf.
Zweitens, zur Frage des Referendums. Ich komme noch einmal auf Frankreich und die Niederlande zurück. Da unterscheiden wir uns, Herr Kollege Bocklet, aus historischen Gründen – darauf komme ich gleich noch zu sprechen –, aber auch aus den erwähnten aktuellen Gründen. Mehrfach habe ich an dieser und an anderer Stelle immer wieder gesagt: Europa erscheint nach wie vor als eine Art Kopfprojekt für ökonomische, politische Eliten. Wenn es diesen Status nicht überwindet, kann das auf Dauer nichts werden, ob mit oder ohne Verfassungsvertrag, in Lissabon oder wo auch immer. Wir müssen es schaffen, in einem intensiven, volksnahen – das meine ich nicht ironisch und schon gar nicht überheblich – Dialog die Ziele und die Wünsche, die wir mit Europa verbinden, mit dem breiten Publikum diskutieren. Wäre das ausreichend während des Prozesses von 2003 bis 2005 geschehen – davon bin ich felsenfest überzeugt –, wäre das Referendum in Frankreich und Holland anders ausgegangen. Alles, was ich darüber gelesen habe, deutet darauf hin: Die Eliten und das Volk haben einander nicht verstanden. Man konnte sich nicht verstehen, weil die einen so geredet und die anderen anders verstanden haben. Daraus sollten wir für die Zukunft lernen. Allein aus diesem Grunde treten wir dem Gedanken des Referendums nicht näher. Um die staatspolitischen Feinheiten, die der Kollege Bocklet hier vorgetragen hat und denen ich gar nicht folgen kann – ich bin kein Jurist –, geht es hier gar nicht.
Wir haben aber noch einen weiteren Grund. Wir sind bayerische Sozialdemokraten. Sie haben soeben gesagt, es gebe kein plebiszitäres Element in der Bundesverfassung; das wissen wir wohl. Aber wenn es einen historischen und einen geografischen Ort für plebiszitäre Elemente in deutschen Verfassungen gibt, dann ist es die Bayerische Verfassung. Wir bayerische Sozialdemokraten sind sozusagen Kinder bzw. Enkel des Vaters dieser Verfassung, nämlich von Wilhelm Hoegner. Deshalb muss man uns zugestehen, dass wir jeden, der irgendwo den Gedanken an plebiszitäre Elemente auf die Bundesebene heben will, als unseren Verbündeten betrachten. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.
41 Sekunden? – Es geht schon. Herr Runge!
Ja, gerne. Ich konzediere Ihnen im Grunde genommen alle vier Aussagen. Es waren übrigens vier, nicht drei Aussagen. Das ändert aber an den Voten letztlich nichts. Sie waren früh dran mit Ihrem Antrag, Sie haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass Sie eine andere Position haben als Fischer; das habe ich auch dargelegt und ich habe Sie darauf auch immer angesprochen, aber nicht belehrt, wie das andere tun. In der Frage der Übertragung liest man mal den Artikel und kommt zu dem einen Ergebnis, dann liest man einen anderen. Im Zweifel würde ich sagen: Wenn es nicht eindeutig ist, ob Grundgesetzmaterie übertragen wird, ist es für mich erst recht ein Grund zu sagen: Im Zweifel muss ich den obersten Souverän, sprich: das deutsche Volk, fragen. Formal gesehen ist das völlig unwichtig; aber politisch materiell ist es von erheblicher Bedeutung.
Dann, nur dann, wenn ich das mache, sind wir als Politiker gezwungen, dann ist das ganze System gezwungen, die Strategie einer Kommunikation mit der Bevölkerung über die Medien aufzubauen. Dann und nur dann haben wir überhaupt die Chance, den 90 %, die nach den mir zugänglichen Informationen überhaupt keine Ahnung davon haben, worüber wir hier reden, wenn sie gefragt würden, etwas zu vermitteln. – Ich rede nicht vom schönen und großen Europa. Sobald man aber in die materielle Substanz geht, sind 90 % blank. Diese Menschen sind also denjenigen ausgeliefert, die sie und ihre Emotionen steuern.
Vor diesem Hintergrund sage ich: Wenn auch nur im Ansatz die Vermutung besteht, dass hier grundgesetzliche Materie übertragen wird, wäre die formale Notwendigkeit gegeben, den Souverän zu befragen. Allein vor diesem Hintergrund sind wir gut beraten, zu sagen: Wir müssen alles tun, um dieses Plebiszit herbeizuführen, auch wenn es nach heutiger Sicht, das weiß ich wohl, sehr unwahrscheinlich ist, dass es tatsächlich kommt.
An dem Beispiel wird deutlich, dass es auch mal Bewegung in der Politik gibt. Die GRÜNEN haben gegen ihren Außenminister gestimmt. In der Frage der plebiszitären Elemente – ich sage es noch mal – erlaubt sich die baye
rische SPD aus historischen und aus Vernunftgründen eine andere Position einzunehmen als die Bundes-SPD. Punkt, aus. Das habe ich als Landesvorsitzender seinerzeit gesagt. Damit habe ich mir wenige Freunde gemacht. Ich hoffe sehr, dass andere in der bayerischen SPD diese Tradition beibehalten; denn es ist eine derjenigen Traditionen, auf die wir wirklich stolz sein können. Ich glaube, dass sie sich eines Tages, obwohl sie alt ist, gerade im Zusammenhang mit europäischer Materie als protagonistische Idee erweisen wird.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein paar wenige ergänzende Anmerkungen zu dem, was Herr Kollege Förster für unsere Fraktion ausgesagt hat, worauf ich mich ansonsten gerne beziehe.
Trotz vieler Kritik am Zustandekommen des Reformvertrags spricht sich die SPD im Allgemeinen, auch unsere Fraktion, für seine Ratifizierung aus. Verglichen mit den bestehenden Verträgen stellt er einen wichtigen Fortschritt dar. Natürlich ist dieser Vertrag nicht die Verfassung und damit nicht das Ursprungsziel, aber er ist mehr als das, was wir bisher an gültigen Verträgen hatten.
Die Debatten und Verhandlungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass in der Europäischen Union einige Regierungen – das mussten wir im Rahmen dieses Verfassungsprozesses zum Teil schmerzlich feststellen –, die dem Verfassungsvertrag letztlich zugrunde liegende Vision einer politischen Union, die auf dem Willen der Staaten und der Bürger beruht, nicht teilen. Es ist deutlich sichtbar geworden, dass nach der Erweiterung auf die jetzt 27 Mitgliedstaaten die Vertiefung der EU nicht so
schnell vorankommt, wie sich das die wirklichen Freunde Europas einmal gedacht haben. Diese Erkenntnis wird Konsequenzen für weitere Zusagen zur Erweiterung der EU haben, ja haben müssen, wie auch für die Konstellationen innerhalb der EU.
Bei einer Blockade im kommenden Ratifizierungsprozess – ich will das nicht hoffen, aber es ist auch nicht auszuschließen – ist das Europa der zwei Geschwindigkeiten mit einer Speerspitze von einigungswilligen Ländern kaum mehr zu verhindern. Ob man das will, ist eine ganz andere Frage. Die Frage ist, ob es verhinderbar ist.
Diese neuen Realitäten zu erkennen, kann in den kommenden Jahren durchaus hilfreich sein. Sowohl der Euro als auch der Schengen-Vertrag zur Abschaffung der Grenzkontrollen und viele andere Dinge sind letztlich von einer politischen und administrativen Elite, von einer Avantgarde vollzogen worden. Solche Avantgarden wird es auch in anderen Politikbereichen geben, sei es in der Innen- oder der Justizpolitik, in der Außen- oder Verteidigungspolitik oder auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Und damit wird das alles mehr und mehr ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nach sich ziehen.
Die Vertiefung der Europäischen Union wurde durch den Widerstand gegen die Verfassung aufgehalten. Stoppen, richtig stoppen lässt sich die europäische Einigung auf Dauer allerdings nicht. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verlangen letztendlich nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr Europa.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, wird sich die SPD weiterhin für eine Europäische Verfassung einsetzen. Damit die Bürger die Europäische Union besser verstehen und sich an europäischer Politik beteiligen können, muss ein einheitlicher Text über die Grundlagen der EU ausgearbeitet werden. Durch eine Stärkung des Europäischen Parlaments muss die EU auch weiter nach innen demokratisiert werden. Das Europäische Parlament sollte in allen Politikfeldern endlich gleichberechtigter Partner des Rates in der Gesetzgebung sein und die Europäische Kommission einsetzen sowie absetzen können.
Im Rat sollte fast ausnahmslos mit Mehrheit entschieden werden aus Praktikabilitäts-, aber auch aus Demokratiegründen. Die Arbeit muss endlich für die Normalbürger im besten Sinne des Wortes und nicht nur für Fachleute nachvollziehbar und transparent gestaltet werden. Wie dies beim Verfassungsvertrag einst vorgesehen war, sollten die Grundrechte in der Verfassung mit abgedruckt werden. Vorschläge für einen neuen Anlauf im Verfassungsprozess kann das Europäische Parlament nach Inkrafttreten des Reformvertrags – wie wir doch hoffen wollen – und nach den Europawahlen im Jahre 2009 aufgrund seines neuen Initiativrechtes letztlich selber machen.
Wir hoffen und wollen, dass das Europäische Parlament von diesem Recht Gebrauch macht. Wir, der Bayerische Landtag, und die nationalen Politiker überhaupt sollten es bis dahin darin ermahnen, aber auch ermutigen, dies zu tun. Letztendlich braucht ein europäischer Vertrag die Zustimmung der Bevölkerung in allen 27 Mitgliedstaaten. Darin gebe ich dem Kollegen Runge recht. Ein Referendum ist das beste Mittel für Transparenz, das man sich in der EU vorstellen kann.
Nur mit Transparenz kann aus dem Projekt Europa ein Volksprojekt werden, und es wird kein Kopfprojekt nur für politische Eliten bleiben, was es im Moment noch ist. In diesem Sinne stimmen wir diesem Reformvertrag zu und hoffen, dass er eines Tages in eine tatsächliche Europäische Verfassung münden möge.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben an einigen Stellen Ihrer Rede, auf die auch Kollege Runge schon eingegangen ist, deutlich gemacht, welche besonderen Impulse von Bayern für Europa ausgehen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben das übrigens auch Ihre Vorgänger immer wieder getan. Das ist insbesondere dann bedauerlich und peinlich, wenn Sie sagen, dass Sie sich darüber freuen, dass Herr Sarkozy hier mit der Bayerischen Staatsregierung übereinstimmt. Hoffentlich weiß das auch Herr Sarkozy, und hoffentlich kann er es richtig einordnen. Das ist insofern bedauerlich, als Sie mit diesen gelegentlichen Schüben von Hybris das kaputt machen, was wirklich zählt. Es zählt nämlich wirklich, dass von Bayern innerhalb Deutschlands und innerhalb der deutschen Länder ganz entscheidende gedankliche und sonstige Impulse für die Europapolitik ausgehen und dass in Brüssel die Vertretung des Freistaates Bayern – auch die Vertretung der Kommunen – hervorragend arbeitet.
Das tun die. Und weil das so ist, ist es gar nicht nötig, sich da und dort zu solcher Hybris und solchen Begriffen zu versteigen. Das ist peinlich,
weil wir kein Mitgliedstaat der EU sind, kein Global Player, sondern eine von 60 Gebietskörperschaften oder Regionen mit Gesetzgebungskompetenz, nicht mehr und nicht weniger. Darüber hinaus gibt es 27 Mitgliedstaaten, zu denen wir nicht gehören. Sie tun aber so, als ob Bayern zur G 8 der Mitgliedstaaten der EU gehören würde. Lassen Sie das. Wir wissen es besser, und Sie schaden damit unserem Land mehr, als Sie ihm nutzen.
Ich will Ihnen sagen, mit welcher einzelnen Sache man Bayern über den Status, den ich eben dargestellt habe, geradezu epochal hätte hinausheben können: Vor zwei, drei Jahren bestand die Chance, dass der jetzt noch am
tierende Bayerische Ministerpräsident als Präsident der EU-Kommission nach Brüssel geht. Da hätte etwas für Bayern getan werden können, was durch nichts anderes hätte einigermaßen entsprechend ausgeglichen werden können.
Auf Seite 2 Ihrer Rede, Frau Ministerin, steht etwas, was neu ist und was ich auch richtig fi nde: Da sagen Sie – ich drücke es einmal mit meinen eigenen Worten aus –, in Europa sei es immer dann weitergegangen, wenn wir einen neuen Gedanken hatten, eine Vision, wie Sie es nennen. Eine solche Vision habe immer zu neuen Verträgen, zu neuen Schüben, zu neuen Entwicklungen geführt. Das ist absolut richtig, wenn ich darüber nachdenke. Sie nennen als Beispiele den Binnenmarkt, die Währungsunion und anderes. Wenn ich diese Überlegung aber der heutigen Debatte zugrunde lege, muss ich sagen: Nicht nur die gesamte Situation der Europäischen Union, sondern auch das Scheitern des Verfassungsprozesses hat etwas mit dem zu tun, was Sie da gesagt haben. Wir haben heute nämlich keine Vision – Sie nicht, wir nicht, Europa insgesamt hat keine Gedanken, die von der Qualität dieser alten Vorstellungen wären, die diese Prozesse ausgelöst haben. Den letzten Vorschlag dieser Art, der mir bekannt ist, hat Joschka Fischer gemacht, wenn Sie sich mit mir daran erinnern, Kollege Runge und die Kollegen von den GRÜNEN: Im Jahr 2000 hat Joschka Fischer einmal diese Humboldt-Rede gehalten. Ich habe sie erst kürzlich wieder in einer Zeitung gelesen. Damals hat er die Vision einer Föderation von europäischen Nationalstaaten entwickelt. Diese Idee ist damals hoch bejubelt worden, jedenfalls in den Fachorganen. Allerdings fand dann kein entsprechender politischer Prozess statt. Seither fand eigentlich überhaupt nichts mehr in dieser Kategorie statt.
Das muss man sehen. Wenn wir uns fragen, warum der Verfassungsprozess gescheitert ist, müssen wir sehen: Das ist doch wohl deswegen der Fall gewesen – das habe ich Ihnen schon einmal im Ausschuss gesagt –, weil wir es hier mit einem verkopften Prozess von Politik, von Juristen, von Administrateuren von ökonomischen Eliten zu tun haben. Diese Köpfe haben sich das Verfassungswerk ausgedacht und haben dabei übersehen, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.
Das ist das Problem, das wir in Europa haben. Wir haben selber keine Vision, haben zwar Vorstellungen von Technokratie, aber haben keinerlei Gedanken, wie wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen könnten. Wir können sie nur dann mitnehmen, wenn wir die Zweifel und die Skepsis, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Thema Europa haben, beseitigen und sie zugleich ersetzen und erweitern durch wirkliche, positive Visionen, die eine Rückkopplung zum praktischen Leben der Bürgerinnen und Bürger haben. Das haben wir nicht, und deswegen sind wir nicht weitergekommen.
Diese Vision liefern Sie leider nicht. Sie sagen doch – ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf –, Ihre Vision von Europa laute: „Wir brauchen ein starkes Europa.“ – Na ja,
mei, gell, ja, sicher – was soll man denn zu so einem Satz sagen? – Das ist aber nun wirklich keine Vision, Herr Redenschreiber oder Frau Ministerin, wer immer sich diesen Satz ausgedacht hat.
Zwei Dinge würden uns wirklich weiterhelfen. Ich weiß allerdings nicht, ob sie mit dem Prozess nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages gekoppelt werden sollten oder nicht. Sie kennen den Ausspruch von Henry Kissinger – jedenfalls wird er ihm zugeschrieben –: „Europa, Europa, Europa – wo rufe ich denn da an?“ – Können Sie sich daran noch erinnern? – Es ist schon ein paar Jahre her. Kissinger ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste. „Wo rufe ich an?“ – In diesem Ausspruch ist einiges enthalten, wie oft in solchen fl apsigen Sprüchen. Will sagen: Solange die wirklich großen Global Player dieses Erdballs, die UNO, die WTO, der IWF, die Weltbank, die NATO usw., noch immer die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegeneinander ausspielen können, weil sie damit rechnen können, dass deren nationale Interessen immer differieren, wie es eben stets war, wird Europa nie mit einer einzigen Stimme sprechen. Solange man also Europa nicht als Faktor, der mit einer einzigen Stimme spricht, betrachten muss, wird die EU keine wirklich große Rolle in der Weltpolitik spielen können, und auch keine Vision haben, wie sie sich innen weiterentwickeln könnte. Außen- und Sicherheitspolitik wären der erste Einstieg. So weit eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu machen, war man fast schon einmal.
Ein neuer Gedanke kommt hinzu; und das ist doch wohl sonnenklar: Wir müssen dem Turbokapitalismus der Globalisierung das europäische Sozialstaatsmodell entgegensetzen. Das ist die Vision, die wir haben.
Das gelingt aber nicht, wenn Deutschland in dieser Frage eine andere Position hat als etwa Großbritannien. Das ist aber der Fall. Es wird nicht gelingen, wenn sich die neuen Mitgliedstaaten, die im Osten dazugekommen sind, im Zweifel aufgrund einer komischen Mischung aus Renationalisierung, die hoffentlich nicht nur mit den Zwillingen in Polen zu tun hat, und dem Bestreben, das Heil doch wieder bei den USA zu suchen, nicht auf die EU verlassen, deren Mitgliedschaft sie vorher gesucht haben. Solange das so ist, wird Europa keine wirkliche Chance als Weltmacht haben und gleichzeitig keine Vision nach innen entwickeln können. Damit wird es auch keinen Impuls für Fortschritt geben.
Ich wollte das als ersten Punkt herausgreifen. Der zweite Punkt wäre die Frage, wie eine Vertiefung geschehen kann. In Ihrer Rede stehen dazu einige Dinge, die ich gut und richtig fi nde. Ein Punkt ist, dass der Mischmasch, den es bisher gegeben hat, durch den Verfassungsvertrag etwas abgemildert, aber nicht beseitigt worden wäre. Was ist wessen Handwerk? – Diese ganz einfache Frage stellt sich in Europa für den Bürger und für die Bürgerin. Diese Frage wird aber nicht beantwortet. Was ist Sache Europas? Was ist Sache des Nationalstaats? Was ist Sache der Länder in einem föderalen Staat wie dem unsrigen? – Das wollen die Bürgerinnen und Bürger wissen. Diese Fragen müssen operationalisiert werden,
wie wir das nennen, sie müssen also klipp und klar beantwortet werden, bezogen auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger, auf das Erfahrbare. Auch da gibt es keinen Ansatz, der vielversprechend wäre; wir bräuchten ihn aber dringend.
Sie sprechen zum x-ten Mal wichtige Themen wie Subsidiarität und Föderalismus an. In Sachen Subsidiarität hat Bayern sicherlich historische Verdienste. Dieser Gedanke wurde, wenn ich mich recht erinnere, schon unter Streibl geboren. Aber Sie nennen auch noch die nationalen Parlamente, die Sie stärker einbeziehen wollen, auch die Landtage wollen Sie stärker in EU-Vorhaben einbeziehen. Wunderbar, Frau Ministerin. Diesem Gedanken kann man nur zustimmen. Aber die Wirklichkeit ist doch eine andere. Diese Wirklichkeit könnten Sie bereits hier und heute gestalten. Die Bayerische Staatsregierung, so schreiben Sie auf Seite 7, hat am 22. Mai 2007 die zentralen bayerischen Forderungen für den Reformprozess der EU beschlossen. Sie schreiben, dass Sie sich dafür einsetzen wollen, dass der Landtag in der EU-Politik stärkere Mitwirkungsrechte hat. Das unterschreibe ich Ihnen. Ein paar Zeilen weiter schreiben Sie, dass der Freistaat Bayern diese zentralen Forderungen beschlossen hat und dass Sie sich dafür einsetzen, dass sich der Bundesrat am 6. Juli diese Forderungen zu eigen macht.
Meine Damen und Herren! Wenn ich glauben wollte, dass Sie sich wirklich für die Erweiterung der Teilhabe von Parlamenten und damit für subsidiäre Elemente einsetzen, würde ich sagen: Setzen Sie das doch erst einmal in Bayern durch, bevor Sie es für Europa fordern. In Bayern könnten Sie das nämlich ohne Widerstand.
Niemand hätte Sie daran gehindert, das mit uns zu bereden, bevor Sie das am 22. Mai in Ihrem Kabinett beschlossen haben. Auch im Landtag gibt es kluge Leute, bei der CSU, bei der SPD und bei den GRÜNEN. Selbst wenn nichts Neues herauskommt, hätten Sie die Glaubwürdigkeit Ihres hier für die EU gepriesenen Prinzips bewiesen. So haben Sie das nicht getan, und deshalb glaube ich diese Botschaft nicht, Frau Ministerin. Subsidiarität, Föderalismus, Dezentralisierung, Bürokratieabbau und Senkung der Regelungsdichte, Transparenz – das sind die Zauberworte, das ist die Mixtur, mit der Sie immer wieder arbeiten, Frau Ministerin. Ich kann dazu nur sagen: Das Bundesland mit der höchsten Regelungsdichte, mit der größten Ministerialbürokratie, mit dem größten Wasserkopf, das Bundesland mit der geringsten Kompetenz von Kommunen hat die besten Möglichkeiten zu beweisen, dass es die Prinzipien, die es für Europa geltend machen will, bei sich selbst zunächst einmal in einem Feldversuch erprobt.
Die verbleibende Zeit ist kurz, deshalb nur noch ein kurzer Schlussaspekt.
Sie sprechen die Fördermöglichkeiten an. Wir haben im Ausschuss darüber geredet. Herr Kollege Runge, es ist doch zu loben, dass wir jetzt tatsächlich 15 % mehr Geld haben. Sie haben allerdings vergessen zu erwähnen, dass andere noch mehr als 15 % bekommen haben. Bayern verfügt also nicht über eine Inselstellung. NordrheinWestfalen beispielsweise haben Sie von der CSU früher immer erwähnt, vor allem, wenn es schlechter war als Bayern. Nun hat es einen anderen Ministerpräsidenten und eine höhere Steigerung, doch nun wird dieses Bundesland plötzlich vergessen. Ihre PR-Leute sind wirklich nicht schlecht, das muss ich sagen, aber Gott sei Dank gibt es auch noch uns. Das ist in Ordnung. Der Hinweis des Herrn Kollegen Runge und anderer Kollegen war also wichtig.
Allerdings erwarte ich dann auch, dass Lücken, die aufgemacht worden sind, mit bayerischen Haushaltsmitteln sauber verfugt werden, um das einmal in einer plastischen Sprache darzulegen. Es darf nicht, so wie früher, dazu kommen, dass man die Gelder aus Brüssel zwar nimmt, ihren maximalen Nutzen für Bayern aber nicht erwirkt, weil die dazu notwendige Kofi nanzierung nicht zur Verfügung gestellt wird. Die Ausrede „man hätte kein Geld“ oder „man hätte Konsolidierungsverpfl ichtungen im eigenen Haushalt“ gilt künftig nicht mehr; denn man braucht kein bayerisches Geld zur Kofi nanzierung, man kann genauso gut Geld von Dritten dazunehmen. Das ist ein echter Fortschritt.
Die Beteiligung des Landtags, die ich gerade angesprochen habe, ist ein wirklicher Mangel. Ich will das noch einmal deutlich machen; auch im Ausschuss habe ich darauf hingewiesen. Wenn Sie ein operationelles Programm in der Administration vorbereiten – für diejenigen, die sich nicht so sehr mit diesen Fragen beschäftigen, möchte ich das kurz erklären: Bei einem operationellen Programm schreibt man auf und meldet Brüssel, was man mit den Geldern alles machen möchte –, dann habe ich dagegen nichts. Wenn man dieses Programm aber in der EU anmeldet und gleichzeitig mehr Transparenz, mehr Partizipation usw. fordert, dann muss man doch das, was die Administration als Entwurf ausgearbeitet hat, hier, vor Ort mit der Volksvertretung debattieren und besprechen und erst dann nach Brüssel zu den Bürokraten schicken. Man darf doch dann nicht so tun, als ob es sich um eine Angelegenheit handeln würde, die nur die Staatsregierung und nur die Beamten etwas anginge, meine Damen und Herren!
Wenn man über eine Milliarde Euro lockermachen kann, dann muss doch an dem Ort, an dem in einem Staat über Geld entschieden wird – und das ist das Parlament – darüber entschieden werden, wo und für welche Zwecke dieses Geld Verwendung fi ndet.
Man darf das doch nicht zu einem rein administrativen Akt machen, meine Damen und Herren!
Es gäbe noch viel zu sagen, der Tag ist noch lang, andere Themen stehen an. Ich wünsche Ihnen, Frau Ministerin, viel Spaß bei der Arbeit. Man kann bei dieser Arbeit Spaß haben, Frau Ministerin. Manchmal beneide ich Sie darum, nicht immer. Ich wünsche mir, dass Sie sich über die Klugheit und die Weisheit hinaus, die Sie bei Ihrer Administration fi nden, auch Rat im Bayerischen Parlament holen. Hier gibt es kluge Männer und Frauen in allen Fraktionen, die Ihnen im Dienste unseres Landes guten Rat geben können.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer meine Biografi e ein bisschen kennt, der weiß, dass ich etwa zwei Jahre Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Philip Rosenthal gewesen bin. In dieser Zeit – es war 1980, 1981, 1982 – war Philip Rosenthal auch noch Vorstandsvorsitzender der Rosenthal AG. Diese Kombination, dass jemand gleichzeitig Vorstandsvorsitzender einer AG und Politiker ist, würde der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik
heute übrigens guttun.
Damals hat er mir – ich habe es im vertrauten Kreis schon öfter erzählt – in seiner unnachahmlichen Art gesagt: Wir werden noch Probleme bekommen mit unseren weißen Untertassen. Wahrscheinlich habe ich mir wegen des Begriffs „weiße Untertassen“ den Satz, der ansonsten so lapidar klingt, gemerkt. „Weiße Untertassen“ war natürlich wörtlich gemeint und zugleich eine Metapher. Er hat mit vielen Maßnahmen, die ich Ihnen aus Zeitgründen nicht näher erläutern kann, die von ihm damals schon gesehene, geradezu konversionsartige, Bedrohung für die Porzellanindustrie erkannt und versucht, dagegen vorzugehen.
Damit die Kolleginnen und Kollegen ungefähr eine Größenordnung wissen: Als ich 1990 in den Landtag kam, waren in der oberfränkischen Porzellanindustrie etwa 15 500 Menschen beschäftigt – nach der Wende, von 1960 bis 1970 will ich gar nicht reden. Heute sind es weniger als 4000. Nennen Sie mir eine Branche, die mehr als 2000, 3000 Leute hat, bei der in der Zeit nach der Wende 75 % aller Arbeitsplätze weggebrochen sind. Eine solche Branche gibt es nicht in Bayern. Das Einzige, was Sie damit vergleichen können, sind Kohle und Stahl in NRW.
Für eine Region, meine ich: Maxhütte ist ein Einzelbereich.
Warum erzähle ich das hier? – Ich erzähle es nicht, weil ich kritisieren will, Herr Minister Huber, was Sie genannt haben. Was GA und die Regionalförderung betrifft, will ich das gar nicht bestreiten. Sie versuchen es jetzt.
Sie versuchen es jetzt, weil Sie wissen, dass es nicht mehr reicht, das zu erzählen, was Sie über Jahre erzählt haben,
nämlich dass im Rahmen der Politik leider nichts anderes möglich ist, dass es gar nicht so schlimm ist, dass man nichts anderes machen könne und dass man das, was man machen könne, auch tatsächlich gemacht hat.
In Wahrheit verschleiern Sie, dass die Politik, die Regionalpolitik, die Wirtschaftspolitik kein Konzept hat – am Beispiel der Porzellanindustrie wird das am deutlichsten, es ist aber nicht das Einzige – für die Frage: Was machen wir mit Regionen, die geradezu dominiert, um nicht zu sagen monostrukturiert sind von einer überragenden Branche und in denen diese überragende Branche durch weltwirtschaftliches Geschehen geradezu unaufhaltsam heruntergezogen wurde – um ein anderes Wort zu vermeiden? Die Antwort darauf ist: Wir haben kein Instrument bzw. wir wollen kein Instrument in der bayerischen Politik auf den Weg bringen, um diese riesige Konversion, die sich über 20 Jahre hinwegzieht, aufzuhalten.
Da sagen Sie, das können Sie nicht aufhalten. Ich kenne die Antwort, ich habe sie hundertmal gehört. Herr Kupka sagt es auch.
Da sage ich: Wenn Philip Rosenthal recht hatte mit seinen weißen Untertassen,
dann muss die Frage noch lange nicht beantwortet sein, ob es denn überhaupt keine Alternative gibt zu der angeblich am Weltmarkt wegbrechenden Nachfrage nach weißen Untertassen. Die Frage muss doch dann lauten: Können wir mit der seit 150 Jahren vor Ort vorhandenen Kompetenz im Umgang mit dem Werkstoff Keramik und Porzellan durch entsprechende Innovationen, Forschung und Technologiearbeit etwas Neues generieren? Was kann man außer weißen Untertassen aus Porzellan und Keramik sonst noch machen, was Arbeit schafft und die Arbeitsplätze vor Ort lässt?
Das ist eben keine Unternehmensfrage. Das ist eine typische Frage, die die bayerische Politik sehr oft sehr erfolgreich beantwortet hat,
nämlich: Am Anfang stehen Impulse in Richtung Innovation. Sie basieren auf Forschung, auf Entwicklung und auf Technologietransfer. Sie haben oft genug bewiesen,
dass Sie das können. Bei altindustriellen Standorten, bei Keramik und Textil, beides in Oberfranken, haben Sie Vorsorge auf das Sträfl ichste vernachlässigt.
Das ist der Grund, warum wir seit 20 Jahren diesen Niedergang dort haben; nicht nur, weil es einen Niedergang in dieser Branche gibt – den gibt es woanders auch –, sondern weil nicht gegengesteuert wurde, indem Innovationen dort in Gang gesetzt wurden.
Nein, ich hab keine Zeit. Danke.
Deshalb noch einmal meine Bitte. Der Hinweis auf GA und die jüngeren Instrumente der Förderung ist richtig; das will ich ausdrücklich anerkennen. Das Problem wird es aber nicht lösen, Herr Minister Huber. Das Problem ist nicht die aktuelle Lage – die haben wird schon hundertmal gehabt – und das Absinken der Zahl der Arbeitsplätze von 15 000 Arbeitsplätzen in 17 Jahren auf unter 4000.
Vielmehr müssen Sie sich die grundsätzliche Frage stellen: Was machen wir mit bayerischen Instrumenten der Politik für eine Region, die wie keine zweite höchst industrialisiert ist und die die größte Industriedichte Europas hatte, aber nur mit zwei, drei Branchen aus der Frühzeit der Industrialisierung besetzt ist, mit sonst nichts? Was machen wir mit den Instrumenten der Politik, um eine solche Region in eine neue Zukunft zu bringen? – Diese Frage müssen Sie beantworten, und sie geht weit über diese 300 Arbeitsplätze von heute hinaus. Antworten Sie darauf, dann tun Sie etwas Gutes für diese Region!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Gemeinschaftsaufgabe beschäftigt uns in vielfältiger Weise und schon längere Zeit. Das eine ist abgeschlossen und spielt heute keine Rolle mehr; ich sage es aber dennoch, weil wir unter Umständen, falls jetzt die GA scheitern sollte, was wir nicht hoffen, was aber nicht ausgeschlossen ist, wieder auf das zurückkommen werden, was ich Ihnen jetzt sagen werde, nämlich: Im Rahmen der Föderalismuskommission gab es in den letzten zwei Jahren durchaus eine Reihe von Äußerungen seitens der Wissenschaft, aber auch der Politik, in denen das Verfassungsinstrument der Gemeinschaftsaufgabe gänzlich infrage gestellt wurde und in denen die Absicht kundgetan wurde, im Rahmen der Föderalismusreform den einschlägigen Artikel gänzlich zu streichen. Ich sage das deshalb, weil sich vielleicht der eine oder andere, der sich jetzt zur Mutter oder zum Vater der GA erklärt, wundern würde, wenn er wüsste, wer alles gesagt hat, dass es die Gemeinschaftsaufgaben in Zukunft überhaupt nicht mehr geben solle, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Seit dem Koalitionsvertrag vom Dezember ist zumindest diese Sache dahin. Dort steht klar geschrieben, dass die Gemeinschaftsaufgabe als Instrument erhalten werden soll. Was vergessen worden ist – oder auch nicht –, ist die Frage, um die es heute insbesondere geht, nämlich: Wenn die Gemeinschaftsaufgabe als Instrument erhalten werden soll, heißt dies dann auch, dass sie in ihrer bisherigen Art und Weise erhalten werden soll, dass es also zugegebenermaßen einen Löwenanteil für die GA-Ost gibt, aber eben auch einen nicht unerheblichen und für Bayern etwa 10 Millionen Euro ausmachenden Betrag für die GAWest? Diese Frage, ob es die GA-West geben soll, wenn es überhaupt noch die GA gibt, ist im Koalitionsvertrag unbeantwortet geblieben. Ich weiß nicht, warum; denn der Koalitionsvertrag wurde im November/Dezember geschrieben. Jetzt haben wir Februar. Die Aufgabe, diese Frage zu beantworten, steht aber noch vor uns.
Ich sage für meine Fraktion klipp und klar nichts anderes als das, was ich bereits im November, im Oktober und davor gesagt hätte: Bayern und nicht nur Bayern hat, anders als von diesem Pult und von anderen Stellen aus, oft und immer wieder geäußert, eben sehr wohl eine ganze Reihe von Regionen, die strukturell in einer Verfassung sind, in der sie jede Art von Hilfe dringend gebrauchen könnten, meine Damen und Herren.
Und weil das so ist, muss jede Art von Förderungsinstrument, das es gibt, quantitativ gesehen, weitaus höher als die GA erhalten und verteidigt werden, etwa die EU-Regionalförderung, aber auch die GA als zwar kleines, aber feines und wichtiges Instrument.
Die GA-West, die wir dringend brauchen, setzt voraus, dass wir eine Fördergebietskulisse haben, die den Bedarf abdeckt. Die heute bestehende Fördergebietskulisse darf über 2007 hinaus nicht das letzte Wort sein; denn wir haben inzwischen einen deutlichen Zuwachs an Förderbedarf, also Flächen und Regionen in Bayern, die dringend Förderbedarf haben und die notwendigen Kriterien erfüllen. Das zeigt, dass in Bayern das Gefälle und auch der Bedarf derer immer größer werden, die eine Förderung brauchen.
Herr Minister Huber, schön, dass Sie jetzt da sind. Ich bedauere zutiefst, dass ein Parlamentarier der GRÜNEN oder der SPD in diesem Lande aus der Zeitung erfahren musste, dass die Bayerische Staatsregierung eine Änderung der Fördergebietskulisse vorsieht und dass sich die Kollegen der CSU mit dieser geplanten Änderung draußen bereits als wichtig verkaufen. Dagegen wurde dieses Hohe Haus über diese geplante Gebietserweiterung nicht einmal benachrichtigt.
Gäbe es nicht die heutige Debatte – zwingend aufgelöst durch diese Anträge –, würden wir es nicht erfahren. Ich sage Ihnen das deshalb – ich habe es auch in den Antrag geschrieben –, damit Sie wenigstens hier die Gelegenheit ergreifen, zu sagen, ob zutrifft, was wir in der Zeitung gelesen haben, nämlich dass Sie beabsichtigen, in vier Tagen in den Planungsausschuss zu gehen, um dort eine größere Fördergebietskulisse zu befürworten; damit Sie ferner sagen, wie diese Fördergebietskulisse aussieht und wie Sie sie begründen. Wir sagen jedenfalls, die heutige Fördergebietskulisse kann nicht über 2007 hinaus gelten, sondern muss erweitert werden.
Drittens: Wir wissen, dass der Bund generell sparen will. Das wollen in der großen Koalition alle, und auch einige darüber hinaus.
Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Die Frage, ob die Gemeinschaftsaufgabe ein geeignetes Mittel ist, lasse ich dahingestellt. Eines ist für uns aber klar: Wenn Sie sagen würden, wir kürzen die GA insgesamt proportional – und die Ost- und die West-GA würden proportional in gleicher Weise erfasst –, wäre dies zwar keine begrüßenswerte, aber eine nachvollziehbare Systematik. Wenn aber im Zuge der Einsparungen die GA-Ost komplett erhalten bleibt und der gesamte Einsparungseffekt zu 100 % über die Abschaffung der GA-West erreicht wird, sagen wir Nein, und zwar nicht nur aus vordergründig patriotischen Gründen, sondern klar als Vertreter bayerischer Interessen. Und zur Vertretung dieser Interessen gibt es in Bayern genügend Platz und Raum. Der gesamte Osten, von Passau und Hof bis hinüber nach Coburg, ist ein solcher Raum. Deshalb werden wir das Anliegen dann ablehnen, wenn – von wem auch immer – Bestrebungen kommen, die GA-West als alleinigen Steinbruch für die Einsparungen zu sehen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie sagen, Sie seien auch dafür, dass die GA-West erhalten bleibt. Für den Fall, dass unsere gemeinsamen Bemühungen scheitern und der Bund – aus welchen Gründen auch immer – die GA-West streicht, haben wir unseren Antrag vorgesehen und erwarten vom Freistaat Bayern, dass er die Gemeinschaftsaufgabe in vollem Umfang, also beide Teile – die Bundes- und die Landesteile – aus Landesmitteln übernimmt. Diese Aufgabe ist uns sehr wichtig, machen wir uns nichts vor. Bei allen Haushaltsproblemen, die sicherlich auch in Bayern da sind, die aber in keinem Verhältnis zu den Problemen auf Bundesebene stehen, sagen wir dennoch: Diese rund 10 Millionen Euro, die die Gemeinschaftsaufgabe per anno kosten würde, müssen
uns und auch Ihnen unsere strukturschwachen Gebiete in Bayern wert sein.
Abschließend bitte ich deshalb die Redner der CSU-Fraktion und die Vertreter der Staatsregierung, auf folgende Fragen einzugehen. Wie sieht Ihre Fördergebietskulisse aus? Wie begründen Sie sie auch gegenüber weiter reichenden Forderungen? Ich fi nde bei meiner Arbeit in Oberfranken eine Reihe von Gebieten vor, die in die Fördergebietskulisse aufgenommen werden wollen, und ich bekomme Briefe von CSU-Landräten usw., die eine Aufnahme in die Fördergebietskulisse fordern.
Bitte sagen Sie uns auch, was von Ihrer Seite geschieht, wenn der Bund – aus welchen Gründen auch immer – die GA-West streicht und Bayern vor der Frage steht, diese Regelung zu übernehmen oder nicht. Ich habe heute Morgen in einer Radiomeldung einen CSU-Abgeordneten gehört. Dieser hat gesagt, er habe mit dem Ministerpräsidenten geredet und dieser habe gesagt, wenn der Bund die GA-West einstelle, werde Bayern diese Aufgabe übernehmen. Solche Morgennachrichten hört man gerne. Ich habe gleich eine Tasse Kaffee mehr getrunken und bin dann fröhlich in den Bayerischen Landtag gegangen.
Es wäre schön, meine Damen und Herren von der CSU, wenn Sie vor dem Bayerischen Landtag diese Morgennachricht bestätigen würden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Äußerungen von Herrn Sackmann und Herrn Staatsminister Huber, aber auch die des Kollegen Runge möchte ich noch kurz replizieren. Noch einmal, Herr Kollege Runge: Wir haben es zwar da und dort schon gemacht, nicht aber an dieser Stelle. Natürlich kann man aus verfassungssystematischen Gründen sagen, die Gemeinschaftsaufgabe ist eines dieser Weichteile der deutschen Verfassungsrealität, die man besser durch zwei klare Pfähle ersetzen sollte: Bund hier, Land dort. Dem stimme ich immer dann zu, wenn mit der Gemeinschaftsaufgabe etwas erledigt wird, was auf eine andere Art und Weise für alle Teile Deutschlands genauso oder noch besser zu erledigen wäre. Wenn das nicht der Fall ist, dann hat die GA trotz all ihrer strukturellen Schwierigkeiten weiterhin ihre Berechtigung. Das gilt für die GA im Bereich der regionalen Wirtschaftsstrukturförderung in vollem Umfang. Es gibt kein anderes Instrument, weder ein nationales noch ein regionales und auch kein EU-Förderinstrument, das zielgenau das tut, was die GA tut, nämlich eine Investitionsförderung zu subventionieren, die unmittelbar die betrieblichen Investitionen anzieht und damit eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und damit eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Schaffung von Arbeitsplätzen schafft.
Weil das so ist, müssen wir das unterstützen, oder man muss ein anderes, noch besseres Instrument erfi nden. Ich habe es noch nicht gefunden. Wer es erfi nden kann, soll sich melden. Wir haben es nicht; also bleibt es dabei.
Und noch etwas, Herr Minister. Sie haben hier zwei Dinge gesagt, die sehr wichtig sind, aber leider nicht im CSUAntrag enthalten sind. Wenn Ihr Gespräch mit Minister Glos belastbar ist, das heißt, wenn das später so vollzogen wird, wird es, wenn es überhaupt eine Kürzung gibt, eine proportionale Kürzung geben und nicht allein eine Kürzung West. Das ist ein Punkt, den wir beide gemeinsam anstreben. Wenn es so kommt, ist es in Ordnung, noch besser wäre es allerdings, wenn es überhaupt keine Kürzungen geben würde.
Außerdem wissen wir, dass es zur Ausdehnung der Fördergebietskulisse kommt. Da bleibe ich bei meiner Kritik. Das tut jeder, meist im Rahmen seiner unmittelbaren Interessen seines Stimmkreises oder seines Landkreises. Das ist auch legitim. Wenn es aber um die politische Sache als solche geht, dann gibt es keinen anderen Ort als das Parlament hier, in dem das besprochen werden muss. Das geht nicht durch irgendwelche Zwiegespräche oder Korrespondenzen. Wenn Sie nun aber die Zeit haben, der Presse oder den sonstigen Medien mitzuteilen, wie die zukünftige Kulisse aussehen soll, dann müssen Sie auch die Zeit fi nden, es den Abgeordneten des Bayerischen Landtags vorzutragen. Dabei bleibe ich, Herr Minister.
Das ist eine Stilfrage. Und noch ein letzter Punkt, bei dem ich mich erfreut zeige. Sie haben angedeutet – allerdings nicht festgemacht –, dass in der Tat der Freistaat Bayern bereit wäre, im Falle des Komplettausfalls eine Substitution durch bayerische Landesmittel vorzusehen.
Das freut mich sehr, wenngleich ich eigentlich davon ausgehe, dass das eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Gleichzeitig muss ich Ihnen aber auch noch Folgendes sagen, Herr Kollege Sackmann: Wenn das so ist, dann ist Ihre vorhin vorgetragene Begründung dazu, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen können, weil das zu Haushaltsbelastungen führt, völlig absurd.
Diese Begründung haben Sie natürlich vorher abgesprochen und jetzt können Sie sich nicht erneut gegenseitig absprechen und müssen es deshalb möglicherweise dabei belassen. Ich hoffe, dass, wenn wir das Hohe Haus verlassen, Sie auch dann, wenn Sie unseren Antrag ablehnen, sagen können, dass das, was wir heute debattiert haben, Bayern in Sachen GA West voranbringt. Denn das war das Ziel der ganzen Operation.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Damit die Sache ein bisschen mehr Lebendigkeit bekommt und
nicht nur Kollege Schieder und die Kolleginnen Gote und Biedefeld mit letztem körperlichen Einsatz dafür kämpfen, dass diese Debatte lebendig bleibt,
wäre es ganz nett, wenn wieder einmal jemand von der CSU das Wort ergreifen würde. Das ist der Sinn parlamentarischer Debatten.
Das will ich doch annehmen, es sei denn, Sie haben seit dem Auftritt von Frau Dodell kein neues Argument mehr vorzubringen vor allem auf die Einlassungen, die die Bürgerinnen und Bürger in Form ihrer Petitionen eingereicht haben. Wenn Sie auf diese Einlassungen keine Antworten wissen, haben Sie natürlich Recht, wenn Sie nichts mehr sagen.
Die Äußerungen der Frau Dodell heute Morgen, die sie gut vorbereitet hat, zeigen, welche – sagen wir einmal – eingeschränkte oder begrenzte Auffassung Sie haben, verehrte Frau Dodell.
Sie glauben nämlich, dass dann, wenn 60 % der Menschen bei einer Wahl, aus welchen Gründen auch immer, für Ihre Partei stimmen, würden mindestens ebenso viele Menschen für die Regelung einer Sache, wie in diesem Fall für das Kinderbetreuungsgesetz, stimmen. Da unterliegen Sie einem großen Irrtum, meine Damen und Herren. Sie haben zur Stützung Ihrer These argumentiert, dass es diese oder jene Organisationen gewesen seien, die am letzten Samstag demonstriert hätten, und dieser leicht unterschwellige Ton, der Ihren Äußerungen zu entnehmen war, so in die Richtung, das war halt Verdi oder AWO, das übliche Gesocks, das sich immer aufregt über das, was die CSU sagt, zeigt diese Begrenztheit. Deswegen gehe ich auch darauf ein.
Wenn Sie wirklich offen wären für die Probleme, würden Sie über Ihre Vorurteilswand springen und sagen: Verdammt nochmal, vielleicht reicht das, was ich da an Vorurteilen vor mich herschiebe, nicht aus, wenn ich es mit einem Kindergarten eines konfessionellen Trägers, also einer Kirche, zu tun habe. Ich denke da an einen Kindergarten, der konfessionell geführt wird in einer Gemeinde, die fast nichts anderes als CSU wählt. Wenn sich nun Menschen aus diesem Umfeld, die Träger, der Elternbeirat, die konfessionellen Erzieherinnen, die dort beschäftigt sind, so engagieren, und der Bürgermeister, der nicht meiner Partei angehört, sich dann bei mir telefonisch meldet und um Verständnis bittet, dass er auf diese Petition seinen Namen nicht setzen kann, dann ist das schon beachtenswert. Es ist eine beachtliche Dichte konservativer und christlich orientierter Bevölkerungsteile, die sich hinter eine solche Petition stellt, Bevölkerungsteile, die ansonsten nichts, aber auch gar nichts mit der SPD zu tun haben. Und wenn dann eine solche Phalanx Ihnen gegenübertritt, Frau Dodell und meine Damen und Herren
von der CSU, dann sollten Sie sich schon überlegen, ob das, wie Sie es fabriziert haben, so einfach abzutun ist als das übliche Geschwätz der Linken in diesem Lande.
Sie haben genügend Grund, darüber nachzudenken.
Ich lese Ihnen jetzt etwas aus dieser Petition, die ich meine, vor, und gehe dann zum Schluss noch ein bisschen darauf ein. Es handelt sich um eine Petition des Elternbeirats des Kindergartens Pfi ffi kus – so heißt der pfi ffi gerweise – aus der Gemeinde Grafengehaig im Landkreis Kulmbach. Zu dieser Petition gibt es eine Unterschriftenliste mit 130 Unterschriften. Das ist bei einer Gemeinde mit circa 1100 Einwohnern schon bemerkenswert.
Ich darf zitieren:
Wir sehen die Existenz von kleineren Kindergärten wie dem unseren für die Zukunft massiv bedroht. Der Kindergarten im Markt Grafengehaig ist eingruppig. Zwei Erzieherinnen haben im Kindergarten ihren Arbeitsplatz.
Künftig müssen alle Eltern für ihr Kind/ihre Kinder Buchungszeiten für die durchschnittlich in der Einrichtung verbrachte Zeit festlegen. Entscheidet sich die Mehrzahl der Eltern für relativ kurze Buchungszeiten – es werden sicher auch fi nanzielle Aspekte mit in die Entscheidung einfl ießen –, so wird es bei unserem Kindergarten wohl in der Praxis so aussehen, dass die Mehrzahl der Kinder durchschnittlich um die fünf bis sechs Stunden täglich in der Einrichtung sein wird. Bereits jetzt haben wir relativ viele Kinder, die den Kindergarten nur vormittags oder bis zum frühen Nachmittag besuchen. Wir befürchten, dass es dem Kindergartenträger bei einer solchen Entwicklung nicht möglich sein wird, die bislang gewohnten Öffnungszeiten, die auch für Berufstätige akzeptabel waren, aufrechtzuerhalten. Es steht vielmehr zu befürchten, dass die Öffnungszeiten eingeschränkt werden. Die Auswirkungen auf die Arbeitszeiten der Erzieherinnen wären hiervon natürlich nicht unberührt.
„Eltern brauchen ein fl exibles, modernes Betreuungsangebot für ihre Kinder, bei dem Qualität in Bildung und Erziehung im Mittelpunkt steht, und gleichzeitig auch maßgeschneiderte Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit“ – so ist es in einer Veröffentlichung des Familienministeriums zum BayKiBiG zu lesen. Wir fragen uns: Wie soll gerade bei uns im ländlichen Raum diese Vereinbarkeit sichergestellt sein? Soll bei den Familien auf dem Lande ein Partner, meistens sind es ja die Mütter, wenn überhaupt, nur noch halbtags arbeiten können, um die Kinder rechtzeitig vor Ende der dann wahrscheinlich gekürzten Öffnungszeiten im Kindergarten abholen zu können? Läuft unsere Gesellschaft noch mehr Gefahr, dass sich immer
mehr Paare ganz gegen Kinder entscheiden, weil ein wichtiger Punkt, die Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder, völlig unzureichend ist? Oder ist es der Wunsch der Politik, dass sich die Erzieherinnen künftig auf eigenes Risiko als Tagesmütter beschäftigen, um diese Engpässe auszugleichen?
Meine Damen und Herren, ich habe das deshalb so ausführlich zitiert, weil bei meinen Gesprächen und Telefonaten, die ich fl ankierend geführt habe, immer wieder deutlich geworden ist, wie präzise die Schilderung des tatsächlichen Lebens auf der einen Seite vor Ort ist und wie genau die Petenten auf der anderen Seite darlegen können, dass das Gesetz in seinen Ausprägungen auf diese präzisen Lebensmöglichkeiten eben nicht eingeht. Das wird zur Folge haben, dass wir wieder in Zeiten zurückfallen, die wir angeblich alle nicht wollen, dass nämlich am Ende aus ökonomischen Gründen die Existenz einer Kinderbetreuungseinrichtung im ländlichen Raum komplett aufgegeben wird und damit wieder – ohne dass ich das irgendjemandem unterstelle, aber man kann sich auch nicht davor drücken – als Konsequenz am Ende alles darauf hinausläuft, dass die Frauen, so sie sich für Kinder entschieden haben, defi nitiv gegen einen Beruf entscheiden müssen, jedenfalls solange das Kind nicht in der Schule ist. Das kann es doch nicht gewesen sein, was Sie wollen, meine Damen und Herren von der CSU.
Ich komme noch einmal auf den Zusammenhang ländlicher Raum, konfessioneller Kindergarten. Wenn ich diese Verbindung sehe, stelle ich mir die Situation in meiner oberfränkischen Heimat vor. Da kann es Ihnen passieren, dass Sie alle fünf Kilometer eine genau umgekehrte konfessionelle Situation haben. Es gibt einen katholischen Ort mit einem katholischen Kindergarten, und acht Kilometer weiter ist die nächste Ortschaft zu 95 % evangelisch und hat einen evangelischen Kindergarten. Das ist zu berücksichtigen auch und gerade für die Eltern, die ganz bewusst einen konfessionellen Kindergarten wollen,
ob aus Cuius-regio-eius-religio-Gründen oder warum auch immer. Für diese Eltern gibt es in Kombination ländlicher Raum, eingruppiger Kindergarten und betriebswirtschaftliche Existenzbedrohung eine besondere Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Gastkinderregelung nach Artikel 23.
Schauen Sie sich das wenigstens, wenn Sie es schon nicht von uns annehmen wollen, nach einem Jahr durch entsprechende interne Erhebungen an. Es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit so, dass daraus erhebliche Probleme entstehen werden.
Sie schildern hier die Situation: Sie haben 26 Kinder; davon haben lediglich 16 ihren Wohnsitz in der Gemeinde, 10 nicht – das ist fast die Hälfte. Für die gilt das, was ich vorhin geschildert habe. Um den Ort herum ist genau die gegenteilige Religion; etliche Eltern haben geäußert, sie wollten bewusst nicht in den Kindergarten der anderen Konfession gehen.
Für diese Frage hat jemand, der in München oder Augsburg oder in einer anderen Großstadt lebt, überhaupt kein Verständnis; das ist doch vollkommen klar. Er sagt sich: Wenn ihr nicht in den einen Kindergarten gehen wollt, geht ihr halt einen Kilometer weiter in den nächsten. Was soll das? Die Frage des Transports spielt für ihn keine Rolle; die Möglichkeiten, die die Eltern in diesem Dorf haben, sind nicht zu vergleichen. Dort spielt das schon eine Rolle, meine Damen und Herren, und deswegen sollten Sie sich diese Situation wirklich noch einmal anschauen.
Ein weiterer Aspekt, den ich in dieser Form so noch nicht gehört habe, ist hier dargestellt: Das Kinder- und Jugendhilfegesetz des Bundes räumt den Eltern in § 5 ein Wunsch- und Wahlrecht ein. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf könnte dies de facto außer Kraft gesetzt werden. De facto wird das Wunsch- und Wahlrecht ausgehebelt, wenn es auch der Form nach besteht, weil die Kindergartenstruktur infolge dieses Gesetzes spätestens nach einem Jahr oder, zwei Jahren das Wunsch- und Wahlrecht völlig außer Kraft setzt.
Schließlich wird auf die Gastkinderregelung eingegangen. Zwar werden die Verwaltungsgrenzen vielfach berücksichtigt, aber nicht, dass die konfessionellen Zugehörigkeiten entscheidend sind auch für die Abgrenzung der einzelnen Kindergarteneinrichtungen zueinander. Hier heißt es:
Eltern aus angrenzenden Gemeinden könnten ihr Kind nach dem Wortlaut des neuen Gesetzes nur noch dann in den Kindergarten Eppenreuth bringen, wenn entweder die Aufenthaltsgemeinde bereit ist, den Platz als bedarfsnotwendig anzuerkennen,
- Klammer auf: ist nachgefragt worden und wird natürlich abgelehnt; denen geht es nicht so gut, wie die Propaganda hier und anderswo immer sagt; Klammer zu -,
in wenigen Einzelfällen der Artikel 23 greift, wenn der Träger bereit ist, auf die Zuschüsse für diesen Platz zu verzichten (dürfte aufgrund der ohnehin schwierigen Finanzlage ausgeschlossen sein) oder die Eltern bereit und in der Lage sind, die fehlenden Zuschüsse aus eigener Tasche aufzubringen.
Nur dann wird § 5 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erfüllt; alle vier Möglichkeiten sind mehr oder weniger ausgeschlossen. Ein einzelner Grund allein genügt im Übrigen auch schon. In der Petition heißt es später:
Verweigern die angrenzenden Gemeinden die Zustimmung für die „Bedarfsnotwendigkeit“, geht unser Kindergarten in eine ungewisse Zukunft.
Zum Schluss werden noch einmal vier Punkte angesprochen. Da ist einmal der Wegfall der Krankheitsvertretung für Erzieherinnen ab der zweiten Woche, der erhöhte Finanzbedarf – er ist schon mehrfach angesprochen worden – für Kinder nicht deutschsprachiger Eltern, die Personalkürzung und die wahrscheinliche Arbeitszeitreduzierung aufgrund dieses Gesetzes, die einen Träger vor erhebliche arbeitsrechtliche Probleme stellen kann. Dieser Aspekt ist nur da und dort mal angesprochen worden. Schließlich wird noch der Aspekt der Vorbereitungszeit angesprochen, die die Erzieherinnen für ihre pädagogisch wertvolle Arbeit unbedingt benötigen und die bei den Buchungszeiten nicht berücksichtigt wird.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Abschluss. Die Absichten, die das Gesetz in seiner Präambel vorgibt, mögen durchaus in vielen Bereichen ehrenwert sein. Sie decken sich auch mit dem, was wir und andere wollen und was eigentlich mehr oder weniger in der heutigen Debatte unstrittig ist. Aber ein aufgeschlossener Gesetzgeber muss zur Kenntnis nehmen, dass nicht jede Tat, die er vollbringt, am Ende dem gerecht wird, was er sich selbst oder anderen als Richtschnur vorgegeben und auf den Weg gebracht hat. Wenn er erkennt, dass das, was er am Ende getan hat, nicht dem entspricht, was er ehedem vorgab, erreichen zu wollen, muss er bereit sein, sein praktisches Tun zu revidieren. Dazu hätten Sie alle Zeit der Welt.
Das Gesetz will auf der einen Seite den modernen Lebensumständen Rechnung tragen, indem es fl exiblere Öffnungszeiten anbietet, was dem Wunsch der Eltern und auch der Lebenswirklichkeit der Arbeitswelt entspricht. Genauso richtig ist es aber auch, dass Sie auf der anderen Seite über die Buchungszeiten und andere Regelungen ökonomische Wirklichkeiten unter bestimmten Bedingungen – Eingruppigkeit, ländlicher Raum und so weiter – schaffen, die am Ende dazu führen werden, dass die vorgegebenen ersten Ziele, nämlich der fl exiblen Öffnungszeiten und damit der Antwort auf eine moderne Wirklichkeit von Familie und Arbeitswelt, ins Absurde geführt werden. Diese Widersprüchlichkeit ist im vorliegenden Gesetz angelegt.
Wenn Sie schon sagen, dass Sie sich durch unsere Debattenbeiträge hier nicht überzeugen lassen, so möchte ich doch wenigstens die herzliche Bitte an Sie und an das Ministerium richten: Sorgen Sie dafür, dass für die Anwendungswirklichkeit dieses Gesetzes im nächsten Jahr eine umfassende Bestandserhebung anheim gegeben wird; denn dann wissen wir in einem Jahr, ob diese oder jene Seite mehr theoretisiert hat und ob diese oder jene Seite mit ihren Vorstellungen der Wirklichkeit näher gekommen ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Offensichtlich macht die CSU schon Wahlkampf.
Vielleicht wissen Sie ja mehr als wir. Es kann aber auch sein, dass Sie das Wasser nicht mehr halten können.
Die Art und Weise, wie Sie dieses Thema eingebracht haben und jetzt durch den Kollegen Sackmann haben behandeln lassen, der die Debatte eröffnet, dann aber nicht weiter verfolgt hat,
deutet darauf hin, dass Sie glauben, Sie befi nden sich im Wahlkampf.
Europa braucht klare Grenzen, so schreiben Sie – weder mit Fragezeichen, noch mit Ausrufezeichen, sondern einfach so. Da kann ich Ihnen antworten: Europa hat Grenzen.
Es hat Grenzen durch seinen politischen, geographischen, ökonomischen und fi nanziellen Handlungsrahmen. In jeder denkbaren Art hat es Grenzen.
Wenn Sie das wollen, was Sie in Ihren Reden andeuten, müssen Sie die Überschrift „Europa braucht Grenzen“ ändern: Europa braucht andere Grenzen, braucht größere Grenzen, braucht kleinere Grenzen, braucht wie auch immer. Das ist aber nicht Ihr Thema, und deshalb haben Sie Ihr Thema verfehlt. Dieses Thema ist für Sie nur ein Vehikel dafür, wieder einmal eine Gelegenheit zu haben, auf die Bundesregierung Schröder zu schimpfen.
Das ist im Grunde alles, und dafür müssen wir eigentlich nicht zwei Stunden unserer kostbaren Zeit verschwenden.
Wie meinen Sie das: „Europa braucht klare Grenzen“? Meinen Sie das bezüglich der Vertiefung, wie das bei Ihnen angeklungen ist, Frau Kollegin Männle? Wer eine Vertiefung oder eine Begrenzung der Vertiefung will, muss jetzt aktuell dafür kämpfen – und zwar in jedem Land und in jeder Partei Europas –, um dem Verfassungsvertrag eine Mehrheit zu verschaffen. Das ist die aktuell wirksamste Waffe im Sinne einer Vertiefungsbegrenzung, aber auch einer Vertiefungspräzisierung der europäischen Integration. Darüber geht nichts, und ich kenne auch keine einzige politische Kraft, die einen klügeren Vorschlag hätte als diesen Verfassungsvertrag. Also, setzen wir uns hin und fragen uns, warum Teile der Bürger in Frankreich und in den Niederlanden – es waren sogar Mehrheiten von über 50 % – nicht erkennen, was notwendig ist. Das ist für uns eine Daueraufgabe und nicht irgendeine Aufgabe, die sich für vordergründige Polemik im Wahlkampf eignet.
Wer die Vertiefung und Begrenzung geographisch meint – das habe ich den Ausführungen der Kollegen Zeller und Sackmann entnommen –, kommt damit auf das alte
Thema Türkei. Was Adenauer begonnen hat zu versprechen, kann heute nicht immer noch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, meine Damen und Herren. Irgendwann ist Schluss mit lustig. Dass jetzt die Verhandlungen mit der Türkei beginnen, ist nicht mehr als eine Notwendigkeit innerhalb des staatlichen Geschehens zwischen den Völkern. Es ist rechtlich geboten, es ist moralisch geboten, und es entspricht ganz einfach auch dem Gewohnheitsrecht, dass man, wenn man 30 Jahre lang eine Option bietet, diese irgendwann einmal einlöst. Dass diese Verhandlungen, die jetzt nach 15 oder weiß Gott wie vielen Jahren beginnen, am Ende nach vielleicht wieder 15 Jahren dann automatisch in eine Mitgliedschaft der Türkei führen, ist das, was Sie zwar polemisch ständig vorerzählen, was aber bis heute niemand außer scheinbar Ihnen weiß. Für uns ist vollkommen klar: Wir müssen die Verhandlungen beginnen; es ist absolut sinnvoll, damit zu beginnen, aber es ist auch absolut klar, dass es ergebnisoffene Verhandlungen sind, von denen niemand weiß, was am Ende rauskommt.
Am wenigsten wahrscheinlich aber ist, dass das herauskommt, was Sie hier dauernd der Menschheit erzählen, nämlich eine „privilegierte Partnerschaft“ der Türkei. Kein Mensch auf dieser Welt weiß, was eine privilegierte Partnerschaft bedeutet. Den Begriff gibt es völkerrechtlich nicht, es gibt ihn rechtlich nicht, es gibt ihn überhaupt nicht.
Kein Mensch kann uns ein Beispiel in der Weltpolitik dafür nennen, was privilegierte Partnerschaft bedeutet. Entweder gibt es eine Mitgliedschaft nach den Regularien der EU, oder es gibt keine. So wird es am Ende auch kommen.
Ein dritter Erklärungsversuch geht dahin, Europa brauche Grenzen im fi nanziellen Bereich. Auch diese Überlegungen haben Sie geäußert. Dazu haben meine Kolleginnen und Kollegen schon etwas gesagt. Das größte Problem für Deutschland und die EU in Bezug auf die Finanzierung ist nicht die Frage, ob es 1,0 oder am Ende vielleicht 1,06 % des BNP sein werden, sondern das größte Problem ist der seit 20 Jahren existierende Rabatt der Briten.
Zwei Drittel des Beitrages seit 20 Jahren! Meine Damen und Herren, so viele Milliarden können Sie in den nächsten 20 Jahren nicht herbeischaffen, wie da versiebt worden sind. Dem hat Kohl so zugestimmt. I want my money back, hat Frau Thatcher damals gesagt. Und kaum hatte der Übersetzer Helmut Kohl erklärt, was dieser Satz bedeutet, hat er den Waigel schon angewiesen, den Scheck auszustellen.
Das sind die Gelder, meine sehr verehrten Damen und Herren, denen wir heute hinterherlaufen müssen, und vor diesem Hintergrund sind 1,0 oder 1,06 % für 2007 bis 2013 eine wirklich zweitrangige Frage.
Wir haben im Übrigen in diesem Hause diesbezüglich unsere Hausaufgaben schon gemacht, Frau Kollegin: Wir haben vor über einem Jahr in diesem Hohen Hause auf Drucksache 15/735, wenn Sie sich vielleicht erinnern wollen, unsere politische Auffassung dargelegt: Wir wollen erreichen, dass unser Beitragssatz zur EU bei einem Bruttonationaleinkommen von 1,0 % bleibt. Das war unser Antrag, und dazu stehen wir auch. Wir sollten versuchen, die Bundesregierung, wie immer sie heißt, dabei zu unterstützen, dass es bei diesem an sich vernünftigen Vorschlag bleibt. Kurzum: Europa braucht Grenzen – das ist wahr. Es hat sie aber auch. Wer wie auch immer geartete andere Grenzen will, muss sagen, welche er an die Stelle der jetzt gültigen setzen will.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich könnte die Wortmeldung für die CSU übernehmen. Das wäre überhaupt kein Problem. Ich wollte die Kollegen der CSU – so sie da gewesen wären – bezüglich ihres Gedächtnisses ein bisschen in Anspruch nehmen. Schade, dass die Kollegen nicht da sind. Dann müssen sich das die anderen Kollegen anhören, die nicht vom Fach sind.
Ich erinnere an die Drucksache 15/989, einen Antrag vom 12. Mai 2004, mit dem ein eigener Förderstatus für Grenzregionen wie Ostbayern gefordert wurde. Das war ein Antrag der SPD. Das Ziel war es, im nächsten Förderzeitraum der europäischen Strukturpolitik von 2007 bis 2013 diesen Regionen einen eigenen Förderstatus zuzuerkennen, Fördergefälle zu mindern, Anpassungsprozesse zu federn und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Das Protokoll weist eine Ablehnung durch die Mehrheit des Ausschusses aus. Wir wissen, wer die Mehrheit ist. Das war vor einem Jahr.
Heute verweise ich auf Ihren Antrag unter II, genauer auf die letzten fünf Spiegelstriche.
Ein zweites Gedächtnisstützungsangebot: Mit dem Antrag auf Drucksache 15/990 vom 12. Mai 2004 wurden die volle Ausschöpfung bayerischer Kofi nanzierungsmöglichkeiten und größere nationalstaatliche Spielräume für Regional- und Strukturförderung gefordert. Das EU-Beihilferecht sollte den Mitgliedstaaten und ihren Regionen größere Spielräume für deren eigene regionale und strukturpolitische Förderinstrumente einräumen. Das war das Ziel des Antrags. Das Protokoll weist aus, dass die Mehrheit des Ausschusses diesen Antrag abgelehnt hat. Diese Mehrheit ist Ihnen bekannt.
Ganz aktuell habe ich vorhin eine Meldung von heute Mittag bekommen, wonach Matthias Wissmann – das ist jemand von Ihnen – vorgeschlagen hat, die regionalen Strukturhilfen der EU teilweise wieder in die Hände der Nationalstaaten zu legen. In Deutschland käme dies vor allem auch der Förderung der neuen Länder zugute, hat der CDU-Politiker laut dpa erklärt.
Ich erinnere auch an den Antrag auf Drucksache 15/991 vom 12. Mai 2004 unter der Überschrift „Prioritätensetzung für grenznahe und grenzüberschreitende Verkehrsprojekte“. Darin ging es darum, die Bewältigung des erweiterungsbedingt ansteigenden und noch zu erwartenden Verkehrs in den Planungen zu priorisieren. Das Protokoll weist die Ablehnung dieses Antrags durch die Mehrheit des Ausschusses aus.
Schließlich möchte ich Sie noch an den Antrag auf Drucksache 15/988, ebenfalls vom 12. Mai 2004, erinnern. Wir wollten damals erreichen, dass Sie ein zweites Ertüchtigungsprogramm für Ostbayern – damals gab es nur eines – aufl egen, das einen Förderumfang von 200 Millionen Euro aufweisen sollte. Wie das Protokoll ausweist, ist auch dieser Antrag von der Mehrheit mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass es a) schon eines gäbe, b) dies 100 Millionen Euro umfasse und c) diese 100 Millionen Euro bereits gute Werke für Ostbayern täten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mehr muss man eigentlich nicht dazu sagen. Wenn Leute wie wir Gutes und Richtiges für Bayern wollen, wird das abgelehnt, so lange konserviert, bis die Mehrheit oder fast alle Menschen das vergessen haben, und dann unter dem eigenen Namen wieder in die Debatte eingebracht.
Das ist ein uraltes Prinzip. Allerdings ist es schwach, was diese Fraktion mit 124 Abgeordneten und einem gigantischem Apparat im Hintergrund an Leistung für Bayern und für die bayerische Bevölkerung erbringt. Wenn Sie schon nichts anderes können, sollten Sie wenigstens auf das hören, was die SPD ein Jahr vorher vorgeschlagen hat. Dann tun Sie das Richtige im Interesse der Bevölkerung.