Protocol of the Session on June 17, 2004

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 18. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen so wie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebe ten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt.

Ich wünsche Ihnen, die Sie hier sind, alle einen guten Mor gen und hoffe, dass diejenigen, die noch nicht hier sind, bald zu uns stoßen.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

Guten Morgen allerseits! Zum Geburtstag möchte ich zwei Kollegen gratulieren und nachträgliche Glückwün sche aussprechen. Herr Kollege Thomas Kreuzer feierte am 23. Mai seinen 45. Geburtstag.

(Beifall)

Ich hoffe, er nimmt über Mikrofon die Glückwünsche ent gegen. Herr Kollege Josef Zellmeier feierte am 31. Mai seinen 40. Geburtstag. Lieber Herr Kollege Kreuzer, guten Morgen, herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche Ihnen alles Gute und ebenso Herrn Kollegen Zellmeier zum 40. Ihnen beiden Gesundheit, alles Gute und Erfolg bei der parla mentarischen Arbeit, aber auch persönlich alles Gute.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vor schlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum The ma „Zukunft gestalten statt streichen: Fitnesspro gramm für Bayern“ beantragt.

In der Aktuellen Stunde – ich darf noch einmal kurz daran erinnern – dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Frak tion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit; dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Vielleicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie dann sprechen, achten Sie auf mein Signal. Dann erleichtern wir uns einiges im Ablauf der Sitzung.

Ich rufe den ersten Redner für die SPD-Fraktion, Herrn Kollegen Dr. Kaiser, auf. Es wurden für ihn zehn Minuten beantragt.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die SPD-Fraktion schlägt Ihnen, dem Bayerischen Landtag und der Bayerischen Staatsregie rung, ein Zukunftsinvestitionsprogramm, ein Fitnesspro gramm für Bayern vor. Dieses Programm soll ausgestattet sein mit 2 Milliarden Euro, verteilt auf die Jahre 2005 bis 2008, also auf die beiden kommenden Doppelhaushalte 2005/2006 und 2007/2008.

Dieses Programm dient der Stärkung unseres Landes im europäischen und internationalen Wettbewerb. Nach dem Zusammenstreichen der Investitionen im Nachtragshaus halt könnte dieses Wirtschaftsprogramm, das Wirtschafts wachstum wieder ankurbeln und damit Arbeitsplätze si chern und neue schaffen soll, auch unsere Steuereinnah men verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Wie sehr die Investitionen im Nachtragshaushalt 2004 zu sammengestrichen worden sind, mit welchen Folgen für das Wirtschaftswachstum in unserem Lande, zeigt ein Blick in den Haushalt, in die Gruppierungsübersicht. Da stellt man fest, dass beispielsweise die Baumaßnahmen im staatlichen Hochbau, Herr Finanzminister, von 637 Millio nen Euro auf 480 Millionen Euro zusammengestrichen worden sind, also um 160 Millionen Euro. Und bei den In vestitionsfördermaßnahmen, vor allem bei den Kommunen, ergibt sich ein Minus von 1,22 Milliarden Euro, nämlich eine Reduzierung von 4,2 auf 3,1 Milliarden Euro. Das heißt, hier ist ganz massiv in die Investitionen eingegriffen worden. Gestern beim Parlamentarischen Abend waren viele Vertre ter der freien Berufe da, und dabei ist insbesondere von den Bauingenieuren beklagt worden, dass die Bauwirt schaft in ein tiefes Loch gefallen ist. Dem wollen wir gegen steuern. Darum werben wir für dieses Programm.

(Beifall bei der SPD)

Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, in Verkehrsinfrastruktur und in die Infrastruktur allgemein und vor allem auch in die schwächeren Regionen unseres Lan des sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit Bayerns.

Finanziert werden soll dieses Zukunftsprogramm durch den Verkauf des Eon-Aktienpakets und einiger kleinerer Beteiligungen, die der Freistaat Bayern hält. Das Aktien paket der Eon – der Anteil beträgt 4,9 % am Gesamtakti enkapital – hat einen Börsenwert von zurzeit etwa 1,9 Milliarden Euro. Der Börsenkurs ist steigend; gestern lag er bei 58 Euro, also mit Tendenz nach oben.

(Thomas Kreuzer (CSU): Deswegen verkaufen sie jetzt!)

Herr Finanzminister, Sie haben selbst schon gesagt, dass Sie verkaufen wollen. Es kommt auf den Zeitpunkt an, und jetzt wäre, glaube ich, der richtige Zeitpunkt gegeben. Ich will gleich ein Missverständnis ausräumen. Da blicke ich ein bisschen nach links, von mir aus gesehen. Wer glaubt, dass er mit 4,9 % bei einem international tätigen Konzern wie Eon Energiepolitik machen kann als strategische In dustriepolitik, der irrt ganz gewaltig. 4,9 % sind eine reine Finanzbeteiligung und keine Möglichkeit, strategische Unternehmenspolitik zu machen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Bei uns macht die Energie politik Trittin!)

Wenn die GRÜNEN davon träumen, dann träumen Sie bitte weiter.

Die Eon Energie AG hat zwar – ein Teilbereich – ihren Sitz in München, aber jeder, der den Konzern kennt, weiß,

dass die Entscheidungen in Düsseldorf fallen und dass die Münchner, die ehemaligen Bayernwerkler, sage ich mal, nichts mehr zu sagen haben. Deshalb ist es gut, wenn wir das jetzt verkaufen und mit dem Geld sinnvolle Investitionen vornehmen.

(Beifall bei der SPD)

Damit der Börsenkurs nicht einbricht und damit wir viel leicht noch die steigende Tendenz mitnehmen können, bietet sich die so genannte Parklösung an, die auch auf Bundesebene bei der KfW praktiziert wird. Das heißt, wir sollten das Aktienpaket an die LfA, die Förderbank in Bay ern verkaufen – dafür ist sie schließlich da -, eine hundert prozentige Beteiligung des Freistaats.

Das heißt auch, dort anfallende Gewinne kommen wieder dem Freistaat Bayern zugute, wobei man beispielsweise durch eine entsprechende Vertragsgestaltung und mit ei nem Besserungsschein bei einem eventuellen Verkauf über dem jetzigen Börsenkurs auch die Staatskasse un mittelbar beteiligen kann.

Gewinne, die bei der LfA anfallen sollten, können wir dann für die Mittelstands- und Regionalförderung der Bank und für die Förderung der Technologie verwenden. Herr Fi nanzminister, das heißt, wir schlagen mit diesem Pro gramm in der Ausgabenpolitik des Freistaats Bayern eine Kurskorrektur vor mit der großen Chance, keinen Euro Neuverschuldung in Kauf zu nehmen. Dann haben wir zwei Milliarden Euro für sinnvolle Investitionen zur Verfügung,

(Beifall bei der SPD)

um insbesondere die Binnennachfrage zu stärken.

Wir haben eine gespaltene Konjunktur. Der Export boomt. Beispielsweise hatte BMW im März 2004 das beste Er gebnis in der Unternehmensgeschichte, während die Binnennachfrage lahmt. Natürlich muss sie lahmen, wenn der Finanzminister im Nachtragshaushalt 2004 ein Streichkonzert veranstaltet.

(Beifall bei der SPD)

Herr Faltlhauser, Sie haben jetzt die große Chance, Ihr Image und Ihre Rolle als „Voralpen-Brüning“ aufzugeben und hier für die Konjunktur, für die Arbeitsplätze und das Wachstum in unserem Lande etwas zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Die Binnennachfrage würde gestärkt. Die Tranche des Programms beträgt pro Jahr 500 Millionen Euro. Das be deutet nach den Vorgaben des DIW in Berlin ein zusätzli ches Wachstum von 0,2 % – bei einem Multiplikatoreffekt 1,4 % – und eine zusätzliche Steuereinnahme von rund 50 Millionen Euro; in Bayern bedeutet ein Prozent Wachstum 250 Millionen Euro, damit sind also 0,2 % 50 Millionen Euro. Dieses Zukunftsinvestitionsprogramm ist deshalb eine gute Sache.

Wir sind der Auffassung, dass das Geld vor allem für die Wissenschaft, Forschung, Bildung und Verkehrsinfra struktur ausgegeben werden sollte. Ich will nur auf einen

Bereich eingehen. Im Haushalt machen im Bereich Wis senschaft, Forschung und Kunst die bereits beschlosse nen, vom Wissenschaftsrat anerkannten – von Bund und Ländern gemeinsam vorgesehenen Maßnahmen – Bau maßnahmen an den bayerischen Universitäten, Universi tätskliniken und Fachhochschulen insgesamt ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro aus. Das heißt, auf Bayern entfal len 1,75 Milliarden Euro. Wir können das Geld also sehr sinnvoll einsetzen.

Herr Kollege Ach, gerade bei den nordbayerischen und fränkischen Universitäten Würzburg und Erlangen/ Nürnberg ist der größte Anteil noch abzufinanzieren. Die TU hat ihr vorgesehenes Geld von über einer Milliarde Euro größtenteils verbaut. Erlangen/Nürnberg und Würz burg haben noch mehr als die Hälfte des vorgesehenen Volumens abzufinanzieren. Da können wir mit diesem Programm ein Stück Regionalpolitik machen.

Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, dieses Programm schon jetzt für die Haushaltsberatungen, die im Herbst unmittelbar bevorstehen, zu akzeptieren. Die Vorbereitungen für den Doppelhaushalt 2005/2006 laufen längst. Sie stärken damit die Konjunktur, schaffen und si chern Arbeitsplätze und generieren neue Steuereinnah men, ohne einen Euro Schulden zu machen. Wir geben ohne strategische Bedeutung für unsere Politik eine Betei ligung aus der Hand, also eine reine Finanzinvestition. Diese können wir aufgeben.

Stärken wir also gemeinsam die Konjunktur und die Zu kunftsfähigkeit unseres Landes. Starten wir damit eine Offensive des Optimismus, damit die Binnenkonjunktur anspringt und wir die Zukunftsfähigkeit Bayerns stärken. Ich bin guter Hoffnung, dass sich die Mehrheitsfraktion CSU diesem Vorschlag nicht entzieht. Packen wir’s ge meinsam an für unser Bayernland.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Ach das Wort erteilen. Dafür wurden zehn Minuten beantragt. Bitte schön, Herr Kollege Ach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf Ihnen namens der noch nicht ganz vollzählig anwesenden CSU-Fraktion ei nen fröhlichen guten Morgen wünschen; denn die CSUFraktion hat heute zweierlei Gründe, fröhlich zu sein:

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Erstens verzeichnen wir traditionell ein gutes Ergebnis bei der Europawahl. Zweitens haben wir heute von Ihnen ein Thema vorgelegt bekommen, das uns eigentlich mehr als freuen muss.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

- Herr Kollege Dr. Kaiser, ich komme gleich darauf zu spre chen: Ich stelle erfreulicherweise fest, dass Sie bei den Beratungen des Haushaltsausschusses in der Woche vor Pfingsten sehr aufmerksam zugehört haben.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Das mache ich immer!)

Die von Ihnen heute vorgestellten Privatisierungsüberle gungen, die in einzelnen Stichpunkten bereits detailliert vorgetragen wurden, gibt es im Grunde eigentlich seit langem. Sie wurden im Zusammenhang mit dem Beteili gungsbericht, auf den Sie sich offensichtlich aufgrund Ih rer weiterer Überlegungen beziehen, im Ausschuss erneut grundsätzlich angesprochen; Herr Staatsminister der Fi nanzen, danke schön. Es freut mich auch, dass Sie der Bericht von Herrn Staatsminister Huber zur Hightech-Of fensive am darauf folgenden Tag dazu inspiriert zu haben scheint, sich über den Einsatz von Mitteln Gedanken zu machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, inso fern ist der Vorstoß, dass sich der Staat von Beteiligungen an Privatunternehmen trennen soll, ganz und gar nicht neu. Er entspricht im Gegenteil der Privatisierungspolitik der CSU-Fraktion und der Staatsregierung der letzten über zehn Jahre. Deshalb beobachte ich mit großem Inte resse und mit Aufmerksamkeit, dass jetzt die SPD in Sa chen Privatisierungspolitik und Privatisierungserlöse – ich bitte Sie, gut zuzuhören – grundsätzlich eine Kehrtwende vorzunehmen scheint.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, daran, dass die SPD nach zehn Jahren nunmehr vielleicht zur Einsicht kommt, während sie in der Vergangenheit – ent schieden im Ton, aber sachlich grundfalsch – Privatisie rungen meist als Verscherbelung von Tafelsilber kritisiert hat, nun aber gerade dies fordert, sieht man, wie die Ent wicklung auch bei ihr im guten Sinne vorangeht.