Joachim Wahnschaffe
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Herr Staatssekretär, Sie haben soeben ausgeführt, dass die Staatsregierung großen Wert darauf liegt, Absolventen von Praxisklassen finanziell zu fördern, um sie auf diese Weise an einem Ausbildungsplatz unterzubringen. Können Sie, nachdem Sie 150 Betriebe besucht haben, sagen, ob Sie mit diesem Förderprogramm überhaupt in einem Fall Erfolg gehabt haben?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN ist offensichtlich ein Reflex auf den innerparteilichen Streit der Union. Insofern verstehe ich, dass Sie sich ärgern. Die GRÜNEN haben etwas thematisiert, das in der Tat im Augenblick nicht aktuell auf der Tagesordnung steht, was aber von Ihrem Vertreter in der Verhandlungskommission auf Bundesebene, Herrn Seehofer, thematisiert worden ist.
Man muss schon mal fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie Sie es denn mit der Seriosität Ihrer Vorschläge halten. Bisher haben Sie eine bequeme Haltung an den Tag legen können. Sie haben alles, was die Bundesregierung vorgelegt hat, rundweg abgelegt. Sie sagen zwar – Frau Stewens tut dies jeden Tag –, dass wir Reformbedarf hätten und etwas passieren müsse. Herr Kobler fügte, ohne rot zu werden, hinzu, Rot-Grün habe die Sicherungssysteme an die Wand gefahren. Darauf komme ich noch zurück. Dieses Szenario haben Sie bisher aufgebaut. Frau Stewens hat es mit der inhaltsreichen Aussage gekrönt: Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz – das ein Ziegelstein ist – ist ein Schmarrn. Das war die einzige essenzielle Aussage, die sie bisher zu dem wichtigen Reformgesetz hat.
Nun zeigt sich, dass die Union offenbar anderen Sinnes geworden ist, dass sie sich nämlich wegen dieses „Schmarrns“ mit der rot-grünen Regierung an den Tisch setzt und darüber verhandelt. Ich meine, das ist im Interesse der Versichertengemeinschaft, aber auch der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung gut so. Darum sollten Sie kein solches Szenario aufbauen und sollten nicht Vergangenheitsbewältigung betreiben – schon gar nicht eine falsche.
Wir wollen etwas tiefer in die Geschichte eindringen und uns an das Jahr 1990 zurückerinnern. Spätestens dann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, die sozialen Sicherungssysteme, auch im Hinblick auf die Herausforderungen der Deutschen Einheit, zu reformieren. Was haben Sie gemacht, und was hat die Kohl-Regierung, was hat Gesundheitsminister Seehofer damals gemacht? – Sie haben die sozialen Sicherungssysteme einseitig mit den Folgen der Deutschen Einheit belastet. In der Zeit von 1990 bis 1998, also bis zum Regierungswechsel, sind die Beitragssätze sowohl bei der gesetzlichen Krankenversicherung als auch bei der Rentenversicherung in einem Maße gestiegen, wie wir das nicht einmal heute unter wirtschaftlich sehr viel schwierigeren Bedingungen haben.
Ich erinnere an das Jahr 1997. Das haben Sie offenbar verdrängt. 1997 drohte der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 21% zu steigen. Nur weil die
SPD – damals in der Opposition – der Regierung die Hand gereicht hat, hat man mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt den Rentenbeitragssatz von 20,3% erhalten. Wir sind dabei nicht stecken geblieben. Wir haben seit 1998 reformiert, und wir haben auch da reformiert, wo es uns keinen Beifall gebracht hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar grundsätzliche Ausführungen machen. Über die Notwendigkeit von Reformen – das sagte ich schon – sind sich alle einig. Wenn es dann darum geht, Details einer solchen Reform zu beschreiben, wie es die Regierung mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz oder dem Beitragssicherungsgesetz, das zum 01. 01. 2003 in Kraft getreten ist, getan hat, sind sofort alle Bedenkenträger da. Dann ist die Lobby da, sind die Ärzte, die Pharmaindustrie, die Apotheker und die Krankenkassen da, und dann ist vor allem die Opposition da. Nur, meine Damen und Herren, dazu, wie wir die Krise bewältigen und in welche Richtung wir sie bewältigen, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Zum einen fordert Herr Seehofer die Bürgerversicherung, die im Übrigen nicht von ihm stammt, sondern von der Rürup-Kommission vorgeschlagen wurde. Das muss man wissen; denn die Rürup-Kommission arbeitet nicht in Ihrem Sinne. Deshalb haben Sie als Gegenpol die Herzog-Kommission eingesetzt.
Außerdem hat sich Herr Seehofer über die „Privatisierungsorgie“ der Union aufgeregt und gesagt, die Union könne nicht die Hand dazu reichen, dass der Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen wird. Recht hat er! Recht hat er – wir unterstreichen das. Nur, aus dem Mund von Herrn Seehofer klingt das nicht ganz so glaubwürdig, wie das manche gerne hätten und es die Publizistik hinstellen will. Erinnern wir uns, denn das Gedächtnis mancher ist sehr kurz: Es war Herr Seehofer, der vor dem Jahr 1998 als Gesundheitsminister den ersten Schritt in diese Richtung getan hat, indem er denen, die nach 1978 geboren sind, die Leistungen für den Zahnersatz gestrichen hat. Die rot-grüne Koalition hat das rückgängig gemacht. Ich glaube, das war eine richtige Entscheidung.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Diskussion hart führen, wie wir die sozialen Sicherungssysteme erhalten oder ob wir sie, wie manche Teile der CSU im Bundestag, einreißen wollen. Wir Sozialdemokraten bekennen uns uneingeschränkt zur Solidarität innerhalb der sozialen Sicherungssysteme, weil sie seit 100 Jahren das tragende Fundament sind und sich nachhaltig bewährt haben. Aber – da sind wir ehrlicher als Sie – wir meinen, dass diese Systeme wegen der veränderten Bedingungen zukunftsfest gemacht werden müssen.
Es gibt zwei Probleme, die heute schon mehrfach benannt worden sind.
Warten Sie es nur ab, Herr Kollege.
Das ist auf der einen Seite die wirtschaftliche Entwicklung. Lieber Herr Kollege Kobler, im Unterschied zu Ihnen – Sie hatten bis 1998 dazu Gelegenheit gehabt – sind wir strukturelle Reformen seit 1998 angegangen. Wir haben beispielsweise bei den Renten die versicherungsfremden Leistungen herausgenommen und finanzieren sie jetzt über Steuern – von Ihnen heftig bekämpft. Was würden Sie denn machen, wenn Sie 2002 – was der Wähler Gott sei Dank verhindert hat – an die Regierung gekommen wären? – Sie hätten – da wage ich, meine Hand dafür ins Feuer zu legen – nichts verändert, Sie hätten es so belassen, weil es nämlich so der richtige Weg ist.
Wir müssen diesen Weg weiter beschreiten, auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung, indem wir strukturelle Eingriffe vornehmen, aber nicht so wie Sie, indem wir den Leistungskatalog kürzen, sondern indem wir beispielsweise eine Über- oder Fehlversorgung besser steuern. 20 Prozent der ja nicht gerade geringen Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehen durch eine Über- bzw. Fehlsteuerung von Leistungen verloren. Das müssen wir verändern, und deswegen brauchen wir mehr Qualität und mehr Transparenz. All das sind Dinge, die in diesem Gesundheitsmodernisierungsgesetz stehen und die Frau Stewens als „Schmarrn“ tituliert hat.
Es geht aber auch um mehr: Es geht darum, aus den gesetzlichen Krankenversicherungen versicherungsfremde Leistungen herauszunehmen und sie ebenfalls über Steuern zu finanzieren. Wir haben auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht, aber Sie drücken sich davor. Sie haben bisher zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung nicht einen einzigen vernünftigen Finanzierungsvorschlag gemacht.
Wir haben gesagt, wir wollen die Tabaksteuer erhöhen. Das ist sicher – auch bei manchen in meiner Fraktion – nicht ganz gut angekommen, aber es ist vielleicht eine hilfreiche Maßnahme, weil es den einen oder anderen Raucher zu der Überlegung veranlassen könnte, ob das, was er tut, nicht nur der eigenen Gesundheit abträglich ist, sondern generell ein Verzicht auf mehr oder weniger Rauchen ein Dienst an der Gesellschaft ist. Wir haben ganz konkrete Maßnahmen ergriffen, um dieses Sicherungssystem strukturell zu verändern und damit zukunftsfest zu machen.
Nun gibt es einen weiteren Gesichtspunkt, und der ist Gegenstand des Antrags der Grünen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in einem Punkt – aber nur in dem einen Punkt – muss ich Herrn Kobler Recht geben, nämlich dass die Behandlung dieses Themas heute vielleicht etwas verfrüht ist und dass wir darüber erst ernsthaft reden können, wenn die Vorschläge der Rürup-Kommission im Herbst vorliegen. Dann wissen wir auch vor dem Hintergrund einer gesicherten Datenbasis, worüber wir reden.
Die Kolleginnen und Kollegen aus dem sozialpolitischen Ausschuss werden sich auch noch an eine gemeinsame Fahrt nach Frankreich erinnern. Es wird ja manchmal von außen kritisiert, warum wir solche Fahrten unterneh
men. Wir haben damals in Frankreich gesehen, dass eine breitere Finanzierungsbasis der verschiedenen Risiken durchaus Sinn macht. Die Franzosen haben schon Schritte in diese Richtung unternommen, indem sie die Einnahmebasis verändert haben, indem sie Mieteinnahmen oder Einkünfte aus Kapitalerträgen mit einbeziehen. Wenn wir im Augenblick darüber nachdenken – der Gedanke ist mir, ehrlich gesagt, nicht sympathisch –, die Rentner bei der Krankenversicherung in Zukunft vielleicht stärker zu belasten, dann gehört es zur sozialen Gerechtigkeit, auch darüber nachzudenken, diejenigen, die auf der bessern Seite des Lebens stehen, die höhere Einkünfte haben, mehr in dieses Sozialversicherungssystem einzahlen zu lassen bzw. sie an diesem System zu beteiligen. Insofern ist dieser Gedanke nicht nur nicht abwegig, sondern er ist notwendig. Nur der Weg dorthin ist außerordentlich schwierig.
Ich will das nur einmal am Beispiel der Beamten anreißen. Wir haben bei den Beamten – das gilt in besonderer Weise für die Altersversorgung, aber auch für die Krankenversorgung – ein ganz anderes Prinzip. Es ist natürlich so, dass wir bei der Frage einer weiteren Beitragsbemessung, sprich der Einbeziehung der Freiberufler und der Beamten, gewinnen können, insbesondere bei der Krankenversicherung. Ich habe aber gesagt, bei den Beamten macht es Schwierigkeiten, weil es für sie ein ganz anderes Versorgungsprinzip gibt, nämlich das sogenannte Alimentationsprinzip. Deswegen kann man nicht von heute auf morgen sagen, wir beziehen alle mit ein, sondern es bedarf der sorgfältigen Überlegung, schon deswegen, weil über allem das Bundesverfassungsgericht thront und wir keine verfassungswidrigen Gesetze machen sollten und wollen.
Das Problem, das durch den Antrag angerissen ist, ist erkannt, und ich glaube, auch die Richtung stimmt, wenn man daran geht, mehr in die Solidarkassen einbezahlen zu lassen. Nur wie wir das bewältigen, darüber müssen wir uns noch unterhalten. Deswegen sind auch Einzelheiten, die in diesem Antrag aufgeführt sind, für uns nicht ohne weiteres nachvollziehbar, im Gegenteil: Wir würden sie auch nicht unterstützen können. Das ist zum Beispiel die Herausnahme der beitragsfreien Mitversicherung unter den gegenwärtigen Umständen.
Ja, ich weiß, dass Sie das fordern. Das ist aber nicht unsere Position, und ich vertrete hier nur die Position der Sozialdemokraten.
Wenn dann von den Besserverdienenden die Rede ist, sind die Vorschläge in meinen Augen auch völlig sachwidrig, weil nämlich die Besserverdienenden leider ohnehin nicht in der GKV sind, sondern privat versichert.
Abschließend – Frau Kollegin Radermacher, ich hoffe ich habe die Kurve bekommen –: Es ist erfreulich, dass wir jetzt endlich, nach dem vielen Pulverdampf, der auch von der Staatsregierung erzeugt worden ist, auf dem Weg sind, konstruktive Gespräche in Berlin zu führen. Es geht nicht um die Profilierung der einen oder anderen politischen Richtung, sondern es geht um wesentlich mehr; es geht um die Sicherung eines solidarischen Sys
tems, von dem 90 Prozent unserer Bevölkerung abhängen. Viele haben überhaupt keine Chance, sich in irgendeiner Weise auf etwas anderes einzustellen. Sie sind dringend auf dieses System angewiesen, ob sie krank sind, ob sie alt sind, ob sie schwach oder pflegebedürftig sind.
Wenn wir Verantwortung wahrnehmen wollen – davon gehe ich aus –, dann sollten wir diese Gespräche führen. Ich hoffe, dass nicht erst der Bundesrat – insofern geht dieser Antrag fehl –, sondern dass bereits der Bundestag zu konstruktiven Ergebnissen kommt, die dann möglicherweise der Bundesrat nur noch abzunicken hat, und dass die Sache nicht in einem Vermittlungsausschuss, von dem niemand weiß, wer da eigentlich drinsitzt und welche fachliche Qualifikation er hat, als Reform beschlossen werden muss. In diesem Sinne sollten wir alle diese Bemühung unterstützen, auf der einen wie auch auf der anderen Seite.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Dinglreiter hat von den Schwierigkeiten gesprochen und von der ernsten Erinnerung in der zuvor stattgefundenen Gedenkstunde. Nun wurde ein völlig neues Thema angesprochen. Ich muss der CSU ein Kompliment machen, dass sie gerade dieses Thema zum Inhalt der Aktuellen Stunde gemacht hat. Ich glaube, im Augenblick können wir über nichts Wichtigeres reden als darüber, wie wir jungen Menschen wieder eine Perspektive geben.
Gerade in Bayern – darüber haben Sie leider zu wenig gesprochen – finden wir die Situation vor, dass die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen so niedrig ist wie nie zuvor in den letzten 10 Jahren. Dies ist eine Entwicklung, die zwar auch bundesweit zu verzeichnen ist, die in Bayern aber eine besondere Ausprägung hat. Bereits im letzten Jahr ist die Zahl der Ausbildungsstellen in Bayern überdurchschnittlich zurückgegangen, und zwar um 7,7%. Im Bundesdurchschnitt ist sie dagegen um 7,1% zurückgegangen.
Wenn Sie hier immer nur mit dem Finger auf die Bundesregierung zeigen und sagen, sie sei an diesem und
jenem schuld, machen Sie es sich zu einfach. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir erweisen jungen Menschen, deren erste Erfahrung es möglicherweise ist, in die Arbeitslosigkeit entlassen zu werden, damit keinen guten Dienst. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir keine Antwort geben auf die Frage: Ist das meine Zukunftsperspektive? – und stattdessen mit dem Finger auf die anderen zeigen. Ein Bundespräsident hat doch einmal so zutreffend formuliert: Vier Finger zeigen dabei auf uns zurück.
Deshalb, Herr Kollege Dinglreiter: Wir alle tragen Verantwortung. Der Bund trägt Verantwortung ebenso wie die Staatsregierung, Verantwortung tragen aber vor allem auch die Wirtschaft und das bayerische Handwerk. Darüber wollen wir heute einmal reden. Sie haben gesagt, das Ergebnis in Bayern sei insgesamt betrachtet noch befriedigend: 70000 zu 72000. Wenn Sie aber den Bezirk Oberbayern wegnehmen, Herr Kollege Dinglreiter, dann bleibt von dieser ganzen Herrlichkeit nichts übrig; denn alle anderen Regierungsbezirke haben heuer deutlich weniger Ausbildungsstellen.
Um es einmal in den nackten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit anzudrücken: In 25 von 27 Arbeitsamtbezirken in Bayern sieht die Situation deutlich schlechter aus als im vergangenen Jahr. Außerdem liegt die Zahl der Bewerber deutlich über der Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen. Wir haben im März 43000 Bewerber, denen nur 33000 Ausbildungsstellen gegenüberstehen. Das bedeutet, es fehlen 10000 Ausbildungsstellen in Bayern. Regional sieht die Situation noch viel schlimmer aus. In Oberfranken – hierauf werden die Kollegen später noch zu sprechen kommen – kommen auf 100 Bewerber ganze 64 Ausbildungsstellen.
100 Bewerbern in der Oberpfalz – und das gilt nicht nur für die nördliche Oberpfalz – stehen 78 Ausbildungsstellen gegenüber. Wenn Sie die Relation nehmen, die das Bundesverfassungsgericht einmal zugrunde gelegt hat, müssten im Idealfall auf 100 Bewerber 112 Ausbildungsstellen kommen. Wenn man dies als Maßstab nimmt, gibt es in ganz Bayern nur 3 Arbeitsamtbezirke, die diese Kriterien erfüllen: München, Landshut und Weilheim. Das muss uns doch mit größter Sorge erfüllen. Wir können die Situation nicht beschönigen, meine Damen und Herren, sondern wir müssen sie realistisch sehen, so wie sie ist.
Diese Situation drückt sich nicht nur in Zahlen aus. Es muss uns gleichermaßen alarmieren, wenn die Industrie- und Handelskammer München sagt, 15% der Ausbildungsbewerber aus Bayern seien nicht ausbildungsfähig, weil ihre Leistungen zu schlecht seien und weil es ihnen an sozialer Kompetenz mangele. Das ist ein Alarmzeichen erster Güte. Wenn dann noch die Staatsregierung mit ihrem angepriesenen Programm „Schüler aus Praxisklassen“ eine Prämien auslobt, damit diese jungen Leute am Markt überhaupt Fuß fassen können, dann ist das beschämend und eine schallende Ohrfeige für die Bildungspolitik der Bayerischen Staatsregierung.
Wir fordern deshalb von der Bayerischen Staatsregierung, dass sie erstens die Ausbildungshilfen des Bundes – hiervon gibt es zahlreiche – mit den Ausbildungshilfen des Freistaates bündelt und rasch umsetzt. Zweitens muss der Freistaat von sich aus ein nachhaltiges Landesausbildungsprogramm auf den Tisch legen, in dem diese regionalen Unterschiede, von denen ich gesprochen habe, ausgeglichen werden. Vor allem die Bildungsdefizite müssen ausgeglichen werden; denn wir haben heuer die Situation, dass die Abgänger der Hauptschulen, gleichgültig, ob sie einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss haben oder einen normalen, die Verlierer im Wettbewerb um Ausbildungsstellen des Jahres 2003 sein werden. Wir alle müssen uns deshalb herausgefordert fühlen.
Wir müssen – auch dies ist ein Appell an die Staatsregierung – in allen Arbeitsamtbezirken Bayerns, in denen die von mir aufgezeigte Relation von 112 Ausbildungsplätzen zu 100 Bewerbern nicht gegeben ist, Ausbildungskonferenzen durchführen. Die eingesetzten Mittel hierfür wurden in diesem Staatshaushalt aber deutlich zurückgefahren. Daran sieht man, was die Bayerische Staatsregierung und die sie tragende Mehrheitspartei unter einer aktiven Arbeitsmarktpolitik verstehen. Wir fordern, dass Sie die noch vorhandenen Mittel bündeln und Strukturhilfen geben, vor allem für die Arbeitsamtbezirke Oberfranken und Oberpfalz. Im Grunde aber brauchen alle Arbeitsamtbezirke diese Unterstützung mit Ausnahme von Oberbayern und Schwaben.
Wir verlangen, dass Sie diese Mittel bündeln. Wir verlangen außerdem, dass für Ausbildungsverbünde Strukturbeihilfen gewährt werden. Ausbildungsverbünde allein werden aber nicht reichen. Wir brauchen überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen, welche diejenigen auffangen, die heuer keine Ausbildungsstelle bekommen werden. Das wird eine große Kraftanstrengung sein.
Wir appellieren an Sie: Hören Sie auf mit Schuldzuweisungen, tun Sie etwas. Vollbringen Sie nicht nur einen Aktionismus, der jedes Jahr nur Jahr Maßnahmen enthält, die schon im vorherigen Jahr erfolglos waren. Die Mobilitätshilfen, so gut sie auch gemeint waren, in deren Rahmen Ausbildungswillige von Oberfranken und von der Oberpfalz nach München gekarrt wurden, haben sich als Schlag ins Wasser erwiesen. Sehen Sie sich die harten Zahlen einmal an. Letztes Jahr haben lediglich zwanzig Personen dieses Angebot angenommen. Im Übrigen wirken sich solche Maßnahmen langfristig auch schädlich aus. Sie müssen berücksichtigen, dass die Besten, die mobil sind, in die Boomregion Oberbayern oder vielleicht auch noch nach Schwaben gehen. Zurück bleiben die „Fußkranken“. Sie werden in diesen Regionen aber nicht dazu beitragen, dass die regionalen Unterschiede ausgeglichen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe der Zeitung entnommen, dass Staatssekretär Schmid eine neue Aufgabe bekommen hat. Er soll sich als Akquisiteur betätigen. Herr Staatssekretär Schmid, Sie hatten ja einmal den Spitznamen „Schüttel-Schorsch“. Vielleicht werden Sie jetzt der „Bettel-Schorsch“. Ich hoffe, Sie werden dabei erfolgreich sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, was Sie zur Situation der Ausbildungsstellen in Bayern gesagt haben, kann für die vielen Jugendlichen, die jetzt immer noch ohne einen Ausbildungsplatz für das Ausbildungsjahr 2003/04 sind, keine Ermutigung sein. Sie haben ihnen Steine statt Brot gegeben. Sie haben nicht gesagt, wie Sie die Schwierigkeiten – es handelt sich nicht um neue Schwierigkeiten – und die regionalen Diskrepanzen, die heute wieder deutlich gemacht worden sind und in den letzten Jahren gewachsen sind, in den Griff kriegen wollen. In Oberfranken haben wir eine Ausbildungsstellendiskrepanz von 100 : 64, das heißt 64 Ausbildungsstellen kommen auf 100 Bewerber. Sie haben nicht gesagt, wie Sie das ändern wollen. Dass Sie dann sagen, dass es in den neuen Bundesländern 700 Ausbildungswillige gibt, ist doch geradezu lächerlich.
Sie haben nicht gesagt, wie Sie es ändern wollen, dass Hauptschüler auf dem Ausbildungsmarkt schlechtere Chancen haben als andere Schulabgänger. Sie werden die Leute nicht dadurch zufrieden stellen, dass Sie sagen, die Bundesregierung sei schuld. Schuld ist auch die Staatsregierung. Seien Sie doch so ehrlich zuzugeben, dass Ihre Politik in den letzten Jahren wenig Erfolge gebracht hat und die regionalen Unterschiede nicht kleiner, sondern größer geworden sind. Das ist vor dem Hintergrund einer Arbeitslosigkeit, die uns alle bedrückt, besonders gravierend.
Sie haben nichts dazu gesagt, dass im Jahr 2006 die Zahl der Schulabgänger zurückgehen wird und damit auch für die Wirtschaft und das Handwerk die Chance, qualifizierten Nachwuchs auszubilden, wesentlich geringer wird.
Es gibt Prognosen, wonach 2008 der Fachkräftemangel deutlich ansteigen wird. Alle – Wirtschaft, Handwerk, Bundesregierung und Staatsregierung – müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, diese Entwicklung vorausschauend zu beeinflussen.
Sie haben nichts darüber gesagt, warum denn der Beschäftigungspakt Bayern gescheitert ist. Der Beschäftigungspakt Bayern hat aus meiner Sicht nur einen einzigen positiven Aspekt gehabt, nämlich den, dass sich Wirtschaft, Staatsregierung und Gewerkschaften erfolgreicher als heuer gemeinsam um die Ausbildungssituation gekümmert haben. Jetzt haben Sie den Konsens aufgekündigt.
Natürlich haben Sie ihn aufgekündigt. Der Ministerpräsident – das wissen Sie doch ganz genau – hat mit seinen gesetzlichen Regelungen bezüglich der Tarife den Ausstieg provoziert.
Meine Damen und Herren, das Problem erfordert, dass wir nicht erst 2004 oder 2005, sondern jetzt handeln. Darum haben wir Sie in unserem Dringlichkeitsantrag
auch gebeten, ein nachhaltiges Ausbildungsprogramm für Bayern aufzulegen. Den Auszubildenden in Bayern nutzt es doch nichts, wenn die Relationen in anderen Bundesländern, insbesondere in den neuen Ländern – wir wissen doch ganz genau, warum das so ist – schlechter sind. Bayern liegt aber, was die Ausbildungsdefizite angeht, mit an der Spitze der alten Bundesländer. 14,3% weniger Ausbildungsstellen werden nur noch von wenigen überboten. Deswegen hätten Sie jetzt und sofort handeln müssen.
Das 13-Punkte-Programm, das Sie, Frau Staatsministerin, für Oberfranken aufgelegt haben, ist ein Tropfen auf den heißen Stein und wird die vielen Ausbildungsbewerber gerade in dieser nördlichen Region Bayerns nicht zufrieden stellen. Deswegen sagen wir: Sie haben Ihre Aufgaben bezüglich der Ausbildungssituation in Bayern bisher nicht gelöst. Sie haben genauso versagt, wie Sie das anderen vorwerfen. Deswegen können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das jetzt hier angesprochene Problem ist sicher nicht auf diese Weise zu lösen, wie es der Antrag der CSU vorsieht und wie Frau Staatsministerin es soeben zu beschreiben versucht hat. Gutes Zureden hilft in dieser Situation wohl nur in seltenen Fällen. Wir brauchen verbindliche Regelungen, damit im Interesse der Eltern und Kinder nicht Lösungen verhindert werden, die weit über das hinausgreifen, was wir im Augenblick haben.
Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich dieser Tage über ein konkretes Projekt gesprochen habe, das Sie auch kennen, nämlich die Betriebskindertagesstätte des BMW-Werkes in Regensburg. In München gibt es so etwas ja. Dort will eine Elterninitiative eine neue Kinder
tagesstätte gründen, und zwar altersübergreifend von null bis sechs Jahren. Das ist ein innovatives Element. Wegen des großen Einzugsbereichs der BMW-Mitarbeiter in Regensburg – er geht teilweise bis Passau – kommen die Kinder aus den unterschiedlichsten Gemeinden, zum Teil auch aus der Stadt Regensburg. Der Trägerverein stand nun vor der schier unlösbaren Aufgabe, die Kommunen unter einen Hut zu bringen. Diese haben mehrheitlich entschieden, keine Gastelternbeiträge zu zahlen. Damit würde dieses innovative Projekt gestoppt werden. Es war fast schon so weit. Die Firma BMW konnte dann aber dazu gebracht werden, den kommunalen Beitrag zu übernehmen. Das ist aber eine Ausnahmeregelung. Daher wird das Problem, das hier heute angesprochen worden ist, flächendeckend so nicht zu lösen sein.
Entscheidend ist, dass die Kommunen nicht aus ihrer originären Verpflichtung entlassen werden; das ist klar. Man darf aber nicht einfach undifferenziert Gastbeiträge verlangen, weil das im Einzelfall zu Problemen führen kann. Wenn zum Beispiel ein freier Träger in einer kleineren Gemeinde einen Kindergarten unterhält, dann kann es für die Gemeinde unter Umständen nicht zumutbar sein, Gastbeiträge zu zahlen, wenn einige Eltern nicht diesen Kindergarten in Anspruch nehmen wollen, sondern die Einrichtung am Arbeitsplatz eines Elternteils.
Ich würde erstens dazu raten – Frau Staatsministerin, da ist die Staatsregierung in der Pflicht; das unterstützen wir nachdrücklich mit unserem Antrag –, bis zum neuen Kindergartenjahr Übergangslösungen zu schaffen, weil wir nicht bis zum Jahr 2005 warten können. Ich rate zweitens dazu, differenziertere Lösungen anzupeilen als jene, die in den Richtlinien jetzt vorgesehen sind. Innovative Lösungen, wie ich und andere sie angesprochen haben, sollen nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil gefördert werden. Wir brauchen hier flexible Lösungen. Ich erwarte schon, dass die Staatsregierung dann, wenn wir die Dringlichkeitsanträge im Ausschuss behandeln, Lösungen auf den Tisch legt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dies ist kein einmaliger Ausrutscher, sondern ein länger anhaltender politisch motivierter Rechtsbruch, und wir müssen leider feststellen, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung zu diesem Rechtsbruch von der Staatsregierung ermutigt wurde, und das nicht erst seit heute, sondern schon seit 1999.
Dazu ein Zitat aus einer Entscheidung des Sozialgerichts München. Das Sozialgericht München hat festgestellt – damals ging es nicht um den VdAK, sondern um die AOK –:
Davon abgesehen hat die Antragstellerin das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen bereits zweimal vergeblich um geeignetes, also aufsichtsrechtliches Vorgehen gegen die Antragstellerin gebeten.
Ich kann diese Zitate fortsetzen, sie sind noch viel schlimmer für Ihr Haus, Frau Staatsministerin. Im Januar hat der Vorsitzende der KZVB, Herr Löffler, bei einer Versammlung der KZVB in Regensburg gesagt:
Wir wissen zwar, dass wir rechtswidrig handeln, aber wir fühlen uns gedeckt durch das Sozialministerium.
Ich meine, Frau Staatsministerin, es wäre Zeit, in Ihrem Haus aufzuräumen, damit solch rechtswidriges Handeln endlich unterbunden wird.
Es geht hier nicht um den Streit zwischen den Kassen und den Zahnärzten, sondern es geht um die Patienten. Sie werden rechtswidrig seit Anfang dieser Woche nicht mehr, wie es das Gesetz vorschreibt, auf Sachleistungsbasis behandelt, sondern sie müssen dafür bezahlen.
Außerdem hat die KZVB in einem Schreiben unter Missbrauch datenschutzrechtlicher Vorschriften Patienten, Versicherte von Ersatzkassen angeschrieben und mehr oder weniger offen dazu aufgefordert, die Kasse zu verlassen. Meine Damen und Herren von der CSU, wir befinden uns im Augenblick in einem rechtlosen Zustand, und den haben Sie durch Nichtstun mitverschuldet. Deswegen fordern wir Sie auf, endlich durchzugreifen.
Allerdings muss man sagen: Das, was Sie jetzt angekündigt haben, bewegt sich im Rahmen des Gesetzes. Das ist richtig. Sie hätten nur früher handeln müssen; denn die KZVB hat dieses Verhalten bereits im Januar angekündigt. Ich habe am 29. Januar hier eine mündliche Anfrage gestellt. Da haben Sie angekündigt, dass Sie etwas tun. Und wann haben Sie gehandelt? – Erst in dieser Woche. Jetzt ist Handeln angesagt, und zwar in der Weise, dass ein Verpflichtungsbescheid ergeht. Aber wir meinen nicht, dass der Staatskommissar schon auf den Plan treten muss, denn das geschieht erst dann, wenn sich die Selbstverwaltung weiterhin rechtlich ins Abseits stellt.
Aber – meine Damen und Herren von der CSU, und deswegen können wir jedenfalls in einem Punkt Ihrem Antrag nicht zustimmen – es kann nicht sein, dass jetzt der Schwarze Peter hin- und hergeschoben wird, indem man sagt: Der VdAK verhält sich ja auch rechtswidrig. Das stimmt so nicht. Es gibt einen Honorarstreit, und dazu ist ein Sozialgerichtsverfahren anhängig, also ein rechtsstaatliches Verfahren. Es kann also nicht sein, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung sagt: Wir ver
handeln nicht mehr, weil für uns das gilt, was das Schiedsamt gesagt hat oder was vom Sozialministerium vorgeschlagen wird. Sie wissen ganz genau, dass das, was Sie im Oktober vorgeschlagen haben, schon der Schnee von gestern war. Man hat sich in der letzten Woche in Köln auch nicht einigen können.
Also lassen Sie die Gerichte sprechen und versuchen Sie, auf der Basis rechtlicher Vorschriften – ich sage nur das Wort Veränderungsrate, mehr kann ich hier nicht ausführen – einzugreifen, aber nicht dadurch, indem Sie die Kassenzahnärztliche Vereinigung in ihrem rechtswidrigen Tun noch unterstützen. Insofern ist dieser Antrag der CSU erstens zu spät und zweitens scheinheilig. Wir werden uns zu beiden Anträgen der Stimme enthalten.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Wahnschaffe. Das Wort hat Herr Kobler.
Frau Staatsministerin, Sie haben hier starke Worte gebraucht, aber leider stimmen sie mit der Realität nicht überein; denn wir hatten im August genau dieselbe Situation. Sie wissen, dass damals die Kassenzahnärztliche Vereinigung sagte, sie rechne nicht mehr zum üblichen Punktwert, sondern nur noch auf der Basis der Schiedskommission ab, und sie verlange, dass die Patienten zu ihren Krakenkassen gehen und ein Revers unterschreiben würden, dass sie den erhöhten Satz zahlen würden. Damals sind Sie nicht eingeschritten. Ich habe hier im Landtag mehrfach mündliche Anfragen gestellt, und jedes Mal haben Sie gesagt, für rechtsaufsichtliches Einschreiten bestehe kein Anlass.
Heute haben Sie dafür die Quittung. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung berief sich nicht zuletzt in Regensburg darauf, dass sie in Ihrem Haus gute Freunde habe, die sie rechtlich schützen und unterstützen würden. Solange das der Fall ist, müssen Sie sich nicht wundern, dass sich dann die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns – das ist in Deutschland einmalig – in dieser Weise rechtswidrig verhält.
Das kann ich Ihnen sagen: 65% der bayerischen Zahnärzte haben die Aufforderung ihrer Körperschaft des öffentlichen Rechts unterschrieben; diese hat zu diesem rechtswidrigen Verhalten aufgefordert. Allein das ist ein rechtswidriges Verhalten, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre Mitglieder zu rechtswidrigem Handeln auffordert.
Nicht zum ersten, sondern mindestens zum vierten Mal ist das passiert. Bisher sind Sie kein einziges Mal eingeschritten. Jetzt haben die Gerichte das letzte Wort. Sie als Aufsichtsbehörde hätten einschreiten können, als dieser Schiedsspruch zustande gekommen ist.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Wahnschaffe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Hofmann?
Ja, wenn es auf meine Redezeit nicht angerechnet wird.
Das werde ich gerne mitteilen, es liegt nämlich schriftlich vor. Diese Äußerung – ich habe sie vorhin schon zitiert – stammt vom Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Vorsitzender ist Herr Dr. Löffler. Diese Äußerung hat er am 8. Januar vor einer Vertreterversammlung ostbayerischer Zahnärzte gemacht. Das ist von Zeugen schriftlich dokumentiert worden. Er hat sich wie folgt ausgedrückt – ich kann es Ihnen zitieren. Er hat keine Namen aus dem Haus genannt, sondern er hat gesagt: Wir haben gute Freunde im Sozialministerium. Wenn dies der oberste Funktionär – –
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Wahnschaffe, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.
Wenn dies der oberste Funktionär vor Zeugen, vor fünfhundert Teilnehmern an dieser Versammlung öffentlich sagt,
dann kann ich nicht nur „na ja“ sagen, sondern dann hätten spätestens nach dieser Äußerung im Ministerium alle Alarmsignale aufleuchten müssen. Man hätte schon damals einschreiten müssen.
Das ist nicht dünn, sondern Sie tragen die Mitverantwortung dafür, dass Kassenpatienten in Bayern derzeit nicht gemäß dem Gesetz behandelt werden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich bei der Lektüre dieses Antrags der CSU gefragt, was die CSU bewogen haben mag, in dieser Weise mit diesem sensiblen Thema umzugehen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es auch nach den Ausführungen von Herrn Staatsminister Sinner noch nicht verstanden habe. Frau Kollegin Schopper hat es auf den Punkt gebracht: Offenbar geht es ums Geld. Im Grunde genommen geht es aber um etwas anderes. Es geht um die Frage, wie die Gratwanderung zwischen dem gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung aufzuklären, andererseits aber Panikmache zu vermeiden, bewältigt werden kann. Diese Frage haben Sie mit Ihrem Dringlichkeitsantrag nicht beantwortet und diese Frage haben Sie, Herr Kollege Herrmann, mit Ihren Äußerungen auch nicht beantwortet.
Wie ist die Situation? Herr Staatsminister Sinner, ich hätte eigentlich von Ihnen erwartet, dass Sie mitteilen, welche Vorkehrungen Ihr Haus angesichts der potenziellen Bedrohung getroffen hat. Das einzige aber, was ich der Pressemitteilung Ihres Hauses von gestern entnommen habe, ist, dass Sie 386 Impfstellen einrichten wollen.
Die Fragen sind aber doch viel sensibler. Sie müssen zunächst einmal offen bekennen, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und nicht gibt. Deshalb ist all das, was Sie tun, zwar eine Vorkehrung, aber eine
Vorkehrung, die keinen hundertprozentigen Schutz bietet.
Sie müssten weiterhin darauf hinweisen – in dieser Beziehung sind die Amerikaner viel offener –, dass seit 1984 bei uns keine Pockenimpfung mehr stattfindet und sich deshalb das Gefährdungspotenzial erhöht hat.
Sie haben kein Wort darüber verloren, dass viele Ärzte bei uns überhaupt nicht wissen, wie sie mit diesem Problem umgehen sollen. Ich habe einer Pressemeldung Ihres Hauses entnommen, dass die Gesundheitsämter sensibilisiert werden sollen, um frühzeitig auf Gefahren aufmerksam zu werden. Das ist eine Aufgabe, die Ihnen von Gesetzes wegen gestellt ist. Dazu bedarf es nicht einer besonderen Aufklärung. Es gibt aber keine umfassenden Aussagen aus Ihrem Haus, wie speziell mit diesem Problem umgegangen wird. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass Sie heute sagen, dass Sie das Thema so ernst nehmen, dass Sie in allernächster Zeit dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik einen umfassenden Bericht über das geben, für das insbesondere Ihr Haus zuständig ist. All das findet sich nicht in Ihrer Rede. Stattdessen werfen Sie die Frage der Finanzierung auf.
Herr Kollege Herrmann, ich entnehme Ihren Äußerungen, dass Sie offenbar das, was am 19. Dezember zwischen den Ländern und der Bundesregierung vereinbart worden ist, widerrufen wollen. Damals hat man sich unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um eine Maßnahme des Katastrophenschutzes handelt, für den die Länder zuständig sind, geeinigt, dass die Kosten im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt werden. Über die Höhe sind offenbar noch Verhandlungen im Gange. Dass der Freistaat Bayern sich nun voll aus der Verantwortung stehlen bzw. nur unter Vorbehalt zahlen will, zeigt, dass sich der Freistaat seiner Verantwortung entledigen will. Zeigen Sie, dass Sie das Thema ernst nehmen, indem Sie einerseits aufklären, andererseits aber die Vorbereitungen treffen, die notwendig sind, um im Ernstfall gerüstet zu sein. Darüber haben Sie heute nicht ein Wort verloren. Deshalb kann man sagen, dass Sie unredlich mit dem Thema umgehen.
Wenn man den Antrag, insbesondere den Spiegelstrich 2 in Nummer 1 genauer liest, dann muss man sagen, dass er vom Misstrauen gegenüber der eigenen Regierung geprägt ist. Denn Sie fordern die Staatsregierung auf, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Dem stimmen wir voll zu, und wir stimmen auch zu, dass dafür die erforderlichen Mittel – hier heißt es noch 14,3 Millionen, in Ihrer Pressemitteilung sind es nur 12 Millionen e – bereitgestellt werden. Insofern herrscht Übereinstimmung.
Was allerdings den unseligen Streit in Nummer 3 angeht, den Sie neu entfachen, so werden Sie uns nicht dazu nutzen können, diesen Streit erneut mit der Bundesregierung auszutragen. Wir beantragen daher eine getrennte Abstimmung zu den einzelnen Punkten. Sollten Sie die Nummer 3 nicht zurückziehen, werden wir uns dem positiven Votum nicht anschließen können. Wir stimmen also den Nummern 1 und 2 zu, der Nummer 3
jedoch nicht. Wenn Sie die Nummer 3 nicht zurückziehen, dann müssen wir uns leider enthalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Das kann nicht unwidersprochen so stehen bleiben. Herr Kollege Herrmann, Sie sind doch immer die ersten, wenn es darum geht, Kompetenzen aus dem Grundgesetz gegenüber dem Bund zu verteidigen. Ich erinnere nur an das Ausbildungsgesetz in der Altenpflege. Sie haben die Auseinandersetzung bis vors Bundesverfassungsgericht getrieben, dort aber in Ihrem Sinne nicht Recht bekommen.
Wenn es darum geht, sich aus den Kosten herauszuhalten, schieben Sie die Verantwortung aber zum Bund. Nun muss entschieden werden, ob es sich um Katastrophenschutz oder Zivilschutz handelt, um die Zuständigkeit abzuklären.
Herr Kollege Sinner, Sie sprechen immer von einer Bedrohung von außen. Wer sagt Ihnen denn, dass die Bedrohung von außen kommt? Das ist doch recht zweifelhaft. Deswegen kann man das Problem nicht unter diesem einfachen Gesichtspunkt sehen. Wir meinen, dass sich Bayern hier nicht aus der Verantwortung stehlen darf. Deshalb begrüßen wir Nummer eins und Nummer zwei Ihres Dringlichkeitsantrags.
Nummer drei aber verlängert den Streit zu einem Thema, bei dem sich die Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler unter Vorbehalt geeinigt haben. Im Übrigen ist es so, Herr Staatsminister Sinner, inzwischen sind bereits 54 Millionen Dosen dieses Impfstoffs beschafft worden. Das ist der Ist-Stand. Bis zum April soll er auf 65 Millionen Dosen aufgestockt werden. Das hängt nicht von der Zustimmung des Freistaats Bayern ab, sondern es hängt damit zusammen, dass es, wie Sie wissen, derzeit nur einen Hersteller gibt, der diesen Impfstoff produziert.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beratung zu diesem Gesetzentwurf könnte grotesker nicht sein. Wir werden heute vermutlich einstimmig über einen Gesetzentwurf entscheiden, den die Mehrheit dieses Hauses eigentlich gar nicht will. Das gibt mir Anlass, einmal auf etwas Entscheidendes hinzuweisen: Sie sagen, der Gesetzentwurf widerspreche dem Leistungsgedanken. Wir sagen: Hiermit wird endlich soziale Gerechtigkeit an einer Stelle geschaffen, wo wir bisher immer weggesehen haben, nämlich bei Menschen, die sich selbst nicht helfen können, die aus eigenem Leistungsvermögen nicht in der Lage sind, ihren Lebensbedarf zu decken. Das sind Menschen über 65, und das sind behinderte Menschen. Dieses Gesetz schafft insofern ein – wenn auch nur ein kleines – Stück sozialer Gerechtigkeit.
Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir heute das Ausführungsgesetz dazu verabschieden. Erfreulich ist, dass sich die kommunalen Spitzenverbände durchsetzen konnten, dass es ein Geschäft des übertragenen Wirkungskreises und nicht des eigenen Wirkungskreises ist. Das ist ein ganz wichtiger Punkt zum Thema Konnexität, über das wir uns an anderer Stelle noch ausführlicher unterhalten werden. Ich bedanke mich schon jetzt für die einstimmige Zustimmung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, ich teile Ihren Unmut über die Art und Weise, wie heute mit wichtigen Themen verfahren wird. Dieses Gesetz war nicht zur Beratung für heute Morgen vorgesehen, sondern hätte entweder gestern Abend oder heute Nachmittag beraten werden sollen. Deswegen kann ich zu diesem Gesetz nur spontan Stellung nehmen, ohne die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung zu haben. Aber es entspricht der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags, frei zu reden.
Was Herr Staatssekretär Georg Schmid eben ausgeführt hat, ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten; denn die Frau Ministerin, die jetzt glücklicherweise eingetroffen ist, hat im Bundesrat ausgeführt, auch der Freistaat Bayern sei im Grunde für ein solches Gesetz. Nur komme jetzt dieses Gesetz zum falschen Zeitpunkt, weil Länder und Kommunen dafür kein Geld hätten. Das heißt im Klartext nichts anderes, als dass Frau Staatsministerin Stewens bei den Ärmsten der Armen sparen möchte. Da möchten Sie den Rotstift ansetzen. Aber da werden wir nicht mitmachen.
Darüber hat Gott sei Dank nicht die Mehrheit im Bayerischen Landtag, sondern abschließend der Bundestag bereits im April dieses Jahres entschieden. Darin liegt der eigentliche Skandal: Das Gesetz soll zum 01. 01. 2003 in Kraft treten, und jetzt im November legen Sie einen Gesetzentwurf zur Ausführung dieses Gesetzes vor. So gehen Sie mit Bundesgesetzen um. Sie nennen das Bundestreue. Das grenzt schon an Verweigerung.
Aber das ist nicht das Einzige. Sie vergießen hier Krokodilstränen über das Konnexitätsprinzip. Sie sagen, der Bund habe sich gegenüber den Kommunen nicht fair verhalten. Der Freistaat Bayern ist eigentlich außen vor und müsste sich als Wächter der Kommunen verstehen. Nur: Sie selbst treten das Konnexitätsprinzip nicht einmal, sondern ständig mit Füßen. In diesen Tagen reden wir über die sechsstufige Realschule. Sie können tagtäglich anhand einer Reihe von Beispielen nachvollziehen, dass der Freistaat Bayern Aufgaben auf die Kommunen überträgt, ohne sie mit entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten, zum Beispiel für die Schulsozialarbeit.
Das Ganze betrifft ausgerechnet ein noch völlig ungesichertes Terrain, wobei völlig unklar ist, wie viel das Ganze letzen Endes kosten wird, denn es geht um einen Personenkreis, den man im Augenblick nur schwer identifizieren kann. Da sind Menschen, die bisher – aus welchen Gründen auch immer – Sozialhilfe bisher nicht in Anspruch genommen haben oder konnten und die durch alle Sicherungssysteme gefallen sind. Es sind vor allem auch behinderte Menschen, die auf diese Weise die Möglichkeit erhalten sollen, neben anderen geringen Einkünften, die sie vielleicht aus abhängiger Beschäftigung beziehen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Nach jahrzehntelanger Diskussion ist dieses Ziel endlich verwirklicht worden. Deswegen werden wir alles daran setzen, dass auch diese Menschen in den Genuss dieser Möglichkeiten kommen.
Ob die Finanzausstattung, die der Bund nicht den Kommunen, sondern zunächst, weil es keine direkten Beziehungen gibt, den Ländern zur Verfügung stellt, ausreicht, wird die Zukunft erst erweisen müssen. Natürlich gibt es vom einzelnen Kämmerer über den Bayerischen Städtetag und den Deutschen Städtetag Berechnungen. Aber alle diese Berechnungen bewegen sich auf unsicherem Terrain. Deswegen ist die Frage, ob die vom Bund eingestellten 409 Millionen Euro ausreichen, im Augenblick müßig.
Sollten diese Mittel nicht ausreichen, werden auch wir uns selbstverständlich dafür einsetzen, dass der Bund nachbessert. Es kann natürlich nicht sein, dass die Aufgabe zu Lasten der Kommunen geht. Das war auch der Streit zwischen Ihnen und den Spitzenorganisationen. Das ist eine Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis. Zum Glück haben Sie zum Schluss doch noch die Kurve gekriegt. Wir werden in den Ausschüssen darüber noch ausführlich beraten. Das ist ein Weg in die richtige Richtung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt den beiden Rednern der CSU und dem Staatsminister sehr aufmerksam zugehört. Ich habe gemeint, bei diesem Thema, das ja eines der existenziellsten Themen, mit denen wir uns derzeit auseinandersetzen müssen, ist, würde von Ihrer Seite ein konstruktiver Vorschlag kommen. Doch nicht einen Vorschlag haben wir gehört. Sie sind nur in ein Lamento ausgebrochen. Sie haben ihre eigene Ratlosigkeit bemäntelt, indem Sie auf ein Vokabular – das hat auch Herr Bernhard getan – zurückgegriffen haben, das wir eigentlich auf den Wahlkampf beschränken wollten, weil es für eine parlamentarische Auseinandersetzung wenig geeignet ist.
Wie sehr es der Staatsregierung derzeit um die bayerische Wirtschaft zu tun ist, hat dieser Tage Frau Staatsministerin Stewens deutlich gemacht, indem sie unverhohlen die bayerischen Krankenkassen aufgefordert hat, ihre Beiträge zu erhöhen. Das muss man sich einmal vorstellen. Auf der einen Seite fordern Sie Kostensenkung und auf der anderen Seite sagt Frau Stewens, die bayerischen Kassen sollten in diesem Jahr schnell noch ihre Beiträge erhöhen. Das tut Frau Stewens nicht, weil sie die bayerischen Kassen so sehr ins Herz geschlossen hätte oder weil sie ihnen so besonders zugetan wäre, sondern nur, um damit der Bundesregierung eins auszuwischen. Das ist die Politik der Bayerischen Staatsregierung. Wenn man sich vorstellt, dass dieser Ministerpräsident, der eine solche Ministerin in seinem Kabinett hat, sich noch vor zwei Monaten anschickte, Bundeskanzler zu werden und dieses Land zu regieren, dann muss man fragen: Welche Verantwortung treibt sie eigentlich, wenn sie öffentlich solche Vorschläge machen und dabei noch ernst genommen werden wollen?
Gott sei Dank gibt es aber in Bayern doch noch besonnene Menschen. So ist den Sirenentönen von Frau Stewens keine einzige bayerische Kasse gefolgt. Die Kassen entscheiden nach ihrer Kassenlage und vor allem im Interesse der Beitragszahler und der bayerischen Wirtschaft.
Das Gesetzespaket, das die Bundesregierung zur Sicherung der Beitragssätze in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung auf den Weg gebracht hat, ist notwendig, um angesichts der weltweiten Rezession, die auch vor Deutschland nicht halt macht, die Beiträge zu stabilisieren und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, bleiben Wachstum und vor allem mehr Arbeitsplätze. Nur über mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze können wir letztendlich unsere Sozialversicherungssysteme stabilisieren. Zu dieser Politik gibt es keine Alternative. Sie haben heute nicht eine Alternative genannt. Weil die Fakten immer wieder verdreht werden, stelle ich Folgendes fest: Gegenüber 1998, als Herr Blüm die Amtsgeschäfte übergeben hat, liegen die Rentenbeiträge heute um 0,8 Prozentpunkte niedriger.
Wenn es nach Herrn Blüm gegangen wäre, hätten wir 1997 die Beiträge sogar auf 21,3% anheben müssen. Nur die SPD hat Ihnen damals aus der Patsche geholfen, indem man gemeinsam eine Mehrwertsteuererhöhung vorgeschlagen hat. So konstruktiv wie damals die SPD sollte sich heute die Opposition im Deutschen Bundestag und die Bayerische Staatsregierung zeigen, im Interesse dieses Landes; dann kämen wir voran.
Ein zweites Lahnstein, zu dem damals die SPD einen konstruktiven Beitrag geleistet hat, wäre notwendig, um diese Probleme des Landes zu lösen.
Auch bei der Krankenversicherung sieht es anders aus als sie es darstellen. Als Ihre Partei die Regierung übernommen hat, lag der durchschnittliche Beitragssatz bei 13,6%. Zu Beginn dieses Jahres lag er bei 14%. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr. Wir haben über drei Jahre Beitragssatzstabilität gehabt. Wann hat es das unter Seehofer jemals gegeben? Da gab es Beitragssteigerungen von 2 Prozentpunkten und mehr. Aber diese 0,4 Prozentpunkte, um die die Beiträge gestiegen sind, haben auch dazu geführt, dass Leistungskürzungen, die unter Seehofer eingeführt worden waren, rückgängig gemacht worden sind. Wir haben die erhöhten Zuzahlungen rückgängig gemacht. Wir haben Verbesserungen bei der Reha durchgeführt. Erinnern Sie sich an die Kurkrise in Bayern, die wir Ihrem famosen Herrn Seehofer zu verdanken haben? Wir haben auch dafür gesorgt, dass junge Menschen, die nach 1978 geboren sind, Anspruch auf Zahnersatz haben.
Wie sehen nun Ihre Alternativen aus? Sie haben gesagt – wir haben das im Wahlkampf erlebt –, Sie wollten dieses solidarische System aufspalten. Sie wollten Grundund Wahlleistungen einführen und damit letztlich eine
Zwei-Klassen-Medizin. Sie wollten – das ist leicht in Vergessenheit geraten – die Sozialpflichtigkeit der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse wieder abschaffen.
Das hätte zu Beitragsausfällen in Höhe von 5 Milliarden geführt und damit massive Beitragserhöhungen zur Folge gehabt. Das wäre Ihre unsoziale Politik gewesen.
Leider ist meine Redezeit zu Ende. Es ließe sich noch vieles anführen, was gekommen wäre, wenn Sie das Sagen gehabt hätten. Dann wäre eine Umverteilung von oben nach unten in einem Ausmaß erfolgt, wie wir es in Deutschland noch nie erlebt haben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.
Herr Staatsminister, ist der Staatsregierung bekannt, dass durch den Betrieb der Firma Bayern Leder in der Stadt Neutraubling im Bereich Abwasser, Grundwasser und Geruch erhebliche Beeinträchtigungen der Umwelt verursacht werden, und was wird konkret unternommen, um den Gefährdungen der Beschäftigten des gesamten Gewerbegebietes, der Anwohner, des Grundwassers und der durch Überschreitung der Einleitungsgrenzwerte der Kläranlage der Stadt Regensburg auftretenden Gefahren entgegenzuwirken?
Herr Staatsminister, ist Ihnen erstens bekannt, dass die Firma Krones AG im Namen ihrer Mitarbeiter nicht erst seit kurzem, sondern seit Jahren Klage darüber führt, dass die erheblichen Geruchsbelästigungen bestehen, wie durch das von Ihnen zitierte Gutachten der Firma IFB für einen längeren Zeitraum, nämlich für sechs Monate, festgestellt worden ist, und ist Ihnen zweitens bekannt, dass es ein weiteres Gutachten der Firma IFB gibt, das sich nicht nur mit den Geruchsbelästigungen, sondern auch mit den Einleitungsimmissionen und den Gefährdungen für das Grundwasser beschäftigt, und dass dieses Gutachten zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Abwasseranlagen durch die Abwässer der Firma Bayern Leder erheblich beeinträchtigt sind?
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, heute zu erklären, dass Ihr Haus Druck ausüben wird, damit das zuständige Landratsamt, das damit seit Jahren beschäftigt ist, endlich Verhältnisse schafft, die für die anliegende Bevölkerung in Neutraubling und der Stadt Regensburg erträglich sind?
Herr Präsident, ich werde versuchen, das zu beherzigen. – Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, Sie haben heute wieder einmal ein deutliches Beispiel dafür gegeben, wie man Probleme mit Polemik übergehen kann. Sie haben in diesem Zusammenhang von „schäbig“ gesprochen. Schäbig haben Sie sich verhalten, als Sie über Arbeitslose in Bayern, insbesondere in Oberfranken gesprochen haben, als wären sie Luft.
Wir haben in Hof eine Arbeitslosenquote von 10%. Sie haben gesagt, die Menschen in anderen Bundesländern wären froh, wenn sie die Arbeitslosigkeit von Oberfranken hätten. Damit diskreditieren Sie gleichzeitig die Arbeitslosen in Franken, und zwar in ganz erheblichem Maße.
Hier wird heute ausgerechnet von denen eine Stellvertreterdiskussion geführt, die 16 Jahre Stillstand und Reformstau in diesem Land zu verantworten haben.
Diese Leute wollen uns heute Glauben machen, dass sie die besseren Rezepte haben, –
um Arbeitslosigkeit nachhaltig zu überwinden.
Ihre Rezepte zur Überwindung der Arbeitslosigkeit sehen so aus: Lohnfortzahlung verschlechtern,
Kündigungsschutz kappen, Teilzeitgesetz aufheben, Schlechtwettergeld stornieren.
Meine Damen und Herren, wenn man Arbeitnehmer rechtlos stellt, wird man keine neuen Arbeitsplätze, sondern nur Unzufriedenheit schaffen.
Wer im Bund regieren will, muss in Bayern erst einmal beweisen, dass er es besser kann.
Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal die Bilanz an. Frau Stewens hat wohlweislich nur über den Bund gesprochen. Die Aktivitäten der Staatsregierung hat sie verschwiegen. Herr Wiesheu hat im Grunde nur gegen den Bund polemisiert. Wie sieht denn Ihre Bilanz aus? – Von den Insolvenzen haben wir schon gesprochen. Ob es nun Kirch, Schneider oder die Maxhütte ist, es ist Ihre Bilanz, die Sie zu ziehen haben. Ich darf eine Passage aus der „Süddeutschen Zeitung“ von letzter Woche in Erinnerung rufen:
In Bayern hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten deutlich schlechter entwickelt als in nahezu allen anderen westlichen Bundesländern.
Hier spielt die Musik, hier sind die Verschlechterungen, hier haben wir deutliche Einbrüche, und das kann man in einzelnen Bereichen auch noch konkretisieren. In Oberbayern, im Kernland, auf das Sie sich so gerne berufen, ist die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 27% gestiegen. Das ist ein Rekord.
Aber wie gehabt: Frau Stewens führt diese Entwicklung natürlich auf das Versagen der Bundesregierung zurück. Für die Wohltaten sind Sie, für die schlechten Nachrichten ist der Bund verantwortlich. Das ist so einfach, dass es Ihnen keiner glaubt.
Meine Damen und Herren, Sie haben sehr stark auf den Beschäftigungspakt Bayern gesetzt. Heute stehen Sie vor einem Scherbenhaufen, und den haben Sie mutwillig verursacht. Sie haben das Tariftreuegesetz im Bundesrat wider jede Vernunft zu Fall gebracht, obwohl wir in Bayern ein eigenes Tariftreuegesetz haben.
Dieses Verhalten zeigt doch nur, dass Sie im Augenblick alle sinnvollen Gesetze, die vom Bundestag verabschiedet werden, verhindern wollen. Dazu missbrauchen Sie Ihre Mehrheit im Bundesrat.
Wir haben in diesen Wochen viel über Pisa gesprochen. Sie haben sich in die Brust geworfen und gesagt, wir seien in Bayern ja so gut.
Sie müssen sich aber Folgendes vergegenwärtigen. Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit. Das sage nicht ich, sondern das sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Köln. Jeder Siebte, der keine Ausbildung hatte, war Anfang der 90er Jahre arbeitslos. Heute ist es jeder Vierte.
Herr Präsident, ich habe es gesehen, ich führe diesen Satz nur noch zu Ende. 15% der Jugendlichen in Bayern verlassen heute ohne jeden Abschluss die Schule. Das ist das Ergebnis Ihrer Bildungspolitik, und Prof. Baumert, der Leiter der Pisa-Studie, hat gesagt, diesen Kindern entziehe man Lebenschancen.
Ja, für Sie, damit Sie aufmerksamer sind.
Er fühlt sich halt herausgefordert.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zum Kollegen Kreuzer. Herr Kollege Kreuzer, vielleicht tragen Sie Ihren Namen zu Recht, aber ich habe nicht recht verstanden, warum Sie bei dieser eigentlich doch sachlichen Debatte, die bisher zu diesem Thema geführt wurde, heute eine derart scharfe Klinge geführt haben, und das gegenüber einem jungen Kollegen, der heute seine erste Rede gehalten hat. Ich glaube, das war nicht parlamentarisch fair.
Darüber hinaus, Herr Kollege Kreuzer, drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, dass Sie mit Ihren scharfen Worten über die offensichtlichen Schwächen dieses Gesetzes hinwegtäuschen wollten. Denn Sie sind auf das eigentliche Anliegen, das den Änderungsanträgen der SPD zugrunde liegt und das Ihnen eigentlich auch ein wichtiges Anliegen sein müsste,
nämlich dass wichtige Regelungen aus dem Gesetz auf den Verordnungsgeber verlagert werden und damit ein Stück Gesetzgebungsgewalt diesem Hause entzogen wird, mit keinem Wort eingegangen.
Das ist sehr bedauerlich, meine Damen und Herren.
Vorweg zum Gesetz. Ich möchte noch einmal betonen, dass wir als SPD nach zehn Jahren Drängens froh darüber sind, dass jetzt endlich, endlich ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der nicht nur integrierte Leitstellen vorsieht, sondern der darüber hinaus auch die Einführung der einheitlichen Nummer 112 beinhaltet. Dies ist ein wesentlicher Fortschritt und den begrüßen wir durchaus.
Aber, meine Damen und Herren, über diesem Jubel sollte man die Schwächen nicht vergessen. Wer gedacht hatte, so wie es der Kollege Kreuzer formuliert hat, dass mit diesen integrierten Leitstellen vor allen Dingen mit der Notrufnummer 112 jetzt eine Lösung aus einem Guss erzielt wird und dass die Bürger in allen wesentlichen Fragen, in denen sie des Schutzes bedürfen, sich in kurzer Zeit an die richtige Stelle wenden können, der muss enttäuscht feststellen, dass dieser, wie ich zugeben muss: ehrgeizige Ansatz leider verfehlt worden ist.
Herr Kollege Kreuzer, Sie haben davon gesprochen, dass Sie sich so gut informiert haben. Dann frage ich Sie allerdings, ob Sie die Einschätzung teilen, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst, der bisher wesentlicher und integraler Bestandteil der Leitstellen des Roten Kreuzes war, just zu dem Zeitpunkt, an dem wir endlich die integrierten Leitstellen bekommen, herausfällt. In der Praxis war es eben so und so ist auch die Sicht der Bürger. Sie müssen sich einmal die Zahlen vergegenwärtigen.
In den letzten Jahren hat es im Durchschnitt etwa 1,8 Millionen Anrufe gegeben, die dem Rettungsdienst oder dem Krankentransport gegolten haben. Daneben gab es 1,2 Millionen Anrufe bei den Leitstellen, die den ärztlichen Bereitschaftsdienst betroffen haben. Daran können Sie sehen, welches Gewicht dies aus der Sicht der Bürger gehabt hat.
Und dies soll jetzt willkürlich gespalten werden. Meine Damen und Herren, das ist ein echter Rückschritt. Der Vorwurf, dieses Schilda verursacht zu haben, trifft natürlich in erster Linie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Wir haben sehr intensive Gespräche geführt, wir haben auch einen Antrag im Bayerischen Landtag eingebracht. Wir haben die Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung bei uns im Ausschuss gehabt und ihnen auf den Zahn gefühlt. Sie haben mit Scheinargumenten abgeblockt. Der Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, Herr Munte, hat vom „mündigen Bürger“ gesprochen. Natürlich wünschen wir uns alle den mündigen Bürger. Aber stellen Sie sich doch die Situation vor, in der ein einzelner Mensch oder eine Familie plötzlich in eine medizinische Notlage gerät, wo jemand Schmerzen hat und dringend der Hilfe bedarf. Sind Sie da wirklich so kühl, dass Sie sagen: Rufe ich jetzt neuerdings eine 0180 an – das wird nämlich das Call-Center des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sein – oder rufe ich die 112 an? Es wird in der Regel wohl nach menschlichem Ermessen so sein, dass man die Nummer anruft, die einem gerade einfällt. Das kann die 112 sein. Wenn es ein Fall des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist, dann werde ich weitervermittelt oder weiterverwiesen. Es kann auch umgekehrt sein, dass jemand beim ärztlichen Bereitschaftsdienst anruft und im Grunde den Rettungsdienst benötigt. Da geht wertvolle Zeit verloren.
Ein weiteres Argument kommt hinzu. Meine Damen und Herren, wer finanziert denn das alles? Sie haben das angesprochen. Das finanziert ja nicht die öffentliche
Hand allein, das finanzieren die Kassen – und die Kassen sind wir, die Beitragszahler.
Da muss man doch fragen: Mit welcher Arroganz tritt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns auf und sagt: Wir haben eine bessere Regelung, die aber im Grunde auf dem Rücken der Beitragszahler ausgetragen wird aus den Gründen, die ich bereits genannt habe?
Aber es kommt natürlich auch noch eine Kostenfrage hinzu. Es ist ausgerechnet worden, dass ein Anruf beim Bereitschaftsdienst bisher etwa 8 DM beim Roten Kreuz, bei den Leitstellen verursacht hat. Dadurch sind jährlich etwa 8 Millionen DM angefallen, die die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber den Krankenkassen abgerechnet hat.
Nun haben sich im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs alle Kassen, die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kassen, für die Regelung ausgesprochen, die sowohl der Bayerische Landtag wie auch die Staatsregierung favorisiert haben. Alle kommunalen Spitzenverbände haben hinter dieser Lösung gestanden.
Dann muss ich Sie als Vertreter der Staatsregierung, Herr Staatssekretär Regensburger, schon fragen: Wieso hat die Staatsregierung es in zehn Jahren nicht vermocht, hier eine gangbare Lösung auf den Weg zu bringen? Dies ist ein Versäumnis, das Sie sich anrechnen lassen müssen. Das ist eine Schwäche, die nicht dafür spricht, dass Sie in der Lage sind, größere Lösungen anzugehen. Sie kündigen an, Sie würden – allerdings mit alten Rezepten – nach dem 22. September unser Gesundheitssystem reformieren. Wenn Sie es in Bayern nicht einmal schaffen, eine solche Alarmierung aus einer Hand, bei der alle wesentlichen Dienste eingebunden sind, auf den Weg zu bringen, wie wollen Sie dann erst den Anspruch erheben, eine große Reform in Deutschland durchzusetzen?
Meine Damen und Herren, ich habe mich hier aus folgendem Grund noch einmal zu Wort gemeldet. Wir glauben, dass dieses Gesetz – das zeigen auch die Novellierungen des Rettungsdienstgesetzes, die wir wiederholt erlebt haben – nicht das halten kann, was es verspricht. Es hat große Schwächen, die in den Änderungsanträgen der SPD-Fraktion angesprochen worden sind. Die entscheidende Schwäche ist, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst nicht eingebunden wird. Deswegen geht unser Appell in erster Linie an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, ihren Widerstand aufzugeben und jetzt einer Neuregelung nicht im Wege zu stehen, sondern im Interesse der Bürger dieses Landes mitzumachen.
Ein zweiter Appell. Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass Sie hier noch reden werden. Heute ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Was hindert Sie daran, eine Lösung anzustreben, bei der Sie die Kostenträger, nämlich die gesetzlichen Kassen, im Rücken haben, bei der Sie auch die kommunalen Spitzenverbände im
Rücken haben, welche ja ebenfalls betroffen sind? Wenn wie bisher zwei Systeme nebeneinander – nur auf einer anderen Ebene – bestehen, werden die Grundkosten steigen. Die Kosten werden letzten Endes auf die eine oder andere Weise die Bürger zu tragen haben. Deshalb unser Appell an Sie, noch einmal alle an einen Tisch zu holen und auch das Kostenproblem stärker in den Vordergrund zu rücken und insofern auch einen Schulterschluss mit den gesetzlichen Kassen anzustreben.
Sollte dies alles nichts nützen – ich hoffe, dass nach dem 22. September die Sozialdemokraten weiterhin dieses Land führen werden –, werden wir überlegen müssen, ob wir nicht über den Bundesgesetzgeber eine Regelung schaffen, die in Bayern endlich das verwirklicht, wofür wir zehn Jahre lang gekämpft haben.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause erklären, wie Sie zu der Bemerkung kommen, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst mit diesem Gesetz nichts, aber auch gar nichts zu tun hat, schon gar nicht mit der Notfallrettung, wenn dieser Fall im Gesetz gleichzeitig ausdrücklich geregelt ist?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was wir von Staatssekretär Freller und von den Rednern der CSU gehört haben, ist für mich eine ganz neue Erkenntnis: Bildungspolitik wird in Bayern nicht mehr vom Bildungsministerium gemacht, sondern von der Landeshauptstadt München.
Herr Staatssekretär Freller, wenn Sie schon die Verantwortung von sich schieben, dann wäre der erste Schritte, dass Sie zurücktreten und erklären: Die Staatsregierung ist der Sache nicht mehr gewachsen.
Sie haben so getan, als ob sich das Problem allein in München stelle. Jetzt werde ich Ihnen erzählen, wie sich das im Rest Bayerns darstellt. Ich zitiere aus einem Schreiben des Rektors des beruflichen Schulzentrums in Regensburg. Regensburg wird bekanntlich mit einer absoluten Mehrheit der CSU von einem CSU-Oberbürgermeister regiert.
Dieser Rektor schreibt dazu Folgendes:
Wie Sie sicher wissen, mussten die Berufsoberschulen in Bayern in den Schuljahren 2000/01 Budgetdefizite von 10,4% und knapp 7% hinnehmen. Für das kommende Schuljahr 2002/03 droht wieder eine Lehrerunterversorgung von fast 11%. Um wenigstens einigermaßen über die Runden zu kommen, also auf Unterrichtskürzungen zu verzichten, brauchten wir mindestens 100 Lehrerstellen.
Er beschreibt auch die Konsequenz:
Eine solche Unterversorgung führt unweigerlich dazu, dass Unterrichtsverkürzungen auch im Pflichtbereich erneut unumgänglich sein werden, und zwar in einem Umfang, der wesentlich größer ausfallen wird, als er bisher schon zu beklagen war.
Wie Sie wissen, haben die Fachoberschulen und Berufsoberschulen die Aufgabe primär darin, ihre Schülerinnen und Schüler in einer sehr kurzen Zeit auf ein FH-Studium vorzubereiten. In Anbetracht der nun seit Jahren unzulänglichen Personalversorgung und der sich nun abzeichnenden Zuspitzung dieser Entwicklung können unsere Schulen dieser Aufgabe nicht mehr gerecht werden.
Herr Staatssekretär, dies ist ein Armutszeugnis für Ihre Bildungspolitik.
Sie haben heute mit keinem Wort erwähnt, wie Sie das Problem lösen wollen. Sie haben nebulös von Um
schichtungen gesprochen, Sie haben aber nicht davon gesprochen, wie Sie den jungen Menschen, von denen vorher noch die Rede war, die erfreulicherweise diesen Schulen zulaufen, eine Perspektive geben wollen. Wie wollen Sie denn diesen Andrang bewältigen, wenn Sie für neue Lehrerstellen keine Mittel bewilligt bekommen und Sie das Problem nur auf die Landeshauptstadt München abzuwälzen versuchen? Dazu sind jetzt Antworten gefragt. Deshalb wäre es jetzt wichtig, wenn Sie das hier im Hause erklären würden.
Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass in der von Ihnen bereits zitierten Sitzung des Bayerischen Landtags in einem SPD-Antrag gefordert wurde, diese Mutter-Kind-Kuren als Regelleistung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen, und ist Ihnen ferner bekannt, dass die CSU im Landtag diesen Antrag in namentlicher Abstimmung abgelehnt hat?
Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass sowohl die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wie auch die Regierungskoalition einen Gesetzentwurf vorbereiten, der genau das, was auch Sie jetzt nachträglich fordern, zum Ziel hat?
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Man kann sich nur wundern: Ausgerechnet die CSU, die vor wenigen Jahren das Sterbeglöcklein für die bayerischen Müttergenesungskuren geläutet hat, macht sich heute in einem Antrag für die Müttergenesungskuren stark. Die Frau Staatsministerin ist wie immer schnell zur Hand. Die Schuld liegt nicht bei der CSU, sondern sie liegt immer nur bei der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, jetzt wollen wir doch einmal ein wenig die Geschichte aufblättern. Noch keine fünf Jahre ist es her, da setzte in Bayern ein Kursterben ein. Herr Kollege Kobler, erinnern Sie sich noch? 1997 gab es Schlagzeilen: Müttergenesungshäuser vor dem Ruin. Sie hatten zu verantworten, dass die ältesten Einrichtungen dieser Art in Utting am Ammersee, in Rimsting am Chiemsee und in Bad Steben dichtmachen mussten. Damals stand in der „Süddeutschen Zeitung“ Folgendes zu lesen:
Der bayerische Landesverband der Caritas
also nicht der SPD –
stößt mit seiner Warnung vor einem baldigen Ende der Müttergenesungshäuser im Freistaat auf breite Unterstützung aller betroffenen im Deutschen Müttergenesungswerk zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände. Angesichts der drohenden Gefahr seien sich die Träger von Müttergenesungshäusern, etwa die Arbeiterwohlfahrt und andere, mit der Caritas darin einig, dass der soziale Kahlschlag,
Sie haben eben von Kahlschlag gesprochen –
ausgelöst durch die Bonner Sparpläne, nicht länger hingenommen werden könne.
Das war Ihre damalige fatale Gesundheitspolitik, die zur größten Kurkrise in Bayern geführt hat, die dazu geführt hat, dass 10000 von hochqualifizierten Arbeitsplätzen verlorengegangen sind. Sie, die damals diese Kurkrise heraufbeschworen und letzten Endes dazu beigetragen haben – Teile der Ursachen hierfür befinden sich immer noch im Gesetz –, dass die Müttergenesungskuren überhaupt in Gefahr geraten sind, haben nicht das Recht, heute solche Forderungen zu stellen.
Wir haben mit dieser Politik Schluss gemacht. Gehen Sie heute in die Kurorte: Die Kurhäuser sind voll, auch die Müttergenesungsheime sind voll. Wir in Bayern haben nicht die Praxis wie in anderen Bundesländern, in denen bis zu 70% der Müttergenesungskuren abgelehnt werden. In Bayern ist diese Ablehnungsquote deutlich geringer; nach einer Verlautbarung des Müttergenesungswerkes liegt sie bei 22%, wobei ich sagen muss, dass auch sie noch zu hoch ist.
Wir sind der Meinung, dass die Müttergenesungskuren und die Mütterkuren unangetastet bleiben müssen, weil sie einen wichtigen Baustein in unserem Gesundheitssystem darstellen. Vorsorge ist wichtiger als Heilung. Deswegen ist die Müttergenesungskur ein unverzichtbarer Bestandteil.
Meine Damen und Herren, man muss die Dinge aber schon richtig beleuchten. Herr Kollege Kobler, Sie haben ausschließlich die Landes-AOK an den Pranger gestellt. Nicht die Landes-AOK allein, sondern auch andere Kassen haben inzwischen den Rückzug angetreten. Wir müssen fragen: Kann es denn Ausdruck des Wettbewerbs sein, den Herr Seehofer damals auf den Schild gehoben hat
Sie können sich nachher gerne noch einmal melden; ich will das jetzt zu Ende führen –, nicht mehr und bessere Leistungen anzubieten und dadurch in Konkurrenz zu treten, sondern sich zurückzuziehen?
Nun muss man allerdings wissen, dass die AOK und andere große Kassen im Augenblick in einer sehr schwierigen Situation sind, weil immer mehr junge Versicherte auf die virtuellen Kassen ausweichen, die weniger Beiträge verlangen, aber auch weniger Leistungen anbieten. Man kann nicht von einer großen Kasse alles verlangen und von den anderen, die letzten Endes das System aushöhlen, sagen: Ihr seid die Richtigen, ihr verlangt weniger Beiträge.
Das Folgende richtet sich an die AOK, aber auch an andere Kassen. Meine Damen und Herren, die LandesAOK hat im vergangenen Jahr Ausgaben im Gesamtvolumen von etwa 9 Milliarden DM gehabt. Die Aufgaben für die Müttergenesungskuren beliefen sich dagegen nur auf 25 Millionen DM und machten damit etwa 0,2% der Gesamtausgaben der Landes-AOK aus. Deswegen ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Landes-AOK sagt, wir müssen Maßnahmen treffen, um unsere Ausgaben zu reduzieren, und gerade bei den Müttergenesungskuren ansetzt. Dies ist das falsche Signal. Es löst vor allen Dingen etwas aus, was wir alle nicht wollen können, dass nämlich gerade bei der Vorsorge gespart wird. Deswegen unser Appell an die Landes-AOK, aber nicht nur an die Landes-AOK, sondern auch an alle Kassen, die sich auf dem Rückzug befinden: Tun Sie wieder etwas für die Müttergenesungskuren.
Nun zu unserem Antrag, Herr Kollege Kobler. Ein Blick in das Gesetz erhellt manchmal und führt zu besserem Verständnis. Offenbar haben Sie diesen Blick in das Gesetz vermieden; Sie haben nämlich in Ihrem Antrag zunächst einmal von Väter- und Mütterkuren gesprochen. In den §§ 24 und 41 SGB V ist aber von Müttern die Rede. Wenn Sie noch ein wenig genauer hingeschaut hätten, hätten Sie festgestellt, dass es sich dabei um freiwillige Leistungen der Kassen handelt, die sie in ihren Satzungen bestimmen können. Das heißt, eine Kasse ist im Grunde genommen frei, diese Leistung ent
weder überhaupt nicht anzubieten, sie in vollem Umfang anzubieten oder – davon ist ausdrücklich im Gesetz die Rede – Zuschüsse zu gewähren. Von dieser Freiheit haben die Kassen Gebrauch gemacht – wir meinen, sie haben nicht verantwortlich davon Gebrauch gemacht.
Hören Sie bitte zu, Herr Kollege. Dies ist ein Ausdruck der Selbstverwaltung. Wie haben Sie vorhin gesagt, und wie kommt es in Ihrem Antrag zum Ausdruck? Sie fordern die Staatsregierung auf, auf die Kassen nachhaltig einzuwirken. Wollen Sie auf diese Weise die Selbstverwaltung aushebeln? Das ist doch wohl der Sinn Ihres Antrages.
Meine Damen und Herren, Selbstverwaltung ist für uns etwas ganz Wichtiges. Sie reden doch immer von der Selbstverantwortung. Wir wehren uns dagegen, dass die Selbstverwaltung angetastet oder ausgehöhlt wird. Das muss eigenverantwortlich geregelt werden. Deswegen haben wir in einem ersten Schritt gefordert: Nach der derzeitigen Rechtslage ist das eine freiwillige Leistung; diese freiwillige Leistung – die Betonung liegt auf Leistung – muss erhalten bleiben. Im zweiten Schritt muss bei den jetzt anstehenden Verhandlungen zwischen den Trägern einerseits und den Kassen andererseits ein Ergebnis erzielt werden. Die davon unmittelbar Betroffenen sind die Leistungsschwachen. Bei einer Zuschussregelung können diejenigen, die über ein gutes Einkommen verfügen und einen Zuschuss bekommen, von dieser Lösung leicht Gebrauch machen. Diejenigen aber, die an die Einkommensgrenzen geraten, also Geringverdienende oder alleinerziehende Mütter, befinden sich in einer schwierigen Situation. Sie sind im Grunde genommen die Zielgruppe der Mütter-Kind-Kuren, und für diese muss diese Leistung uneingeschränkt erhalten bleiben. Wie gesagt: Dies muss nach der derzeitigen Rechtslage aber zunächst einmal auf freiwilliger Basis geschehen. Da sind Träger und Kassen gleichermaßen in der Verantwortung.
Ein dritter Punkt. Wenn diese Verantwortung nicht in erforderlichem Umfang wahrgenommen wird – deswegen fordern wir dies als Regelleistung –, muss der Gesetzgeber handeln. Dann muss dies wieder ins SGB V hineingeschrieben werden.
Dies würde die Kassen belasten. Ihr Vorschlag läuft jedoch auf nichts anderes hinaus. Sie haben heute von „Rosstäuscherei“ gesprochen. Mit Ihrer Forderung würden die Kassen so belastet, als ob es eine Regelleistung wäre. Eine Regelleistung bedeutet aber auch, dass man davon verantwortlich Gebrauch machen muss. Das bedeutet, dass wir bei den Mütter-Kind-Kuren mehr Qualität brauchen und wissen müssen, was dort im Einzelnen angeboten wird. Diese Leistung darf keine Müttererholung sein. Das ist nicht das Ziel. Das Ziel muss sein, dass diejenigen Mütter, bei denen tatsächlich ein Bedarf besteht, diese Leistung in Anspruch nehmen können.
Deswegen setzen wir uns nachhaltig dafür ein, dass der Deutsche Bundestag in der nächsten Legislaturperiode dieses Gesetz im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform ändert und Mütter-Kind-Kuren zu einer Regelleistung macht.
Herr Kollege Kobler, das steht so in unserem Antrag. Was haben Sie angeboten? – Lesen Sie doch einmal eine entsprechende Pressemitteilung von Frau Kollegin Stewens. Sie gibt den Betroffenen Steine statt Brot. Sie hat gesagt, die Bundesregierung sei schuld. Was jedoch die CSU tun möchte, nachdem sie schon einmal die Mütter-Kind-Kuren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hat, sagt sie nicht. Ihr Gesundheitsprogramm setzt schließlich auf mehr Verantwortung. Mehr Verantwortung – im Sinne der CSU – bedeutet mehr Eigenleistung. Sie wollen die sozial Schwachen noch schlechter stellen. Das sollten Sie jedoch vor der Wahl sagen. Wir wollen eine Gleichbehandlung. Wir wollen die sozial Schwachen stärken. Dies ist innerhalb des bestehenden Systems möglich, denkbar und auch machbar. Dafür werden wir uns einsetzen. Ich darf für die SPD-Fraktion ankündigen, dass wir zu unserem Antrag ebenfalls namentliche Abstimmung beantragen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die jeweiligen Fraktionen haben namentliche Abstimmung beantragt. Ich gebe das hiermit bekannt. Am Ende der Debatte werden drei namentliche Abstimmungen stattfinden. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schopper.
Frau Staatsministerin, Sie haben ausgeführt, dass Sie sich die Satzungsänderung genau ansehen werden; dies ist Ihre Pflicht als Rechtsaufsichtsbehörde. Darf ich Ihren Worten entnehmen, dass Sie diese Rechtsaufsicht in eine Fachaufsicht umdeuten mit dem Ziel, die AOK soll diese Satzungsänderung zurücknehmen?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die CSU-Fraktion auffordern, Ihren Dringlichkeitsantrag zurückzuziehen, weil er nach den Erklärungen der Staatsministerin offensichtlich rechtswidrig ist. Denn Sie fordern in Ihrem Antrag nicht mehr und nicht weniger, als dass die Frau Staatsministerin als Rechtsaufsichtsbehörde als Fachaufsicht tätig wird – das heißt, nicht Recht-, sondern Fachaufsicht –, also inhaltlich auf Satzungen Einfluss nimmt.
Wie ich heute bereits ausgeführt habe, sind Gott sei Dank in Bayern die Kur- und Heilbäder wieder ausgelastet. Dies ist ein Erfolg der rot-grünen Gesundheitspolitik.
Ich fordere Sie hiermit auf, öffentlich zu erklären, dass, wie Frau Frau Staatsministerin Stewens ausgeführt hat, nicht nur die Landes-AOK, sondern auch andere Kassen Kürzungen vorgenommen haben. Insofern sind die Forderungen in Ihrem Antrag eine Diskriminierung einer landesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkasse.
Frau Frau Staatsministerin Stewens, eines ist für uns keine Frage: Wenn sich jemand rechtswidrig verhalten hat und wenn noch vor Genehmigung der Satzungsänderung rechtswidrige Bescheide der Landes-AOK ergangen sind, ist es Aufgabe der Rechtsaufsichtsbehörde, dagegen einzuschreiten.
Das ist Ihre Pflicht und darüber brauchen wir nicht ausführlich zu reden. Sie haben in diesem Punkt unsere volle Unterstützung, immer vorausgesetzt der Sachverhalt trifft so zu, wie Sie es dargestellt haben. In diesem Sinne bitte ich noch einmal um die Zustimmung zu unserem Antrag und fordere die CSU auf, ihren Antrag zurückzuziehen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zunächst hat Frau Kollegin Kellner und dann Herr Kobler das Wort.