Protocol of the Session on November 28, 2000

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 51. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um eine Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich einige Glückwünsche aussprechen: Halbrunde Geburtstage feierten am 25. November Herr Kollege Dr. Paul Wilhelm und am 27. November Frau Kollegin Anne Hirschmann; heute hat Frau Kollegin Berta Schmid Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Ich gratuliere den Kolleginnen und Kollegen im Namen des gesamten Hauses und auch persönlich sehr herzlich. Ich wünsche ihnen für das neue Lebensjahr alles Gute, insbesondere Gesundheit, Energie und Erfolg bei ihren parlamentarischen Aufgaben.

Mit Schreiben vom 27. November 2000 hat der Leiter der Staatskanzlei, Herr Staatsminister Huber, beantragt, der Staatsministerin für Arbeit, Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit sowie dem Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Beginn der heutigen Sitzung Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung der Staatsregierung zu geben. Beide werden sich als zuständige Fachminister zur aktuellen BSE-Thematik äußern.

In die Beratung beziehe ich den zur Plenarsitzung eingereichten, interfraktionellen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Loscher-Frühwald, Kobler und Fraktion (CSU), Maget, Starzmann, Biedefeld und Fraktion (SPD), Paulig, Schopper, Schammann und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

betreffend Bekämpfung der Rinderseuche BSE (Drucksache 14/5085)

ein. Das Wort hat nun Frau Staatsministerin Stamm.

Frau Staatsministerin Stamm (Sozialministerium) : Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik Deutschland hat seit dem letzten Wochenende einen nachgewiesenen BSE-Fall in Schleswig-Holstein. Bei einem weiteren Fall muss die Identität des Tieres noch abschließend geklärt werden. Uns alle haben diese Ereignisse sehr beunruhigt.

Das Gebot der Stunde heißt nun – über alle bisher getroffenen Vorkehrungen hinaus –, die verunsicherte Bevölkerung lückenlos aufzuklären und so schnell wie möglich alle nur denkbaren Möglichkeiten in die Wege zu leiten, um die Verbraucher vor gesundheitlichen Gefährdungen zu schützen.

In Bayern hat die Bekämpfung von BSE immer oberste Priorität gehabt und wird es auch in Zukunft haben. Ich erinnere daran, dass das Bayerische Gesundheitsministerium, lange bevor der Bund und die Europäische Gemeinschaft überhaupt Abwehrmaßnahmen für Rindfleisch beschlossen haben, britische Rinder unter Anzeigepflicht gestellt hat. Ich darf auch daran erinnern, dass in Bayern so konsequent wie in keinem anderen Bundesland die Tötung und Untersuchung aller Rinder angeordnet wurde, die aus Großbritannien und der Schweiz stammen. Herr Kollege Starzmann, Sie haben damals gefordert, wir sollten die Tötung der Tiere beenden. Auch mit der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hatten wir erhebliche Schwierigkeiten, als wir mit den Schlachtprogrammen begonnen haben.

Wir haben damals dieses Schlachtprogramm konsequent durchgeführt. Aber das war meiner Meinung nach nicht das Wichtigste, sondern wir haben auch alle Tiere nach der Tötung untersucht.

(Zuruf von der SPD: Nach der Keulung!)

Wir haben die Tiere natürlich gekeult, Herr Kollege. – Jedes Tier wurde also untersucht. Wir haben damals bei einer Schweizer Kuh festgestellt, dass sie an BSE erkrankt ist. Es war seinerzeit also gar nicht so einfach, dies durchzusetzen.

Auch uns hat damals das Schicksal dieser Tiere nicht unberührt gelassen, aber wir haben schon damals dem Schutz der Verbrauchergesundheit höchste Priorität eingeräumt.

In den letzten zehn Jahren sind etwa 4000 Rinder gezielt auf BSE untersucht worden, darunter mehr als 3000 aus Großbritannien und aus der Schweiz importierte Rinder. Darüber hinaus haben wir in Bayern zur Abklärung von zentralnervösen Störungen mehr als 9500 Rinder untersucht.

Diese Daten, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind unbestritten. Auch das Veterinärkontrollamt der Europäischen Union, das vom 26. bis 28. September dieses Jahres in Bayern, Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen routinemäßige Inspektionen durchgeführt hat, stellt die bisherigen Maßnahmen Bayerns im Kampf gegen BSE nicht infrage. Da die diesbezüglichen Veröffentlichungen zu Fragen und Missverständnissen geführt haben, erlauben Sie mir an dieser Stelle einige Anmerkungen.

Zunächst sind die Ergebnisse dieser routinemäßigen Kontrolle bis heute weder in einem Inspektionsbericht noch in einem Entwurf festgehalten. Nach Auskunft des betreffenden Inspektors des Veterinärkontrollamtes in Dublin gibt es zurzeit nur einen vertraulichen Kurzvermerk, der keineswegs eine abschließende Wertung enthält. Wir haben gestern den zuständigen Inspekteur gebeten, uns diesen vertraulichen Kurzvermerk zur Verfügung zu stellen, weil wir den gleichen Wissensstand haben möchten wie die betreffende Zeitung, der ein solcher Kurzvermerk zugegangen ist. Daraufhin wurde uns gesagt, dass es verboten sei, diesen vertraulichen Kurzvermerk herauszugeben, zumal dieser Kurzvermerk kei

neswegs eine abschließende Wertung enthalte. Es kann also keine Rede davon sein, dass die veröffentlichten Notizen in einem Bericht zusammengefasst werden. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass die Kommission den betroffenen Behörden vor der Veröffentlichung eines Berichtes noch die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt. Das ist wohl der feine Unterschied zwischen Kommission und Presseveröffentlichung.

Da ich die Ausführungen in diesem Vermerk nicht kenne, halte ich mich an die uns bekannten Fakten.

In der Schlussbesprechung am 29. September 2000 haben die Inspektoren bemängelt, dass Bayern im Widerspruch zu den EG-rechtlichen Vorgaben nicht genügend Proben aus jeder der vorgegebenen BSE-Risikogruppen untersucht habe. Dieser Vorwurf ist nicht nachvollziehbar. Die maßgebliche Entscheidung der EG schreibt gerade keine bestimmte Anzahl an Proben aus den einzelnen BSE-Risikogruppen vor, sondern lediglich die erforderliche Gesamtzahl der Untersuchungen. Diese Gesamtzahl wurde in Bayern seit Beginn des Untersuchungsprogramms 1998 jedes Jahr erreicht, im Jahr 2000 bereits im Monat September. Bayern hat in der „Hochrisikogruppe“ der Rinder mit klinischen Symptomen einer Gehirnerkrankung überproportional viele Tiere untersucht und damit wesentlich aussagefähigere Erkenntnisse gewonnen als bei der gleichmäßigen Beprobung aller drei Kategorien.

Dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ entsprechend bemängelt das Veterinärkontrollamt ferner, dass in beiden Landesuntersuchungsämtern nicht alle eingesandten Gehirnproben verendeter oder notgeschlachteter Rinder auf BSE untersucht worden seien. Hierzu darf ich anmerken, dass die Probenentnahme aus seuchenhygienischen Gründen nicht auf dem landwirtschaftlichen Betrieb durchgeführt werden darf. Insbesondere in den warmen Monaten befindet sich das Gehirn durch Fäulnisprozesse zum Zeitpunkt der Probenentnahme in der Tierkörperbeseitigungsanstalt in einem Zustand, der eine Untersuchung über Gewebeschnitte nicht immer zulässt. Dies war bei etwa 100 Proben der Fall. Die Behauptung, die Methode sei veraltet oder ungeeignet, ist aus der Luft gegriffen: Es handelt sich bis heute um eine von zwei Referenzmethoden, die von der Europäischen Gemeinschaft anerkannt werden.

Bei der von uns beabsichtigten flächendeckenden Untersuchung von Schlachttieren unter 24 Monaten können derartige Probleme nicht auftreten. Hierbei wird das Gehirn unmittelbar nach der Schlachtung des gesunden Tieres frisch entnommen und gekühlt sofort in ein Labor transportiert, wo es mit dem BSE-Schnelltest untersucht wird.

Wir erwarten also den offiziellen Bericht der Kommission. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so viel wollte ich zu dem sagen, was gestern und heute in Presseveröffentlichungen gestanden hat.

Bayern hat sich bis zuletzt mit allem Nachdruck für die Beibehaltung des Exportverbotes für britisches Rindfleisch und gegen die Aufhebung des Importverbotes eingesetzt. Die Bedenken Bayerns wurden von der rot

grünen Bundesregierung leichtfertig in den Wind geschlagen. Ich habe dies sehr bedauert. Bayern hat an der Seite Nordrhein-Westfalens gekämpft, wenn ich das anmerken darf. Dies ist also nicht unbedingt aus parteipolitischen Gründen zu sehen, sondern meine nordrhein-westfälische Kollegin Bärbel Höhn war der gleichen Auffassung wie wir in Bayern, dass nämlich die Aufhebung des Importverbotes verfrüht ist und dass sie falsch gewesen ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich meine, heute darf angemerkt werden, dass die Bedenken in den Wind geschlagen wurden. Die Bundesregierung hat das Importverbot entgegen aller Warnungen aufgehoben. Sie hat dies mit der leeren Zusage an die Verbraucher getan, britisches Rindfleisch komme nur gekennzeichnet auf den Markt und auf die Ladentheke. Heute ist es bittere Wahrheit, dass die Mitgliedstaaten in Europa die Kennzeichnungspflicht nicht ernst nehmen. Die gleichen Bedenken haben wir aber schon in der damaligen Debatte im Bundesrat zum Ausdruck gebracht.

Ein bestätigter Fall von BSE in Deutschland ist schlimm, und wir müssen uns Gedanken darüber machen, was weiter zu tun ist. Wir sollten uns aber auch darüber im Klaren sein, dass wir uns alle einig sein müssen, nicht nur mit der Bundesregierung, sondern auch innerhalb Europas.

Was also können und was müssen wir tun? Zunächst müssen wir schnellstmöglich und flächendeckend BSETests einführen. Der Ministerrat hat sich in seiner heutigen Sitzung für die Einführung der Tests bei allen geschlachteten Rindern von über 24 Monaten Alter ausgesprochen. Das heißt, wir gehen ein Stück weiter; wir testen also mehr Tiere; nicht nur jene Tiere, die 30 Monate und älter sind, sondern auch Tiere, die 24 Monate und älter sind. Wir haben dies am Wochenende mit unseren zuständigen Behörden abgeklärt. Wir wollen im Übrigen auch nicht das Datum 1. Juli 2001 abwarten und dann mit den Schnelltests beginnen – so ist dies zumindest bis zum heutigen Tag von der Europäischen Union vorgesehen –, sondern wir wollen damit zum 1. Januar des Jahres 2001 beginnen – so, wie jetzt die Weichen gestellt sind, können wir dies auch mit Sicherheit. Wir ziehen den Schnelltest also zeitlich vor.

Da eine BSE-Infektion in Einzelfällen auch schon bei einem Schlachtalter von 24 Monaten festgestellt werden kann, wäre es gegenüber dem Verbraucher nicht zu verantworten, wenn wir, wie es die Bundesregierung plant, nur Schlachttiere von über 30 Monaten testeten. Deshalb werden wir zusammen mit Baden-Württemberg am Freitag im Bundesrat einen entsprechenden Antrag stellen. Natürlich ist es wichtig und notwendig, dass die Bundesregierung für diese Tests sehr schnell die notwendige fleischhygienerechtliche Grundlage schafft.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit den Schnelltests können wir das Risiko infizierten Rindfleisches deutlich reduzieren. Deshalb ist die flächendeckende Einführung ein wichtiger Schritt. Fatal wäre es allerdings – hier stehen wir alle in der Verantwortung –, wenn wir den

Schnelltest als Allheilmittel verkauften. Die derzeitigen Verfahren können keinen absoluten Schutz bieten, vor allen Dingen nicht bei den jungen Tieren. Dies möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Die Tests zeigen uns erst Ergebnisse, wenn die Tiere einen klinischen Befund aufweisen oder die Tiere kurz vor dem Ausbruch der Krankheit stehen. Aus diesem Grund ist ein negatives Testergebnis nicht gleichbedeutend mit der BSE-Freiheit des Tieres.

Damit in Zukunft auch Untersuchungen in Vorstadien möglich sind, müssen die Anstrengungen in der Forschung verstärkt und die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel aufgestockt werden. Die Staatsregierung verstärkt dazu den Ansatz bayerischer Forschungskapazitäten um 2 Millionen DM. BSE ist aber ein nationales und vor allem ein europäisches Problem. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich schnellstmöglich für ein Forschungsprojekt BSE auf europäischer Ebene einzusetzen und dann auch die entsprechenden Mittel bereitzustellen. Ich denke, dass es eine Aufgabe für uns alle ist, auch die Forschung voranzutreiben und zu unterstützen. Wir sind heute durch den Beschluss der Staatsregierung mit gutem Beispiel vorangegangen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Bundesregierung und für die europäische Ebene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesundheitsministerium und damit unser Haus arbeitet mit Hochdruck daran, die personellen, technisch-organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für die Einführung der Schnelltests zu schaffen. Für diese Problematik konnten bereits gestern in einer kurzfristig anberaumten Besprechung in unserem Hause mit den betroffenen Verbänden der Schlacht- und Fleischwirtschaft, dem Bayerischen Bauernverband, der Tierärztekammer sowie dem Landkreis- und Städtetag im Zusammenwirken mit dem Landwirtschaftsministerium erfreuliche, von allen mitgetragene Lösungen gefunden werden. Die Lösungen, die gestern angesprochen worden sind und die wir gemeinsam auf den Weg bringen, lauten:

Die Verantwortung für die Durchführung der Schnelltests bei den Schlachtrindern obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Aufgabenträger der Fleischhygiene. Zur Durchführung der sachgerechten Probenziehung können von den Schlachtstätten auch Fleischkontrolleure und andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schlachthöfe unter Aufsicht amtlicher Tierärzte herangezogen werden. Eine kurzfristige Anleitung des Personals wird von den Landesuntersuchungsämtern sichergestellt. Auch der Fleischprüfring hat seine Unterstützung zugesagt. Nach Auffassung aller Besprechungsteilnehmer sind diese Voraussetzungen in kürzester Zeit erfüllbar.

Der Transport der Proben zu den Untersuchungslabors wird von den Schlachtstätten sach- und zeitgerecht organisiert.

Die zur Durchführung der an Probeanalysen erforderlichen sachlichen und personellen Voraussetzungen können bei den beiden Landesuntersuchungsämtern und dem Tiergesundheitsdienst kurzfristig geschaffen werden. Die beiden Landesuntersuchungsämter müssen

dazu jeweils mindestens zehn medizinisch-technische Assistenten und Assistentinnen zusätzlich beschäftigen; weitere Testausstattungen müssen angeschafft werden. Der Tiergesundheitsdienst bedarf hierzu Sachinvestitionen in Höhe von 250000 DM. Der Anfall der Proben soll in Absprache zwischen den Landesuntersuchungsämtern und dem Tiergesundheitsdienst in der Weise aufgeteilt werden, dass jedes Labor jeweils 150000 Proben erhält. Sollte die Kapazität nicht ausreichen, müssten weitere Privatlabors eingeschaltet werden.

Wir gehen natürlich davon aus, dass in die Testung auch jene Tiere einbezogen werden, die 24 Monate und älter sind. Dies bedeutet, dass wir im Jahr etwa 450000 bis 500000 Tests vornehmen müssen und werden.

Das heißt, dass wir auch private Labors einschalten. Dies wird sicher möglich sein.

Die flächendeckende Einführung der BSE-Tests wird zu einer Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes führen. Letztendlich werden also die Konsumenten von diesen Maßnahmen profitieren. Aus der Sicht der Bayerischen Staatsregierung wäre es deshalb nicht gerechtfertigt, wenn wir die Kosten der Untersuchungen gleichmäßig auf die gesamte Bevölkerung verteilten.

Als weiteren Schritt müssen wir umgehend die Verfütterung von Tiermehl an alle landwirtschaftlichen Nutztiere verbieten. Bund und Länder sind am vergangenen Samstag darin übereingekommen, die Verfütterung von Tiermehl zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verbieten. Parallel zum Verfütterungsverbot soll die Einfuhr und die Ausfuhr von Tiermehlen untersagt werden. Der Bund muss nun unverzüglich die notwendigen gesetzlichen Regelungen schaffen. Bayern wird das Vorhaben im Bundesrat unterstützen. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat heute bekannt gegeben, dass dies auf dem Verordnungsweg nicht möglich sei. Nötig sei ein Gesetz, da das Justizministerium Bedenken angemeldet habe. Wir gehen deshalb davon aus, dass dieses Gesetz bis zum Freitag im Bundesrat vorliegt. Selbstverständlich werden wir diesem Gesetzentwurf dann auch zustimmen, damit dieses Verbot schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden kann.

Außerdem fordern wir von der Bundesregierung, die zwingende thermische Verwertung von Tiermehl vorzuschreiben, damit es nicht auf andere Weise in den Nahrungskreislauf gelangen kann. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns jedoch auch darüber im Klaren sein, dass sich Deutschland auf Dauer nicht vollkommen abschotten kann. Es kann nicht angehen, dass wir hier die größten – auch finanziellen – Anstrengungen zum Schutz unserer Bevölkerung unternehmen, während in anderen Mitgliedstaaten weiter Tiermehl verfüttert wird. Das Verfütterungsverbot für Tiermehl muss europaweit gelten und europaeinheitlich durchgesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass dies auch ein Thema beim Gipfel in Nizza sein wird. Auf diesem Gipfel muss erreicht werden, dass das Verbot von Tiermehl europaweit eingeführt wird.

Nur so können die Verbraucher sicher sein, dass kein Tierfutter in die Nahrungsmittelkette gelangt. Die Bayerische Staatsregierung fordert daher die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene umgehend und mit größtem Nachdruck für ein Verbot der Verfütterung von Tiermehl an landwirtschaftliche Nutztiere einzusetzen.

Angesichts der nach wie vor höchst unterschiedlichen Risikolage in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten bedeutet eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung auch, den Verbraucher zuverlässig über die Herkunft von Rindfleisch zu informieren. Eine europaweite Kennzeichnungspflicht von Rindfleisch hinsichtlich des Geburts-, Aufzuchts– und Schlachtortes sieht das europäische Recht erst ab Januar 2002 vor. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass Sie, ebenso wie die Bayerische Staatsregierung, der Meinung sind, dass dies viel zu spät ist. Die vollständige Etikettierung muss im Interesse eines wirksamen und möglichst umfassenden Verbraucherschutzes sehr viel früher eingeführt werden. Die europaweit verpflichtende Kennzeichnung von Rindfleisch muss vorgezogen werden. Die Etikettierungsvorschriften müssen schnellstmöglich und lückenlos von allen Mitgliedstaaten angewandt werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass mit Deutschland nur wenige andere Mitgliedstaaten rechtlich verbindliche Regelungen zur Kennzeichnung britischen Rindfleisches und daraus hergestellter Erzeugnisse getroffen haben. Der Bundesrat hat im März dieses Jahres – entgegen allen Warnungen aus Bayern – einer Lockerung des Exportverbots für britisches Rindfleisch zugestimmt. Diese Zustimmung erfolgte in der Annahme, dass alle Mitgliedstaaten und Drittländer eine Kennzeichnungspflicht für britisches Rindfleisch vorschreiben. Die Europäische Kommission hat damals zugesagt, eine entsprechende Verpflichtung europaweit durchzusetzen. Bislang ist nichts geschehen. Dieses Versprechen ist nicht eingelöst worden.

Die Bayerische Staatsregierung fordert von der Bundesregierung ein sofortiges Importverbot für Rindfleisch aus Großbritannien, Irland, Frankreich und der Schweiz. Darüber hinaus fordern wir ein Importverbot für Schaf– und Ziegenfleisch aus Großbritannien. Außerdem fordern wir von der Bundesregierung, ein Verbringungsverbot für lebende Rinder aus Frankreich und Irland zu erlassen und ein Verbringungsverbot für lebende Schafe und Ziegen aus Großbritannien.

Ich denke, es gibt nach wie vor gute Gründe, an dieser Forderung festzuhalten. Auch wenn wir in Deutschland seit dem Wochenende einen BSE-Fall haben, ist die Ausgangslage bei uns immer noch eine andere als in Großbritannien, Irland, Portugal, Frankreich und der Schweiz. Bis einschließlich Oktober 2000 sind in Großbritannien insgesamt zirka 180000 BSE-Fälle aufgetreten. Seit 1989 hatte die Republik Irland 487, Portugal 446, Frankreich 150 und die Schweiz 361 bestätigte BSE-Fälle. Das BSE-Risiko bei Rindfleisch aus den genannten Ländern ist immer noch ungleich höher als bei Rindfleisch aus Deutschland. Hier soll nichts schöngeredet werden – aber man muss diese Zahlen auch nennen dürfen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, unverzüglich die Lockerungsvorschriften

zugunsten des Vereinigten Königreichs aufzuheben und auf die genannten Länder auszudehnen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung im Interesse des vorbeugenden Gesundheitsschutzes im nationalen Alleingang tätig wird.