Christa Stewens
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Last Statements
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr schön, dass wir in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode noch einmal den Fokus des Bayerischen Parlaments auf Kinder und kinderfreundliche Gesellschaft und auch auf Kinderrechte legen. Ich halte das für ungeheuer wichtig, weil wir uns alle eine kinderfreundlichere Gesellschaft wünschen. Jeder, der sich mit Kindern, Kinderrechten und der kinderfreundlichen Gesellschaft auseinander setzt, der weiß, dass es in Deutschland und in Bayern tatsächlich an der Verwirklichung der kinderfreundlichen Gesellschaft fehlt.
Frau Kollegin Narnhammer, Sie werfen mir vor, dass ich für das Bündnis für Kinder gegen Gewalt Reklame mit dem T-Shirt-Aufdruck mache, „Mein Kind ist unschlagbar“. Ich stehe voll dahinter. Es gibt im Übrigen kein Ministerium in Deutschland, das mehr Marketing-Maßnahmen betreibt und mehr Marketing-Unternehmen eingeschaltet hat, als das Bundesfamilienministerium. Denken Sie an die Aktion „Schau hin!“. Das war eine reine Marketing-Maßnahme ohne inhaltlichen Hintergrund.
Wir finanzieren mit „Mein Kind ist unschlagbar“ das Projekt „Faustlos“ in unseren Kindergärten und Schulen. Das hat einen Sinn.
Wir wollen die Gewaltspirale in unserer Gesellschaft durchbrechen. Deshalb gehen wir mit dem Projekt „Faustlos“ in die Kindergärten und in die Grundschulen. Deshalb mache ich dafür Werbung, durchaus auch mit Sympathieträgern aus unserer Gesellschaft. Sie sollten sich sehr genau anschauen, was dahinter steckt. „Mein Kind ist unschlagbar“ bzw. „Ich bin unschlagbar“ ist eine Botschaft, die nach Deutschland hinausgesandt wird.
Ich frage mich: Wo sind denn die Aktionen der anderen Länder? – Bayern ist das einzige Land, das eine Stiftung ins Leben gerufen hat.
Das „Bündnis für Kinder gegen Gewalt“ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In den anderen Ländern gibt es nichts Vergleichbares. So etwas hat nur Bayern auf den Weg gebracht, weil uns das Wohl der Kinder so sehr am Herzen liegt.
Das ist übrigens eine bundesweite Stiftung. Deswegen haben wir auch Roman Herzog, Sabine Christiansen und Frau Furtwängler mit in den Vorstand hineingenommen. Die Bayerische Staatsregierung handelt und gibt keine Luftblasen von sich.
In Ihrer zweiten Wortmeldung haben Sie noch einmal sehr schön gesagt, dass letztendlich der Schutz der Kinder eine Querschnittsaufgabe ist. Genau das ist der Grund, warum wir Bedenken gegen Kinderbeauftragte haben. Wir wollen, dass sich das gesamte Parlament mit der Situation unserer Kinder in unserer Gesellschaft beschäftigt. Wir haben darauf verzichtet, bei allen 2050 Gemeinden nachzufragen, was sich im Bereich Kinderparlamente und Kinderbeauftragten tut. Es hätte sicherlich ein buntes Bild für Bayern ergeben.
Wir bauen ständig Personal ab und reden von Entbürokratisierung. Wird denn die Welt unserer Kinder tatsächlich besser, wenn wir bei allen Kommunen nachfragen? – Sie hätten übrigens Ihre Interpellation heute in der letzten Vollsitzung des Parlaments nicht behandeln können, wenn wir diese mühevolle Umfrage gemacht hätten, die Sie von uns eingefordert haben. Das Leben unserer Kinder würde dadurch nicht besser.
Der Landtag hat beschlossen, dass im nächsten Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung der Schwerpunkt auf die Kinder und Jugendlichen gelegt wird. Ich halte das für richtig.
Wir haben übrigens im Bildungs- und Erziehungsplan ein ganz wichtiges Element, dass Kinder verstärkt dazu erzogen werden, je nach ihrer Altersgruppe Verantwortung für ihre eigene Einrichtung, also Kindergarten, Kinderkrippe, Kindertagesstätte, Horte usw., mitzutragen.
Frau Kollegin Schopper, Sie haben gesagt, die CSU hat ein verzopftes Familienbild.
Entschuldigung, Sie hat gesagt, die CSU hat ein verzopftes Frauenbild. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Wir haben in Bayern mit 63% die höchste Erwerbstätigenquote bei den Frauen. Diese ist übrigens höher als in Frankreich und in allen anderen Ländern in Deutschland, höher auch als in den neuen Ländern, wobei dort eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Die Frauen in Bayern sind von Arbeitslosigkeit nicht stärker betroffen als die Männer.
Daran sehen Sie durchaus, dass die Bayerische Staatsregierung keineswegs ein verzopftes Frauenbild hat. Die Erfolge geben uns Recht.
Sie haben auf die schwierige Situation bei den Gastkinderbeträgen hingewiesen. Ich gebe Ihnen teilweise Recht. Ich rufe zurzeit selbst die Bürgermeister einzeln an. Ich habe heute einen Brief von einem Bürgermeister bekommen, der überrascht war, dass ich mich mittlerweile persönlich um Kindergartenplätze – in dem konkreten Fall um Kinderkrippenplätze – kümmere.
Das verzopfte Frauenbild ist bei der SPD genauso wie bei den Freien Wählern zu finden. Man ist überrascht, was einem manchmal entgegengehalten wird. Ich kann Ihnen nur sagen, das ist durchaus schwierig.
Zu Pisa und Weihwasser: Andere Länder in Deutschland wären froh, wenn ihre Kinder bei der Pisa-Studie ebenfalls im ersten Drittel wären.
Deutschland wäre bei der Studie ganz wo anders gelandet, gäbe es nicht die Qualität der bayerischen Schulen.
Dann würden wir uns umschauen, wo Deutschland in Wirklichkeit bei der Pisa-Studie steht. Sie sollten weniger von Weihwasser und mehr von den tatsächlichen Erfolgen reden, die wir mit der Qualität an unseren Schulen haben.
Die Ganztagsschule und die Ganztagsbetreuung sollten wir vorurteilsfrei betrachten. Ich sagen Ihnen ganz offen: Meine Tochter – mein fünftes Kind – war in der Ganztagsbetreuung. Sie hat mit 14 Jahren zu mir gesagt, sie würde gerne einen Übungsleiterschein machen oder am
Nachmittag eine Gruppe in der Kirche leiten. Sie wollte nicht mehr in die Ganztagsbetreuung gehen.
Dann habe ich gesagt, dann bleibst du halt zu Hause.
Das geht bei der Ganztagsschule nicht. Warum geben wir den Eltern nicht die Freiheit, selbst zu entscheiden? Behandeln Sie dieses Thema vorurteilsfrei.
Frau Kollegin Hirschmann, Sie haben den Fall in Coburg angesprochen. Nachdem wir alle nicht die Ursachen kennen, Frau Hirschmann, bitte ich, sensibel damit umzugehen und nicht voreilig falsche Schuldzuweisungen zu machen.
Solange Ermittlungen laufen, solange die Nachrichtensperre aufrechterhalten ist, sollten Sie das nicht tun. Ich meine, Sie machen es sich da schon etwas einfach.
Deswegen möchte ich auch noch einmal an die notwendige Sensibilität Ihrerseits appellieren.
Lassen Sie mich noch einmal zu Armut, verdeckter Armut, etwas sagen. Wir haben den Familienreport vom ifb für das Jahr 2003. In Bayern haben wir, eine Sozialhilfedichte von 17, das ist auf 1000 Einwohner gerechnet. Nordrhein-Westfalen hat 36, Schleswig-Holstein 43. Bayern hat damit die niedrigste Sozialhilfedichte in der Bundesrepublik. Ich könnte Ihnen diese Zahlen alle vorlesen, gerade für die rot-grün regierten Bundesländer. Armut hat eben leider Gottes schon etwas mit Wirtschaftspolitik, mit Wirtschaftswachstum und mit Arbeitsplätzen zu tun. Wenn wir in Bayern die niedrigste Sozialhilfedichte haben, dann hat das doch mit den Rahmenbedingungen zu tun. Frau Kollegin Schopper, zur verdeckten Armut: Wir vom Sozialministerium werben immer dafür, dass auf Sozialhilfe ein Rechtsanspruch besteht. Mehr können wir nicht machen.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Interpellation zurückkommen und auf die Diskussion insgesamt eingehen, die hier und heute geführt wird. Für mich ist diese Interpellation eine gute Gelegenheit, gerade anhand der dort enthaltenen Zahlen, ein Resümee über getane Arbeit zu ziehen und gleichzeitig einen Ausblick auf die vor uns stehenden Herausforderungen zu geben. Gerade die Diskussion „Mehr Rechte für Kinder“ verleitet zur irrtümlichen Annahme, Handlungsbedarf bestehe in erster Linie in der Schaffung zusätzlicher formaler Rechtspositionen für Kinder. Übrigens hat auch die Jugendministerkonferenz einstimmig beschlossen, dass
das Zurückziehen auf formale Rechtspositionen allein für unsere Kinder nichts bringt.
Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland und in Bayern ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – das muss man immer wieder verdeutlichen und sagen – keine Frage der juristischen Durchsetzung, sondern sie ist vielmehr ein Problem der gesellschaftlichen Beachtung. Das zu bedenken ist ungeheuer wichtig. Wir müssen in Deutschland ein Klima schaffen, in dem letztendlich Kinderfeindlichkeit geoutet wird. Ich halte das für ungeheuer wichtig. Ich denke dabei gerade an solche Dinge wie den Lärmschutz an Kinderspielplätzen. Man hat in den Kommunen beispielsweise darüber diskutiert, dass an den Freispielanlagen der Kindergärten Lärmschutzwälle errichtet werden müssten. Kinder unter Immissionsschutzgrenzwerten zu betrachten halte ich für fatal. Wir brauchen in unserer Gesellschaft, das mahne ich an, diesbezüglich ein Umdenken.
Kinder und Familien brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Das gilt für das konkrete Lebensumfeld jedes einzelnen Kindes ebenso wie für die allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir diskutieren über viele differenzierte Maßnahmen. Die wichtigste und alles überragende Bedingung, die das Wohl und die Entwicklung unserer Kinder gewährleistet und fördert heißt aber: Es muss jemand für die Kinder da sein. Es muss jemand mit den Kindern reden, mit ihnen spielen, lachen und auch streiten. Es muss sich jemand mit den Kindern auseinandersetzen, bereit sein, den Kindern Grenzen zu setzen und Grenzen aufzuzeigen. Dabei muss ich auch sagen, dass die überwiegende Mehrheit in unserem Lande das durchaus tut. Dort, wo wir feststellen, dass Kinder alleine gelassen werden, wenn das Verlässlichste im Leben sozusagen das Fernsehprogramm ist, muss der Staat in Zukunft sein Wächteramt durchaus auch ein Stück konsequenter ausüben. Im Hinblick auf die kleine, aber aufsehenerregende Zahl massiv straffälliger Kinder und Jugendlicher – auch das kam in der Diskussion heute zur Sprache – ist es nach meiner festen Überzeugung an der Zeit, darüber nachzudenken, wie wir die Eingriffsschwelle und die Eingriffsmöglichkeiten des Staates in der Erziehungsverantwortung der Eltern sauberer und klarer definieren. Stichwort: Elterliches Sorgerecht. Auch Eltern müssen wissen, ab welcher Grenze der Staat die Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung nicht mehr als gewährleistet ansieht. Dem Kindeswohl ist in bestimmten Fällen am besten gedient, wenn rechtzeitig klare Grenzen aufgezeigt werden.
Kinder und Familien brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. In Bayern setzen wir familienverlässliche Rahmenbedingungen. Ministerpräsident Edmund Stoiber hat in seiner Regierungserklärung am 29. 10. 1998 vor diesem Hohen Haus erklärt, dass Familienleistungen trotz eines strikten Sparkurses der Regierung von Kürzungen ausgenommen bleiben. Die Staatsregierung hat nicht nur Wort gehalten, sondern wir haben gerade für die Kinder- und Familienpolitik ausgabenwirksame Schwerpunkte gesetzt. Als Beispiel nenne ich das Landeserziehungsgeld, das ein Herzstück der bayerischen Familienpolitik darstellt. Wir waren Motor bei der Einführung des Bundeserziehungsgeldes. Bayern war das
erste Land, welches das Landeserziehungsgeld einführte.
Der Freistaat hat seit der Einführung 1,5 Milliarden e hierfür ausgegeben. Sie sollten nicht mit dem Kopf schütteln, Frau Kollegin Narnhammer, denken Sie doch lieber daran, welche Einsparungen der Bund zur Zeit beim Bundeserziehungsgeld in den ersten sechs Monaten vorsieht. Wenn man bedenkt, dass alleine 40 Prozent der Akademikerinnen keine Kinder mehr bekommen, dann ist es doch eine fatale Entwicklung, in den ersten sechs Monaten das Bundeserziehungsgeld so gewaltig zu kürzen.
Das ist doch geradezu kontraproduktiv. Da sollten Sie sich lieber Gedanken über die Maßnahmen der eigenen Regierung machen. Kein anderes Land zahlt im Hinblick auf Dauer und Leistungshöhe ein vergleichbares Landeserziehungsgeld. Das Landeserziehungsgeld wurde in der ablaufenden Legislaturperiode sogar noch weiter verbessert. Wir haben es für das dritte Kind und für weitere Kinder erhöht, von 256 e auf 307 e.
Sie haben heute auf die Sozialhilfe abgehoben. Gerade die Kinder von Alleinerziehenden und die Mehrkinderfamilien sind doch diejenigen, die von Sozialhilfe leben. Dennoch hat der Bund bei den letzten Kindergelderhöhungen die Mehrkinderfamilien – also ab dem dritten Kind – bei der Erhöhung des Kindergeldes komplett vergessen.
Beim Landeserziehungsgeld wurde auch der Bezug für Drittstaatler ausgeweitet. Wenn beide Eltern Drittstaatler sind, zahlen wir Landeserziehungsgeld, wenn das Kind die Deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Ein weiteres Beispiel ist die Kinderbetreuung, Stichwort: Wahlfreiheit. Für uns ist es ganz wichtig, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit verbessern. Das gehört für uns zu den familienpolitischen Schlüsselthemen schlecht hin. Wir haben deshalb unseren Schwerpunkt in der abgelaufenen Legislaturperiode auf das Gesamtkonzept zur kinder- und familiengerechten Betreuung von Kindern und Jugendlichen gesetzt. Wir haben die Weichen für einen bedarfdeckenden Ausbau der Kinderbetreuung gestellt. Das Gesamtkonzept setzt durchaus Maßstäbe in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht. Mit unserem 313 Millionen e umfassenden Programm werden 30000 zusätzliche, neue Kinderbetreuungsplätze in Bayern geschaffen. Das ist ein bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung bis zum Jahr 2008. Ich meine, hier können wir uns wirklich sehen lassen. Insgesamt gesehen haben Sozial- und Kultusministerium für 2002 im Haushalt 540 Millionen e für die Kinderbetreuung zur Verfügung. Seit Beginn des Jahres 2002 werden bis 2005 noch einmal 313 Millionen e draufgesattelt.
Viele Länder sind neidisch, dass wir in Bayern so erfolgreich sind. Das Angebot wird ausgesprochen gut angenommen. Wir werden 30000 neue Plätze schaffen, jedes Jahr 1000 Plätze allein für Kinder unter 3 Jahren, 5000 Plätze für Schulkinder. Das wird von den Kommunen sehr gut angenommen. Die Versorgungsquote an den Kindergärten für die Drei- bis Sechsjährigen konnten wir in den Jahren 1998 bis 2002 noch einmal anheben, von 88,5 Prozent auf 95,7 Prozent. Bei den Angeboten für die unter Dreijährigen haben wir mittlerweile eine Bedarfsdeckung von 4,3 Prozent erreicht.
Dies wird zur Zeit von keinem anderen westlichen Flächenland erreicht.
Wenn Sie sagen, Bayern habe schließlich Nachholbedarf gehabt, dann muss ich Ihnen antworten: Wir sind mittlerweile Spitze und das ist doch das, was im Moment zählt. Dies gilt auch, wenn wir zurückblicken und uns vor Augen führen, welche Erfolge wir erreicht haben. Wir haben einen Schwerpunkt auf dieses Feld gelegt, und ich halte das für ungeheuer wichtig. Ich meine, Sie sollten das auch einmal neidlos anerkennen. Wir haben die Zahl der Hortplätze, wenn ich die Altersöffnungen in Kindergärten dazurechne, von 1998 bis 2002 um 51% gesteigert. Auch in diesem Punkt sind wir hervorragend; ich möchte Ihnen das ganz offen sagen. Zusätzlich sind die Öffnungszeiten flexibilisiert und die Ferienschließzeiten reduziert worden, und zwar alles familiengerecht ausgestaltet. Mittlerweile nutzt mehr als jeder vierte Kindergarten die Möglichkeiten der Altersöffnung. In Bayern werden wesentlich mehr Häuser für Kinder errichtet. Der Kindergarten wandelt sich und bewegt sich hin zu einem Haus für Kinder. Das ist eine hervorragende Entwicklung, die wir in Bayern initiiert haben.
Lassen Sie mich noch zur Kinder- und Jugendhilfe kommen: Die Kinder- und Jugendhilfe ist ein zentrales Anliegen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen. Trotz Spar- und Konsolidierungslinie beim bayerischen Staatshaushalt – Stichwort Nachhaltigkeit; ich gebe Ihnen völlig Recht, Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen erforderlich und es ist auch kinderfreundlich, weil wir nicht die Zukunft unserer Kinder verfrühstücken – ist der Haushaltsansatz für die Kinder- und Jugendhilfe nochmal um eine halbe Million e erhöht worden. Wir setzen hier einen Schwerpunkt in der Jugendsozialarbeit an Schulen. Wir wollen einen bedarfsgerechten Ausbau der Jugendsozialarbeit an bayerischen Schulen voranbringen. Auch in diesem Bereich möchte ich auf die Erfolge hinweisen. Durch die laufenden Angebote der Jugendsozialarbeit ist das Gewaltpotenzial an den jeweiligen Schulen um 52% reduziert worden.
Wir sind das einzige Land, das bei der Jugendsozialarbeit eine Regelförderung durchführt.
Im Doppelhaushalt 2003/2004 werden dafür circa 2,9 Millionen e vorgesehen und für den kontinuierlichen Ausbau sind 32 Millionen e kalkuliert worden.
Ganz pointiert möchte ich darauf hinweisen, dass die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung ganz besondere Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen Jugendlicher hat. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir einen Schwerpunkt bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt setzen. Denn ohne Unterstützung und Hilfe ist dieser Personenkreis ganz chancenlos. Deshalb wird die berufsbezogene Jugendhilfe in über 100 Einrichtungen mit 5,3 Millionen e aus dem Jugendhilfeetat gefördert. Wir haben hierzu auch Zuschüsse aus dem Arbeitsmarktfonds in Höhe von 1,7 Millionen e zur Verfügung gestellt. Dadurch werden übrigens auch die Kommunen finanziell entlastet. Dies gilt auch für den Ausbau der Kinderbetreuung. Durch das Gesamtkonzept werden die Kommunen um 116 Millionen e finanziell entlastet. Auch das muss man ganz klar und deutlich sagen.
Darüber hinaus haben wir aus dem Europäischen Sozialfonds im Förderzeitraum von 2000 bis 2006 insgesamt 33,5 Millionen e für berufsbezogene Jugendhilfe eingeplant. Ich glaube schon, dass es Ihnen ein Stück weit weh tut, wenn wir die Erfolge der Bayerischen Staatsregierung aufzählen, weil sie Ihnen insgesamt nicht so ganz passen. Ich meine aber, dass Sie die Ergebnisse positiv zur Kenntnis nehmen sollten, weil wir die Situation unserer Kinder in Bayern intensiv verbessert haben.
Ich komme zur Kinder- und Jugendkriminalität: Die Kinder- und Jugendkriminalität stagniert auf einem hohen Niveau. Somit besteht ein dringender Handlungsbedarf. Wir haben daher bei der Jugendhilfe einen Schwerpunkt beim Ausbau der ambulanten Erziehungshilfe und bei der Verbesserung der Wirksamkeit der Jugendgerichtshilfe durch ein Controlling und ein Qualitätsprogramm gesetzt. Des Weiteren werden die Möglichkeiten der geschlossenen Unterbringung durch drei dezentrale Clearingstellen für massiv strafauffällige dissoziale Kinder und Intensivtäter, die noch strafunmündig sind, ausgebaut. Unser Ziel ist, auf ein massiv delinquentes Verhalten von Kindern ganz schnell reagieren zu können, um diese sehr rasch aus ihrem negativen sozialen Umfeld herauslösen zu können.
Kinder, Jugendliche und Familien brauchen verlässliche Unterstützung bei der Erziehung. Wir stellen fest, dass immer mehr Eltern bei den Fragen Familien, Bildung oder Erziehung verunsichert sind. Deswegen hat die Erziehungsberatung in Bayern von jeher einen ungeheuer hohen Stellenwert gehabt. Der Mittelansatz im Doppelhaushalt beträgt 17,4 Millionen e. Zur Optimierung gilt es, verstärkt neue Medien zu nutzen, mit dem Ziel, Eltern und junge Menschen, die Probleme und Sorgen haben, zu erreichen und rechtzeitig präventive Angebote zu machen. Ich sage auch immer, man müsste eigentlich mit Fragen der Familienbildung bereits bei den geburtsvorbereitenden Kursen an die Eltern herantreten.
Um Eltern, die Probleme und Sorgen haben, unterstützen zu können, haben wir eine modellhafte Förderung des Sorgenchats auf den Weg gebracht. Das war letztendlich die Grundlage für die Online-Beratung im Internet, die bei der Bundeskonferenz der Erziehungsberatung die Steilvorlage geliefert hat, um auch die restliche Bundesrepublik mit ins Boot zu nehmen. Wir in Bayern schaffen verlässliche Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche sowie für Familien. Auf uns können sich unsere Familien und unsere Kinder verlassen.
Wenn ich mir auf der anderen Seite die Rahmenbedingungen betrachte, die auf der bundespolitischen Ebene gesetzt werden, dann finde ich überhaupt keine Verlässlichkeit und keine Berechenbarkeit mehr. Der Oberbürgermeister Christian Ude hat kurz nach dem Beginn der rot-grünen Koalition gesagt: „Wir sind immer bereit, uns hinter die Bundesregierung zu stellen, sobald wir wissen, wo sie denn tatsächlich steht.“ Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPDLandtagsfraktion mitunter das gleiche Problem haben. Länder und Kommunen wissen beispielsweise bis heute nicht, wie das angekündigte Versprechen der Bundesregierung, 1,5 Milliarden e für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen, umgesetzt wird. Ich habe das letzte Mal bei der Kollegin Schmidt direkt nachgefragt. Sie hat es mir auch nicht sagen können. Wobei man dazu sagen muss: Es ist ein seltsames Unterfangen, von Berlin aus zu sagen, man wolle 20% Kinderkrippenbetreuung flächendeckend in Deutschland. Da habe ich meine ganz großen Vorbehalte dagegen.
Die Familien drohen auch immer mehr in den Mittelpunkt der Sparbemühungen der Bundesregierung zu rücken. Wir haben auf der einen Seite – ich habe es vorhin schon gesagt – die Senkung der Einkommensgrenzen für das Bundeserziehungsgeld in den ersten sechs Lebensmonaten, was ganz fatale Auswirkungen haben wird. Wir brauchen im Grunde eine bessere Förderung, damit sich mehr Familien und Frauen für das erste Kind entscheiden. Deswegen hat der Plan der Bundesregierung ganz fatale Auswirkungen, nachdem 30% unserer jungen Frauen und 40% der Akademikerinnen keine Kinder mehr bekommen. Ich denke weiter an die geplante Streichung der Eigenheimzulage und an die Einführung einer Einkommensgrenze in das Unterhaltsvorschussgesetz. Der Etat des Bundesfamilienministeriums sinkt um 355 Millionen e. Das sind die verlässlichen Rahmenbedingungen, die der Bund unseren Kindern und Familien setzt. Von der im Koalitionsvertrag als Zielsetzung ausgerufenen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Familien kann neun Monate danach überhaupt keine Rede mehr sein.
Frau Kollegin Schopper, Sie haben gesagt, wir müssten mit dem Familiengeld bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, solange wird die rot-grüne Bundesregierung gar nicht mehr in der Verantwortung stehen, sodass wir nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen. Dessen können Sie sich ganz sicher sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung für Kinder in unseren jungen Familien drückt aus der Sicht der Eltern letztendlich Zuversicht aus. Hinter dieser Ent
scheidung steckt die Zuversicht, den richtigen Lebenspartner gefunden zu haben. Hinter dieser Entscheidung steckt auch ein Stück Optimismus im Hinblick auf die Entwicklung des persönlichen Lebensstils. Ja zu Kindern heißt letztendlich Optimismus im Leben. Jede Ungewissheit und jede Unwägbarkeit tragen aber dazu bei, dass ein vorhandener Kinderwunsch aufgeschoben wird. Politik, Arbeitgeber und ganz ausdrücklich die Wirtschaft sind aufgerufen, für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Im Hinblick darauf ist die jetzige gesamtwirtschaftliche Situation verbunden mit der Angst um den Arbeitsplatz familienpolitisch ein wirkliches Desaster. Diese wirtschaftliche Situation sorgt für zusätzliche Verunsicherung bei unseren Familien und trägt letztendlich dazu bei, dass die Kinderquote in Deutschland weiterhin sinken wird, weil der Optimismus und die Zuversicht, die wir in unseren Familien dringend brauchen, fehlen.
Abschließend möchte ich mich bei allen Fraktionen dafür bedanken, dass sie sich bei der Verwaltung für die Arbeit zur Beantwortung dieser Interpellation bedankt haben. Ich nehme diesen Dank gerne für meine Verwaltung entgegen, weil ich weiß, dass Sie es anerkennen, dass wir uns intensiv darum bemüht haben, diese Interpellation noch in dieser Legislaturperiode zu behandeln.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur ganz kurz etwas klarstellen. Es geht hier letztendlich um ein paar Zahlen, um den Beschaffungsbedarf in der Medizintechnik. Dafür hat das Klinikum Augsburg eine Jahrespauschale von 5,2 Millionen e. Das sind die so genannten Zwölfermittel; die kennen Sie alle.
Hier wird ein Stück Populistik gemacht, wenn man sagt, die zuständigen schwäbischen Regierungsmitglieder hätten sich nicht eingesetzt. Die haben sich für das Zentralklinikum Augsburg doch intensiv eingesetzt, und zwar beide Regierungsmitglieder. Ich möchte mich hier auch beim Kollegen Max Strehle bedanken, der sich als örtlicher Abgeordneter immer intensiv für die Belange des Klinikums eingesetzt hat.
Ich möchte Ihnen noch eines dazu sagen. Die Verhandlungen laufen nun schon seit längerer Zeit. Deswegen hat der Kollege Max Strehle natürlich Recht, wenn er sagt, dass es sich hier um einen Schaufensterantrag handelt. Denn man weiß, dass man jetzt zum Ende kommt. Am Freitagmorgen wird die Regierung von Schwaben die abgestimmte Liste übermitteln.
Vom Zentralklinikum Augsburg ist eine Liste vorgelegt worden, in der es um die Summe von 47,9 Millionen e geht. Dass die Regierung von Schwaben diese Liste noch einmal exakt überprüft, ist richtig. Denn es geht um Steuermittel. Da muss man sich genau anschauen, was tatsächlich benötigt wird, was nicht benötigt wird, was sich über Leasing bereitstellen lässt usw. Dieses Verfahren halte ich für richtig.
Diese Abstimmung hat vor dem Hintergrund der gewissenhaften Prüfung etwas länger gedauert. Es musste exakt überprüft werden. Jetzt sind wir auf einem guten Weg, gemeinsam eine Lösung zu finden, und zwar gemeinsam mit der örtlichen Vertretung, mit Max Strehle, dem Zentralklinikum, dem Landrat Vogele und dem Oberbürgermeister Wengert.
Ich möchte noch auf Folgendes hinweisen. Wir sind im Bereich unserer Krankenhausförderung in Bayern Spitze. Das mag Ihnen zwar wieder nicht gefallen, aber wir haben 2002 einen Pro-Kopf-Betrag von 46,80 e, also bezogen auf einen Einwohner in Bayern. In den westdeutschen Flächenländern liegt der Durchschnitt bei 31,22 e. Auch hier sehen Sie: Wir lassen uns unsere Krankenhäuser etwas kosten. Im bundesdeutschen Vergleich haben wir den höchsten Förderbetrag pro Kopf.
Vor diesem Hintergrund sind wir zurzeit mit dem Zentralklinikum Augsburg auf einem guten Weg, zu einer Liste für die Medizintechnik zu kommen, die sicherstellt, dass das Notwendigste angeschafft werden kann.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wahnschaffe, die Länder und die jeweiligen Bundestagsfraktionen bestimmen die Vertreter im Vermittlungsausschuss. Jeder von uns kann sich nach den Namen von denjenigen erkundigen, die im Vermittlungsausschuss verhandeln. Das ist absolut kein Geheimnis. Das nur zu Ihrer Information.
Herr Kollege Wahnschaffe, ich kann mich noch gut erinnern, als ein Bundesminister Riester die Jahrhundertrentenreform in Deutschland verkündet hat. Zwei Jahre später war sie Makulatur. Heute redet man wieder über eine Rentenreform. Die Riestersche Rentenreform hat letzten Endes in keiner Weise gegriffen. Wenn wir ehrlich rechnen, ist der Beitragssatz zur Rentenversicherung heute schon bei über 20%. Bei 19,5% sind wir nominell. Sie wissen aber ganz genau, dass der Beitragssatz zur Rente über 20% beträgt, wenn man alles herausrechnet, was hineingemogelt worden ist, zum Beispiel die Absenkung der Mindestreserve oder die Ökosteuer.
Jetzt wird auch noch die Erhöhung der Tabaksteuer als großer Erfolg von Ulla Schmidt herausgestellt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das nimmt doch keiner mehr ernst. Als man die einstufige Tabaksteuererhöhung beschlossen und gemerkt hat, sie könnte eventuell in der Bevölkerung die gewünschte gesundheitspolitische Lenkungswirkung entfalten, hat man gesagt: Nein, doch lieber in drei Schritten, weil man nämlich auf das Geld scharf war und nicht auf die gesundheitspolitische Lenkungswirkung. Dieses als Erfolg darzustellen, ist eine Unverfrorenheit.
Das Nächste: Als Kollege Seehofer als Bundesgesundheitsminister aufgehört hat, hatte die GKV immerhin 2 Milliarden D-Mark auf der hohen Kante. Im letzten Jahr –
2002 – hatte das GKV-System 3 Milliarden e Defizit. In diesem Jahr wird das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung auch wieder genauso hoch sein. Dazu haben die gesetzlichen Krankenversicherungen Rücklagen aufgelöst. Das Höchste war, dass Ulla Schmidt den gesetzlichen Krankenversicherungen vor kurzem geraten hat, ihre Defizite doch über Kreditaufnahmen zu finanzieren, obwohl die gesetzlichen Krankenversicherungen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und grundsätzlich nicht über Kreditaufnahmen finanzieren dürfen. Das wollen Sie hier als Erfolg herausstellen? – Ich nenne solche Ratschläge einen echten Skandal.
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das rot-grüne Reformmodell für falsch halte: Wir bekommen dadurch noch mehr Bürokratie und noch mehr Planwirtschaft. Gott sei Dank ist jetzt die Positivliste vom Tisch. Wir hatten als Erstes die Zulassung, dann hatten wir die Negativliste, dann sollten wir die Positivliste bekommen, dann sollten wir noch eine Innovationsliste bekommen. Das Ganze überprüft dann das zentrale Institut für qualitätsgestützte Medizin. Das ist eine wahnsinnige Bürokratie, die das Gesundheitssystem sehr viel Geld kostet. Ulla Schmidt und Rot-Grün machen den Fehler, dass sie immer denken, dass man über Aufbau von Bürokratie die Kosten in den Griff bekommen kann. Aber sie bekommen die Kosten nicht in den Griff; das zeigt das Defizit in der GKV. Das ist das Grundproblem, und das ist die Kritik, die ich hier äußere.
Sie reden davon, Leistungsblöcke würden ausgegliedert. Wer gliedert denn ganze Leistungsblöcke wie das Krankengeld oder die Krankentransporte oder einen Teil der Arzneimittel aus? In dem Konzept von Ulla Schmidt werden ganze Leistungsblöcke ausgegliedert. Das sollten Sie keineswegs unter den Tisch fallen lassen, sondern Sie sollten sich dazu bekennen.
Jetzt möchte ich zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerversicherung wird übrigens schon seit langem diskutiert, nicht erst von der Rürup-Kommission. Darüber wird zurzeit landauf, landab viel diskutiert. Kaum einer hat eine exakte Vorstellung davon, was eine Bürgerversicherung bedeutet: Es ist eine Zwangsversicherung für alle, auch für die Selbstständigen, für die Beamten usw.
Die Rürup-Kommission hat sich übrigens, Herr Kollege Wahnschaffe, durchaus damit beschäftigt, aber sie ist zu keinem Ergebnis gekommen. Auch die Herzog-Kommission hat sich mit der Bürgerversicherung beschäftigt. Die Herzog-Kommission ging einen Schritt weiter, sie hat nämlich von einer Ausweitung für alle abgeraten.
Über eines müssen wir uns im Klaren sein: Eine Bürgerversicherung löst nicht die strukturellen Probleme, die wir zurzeit in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Man bekommt zwar durch eine Bürgerversicherung mehr Beitragszahler und erhält am Anfang natürlich mehr Beiträge – das ist gar keine Frage –, aber man hat auch mehr Versicherte und später das gleiche Ausgabenproblem. Das heißt, die Katze fällt wieder auf ihre vier Füße. Die strukturellen Probleme, nämlich die demografische Entwicklung, haben die privat Versicherten ganz genauso. Probleme wie die Finanzierbarkeit
der medizinisch-technischen Innovation werden durch eine Bürgerversicherung nicht gelöst.
Deshalb möchte ich Ihnen noch einmal die besondere verfassungsrechtliche Problematik aufzeigen, die eine zwangsweise Eingliederung aller Selbstständigen und aller Besserverdienenden in die Sozialversicherung bedeutet. Dieser schwer wiegende Eingriff in die bürgerliche Freiheit bedarf durchaus einer verfassungsrechtlichen Legitimation. Das Grundgesetz verbietet, dass der Staat zur Vollkaskoeinrichtung mutiert. Der grundgesetzlich geschützte Freiraum des Einzelnen setzt der sozialstaatlichen Vorsorge übrigens enge Grenzen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt sich aus der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter. Dieses System ist nicht auf andere Personengruppen, die dieses besonderen Schutzes nicht bedürfen, beliebig ausweitbar und nicht übertragbar. Das heißt, der Gesetzgeber kann sich bei einer vollständigen Einbeziehung auf die soziale Schutzbedürftigkeit der Selbstständigen insgesamt nicht berufen.
Um die Einnahmensituation der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern, bietet Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 unseres Grundgesetzes keine Handhabe. Man kann nicht an den grundrechtlich geschützten Freiraum des Einzelnen herangehen. Die zwangsweise Eingliederung bedeutet einen Eingriff in die bürgerliche Freiheit nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes und beschränkt die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger.
Der sozialstaatlichen Vorsorge sind im Interesse der Freiheit des Einzelnen durch unser Grundgesetz Grenzen gezogen. Es besteht übrigens auch ein sozialstaatliches Übermaßverbot. Hier kommt gerade der Beitragsbemessungsgrenze eine zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Beitragsbemessungsgrenze bemisst den wirtschaftlichen Spielraum der Versicherten. Bei der Bemessung der Beitragsbemessungsgrenze ist es ganz wichtig, dass dem Einzelnen noch finanzielle Spielräume bleiben, um andere Formen der Vorsorge wählen zu können.
Selbst wenn man die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine Zwangsversicherung für alle ändern würde, stieße man an den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz. Danach sind Dispositionen der Bürger aufgrund einer früheren Rechtslage grundsätzlich schützenswert, wenn ihre Wirkungen auch in die Zukunft reichen. Das heißt, wenn man so etwas verfassungskonform lösen wollte, dann kann man dieses auf gar keinen Fall kurzfristig, sondern es wäre letztendlich erst eine Lösung auf lange Sicht. Das muss man wirklich beachten.
Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Problematik halte ich die Bürgerversicherung nicht für sinnvoll und auch nicht für wünschenswert, weil dadurch die Belastung des Einzelnen mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben noch zusätzlich aufgebaut wird.
Unsere Bürgerinnen und Bürger werden dadurch insgesamt noch stärker belastet. Übrigens möchte ich noch darauf hinweisen, dass gerade die privat Versicherten – reden Sie mit den Ärzten – viele Leistungen für die GKVVersicherten mitfinanzieren. Reden Sie mit den Ärzten in den Praxen. Dann hören Sie, dass die privat Versicherten einen großen Teil der Leistungen für GKV-Versicherte mitfinanzieren.
Auch dieses muss man bei einer Bürgerversicherung bedenken. Gerade vor diesem Hintergrund müssen wir deswegen in der Argumentation sehr vorsichtig sein.
Lassen Sie mich noch etwas zu Ihrer nächsten Forderung sagen, die im Antrag der GRÜNEN aufgeführt wird: Das ist die Einschränkung der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich kann Ihnen hier sagen: Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die beitragsfreie Familienversicherung in vollem Umfang erhalten bleibt. Das gehört für mich nämlich auch zu einer nachhaltigen Familienpolitik. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil vom April 2001 zur Pflegeversicherung hat uns das Bundesverfassungsgericht den Auftrag gegeben, alle sozialen Sicherungssysteme daraufhin zu überprüfen, ob sie denn familienfreundlich ausgestaltet sind. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass Familien schon durch ihren Kindererziehungsbeitrag, durch ihren generativen Beitrag
lassen Sie mich doch ausreden – einen Beitrag zur gesetzlichen Sozialversicherung leisten. Das muss man stärker berücksichtigen.
Ich kenne das; ich habe es mir sehr genau durchgelesen. Ich möchte auch Frau Kollegin Schopper sagen: Ich würde die Türe nicht einmal einen Spalt breit aufmachen. Das halte ich für ausgesprochen gefährlich. Deswegen: Hände weg davon! Ich stehe zur beitragsfreien Familienversicherung und bin der festen Überzeugung, dass sie in vollem Umfang erhalten bleiben muss.
Das andere ist heute schon besprochen worden. Wir werden natürlich keine Blockadepolitik betreiben – gar keine Frage. Seit 17. Juni sind die Vorschläge der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion auf dem Tisch. Darin ist keineswegs, Kollegin Schopper, die Herausnahme der Privatunfälle enthalten. Es ist ein ganz einfaches Modell, das schlicht und einfach auf Mitbestimmung, auf Freiheit und Selbstverantwortung setzt. Die Selbstverantwortung zieht sich durch unser Modell wie ein roter Faden. Wir sagen ganz einfach: Mit einer zehnprozentigen Eigenbeteiligung ist jeder dabei; ausgenommen sind die Vorsorge, die Prävention und Kinder, die mitversichert sind. Sozial verträglich wird es durch die Grenze von 2% des Bruttoeinkommens. Das heißt, diejenigen, die weniger verdienen, sind mit einer niedrigeren Eigenbeteiligung dabei; diejenigen, die mehr verdienen, sind mit einer höheren Eigenbeteiligung dabei; denn die 2% des Brut
toeinkommens ergeben dann natürlich einen entsprechend höheren Betrag. Das heißt, das ist sozial austariert; die soziale Balance ist gewahrt. Das ist sozusagen das Herzstück.
Die einzige kleine Leistungsbegrenzung, die wir vorgesehen haben, betrifft den Zahnersatz, der dann aber in einer privaten Versicherung pflichtversichert wird. Ansonsten ist keine einzige Leistungsausgrenzung vorgesehen. In Ihrem Modell gibt es hingegen gewaltige Leistungsausgrenzungen – das möchte ich doch einmal ganz klar sagen.
Mich befremdet schon ein bisschen – ich weiß, dass Sie diesen Antrag vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion eingebracht haben –, dass Sie im Landtag einen Dringlichkeitsantrag eingebracht haben und über ihn diskutieren lassen, obwohl Sie, die GRÜNEN, letztendlich in Regierungsverantwortung sind. Offensichtlich haben Sie aber in Berlin überhaupt keine Chance, Ihr Modell durchzusetzen. Deswegen sollen wir uns im Landtag damit beschäftigen. Dieser Dringlichkeitsantrag gehört nach meiner festen Überzeugung in die Mottenkiste.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass Behinderung einen jeden von uns treffen kann, und zwar zu jeder Zeit. In Bayern leben knapp eine Million Menschen mit Behinderung. Davon sind 80% der Behinderungen durch Krankheit, Unfall oder durch das Alter bedingt.
Gott sei Dank hat sich das Selbstbild der Menschen mit Behinderung stark gewandelt. Wir haben in der Behindertenpolitik einen Paradigmenwechsel durchgemacht, von der Fürsorge und Versorgung hin zu einer gleichberechtigten Teilhabe. Es gilt, die gleichberechtigte Teilhabe nun in allen Lebensbereichen wirklich auch mit Leben zu erfüllen. Diese Entwicklung spiegeln auch die gesetzlichen Grundlagen wieder, und zwar zum einen die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes und dann die Einfügung des Artikels 118 a in die Bayerische Verfassung.
Frau Kollegin Steiger, das Bayerische Gleichstellungsgesetz ist kein erster Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, aber es sind schon viele Schritte auf einer langen gemeinsamen Wegstrecke gemacht worden. Auch das möchte ich klar und deutlich sagen.
Der Staat hat nach der Verfassung die Aufgabe, gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen. Im Mai 2002 trat das Bundesgleichstellungsgesetz in Kraft; übrigens ist nach dem Bundesgleichstellungsgesetz der Bundesbehindertenbeauftragte, Herr Haack, bei der Bundesregierung angesiedelt. Wir haben uns übrigens nach dem Bundesgleichstellungsgesetz gerichtet. Trotz des Bundesgesetzes sind natürlich viele Fragen offen geblieben, und es müssen wichtige Bereiche in Landesgesetzgebungskompetenz geregelt werden – darauf sind auch die Vorredner schon eingegangen –, wie Fragen des ÖPNV, das Bauen, die Barrierefreiheit sowie die Kommunikation und die Mobilität. – Frau Kollegin Schopper, Neubauten der öffentlichen Hand stehen nicht unter dem Haushaltsvorbehalt. Es steht nicht alles unter dem Haushaltsvorbehalt. Er gilt nur da, wo letztendlich ein unverhältnismäßig hoher Finanzaufwand verursacht würde. Auch hier haben wir uns mit an den bundesgesetzlichen Vorgaben ausgerichtet.
Die Bayerische Staatsregierung hat bereits 2001 ein Bayerisches Gleichstellungsgesetz angekündigt, und zwar unter der Voraussetzung, dass die Rechtsdefinitionen des Bundesgesetzes formuliert sind. Auf Anregung Bayerns haben sich alle Länder darauf geeinigt, dass man die Rechtsdefinitionen möglichst einheitlich fassen sollte. Ich bin der Meinung, dass unterschiedliche Rechte gegenüber Landes- und Bundesbehörden den Bürgerinnen und Bürgern ausgesprochen schlecht zu
vermitteln sind. In diesem Punkt haben wir einen Unterschied zum SPD-Entwurf – es gibt noch mehrere Unterschiede, das ist gar keine Frage –, denn Ihr Entwurf stammt noch aus der Zeit vor dem Handeln der Bundesregierung, so dass er diese Rechtseinheitlichkeit nicht berücksichtigen konnte und nicht berücksichtigt hat.
Der bayerische Entwurf wurde unmittelbar nach Verabschiedung des Bundesgesetzes erarbeitet und dann noch 2002 in den Landtag eingebracht. Das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz bedeutet die Fortsetzung der bayerischen Behindertenpolitik, aber mit qualitativ neuen Instrumenten, nämlich durch rechtlich gesicherte Rahmenbedingungen. Leitlinie dabei ist zum einen die Würde von Menschen mit Behinderung und zum anderen die Stärkung der Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Die Schwerpunkte des Gesetzes sind die Barrierefreiheit und die Mobilität in möglichst vielen Lebensbereichen, die Verbesserung der Kommunikation für Menschen mit Sinnesbehinderungen, die gesetzliche Verankerung von Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen bei der Bayerischen Staatsregierung und auch auf kommunaler Ebene. Da haben wir es flächendeckend.
Ich weiß, dass viele SPD-Sozialminister sagen: Ihr habt ein tolles Behindertengleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht. Sie sind ein wenig neidisch auf die Qualität des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes. Auch das möchte ich dazu ganz klar sagen.
Ich glaube, Sie unterhalten sich zu wenig mit Ihren Kollegen aus anderen Ländern. Ich kann Ihnen das nur empfehlen.
Für die Teilhabe sind natürlich entscheidend die Mobilität und die Barrierefreiheit. Deshalb benötigen wir die Förderung von barrierefreiem öffentlichen Personennahverkehr, die Barrierefreiheit öffentlicher Gebäude, und wir müssen natürlich auch im Wohnungsbau verstärkt auf die Barrierefreiheit achten. Sie haben vorher schon darauf hingewiesen, dass das auch für Familien mit Kindern ganz wichtig ist, aber natürlich auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung für die ältere Bevölkerung. Also Barrierefreiheit dient nicht nur den Menschen mit Behinderung, sondern eben auch Familien und älteren Menschen.
Ich möchte noch etwas zu diesem viel beschworenen Programmsatz zur Integration von Kindern sagen: Wir haben uns intensiv mit der Integration in Schulen, aber auch im Kindergärten beschäftigt; auch die Jahre davor. Das ist gar keine Frage. Die Lernzielgleichheit war die Barriere, die verhindert hat, dass eine integrative Beschulung stattgefunden hat. Im EUG ist die Lernzielgleichheit aufgegeben worden. Damit hat das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz die wichtigste Barriere aus dem Weg geräumt. Wer davon spricht, dass die aktive Teilhabe am Unterricht für Kinder wichtig ist, sollte doch diese Erfolge auch anerkennen. Das verhilft uns und unseren Kindern zur gleichberechtigten Teilhabe
wesentlich mehr als ein Programmsatz im Gleichstellungsgesetz. Ebenso ist es auch im Kindergartengesetz. Wenn wir eine detaillierte Regelung für die Integration in dem neuen Kindertagesstättengesetz bekommen, verhilft uns das draußen vor Ort, im Leben, zur gleichberechtigten Teilhabe wesentlich mehr als ein Programmsatz im Behindertengleichstellungsgesetz.
Dann möchte ich noch ein Wort – auch darüber ist viel gesprochen worden – zu dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion zu dem Landesbehindertenbeirat sagen: Die genaue Zusammensetzung, Frau Kollegin Schopper, wird erst durch Rechtsverordnung bestimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass keine wichtige politische Gruppierung außen vor bleiben darf. Meine feste Überzeugung ist – das möchte ich ganz deutlich sagen, auch zum Kollegen Unterländer –, dass der Landesbehindertenbeirat primär die Vertretung der Betroffenen ist; das halte ich für ganz wichtig.
In der parlamentarischen Beratung hat unser Gesetzentwurf eine breite Zustimmung bekommen, auch bei der zuvor durchgeführten Verbandsanhörung. Ich hoffe, dass wir bei der Umsetzung des Gesetzes mit den nachfolgenden Verordnungen auch auf diesen breiten Konsens stoßen.
Aber ich bin mir durchaus bewusst: Gesetze können lediglich den wichtigen Rahmen vorgeben. Mit Leben erfüllen müssen wir das letztendlich selber, und zwar jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin. Wichtig ist es hierbei natürlich auch, die Barrieren in den Herzen abzubauen und ein verstärktes Bewusstsein für Integration, für eine ganz normale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an unserem Leben zu schaffen. Dazu dient natürlich auch das Europäische Jahr für Menschen mit Behinderungen 2003. Wir haben von der Bayerischen Staatsregierung ein ungeheuer erfolgreiches Aktionsprogramm unter dem Titel „Na und!“ auf den Weg gebracht. Ich bin froh, dass es uns ein Stück weit gelingt, gerade diese Barrieren aufzubrechen und mehr Normalität im Umgang mit Menschen mit und ohne Behinderung zu erreichen. Im Juli werden wir einen Kongress zum Bayerischen Gleichstellungsgesetz abhalten und über die Umsetzung und die Entwicklung der Rechtsverordnung diskutieren.
Ich möchte mich abschließend bei allen bedanken, die an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes mitgearbeitet haben. Mein Dank gilt zuvorderst der Behindertenbeauftragten der Staatsregierung, Frau Ina Stein, die mir gerade bei der Bearbeitung des Gesetzentwurfs immer mit viel Rat und Tat zur Verfügung gestanden hat. Dafür Ihnen, Frau Stein, ein besonders herzliches Dankeschön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist, dass wir dieses Gesetz gemeinsam mit Leben erfüllen.
Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen und auf die Diskussion eingehen, die hier im Parlament geführt worden ist.
Die bayerischen Kindertagesstätten und Kindergärten waren und sind seit 1972 Bildungseinrichtungen. Die Bildung ist in den Kindertagesstätten und Kindergärten mit der 4. Durchführungsverordnung zum Kindergartengesetz nochmals fortgeschrieben und verbessert worden. Das, was heutzutage über moderne Hirnforschung immer so hoch gehalten wird, haben alle großen Pädagogen seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit immer gewusst. Da können Sie bei Pestalozzi anfangen, bei Kerschensteiner bis hin zu Maria Montessori. Genau das haben wir auch in Bayern letztlich umgesetzt.
Wo ist denn jetzt das Problem? Es besteht darin, dass wir zwar in weiten Bereichen hervorragende Kindergärten haben, in denen eine wirklich hervorragende Bildungs- und Erziehungsarbeit geleistet wird, dass das Niveau aber unterschiedlich ist. Das muss man ganz klar sagen. Hier sind durchaus Verbesserungen möglich.
Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, Sie brauchen keine Angst zu haben, dass künftig ausschließlich die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes zu stark gefördert werden. Nein, beileibe nicht. Ich halte es für ungeheuer wichtig, dass gerade auch die sozialen Kompetenzen, die Empathie der Kinder intensiv gefördert werden. Ich halte es für ungeheuer wichtig, dass Kinder spielerisch lernen, dass die Kinder im Kindergarten wirklich Kinder bleiben dürfen.
Der Erziehungs- und Bildungsplan ist so aufgebaut – er ist ja grundsätzlich für die Kinder unter sechs Jahren –, dass die Kinder jeweils nach ihrer Entwicklungsstufe, nach ihrem Alter gefördert werden. Er bedeutet keineswegs eine Verschulung des Kindergartens. Das wäre übrigens auch völlig falsch.
Wir haben nur neue Schwerpunkte im Bereich Bildungsund Erziehungsplan festgesetzt, Frau Kollegin Schopper. Das betrifft zum Beispiel Literacy-Erziehung, die stärkere Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder. Das halte ich für wichtig. Das gilt auch für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten. Wir wissen ganz genau, wie neugierig Kinder sind, wie Kinder oft Dinge exakt nachfragen. Genau diese Schätze gilt es bei den Kindern zu heben. Das wollen wir mit dem Bildungs- und Erziehungsplan in Bayern in Bewegung setzen.
Lassen Sie mich jetzt noch etwas zu einzelnen Punkten sagen. Sie haben in Ihren Anträgen individuelle Entwicklungspläne für Kinder gefordert. Das hieße bei insgesamt 370000 Kindern in unseren Kindergärten 370000 individuelle Entwicklungspläne für die Kinder. Das geht, meine ich, schon ein Stück zu weit. Was wir durchaus brauchen, sind Beobachtungsbögen. Das IFP entwickelt solche Beobachtungsbögen. Hand in Hand damit muss natürlich auch gehen, dass wir in der Ausbildung der Erzieherinnen auch die Diagnosefähigkeit stärken.
Oder zum Bereich Early Excellent Centre. Sie verlangen allein für Bayern in einem Modellprojekt wie in Großbritannien 100 Early Excellent Centres. Großbritannien hat 29 Early Excellent Centres. Ich frage mich schon, ob das noch verhältnismäßig ist. Also man sollte sich hier letzt
lich auch über die Verhältnisse etwas besser informieren.
Dann zum Bereich Familienzentrum. Natürlich ist es wichtig, dass sich eine Kindertagesstätte zu einem Familienzentrum wandelt. Aber diesbezüglich sind wir in Bayern doch schon auf dem Weg. Schon jetzt arbeiten unsere Kindertagesstätten ganz eng mit den Beratungsund Bildungseinrichtungen, mit den psychosozialen Diensten, mit den Mütterzentren zusammen. Das passiert doch schon vor Ort.
Lassen Sie mich auch etwas zu den Schnuppertagen sagen. Nach meiner Ansicht sind die Schnuppertage zu kurz gegriffen. Wir wollen eine ganz andere Verzahnung zwischen Kindergarten und Grundschule haben. Wir wollen die Tandems Grundschullehrerin und Erzieherin einführen. Wir wollen die Vorkurse, die Sprachkurse im Kindergarten einführen, und zwar gerade für die Kinder, die schlecht Deutsch sprechen. Dabei sollen durchaus die Lehrer in den Kindergarten gehen und dort unterrichten. Auch die Erzieherinnen können künftig in der Ausbildung ihr Praktikum in der Grundschule machen. Wir wollen die gemeinsame Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen und der Lehrer. Das geht weit über die Schnuppertage hinaus und zeigt auch eine wesentlich bessere Qualität in der Entwicklung auf.
Wenn Sie, Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, sagen, zurzeit werde die Zusammenarbeit mit der Grundschule immer als Bringschuld des Kindergartens angemahnt, so sage ich, dass das völlig unzutreffend ist. Ich habe mich intensiv damit auseinander gesetzt. Wir haben auf der einen Seite die Berührungsängste im Bereich der Erzieherinnen des Kindergartens gegenüber den Lehrern der Grundschule, auf der anderen Seite aber auch umgekehrt. Man muss das einfach sehen.
Aber man muss auch sehen, dass im Bereich Zusammenarbeit und Verzahnung auch ohne die Vorgaben bayernweit schon sehr viel passiert. Auch das möchte ich Ihnen ganz klar sagen.
Lassen Sie mich noch etwas zur Ausbildung an den Fachakademien sagen. Die Qualität einer Ausbildung hängt nicht mit der Akademisierung der Ausbildung zusammen. Wir sollten uns davor hüten, ständig eine Akademisierung von Ausbildungen zu fordern. Wir brauchen gute, vernünftige Ausbildungen auch in den Bereichen, in denen ich kein Abitur, kein Hochschulstudium benötige. Ich meine, dass wir hier auch eine gute Qualität bei den Erzieherinnen haben.
Die Ausbildung der Erzieherinnen wird in der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Kultusministerium und Sozialministerium reformiert werden. Kultus- und Sozialministerium arbeiten in diesen Bereichen Gott sei Dank ganz eng zusammen. Deswegen hat es mich schon etwas verwundert, dass Sie diese Arbeitsgruppe kritisiert haben.
Ich möchte Ihnen auch sagen, dass bei der Erarbeitung des Bildungs- und Erziehungsplanes das ISB intensiv beteiligt war.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schopper?
Bei der Reform der Erzieherinnenausbildung wird jetzt schon der Bildungs- und Erziehungsplan eingearbeitet und berücksichtigt. Dabei kann ich Ihnen gleichzeitig Folgendes sagen: Die im Kultusministerium erarbeitete Reform der Ausbildung der Erzieherinnen hat auch beim ISB im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Bildungs- und Erziehungsplanes eine ganz große Rolle gespielt, sodass wir hier wirklich ganz eng vernetzt zusammenarbeiten.
Das andere ist dann die Qualifizierungsoffensive für die Erzieherinnen, die wir in Bayern noch auf den Weg bringen müssen. Übrigens waren auch die Träger und die Fachberater bei der Erarbeitung des Bildungs- und Erziehungsplanes intensiv beteiligt.
Ich möchte noch etwas zu der Anregung sagen, in die Modellkommissionen auch Erzieherinnen und Elternvertreter aufzunehmen. In den Modellkommissionen vor Ort haben Eltern und Erzieherinnen von Anfang an intensiv mitgearbeitet. Ich habe mich auch bei den kommunalen Spitzenverbänden und bei den Trägern dafür eingesetzt, dass dann auch in der Landesmodellkommission sowohl die Berufsgruppe als auch die Eltern mitarbeiten. Sie tun das zurzeit ganz intensiv. Also, dieser Vorwurf kann so auch nicht stehen bleiben.
Die Qualitätssicherung erfolgt bei uns zum einen durch eine Selbstevaluation, zum anderen durch eine Fremdevaluation, dann natürlich auch durch die Fortbildung im Rahmen der Beratungsinitiative der Träger sowie durch die Reform der Ausbildung.
Ich möchte zum Schluss noch auf einen Beitrag im „Stern“ der letzten Woche eingehen. Da ist eine McKinsey-Studie angeführt worden. Darin sind die Eltern aller Länder befragt worden. Die Zufriedenheit mit den Kinderbetreuungseinrichtungen war in den neuen Ländern etwas größer, aber bezüglich der Zufriedenheit der Eltern in den alten, westlichen Ländern war Bayern an der Spitze.
Frau Kollegin Schopper, ich darf Ihr Wort „für die Kleinsten die Feinsten“ aufgreifen. Da kann ich Ihnen nur voll zustimmen. Wir lassen uns das in Bayern etwas kosten. Wir geben pro Jahr immerhin 500 Millionen e für die Personalkosten aus. Zusätzlich haben wir ein Programm von 313 Millionen e aufgelegt. Damit sind wir in Deutschland absolut Spitze.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich schlage vor, über die 13 Anträge eine Gesamtabstimmung durchzuführen. Widerspruch erhebt sich nicht.
Die CSU-Fraktion hat beantragt, bei den Tagesordnungspunkten 11 und 13 mit unterschiedlichen Voten abzustimmen, das heißt, das Votum des federführenden Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik der Abstimmung zugrunde zu legen. Beim Tagesordnungspunkt 16 soll dagegen, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen, über das abweichende Votum des mitberatenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen abgestimmt werden. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann lasse ich so abstimmen.
Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem Abstimmungsverhalten seiner Fraktion im jeweils federführenden Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik, bei Tagesordnungspunkt 16 mit dem entsprechenden Abstimmungsverhalten im mitberatenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das scheint das gesamte Hohe Haus zu sein. Gibt es Gegenstimmen? – Nein. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.
Ich rufe auf:
Tagesordnungspunkt 3
Gesetzentwurf der Staatsregierung
Zweite Lesung –
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort soll jetzt eigentlich Herr Gartzke bekommen. Er ist aber nicht da. Dann gebe ich das Wort an Frau Paulig.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wahnschaffe, ich möchte eines zu Ihnen auch ganz persönlich sagen: Ihre persönlichen Angriffe gegen den Staatssekretär halte ich für ausgesprochen unfair.
Abgesehen davon hat der Staatssekretär in vielen Betrieben in Bayern als Ausbildungsplatzakquisiteur schon etliche Lehrstellen akquiriert. Ich nehme an, dass Sie noch keine einzige Lehrstelle in Bayern geschaffen haben. Die Leistung des Staatssekretärs sollte man auch einmal angemessen würdigen.
Frau Kollegin Pranghofer, Sie haben hier die Zahlen zur Förderung für das Jahr 1999 vorgelesen. – Sie ist jetzt gar nicht mehr da.- Sie haben aber vergessen zu sagen,
dass damals, im September 1999, auf 100 unvermittelte Bewerber in Bayern 210 offene Stellen entfallen sind. Das ist die Situation damals gewesen. Seinerzeit sah es in anderen Ländern Deutschlands ganz anders aus, und deswegen haben die auch wesentlich mehr gefördert.
Zu Ihrem Vorwurf, Herr Kollege Scholz, der Staatssekretär sei noch nie im Arbeitsamt Coburg gewesen: Wir stehen ständig mit allen Arbeitsämtern in Bayern in Verbindung. Bei jeder Betriebsbesichtigung, die ein Mitglied der Staatsregierung durchführt – das gilt insbesondere für den Staatssekretär und für mich –, sind Vertreter der Arbeitsämter vor Ort dabei. Wir besprechen die Lage dann sehr genau und sehr exakt.
Bei dieser etwas kuriosen Diskussion und angesichts der Vorwürfe aus der Opposition ist mir Folgendes aufgefallen: Haben Sie eigentlich die 100 Millionen Strukturhilfen im Bereich Grenzlandförderung völlig vergessen? Sie sind von Ihnen überhaupt nicht erwähnt worden. Ich meine schon, dass man diese Leistungen sehen sollte.
Außerdem möchte ich noch etwas ganz klar und deutlich sagen: Wir von der Bayerischen Staatsregierung entlassen die Wirtschaft nicht aus ihrer Ausbildungsverantwortung, und wir stehen zur Qualität des dualen Ausbildungssystems in der beruflichen Bildung. Das sind für uns ganz wichtige Prinzipien.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich sind wir zurzeit auch in Sorge, dass wir nach derzeit erkennbarer Tendenz am Ende des Berufsberatungsjahres, also im September 2003, durchaus mit etwas mehr unversorgten Jugendlichen als im Vorjahr rechnen müssen. Gar keine Frage! Deswegen bemühen wir uns auch ganz intensiv mit der IHK, mit der Handwerkskammer, aber auch mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, in Bayern zusätzlich neue Lehrstellen zu schaffen. Wir haben eine schwierige Situation. Die Zahlen sind schon genannt worden. Wir haben steigende Absolventenzahlen – 4400 mehr – und auf der anderen Seite zurzeit eine Abnahme der Zahl der Ausbildungsstellen um etwa 12000. Zusätzlich haben wir mehr als ein Drittel Altbewerber aus den früheren Abgangsjahren. Zudem erhöht sich die Zahl der Einpendler insbesondere aus den neuen Ländern.
In diesem Zusammenhang haben Sie, Frau Kollegin Steiger, auch vergessen, darauf hinzuweisen, dass immerhin 475 Einpendler aus den neuen Ländern – ich komme noch darauf – in Oberfranken bleiben. Etwa 2000 gehen in den Ballungsraum München, aber 475 bleiben in Oberfranken.
Übrigens haben Sie, Herr Kollege Wahnschaffe, vorhin die Mobilitätshilfen angesprochen. Dabei handelte es sich um ein Modellprojekt, das aus dem Arbeitsmarktfonds entwickelt worden ist. Das war ein Modellprojekt, und daher sind auch nur 20 Personen gefördert worden.
Deswegen möchte ich noch einmal sagen, dass wir von der Bayerischen Staatsregierung gemeinsam mit der bayerischen Wirtschaft an dem Ziel festhalten, dass
jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen in Bayern ein Ausbildungsplatz angeboten wird. Das ist das Ziel, an dem wir mit der Wirtschaft gemeinsam festhalten. Alle Akteure sind aufgerufen, an der Erreichung dieses Zieles mitzuarbeiten.
Ich möchte Ihnen auch Folgendes sagen: In Bayern stehen 100 unvermittelt gemeldeten Bewerbern 77 gemeldete freie Plätze gegenüber. Im Bund-West sind es übrigens nur 74. Wir in Bayern haben im Schnitt also wesentlich bessere Zahlen als die alten Länder im Bund. Deswegen, Herr Wahnschaffe, könnte man das auch etwas anders ausdrücken.
Ich meine, Sie sollten sich die Zahlen einmal exakt anschauen, um festzustellen, wie sie tatsächlich aussehen.
Die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung zur Verwirklichung unseres Zieles, dass jeder ausbildungswillige und ausbildungsfähige Jugendliche im September 2003 einen Ausbildungsplatz hat, sehen folgendermaßen aus: Ich nenne „Junge Menschen in Arbeit“, die 13 Starthilfen, die Fahrtkostenzuschüsse für Jugendliche bis zu 200 e bei einer Selbstbeteiligung von 100 e und die Mobilitätshilfen in Höhe von 200 e für Jugendliche, die einen weiter entfernten Ausbildungsplatz annehmen. Sie haben das ja so stark angegriffen. Aber da meine ich schon, Frau Kollegin Steiger, gerade vor dem Hintergrund der hohen Mobilität der Jugendlichen in den neuen Ländern ist es ganz wichtig, dass wir auch die Mobilität bei uns in den sechs Arbeitsamtbezirken – vier in Oberfranken, zwei in der Oberpfalz – stärker fördern, um den Jugendlichen zu signalisieren: Ihr müsst euch in die Gebiete bewegen, wo es Ausbildungsplätze gibt. Ich halte das für ungeheuer wichtig.
Ich höre Sie sehr gut! – Ich halte dies für ungeheuer wichtig, weil es besser ist, eine Ausbildung zu durchlaufen, als keine Ausbildung zu durchlaufen.
Darin sollten wir uns doch eigentlich einig sein.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, dass die Errichtung fünf neuer Berufsfachschulen geplant und beschlossen ist. Die Standortentscheidung wird in Kürze fallen.
Die zweite Kampagne, die wir auf den Weg bringen werden, und zwar mit der bayerischen Wirtschaft, ist „Ausbildung in Bayern, unsere Zukunft – eins plus“. Wir werden dafür natürlich werben; das ist gar keine Frage. Wir werden regionale Ausbildungsstellenkonferenzen abhalten. Wir werden einen bayerischen Tag der Ausbildung, an dem alle Verantwortlichen der Politik und der Wirtschaft beteiligt sein werden, abhalten. Wir werden direkt Ausbil
dungsstellen einwerben. Den Tag der Ausbildung werden wir abhalten, weil wir ihn für wichtig halten. Wir halten ebenfalls die regionalen Ausbildungsmessen und Ausbildungsbörsen für ungeheuer wichtig, genauso die Medienoffensive mit einem einheitlichen Logo, auch die damit im Zusammenhang stehende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Ich weise darauf hin, dass sich die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft wirklich intensiv einbringt und sich heute bereit erklärt hat, in Bayern zusätzlich 1100 Lehrstellen zu schaffen. Das lässt sie sich in den nächsten fünf Jahren immerhin 37 Millionen e kosten, die zu den 30 Millionen e hinzukommen, die sie im Bildungsbereich ohnehin schon ausgibt.
Die Handwerkskammer hat angekündigt, für die Berufe gemäß Anlage B 20 neue Ausbildungsberufe zu schaffen. Die IHK hat sich bereit erklärt, die 47000 Lehrstellen in Bayern aufrechtzuerhalten. Keine Lehrstelle soll wegfallen. Ich meine, das ist eine großartige Leistung, zu der sich die Wirtschaft, die IHK, die Handwerkskammern und der VBW heute gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung verpflichtet haben. Das verdient durchaus unseren Dank und unsere Anerkennung.
Es gibt etwas, was in Ihrer Diskussion völlig untergeht und wozu ich mich schon manchmal gefragt habe: Wo leben wir überhaupt? Sie vergessen völlig, dass wir im letzten Jahr 44000 Insolvenzen hatten. Pro Tag gibt es in Deutschland 100 Insolvenzen von Unternehmen. Wenn so viele Unternehmen vom Markt verschwinden, dann verschwinden damit natürlich nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Ausbildungsplätze. Deswegen haben wir ja – darunter leidet die rot-grüne Bundesregierung intensiv – ständig steigende Arbeitslosenzahlen. Das wirkt sich natürlich genauso auf den Lehrstellenbereich aus; das ist gar keine Frage. Letztendlich ist das die Quittung einer jahrelang völlig verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik auf Bundesebene.
Meine Damen und Herren, da kommen Sie mit dem Vorschlag einer Umlage an. Aber die belastet die Wirtschaft doch wieder zusätzlich. Die gehört zu den völlig verfehlten Lösungsansätzen, die Sie anbieten. Es ist unabdingbar, dass wir endlich eine wachstumsorientierte Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik des Bundes bekommen. Jeder Tag, mit dem die Reform später eingeleitet wird, ist ein Tag zu spät. Wir schauen im Moment nämlich zu, wie die Lohnnebenkosten ständig steigen.
Ich gehe noch auf einen Bereich ein, den ich für ungeheuer wichtig halte, den Sie aber nur ganz nebenbei gestreift haben. Ich halte es für ungeheuer wichtig, dass wir gerade für die handlungsorientierteren Jugendlichen Ausbildungsordnungen und Ausbildungsberufe schaffen, die theorieentlastet sind. Die Handwerkskammer hat sich verpflichtet, 20 neue Ausbildungsverordnungen mit theorieentlasteten Berufen zu schaffen.
Sie haben in diesem Zusammenhang die Praxisklassen angesprochen. Diese sind eine hervorragende Sache.
Wir fördern zurzeit diejenigen, die Ausbildungsstellen für Schulabgänger aus Praxisklassen schaffen, mit 2500 e.
Nein. – Wir wissen doch ganz genau, dass gerade die handlungsorientierteren Jugendlichen hier auf der Strecke bleiben. Deswegen brauchen wir andere Ausbildungsberufe. Deswegen muss auch die Bundesregierung von ihrer konsensorientierten, also gemeinsam mit den Tarifparteien getragenen Zielsetzung, handlungsorientiertere Berufsausbildungen zu schaffen, wegkommen. Wenn dieser Konsens nicht erreicht wird, muss die Bundesregierung auch einmal den Mut haben, ohne den Konsens der Tarifparteien entsprechende Ausbildungsverordnungen zu schaffen. Wir werden dazu eine Bundesratsinitiative von Bayern aus auf den Weg bringen; denn ich halte es für ungeheuer wichtig, dass wir tatsächlich auch den handlungsorientierteren Jugendlichen die Möglichkeit geben, einen Ausbildungsberuf zu erlernen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal sagen, dass das, worüber wir heute reden, letztlich die Fehler der Bundesregierung und die Folgen einer wachstumshemmenden Bundespolitik und eines aufgelaufenen Reformstaus in der Arbeitsmarktpolitik sind. Das sind die wahren Ursachen für die Probleme, die wir zurzeit im Arbeits- und im Lehrstellenmarkt haben.
Nehmen wir einmal das jüngste Beispiel des Münchner Chip-Herstellers Infineon. Da ist die Verlagerung der Sparte Automobil- und Industrieelektronik in das österreichische Villach geplant. Bei Infineon sind in Deutschland immerhin 30400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Glauben Sie wirklich, das Unternehmen denkt deshalb an eine Standortverlagerung, weil es ihm hier in Deutschland so gut gefällt? – Nein, es sind ganz andere Gründe: Der Standort in Deutschland ist viel zu hoch belastet. Deswegen will das Unternehmen weggehen. Das Beispiel Infineon ist symptomatisch für die desolate Verfassung der deutschen Wirtschaft und des deutschen Arbeitsmarkts, die zur horrenden Zahl von Insolvenzen hinzukommt. Die Standortbedingungen für die Unternehmen in Deutschland verschlechtern sich durch die höheren Steuerbelastungen und die höheren Lohnnebenkosten sowie durch den verriegelten Arbeitsmarkt und die Reformunfähigkeit der Bundesregierung ständig weiter.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das sind die wahren Ursachen. Deshalb halte ich es für ganz wichtig, dass endlich einmal die notwendigen Reformen auf den Weg gebracht werden. Dadurch lässt sich die Arbeitslosensituation in Deutschland und damit auch in Bayern verbessern, ebenso auch die Lehrstellensituation. Es ist wichtig für unsere Jugend, hier wieder zukunftsfähig zu sein.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Rat des Kollegen Werner, den er auch den Trägern gibt, durchaus zur Kenntnis genommen, Minijobs oder reguläre Arbeitsplätze zu schaffen. Sie müssen sich genau überlegen, was dies letztendlich für die Pflegesätze heißt. Das sind keine Einsparungen, sondern die Kosten müssen erhöht werden. Die Kosten werden nur verschoben. Sie sollten sich damit auseinandersetzen, dass dies keine echten Einsparungen sind.
Es ist schon richtig, dass die Regelung im mündlichen Einvernehmen mit den Trägern getroffen worden ist. Die Wohlfahrtsverbände standen aber vor der Wahl, entweder Kürzungen der Erstattung des Bundes oder die Reduzierung der Zivildienststellen hinnehmen zu müssen. Sie durften zwischen Teufel und Belzebub auswählen. Das Einverständnis kam dann unter dem Druck der Alternativen zustande.
Die Staatsregierung lehnt das Gesetz aus folgenden Gründen ab:
Den Trägern der Zivildienststellen werden zusätzliche Finanzbelastungen für die Dienstverhältnisse auferlegt, die im Vertrauen auf die geltenden Finanzierungsregelungen getroffen worden sind. Das ist ein ganz großes Problem. Die finanziellen Engpässe des Bundeshaushalts werden im Ergebnis auf behinderte, alte und pflegebedürftige Menschen oder ersatzweise auf nachrangige Leistungssysteme abgewälzt. Die zusätzliche Belastung der Träger der Zivildienststellen muss letztendlich höhere Leistungsentgelte zur Folge haben. Das heißt, es werden höhere Pflegesätze herauskommen. Die Kommunen werden über die Sozialhilfe zahlen oder die Selbstzahler. Das sind Ihre Einsparungen, das ist Ihr Weg, den Sie aufgezeigt haben!
Der Bund versucht seinen Haushalt auf Kosten Dritter zu sanieren. Er entlastet seinen Haushalt um circa 98 Millionen e. Für Bayern mit seinen 15000 Zivildienstleistenden macht dies circa 10 Millionen e aus. Daher haben wir den Vermittlungsausschuss angerufen. Am 14. 03. 2003 hat der Bundesrat das Gesetz behandelt, am 20. 03. 2003 kam im Vermittlungsausschuss keine Einigung zustande. Bayern wird in der nächsten Bundesrats
sitzung am 11. April 2003 Einspruch gegen das Gesetz einlegen.
Ich komme nun zum weiteren Vorgehen der Bundesregierung. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Die Bundesregierung hat gleichzeitig einen Haushaltsvorbehalt von 20% gemacht. Sie hat also im Vorgriff eine Kontingentsperre eingelegt. Das waren die Wahlmöglichkeiten, die den Trägern der Freien Wohlfahrtsverbände gegeben wurden. Es war angeboten, entweder die Mittelzuweisung von 70 auf 50% zu kürzen oder die Kontingentsperre einzuführen. Nun müssen die Träger der Freien Wohlfahrtsverbände beides in Kauf nehmen. Deswegen ist eine eklatante Unsicherheit entstanden. Das ist ungeheuer schwierig.
Die im Raum stehende Kürzung der Kontingente, das heißt, dass die Anzahl der Zivildienststellen für die Einsatzstellen gekürzt wird, hat vor Ort eine erhebliche Planungsunsicherheit geschaffen. Die vorhandenen Stellen können zur Zeit nicht mehr besetzt werden. Momentan gibt es einen eklatanten Mangel an Zivildienstleistenden. Vielerorts kann fast jede dritte Planstelle nicht mehr besetzt werden. Junge Zivildienstpflichtige werden vermehrt keine Einstellungszusage bei den Beschäftigungsstellen bekommen können. Anträge werden verschoben. Die Zivis hängen also zur Zeit in der Luft.
Kein Zivi kann sich um eine Ausbildung oder um einen Arbeitsplatz bemühen. Junge Männer werden damit auf dem Arbeitsmarkt zu Warteschleifen gezwungen. Damit werden sie zu Wartezeitarbeitslosen.
Auch für Arbeitgeber entsteht eine Unsicherheit; denn in der aktuellen konjunkturellen Lage ist das Freihalten eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes für die Dauer des späteren Zivildienstes ein hohes unternehmerisches Risiko.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie können doch nicht ernsthaft das Vorgehen der Bundesregierung bei den Zivis in dieser Art und Weise verteidigen. Ich halte dieses Vorgehen für ausgesprochen schwierig. Es erzeugt sehr viele Unsicherheiten. Das ist wirklich ein Sparvorschlag der Bundesregierung, der bar jeder Vernunft ist.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die in namentlicher Form erfolgen soll. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite, jeweils im Bereich der Eingangstüren, aufgestellt. Die Urne für Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt; das Ergebnis gebe ich später bekannt.
Gibt es Absprachen, ob die nächsten Dringlichkeitsanträge noch aufgerufen werden sollen? – Nein. Dann rufe ich keine weiteren Dringlichkeitsanträge mehr auf. Die noch vorhandenen und nicht beratenen Dringlichkeitsanträge werden in die dafür zuständigen Ausschüsse überwiesen. Wir fahren in der Tagesordnung fort.
Ich rufe auf:
Tagesordnungspunkt 4 c
Gesetzentwurf der Staatsregierung
zur Änderung des Gesetzes, das Unschädlichkeitszeugnis betreffend (Drucksache 14/11937)
Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Es wurde vereinbart, keine Aussprache darüber zu führen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf:
Tagesordnungspunkt 4 d
Gesetzentwurf der Staatsregierung
Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. – Wer begründet den Gesetzentwurf? – Von der Staatsregierung ist niemand hier. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Wortmeldung: Herr Hufe.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In den Dringlichkeitsanträgen wird in der Tat ein wichtiges Thema angesprochen. Ich versichere Ihnen, dass wir die Förderrichtlinien für die Krippen und die Horte mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt haben. Die kommunalen Spitzenverbände waren mit der Mitfinanzierung durch die einzelnen Kommunen einverstanden. Bei der Hortförderung haben wir durch die Richtlinien von 2001 erreicht, dass viele Bürgermeister jetzt bereit sind, Gastkinderbeiträge zu zahlen.
Es gibt aber immer noch Fälle wie das von Frau Radermacher angesprochene Beispiel Münnerstadt. Hier war die Gemeinde nicht bereit, die Gastkinderbeiträge zu zahlen. Wir brauchen aber bei den Kommunen eine Bewusstseinsveränderung. Selbstverständlich muss sich jeder Gemeinderat und jeder Bürgermeister überlegen, dass er dann, wenn die Gemeinde Gastkinderbeiträge zahlt und Kinder, die in der Gemeinde wohnen, in den Hort in der Nachbargemeinde gehen, Geld spart, weil er keinen eigenen Hort errichten muss.
Wir haben die Kommunen drei Jahre zuvor darauf hingewiesen, dass die staatliche Förderung ausläuft. Wir haben die Gemeinden gebeten, sich zu der Verpflichtung zu bekennen, Gastkinderbeiträge zu bezahlen. Da ist viel in Bewegung gesetzt worden. Es ist auch ein Stück Gerechtigkeit, dass ich hier meinen Kurs beibehalte. Ich kann nicht einfach Bürgermeister, die nicht zahlen wollen, aus der Verantwortung entlassen. Das ist das Problem.
Die Diskussion im Gemeinderat, die Sie beschrieben haben, gibt es schon seit Jahren, leider Gottes, weil die Situation auch eine Entwürdigung der Mütter und manchmal auch der Väter bedeutet, die arbeiten wollen und zum großen Teil arbeiten müssen, weil sonst das Geld nicht reicht. Deswegen wollen wir mit den Hortricht
linien etwas in Bewegung setzen. Wir haben uns dabei mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt; das möchte ich klar sagen. Ich lade die kommunalen Spitzenverbände einmal im Jahr zu einem Gespräch ein. Auch dieses Problem steht auf der Tagesordnung. Ich werde mich auch künftig bei den kommunalen Spitzenverbänden intensiv darum bemühen, dass sie die Problematik aufgreifen und dafür sorgen, dass die Gemeinden bereit sind, Gastkinderbeiträge zu zahlen. Ich halte das für dringend notwendig und für ungeheuer wichtig. Ich sage ganz offen: Wir können die Familien gerade bei der Kinderbetreuung nicht im Regen stehen lassen. Deshalb sollten wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden nach Lösungen suchen.
Frau Kollegin Schopper hat speziell auf die Problematik der Stadt Bayreuth und des Landkreises Bayreuth hingewiesen. Es geht hier um das bekannte Problem: Die Stadt stellt Krippenplätze zur Verfügung; die Kommunen sind aber nicht bereit, Gastkinderbeiträge zu bezahlen. Daraufhin sagt die Stadt Bayreuth, so kann es nicht gehen. Im Rahmen des Kindergartengesetzes gibt es eine Lösung; darum brennt uns nichts an. Hier haben wir kein Problem. Im Kindergartengesetz ist bei der Jugendhilfeplanung ein Einzugsbereich definiert. Es gibt die Auffanglösung, dass dann, wenn mindestens 15 Kinder im Kindergarten sind, die Wohnortgemeinde sich finanziell beteiligen muss.
Ich möchte nur feststellen: Es existiert hier bei den Kommunen ein gewisses indifferentes Verhältnis. Wenn wir das im Kindertagesstättengesetz 2005 gesetzlich festlegen wollen – Stichwort: Konnexitätsprinzip –, dann wird es durchaus Probleme in der intensiven Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden geben. Ich halte es für richtig und wichtig, dass sich der Ausschuss noch einmal intensiv mit dem Problem der freiwilligen Förderung – also Horte, Netz für Kinder und Krippen – beschäftigt. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mittlerweile so weit bin, dass ich auch einzelne Bürgermeister anrufe und sie darum bitte, sich der Problematik intensiv anzunehmen im Interesse unserer Kinder.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wahnschaffe, eines möchte ich klar