Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 61. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Der Beginn dieser Sitzung hat sich ein wenig verzögert. Der Grund war, dass im Plenarsaal ein verschlossener Koffer stand, dessen Herkunft zunächst unbekannt war. Das hat eine Sicherheitsüberprüfung im Raum ausgelöst. Der Koffer konnte dann identifiziert werden.
Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt. Das Bayerische Fernsehen überträgt die Regierungserklärung erstmals live im Internet.
Regierungserklärung des Staatsministers für Landwirtschaft und Forsten zum Thema „Weiterentwicklung der Agrarpolitik“
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Gote, Kellner und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Gote, Kellner und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre schön, wenn Ruhe einkehren würde. Da ich das Wort Herrn Minister Miller erteilt habe, sollten die allgemeinen Gespräche beendet werden. – Bitte, Herr Minister.
Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als Ende letzten Jahres auch in Bayern und in Deutschland BSE-Fälle festgestellt wurden, war dies ein Schock für Verbraucher und Landwirte. Verbraucher sind verunsichert in der Frage, was sie guten Gewissens essen können und was nicht. Landwirte stehen in ihrer wirtschaftlichen Situation unverschuldet mit dem Rücken zur Wand. Zusätzlich ist durch die BSE-Krise ein ganzer Wirtschaftszweig mit Metzgern und den Fleisch verarbeitenden Betrieben in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wir alle sind betroffen wegen der Sorgen unserer Bauern um ihre Existenz und der Verbraucher um die Sicherheit der Nahrungsmittel.
Die BSE-Krise trifft ganz Deutschland hart. Wir haben uns alle, Bund und Länder, über alle politischen Lager hinweg lange in falscher Sicherheit gewogen und uns über das Ausmaß von BSE geirrt. Jede Häme ist deshalb fehl am Platz. In dieser Situation muss der Staat handeln und helfen: Die EU, der Bund und die Länder sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten gefordert. Auf allen politischen Ebenen muss die nationale, ja europäische Herausforderung BSE ernst genommen werden.
Seit dem ersten BSE-Fall in Deutschland sind inzwischen bald vier Monate vergangen. Doch außer Ankündigungen hat die Bundesregierung noch wenig zustande gebracht.
So hat die Bundesregierung angekündigt, für die Deckung der angeblich 2 Milliarden DM BSE-Folgekosten sofort 1 Milliarde DM zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Mogelpackung; denn in Wahrheit handelt es sich gerade einmal um 100 Millionen DM, die der Bund zusätzlich bereitstellt.
Die restlichen 900 Millionen DM werden durch Umschichtungen im EU-Agrarhaushalt und im nationalen Agrarhaushalt sowie durch „Vorenthaltung einer Teilrücknahme einer vorherigen massiven Belastung“ eingespart. Das heißt im Klartext: Dem Bauern wird weniger in die eine Tasche geschoben, als vorher aus der anderen herausgezogen wurde. Frankreich hat dagegen ein eigenes Programm aufgelegt. Was der Bund hier macht, ist die Verweigerung der Solidarität mit unseren Bauern und schlichtweg eine Abstrafung der Bauern in Deutschland. Das haben sie nicht verdient.
Noch bis Dezember hat Bundeskanzler Schröder gefordert, die deutsche Landwirtschaft müsse sich dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt stellen.
Jetzt erscheint es ihm angesichts der öffentlichen Meinung plötzlich opportun, nur noch auf Ökolandbau zu setzen. Dabei beträgt der Anteil des Ökolandbaus in Deutschland derzeit lediglich 2%. 98% der Betriebe werden jetzt als Buhmänner behandelt. Das können und dürfen wir nicht zulassen.
Selbst sein ehemaliger Minister Funke stellte letzte Woche dazu fest – ich zitiere –, der Kanzler bestimme zwar die Richtlinien der Politik, aber nicht immer die Wege der Vernunft.
Frau Künast stilisiert sich als Schutzpatronin der Ökobauern. Als EU-Kommissar Fischler aber ankündigte, die Auszahlung der Rinderprämie solle nur bis höchstens 90 Tiere gewährt werden, hat Frau Künast sofort widersprochen. Wenn sie weiterhin Obergrenzen für Tierprämien ablehnt, steht sie nicht an der Seite des Bundeskanzlers, der Agrarfabriken ablehnt, sondern zu wenigen Unternehmen, die Tausende von Rindern halten und dafür Millionen an Prämien kassieren. Jetzt wird es Zeit, Farbe zu bekennen und den Zickzackkurs zu beenden.
Besonders dramatisch wirken sich in dieser äußerst schwierigen Lage für unsere Landwirte die Beschlüsse aus, die Rot-Grün vor mehr als zwei Jahren zum Nachteil unserer Bauern gefasst hat. Was sie sich da mit den negativen Weichenstellungen bei der Agenda 2000 geleistet hat, vor allem aber bei der Preissenkungspolitik ohne Ausgleich über die Kürzungen im agrarsozialen Bereich und die Ökosteuer bis hin zu der unsäglichen Diskussion über den Agrardiesel, belastet unsere Bauern schwer und drängt sie in Europa an den Rand.
Das ist mit Sicherheit kein Beitrag zur Qualitätsproduktion, sondern erhöht den Wettbewerbsdruck und den Zwang zur Billigproduktion zusätzlich. Das ist eine Politik nach dem Motto „Masse statt Klasse“.
Die Bundesregierung betreibt eine Politik der leeren Versprechungen. Bis heute ist die groß angekündigte Agrarwende nicht einmal in kleinsten Schritten eingeleitet.
(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Wollen Sie die Agrarwende? – Starzmann (SPD): Bedauern Sie das?)
Dieser Politik der Ankündigung und der fehlenden Hilfen stellen wir eine 600-Millionen-DM Verbraucherinitiative Bayern
Damit haben wir mit einem finanziellen Kraftakt rasch Konsequenzen gezogen. Wir beschränken uns nicht nur auf eine Milderung von Notsituationen,
(Maget (SPD): In dem man zum Beispiel nicht an der Sitzung teilnimmt! Wo ist denn eigentlich der Ministerpräsident? Das interessiert ihn wieder nicht!)
Auch andere Länder, auch SPD-geführte Länder, Herr Maget, haben gehandelt. Ich frage mich nur: Wann handelt endlich die Bundesregierung?
Bis heute hat die Bundesregierung auf die Forderung der Ministerpräsidentenkonferenz kein akzeptables Angebot auf den Tisch gelegt.
Einmal eine Frage zu stellen reicht, Herr Maget. Ihre Frage habe ich jetzt schon fünfmal gehört. Wir müssen uns doch wieder ein wenig auf denjenigen konzentrieren können, der spricht. Jeder hat das Recht, sich seinerseits zu Wort zu melden.