Rudolf Hausmann
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Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle freuen uns, dass die Arbeitslosenzahlen in Baden-Württemberg stark zu rückgegangen sind. Wir freuen uns darüber, dass die sozial versicherungspflichtige Beschäftigung ausgebaut wurde. Wir schauen genau darauf – da freuen wir uns vielleicht etwas we niger –, dass ausgerechnet die Zeitarbeitsbranche bzw. die Leiharbeitsbranche den höchsten Zuwachs aller Branchen hat, nämlich 54 %, und wir freuen uns überhaupt nicht darüber, dass wir auch im Aufschwung eine ganze Menge prekärer Beschäftigungen zu konstatieren haben. Über 20 000 sozial versicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze werden über
SGB-II-Mittel, also über das Arbeitslosengeld II, subventio niert. Damit sind Armutslöhne staatlich subventioniert.
Ich sage Ihnen: Große Sorge bereiten muss uns nicht nur die Tatsache, dass für eine anständige Arbeit ein unanständiger Lohn bezahlt wird, und nicht nur die Tatsache, dass dadurch schlicht und einfach der Sozialstaat geschädigt wird, sondern auch die Tatsache, dass über einen verzerrten Wettbewerb die Unternehmen geschädigt werden, die unter Zahlung ordentli cher Löhne an den Markt gehen und sich um öffentliche Auf träge bewerben, aber mit den Unternehmen nicht mithalten können, die mit Lohndumping eine – so ist der Ausdruck – Schmutzkonkurrenz betreiben, die also keine anständigen Löhne zahlen.
Das müssen wir verhindern. Da müssen wir – das Land Ba den-Württemberg – unsere Kompetenz einsetzen. Deswegen legen wir heute den Entwurf eines Tariftreuegesetzes für Ba den-Württemberg vor.
Ab 1. Mai diesen Jahres tritt auf dem Arbeitsmarkt in der EU die vollständige Freizügigkeit in Kraft. Das bedeutet, dass sich der Trend, den ich gerade beschrieben habe, verstärken wird. Im Zuge der vollständigen Freizügigkeit werden auch Tausen de von Arbeitskräften aus Polen, Ungarn, Tschechien, der Slo wakei, Estland, Lettland und Ungarn in Baden-Württemberg „landen“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es uns nicht gelingt, dort, wo wir dies können, entsprechende soziale Vo raussetzungen zu schaffen, dann wird eine große Angst aus gelöst, dann wird das Sozialdumping weitergehen und dann werden die Menschen auch kritische Fragen zu Europa und zur europäischen Einheit stellen.
Deshalb müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen – dies beinhaltet unser Antrag –, dass wir vor dieser Entwicklung keine Angst haben müssen, sondern sagen können: Wir brau chen in Zukunft auch Zuwanderung, weil sie uns insgesamt nutzt, und zwar sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozia ler Hinsicht.
Mit unserem Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, Wettbe werbsverzerrungen zu verhindern, soziale Standards zu si chern und ein Stück weit auch die Belastung des Sozialstaats zu mindern.
Wir verfolgen mit unserem Entwurf drei weitere Ziele. Wir wollen zum einen, dass die Tarifverträge nach dem Arbeitneh mer-Entsendegesetz als verbindlicher Maßstab für Ausschrei bungen öffentlicher Aufträge angewandt werden und nur die jenigen Unternehmen zum Zuge kommen können, die sich verpflichten und es tatsächlich auch umsetzen, diese Entloh nungsbedingungen einzuhalten.
Zweitens werden wir für den Bereich des öffentlichen Ver kehrs die jeweils repräsentativen Tarifverträge vor Ort als Maßstab für eine öffentliche Auftragsvergabe bei Verkehrs leistungen einsetzen.
Drittens: Dort, wo keine Tarifverträge gelten, wollen wir ei nen Mindestlohn in der Größenordnung von im Augenblick
8,50 €, der dann jährlich über das Arbeits- und Sozialminis terium angepasst wird.
Das Land, die Gemeinden, die Gemeindeverbände müssen verbindlich in der Ausschreibung festschreiben, dass die Ta rifbedingungen gelten. Eine Konsequenz wird sein, dass die Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewer ben, verbindlich erklären müssen, dass sie sich an die Tarif verträge halten. Wenn dies nicht erklärt wird, ist das betref fende Unternehmen nicht mehr im Rennen um den entspre chenden Auftrag.
Wir wollen, dass bei Ausschreibungen von öffentlichen Ver kehrsprojekten die Einhaltung der entsprechenden Mindest löhne zur Voraussetzung gemacht wird.
Wir wollen und haben das auch im Gesetzentwurf festge schrieben, dass auf Verlangen des Auftraggebers, also der Kommune oder des Landes, Einblick in die Vertragsunterla gen der Auftragnehmer, also der Unternehmen, genommen werden kann, was Arbeitsentgelte, was Arbeitsbedingungen anbelangt. Wir wollen, dass entsprechende Sanktionen ver hängt werden, wenn diese Voraussetzungen nicht eingehalten werden, und zwar in Höhe von 1 % beim ersten Verstoß ge gen die Auflagen bis maximal 10 % des Auftragsvolumens. Dann sind wir bereits nicht nur an der materiellen Grenze, sondern auch an der Grenze, bei der jemand systematisch ge gen die Auftragsvergaberichtlinien verstößt, was wiederum eine fristlose Kündigung des öffentlichen Auftrags ermöglicht.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich weiß, dass in den Reihen der CDU durchaus kontrovers darüber diskutiert wird,
dass Sie sich im Augenblick aus Koalitionsüberlegungen he raus der FDP/DVP beugen müssen.
Deswegen würde ich zum Schluss gern den Kollegen Kluck zitieren, der gestern in einem völlig anderen Zusammenhang gesagt hat, der Rechtsstaat dürfe keine rechtsfreien Räume dulden. Wenn wir die rechtsgültigen Tarifverträge inzwischen völlig durchlöchert vorfinden,
dann müsste es der FDP/DVP ins Stammbuch geschrieben sein, Rechtssicherheit in den Bereichen zu schaffen, in denen es rechtsfreie Räume gibt. Sprich: Ich fordere Sie, liebe Kol leginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, da zu auf, rechtsfreie Räume abzuschaffen. Die Unterstützung der Grünen unterstelle ich einmal. Unsere Unterstützung ha be ich gerade vorgetragen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit dem Letzten an: Im Mai gibt es keine Verwerfungen, wenn die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt erweitert wird.
Herr Minister, Sie haben überhaupt nicht die Frage beantwor tet: Warum gibt es denn bereits heute Verwerfungen? Warum subventionieren wir staatlich? Sie, der Sie als FDP-Mann der Landesregierung angehören, sowie die FDP in der Bundesre gierung, Sie machen eine staatliche Subventionierung für Dumpinglöhne, für Armutslöhne.
Das ist gerade die Wirklichkeit, und diese Situation wird ver stärkt.
Sie sagen, die Kommunen seien dagegen, weil die Mindest löhne das Ganze verteuern. Was ist denn das für eine Lach nummer? Ein Stundenlohn von 8,50 € soll öffentliche Aufträ ge verteuern? Das glauben Sie doch selbst nicht! Wenn Sie ernsthaft nachdenken, glauben Sie das selbst nicht. Es kann doch wirtschaftspolitisch kein seriöser, anständiger und or dentlicher Zugang sein, zu meinen, 8,50 € würden irgendwo eine Verwerfung bringen.
Da müssen Sie einfach umdenken.
Sie müssen sich einmal mit Ihrer Fraktionskollegin Frau Fau ser verständigen. Frau Fauser hat das Rüffert-Urteil völlig kor rekt zitiert. Da steht nämlich drin: Aufgrund von Bundesge setz, aufgrund von Landesgesetz und aufgrund von Rechts verordnung können soziale Kriterien eingebaut werden.
Eines der sozialen Kriterien heißt z. B.: Der jeweils repräsen tative Tarifvertrag gilt.
Oder es heißt: Ein entsprechender Mindestlohn kann einge baut werden.
Was spricht denn dagegen? Alle Bundesländer, die ein ent sprechendes Gesetz hatten, mussten es nach dem Rüffert-Ur teil verändern, um es an die europäischen Vorgaben anzupas sen. Die Mehrheit aller Bundesländer hat ein entsprechendes Tariftreuegesetz umgesetzt. Auch der von Ihnen so hochge lobte Wirtschaftsminister Machnig hat ein entsprechendes Ta riftreuegesetz in seinem Bundesland umgesetzt.
Die Mehrheit der Bundesländer – auch mit CDU-geführten Regierungen – haben ein entsprechendes Tariftreuegesetz um gesetzt. Jetzt erzählen Sie, dass das nicht gehe.
Nun kommt die Gretchenfrage, Herr Pfister: Sie fragen: Wa rum brauchen wir denn auf Landesebene ein Gesetz für eine Sache, die bereits auf europäischer Ebene geregelt ist? Zum einen gibt Frau Fauser die Antwort. Sie hat nämlich gesagt: Aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes
kann so etwas eingeführt werden. Das ist nicht automatisch eingeführt. Das ist Punkt 1.
Punkt 2 ist die Aussage, das Entsendegesetz hätte man tatsäch lich bundesweit schon geregelt.
Punkt 3 ist: Jetzt gibt es zum ersten Mal die Möglichkeit der Gemeinden, Kommunen und der öffentlichen Hand, zu kon trollieren und die Unternehmen, die Aufträge bekommen, zu verpflichten, Tarifverträge einzuhalten. Wenn sie den Eindruck haben, dass da etwas nicht stimmt, können sie auch kontrol lieren und sanktionieren. Das war bisher nicht möglich. Bis her gab es dafür ausschließlich den Zoll, und wir wissen, wie überfordert oder angespannt gefordert – ich drücke es einmal ganz vorsichtig aus – er in der Kontrolle von diesen Fragen ist.
Wir wollen keine Schmutzkonkurrenz. Wir wollen anständi ge Wettbewerbsbedingungen für unsere Unternehmen. Wer werktags sagt, der Mittelstand und die kleinen Unternehmen seien das Rückgrat der Wirtschaft in Baden-Württemberg, der muss samstags, sonntags und auch heute in der Plenarsitzung Entsprechendes sagen und die Konsequenzen daraus ziehen.
Unter dem Strich bleibt übrig: Rechtsfreie Räume abschaffen, saubere Arbeitsbedingungen, saubere Sozialbedingungen und saubere Wirtschafts- und Wettbewerbsbedingungen schaffen. Es gilt, tatsächlich etwas für die Wirtschaft, gleichzeitig aber auch für den Sozialbereich zu tun. Da wären Sie gut beraten, wenn Sie nicht nur sagen, Sie hätten doch schon 2007 etwas vorgelegt. Die Zeiten haben sich geändert. Wir haben das EuGH-Urteil, und wir haben die am 1. Mai beginnende Frei zügigkeit. Sie sollten sich wirklich mit dem auseinanderset zen, was jetzt tatsächlich vorliegt.
Als Letztes, Herr Löffler: Es wäre ganz gut, wenn man den Gesetzestext ordentlich lesen würde, bevor man kritisiert.
Dann hätten Sie gesehen, dass die drei Punkte korrekt zitiert sind; meine Kollegin Sitzmann von den Grünen hat es korrekt zitiert.
Daran haben Sie gemerkt, dass Sie vorhin gegen Windmüh len angekämpft haben; aber das muss man halt auch ertragen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über einen An trag, der vor einem Jahr entstanden ist, nachdem der Wirt schaftsminister im Februar 2009 angekündigt hatte, ein eige nes Baden-Württemberg-Programm aus ESF-Mitteln zur För derung der Weiterbildung während der Wirtschafts- und Fi nanzkrise bzw. der Kurzarbeit aufzulegen.
Der Antrag stellt sich durch Zeitablauf heute anders dar, weil die Bundesagentur für Arbeit ein solches Programm aufgelegt und das Wirtschaftsministerium das Vorhaben zurückgezogen hat. Deshalb könnte man fast meinen, der Antrag sei erledigt. Leider ist er es nicht, weil wir noch mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise stecken und das Thema Weiterbildung für uns weiterhin ein Thema bleiben wird.
Wir hatten im letzten Jahr, in einer Zeit der Kurzarbeit, einen Höchststand von 1,5 Millionen Betroffenen.
Als Höchststand hatten wir 1,5 Millionen Menschen, die in Kurzarbeit waren. Nach den Schätzungen wurden dadurch 500 000 Arbeitsplätze gerettet. Ich glaube, das ist in allen Parteien unbestritten.
Spannend ist, zu erfahren, wer das Kurzarbeitergeld in An spruch genommen hat: Im Bereich der Metallindustrie wurde für 25 % der Beschäftigten, im Maschinenbau für 22 %, im Textilbereich für 18 % und in der Automobilindustrie für 17,5 % der Beschäftigten Kurzarbeitergeld in Anspruch ge nommen. Damit sind wir in Baden-Württemberg angekom men; denn dies sind genau die Industriebranchen, in denen Baden-Württemberg insgesamt sehr stark ist. Weil wir so stark davon betroffen sind, bleibt die Frage, wie wir mit Weiterbil dung umgehen, für uns weiterhin ein Thema.
Dieses Thema ist auch deswegen so wichtig, weil wir in Ba den-Württemberg, was den Strukturwandel anbelangt, in der Zukunft noch einiges vor uns haben, was andere Bundeslän der bereits hinter sich haben. Wir haben nämlich beim Ver gleich zwischen Produktion und Dienstleistung im Vergleich zu anderen Bundesländern den höchsten Anteil von Beschäf tigten in der Produktion. Das heißt, da wird insgesamt ein Strukturwandel auf uns zukommen. Es geht nicht nur um Wei terbildung in der Kurzarbeit, sondern auch über die Zeit der Kurzarbeit hinaus.
Olaf Scholz hat in der Großen Koalition die Regeln für die Kurzarbeit modifiziert und das konjunkturelle Kurzarbeiter geld eingeführt. Zum konjunkturellen Kurzarbeitergeld hat er gesagt: Wir verändern das SGB III und erleichtern etliche Po sitionen. Zum einen ist der Förderzeitraum verlängert worden, zum anderen gab es die 100-prozentige Übernahme der Sozi alversicherungsbeiträge ab dem siebten Monat oder sogar gleich von Anfang an, sofern Weiterbildung damit verbunden war.
Das ganze Programm – Gott sei Dank von der CDU in der Großen Koalition unterstützt – ist europa- und weltweit sehr anerkannt, weil sich die Arbeitsmarktzahlen in Deutschland insgesamt als so stabil erwiesen, dass wir im Vergleich zu al len anderen Ländern ein Vorzeigemodell hatten. Ich denke, deswegen müssen wir entsprechend weiter damit umgehen.
Gleichzeitig kam hinzu, dass die Unternehmen in Deutsch land – so sehen wir das – ebenfalls umgedacht haben. Vor 15 Jahren hätte es mit Sicherheit Massenentlassungen gegeben. Heute haben ganz viele Unternehmen gesagt: Wir wollen die Kernbelegschaften halten, wenn es irgendwie möglich ist. Ich glaube, auch diese Veränderung der Haltung in Bezug auf die Beschäftigten, die man auch in Zukunft braucht, hat dazu bei getragen, dass die Lage insgesamt relativ stabil war.
Die Weiterbildung war eine Chance in der Krise. Sie wurde nicht genügend genutzt – um auch das einmal zu bewerten. Knapp 180 000 Menschen haben irgendeine Weiterbildungs
maßnahme durchlaufen. Bemerkenswert ist, dass davon nur 15 % Frauen waren; 85 % davon waren Männer. Da gibt es wirklich noch Lücken, die man gezielt betrachten muss. Ich denke, insgesamt war und ist der Einsatz richtig, aber es ist noch nicht so gut umgesetzt, wie man es sich vorstellen könn te.
Baden-Württemberg ist besonders betroffen. Wenn man sich die Arbeitslosenzahlen ansieht, die die Bundesagentur für Ap ril 2010 ausgegeben hat, und diese mit den Zahlen des Vor jahresmonats – April 2009 – vergleicht, dann stellt man fest, dass Baden-Württemberg an letzter Stelle aller Bundesländer steht, und zwar nicht gemessen an der absoluten Arbeitslosen quote – da steht es mit 5,2 % und Platz 2 noch relativ gut da –, sondern gemessen an der Entwicklung. Dabei steht es näm lich an allerletzter Stelle. Alle Bundesländer außer BadenWürttemberg haben die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahresmonat reduziert. Das muss einem zu denken geben.
Ich will es gar nicht so stark werten. Ich will einfach sagen: Wir sind mittendrin. Wichtige Branchen bei uns sind beson ders betroffen. Aber wir haben besondere Aufgaben, damit umzugehen. Sowohl Arbeitgebervertreter – ob das Gesamt metall oder der Bundesverband der Arbeitgeber ist – als auch Arbeitnehmervertreter – ob das die IG Metall oder der DGB ist – sagen: Für viele Unternehmen wird die Krise erst in die sem Jahr oder im Jahr 2011 ankommen. Das bedeutet für un seren Umgang mit Kurzarbeit, dass wir politisch entsprechend flankieren müssen.
Da läuft auf Bundesebene eine Diskussion. Die CDU will kür zen bzw. will es jedenfalls nicht ausreichend verlängern. Die SPD hingegen fordert, 36 Monate lang müsse die Sache funk tionieren, sodass die Unternehmen, die in diesem Jahr betrof fen sein werden, zumindest in die gleiche Situation kommen wie die Unternehmen, die im letzten Jahr betroffen waren, und nicht schlechtergestellt werden.
Wir brauchen weiterhin die Sozialversicherungsbeitragsbe freiung – das ist nicht synchronisiert, auch nicht bei den ak tuellen CDU-Vorschlägen –, und es ist auch zukünftig erfor derlich, dass die Weiterbildung entsprechend gefördert wird.
Die Argumente – dies kommt vor allem von der FDP –, da gä be es Mitnahmeeffekte und eine Verlängerung der Kurzarbeit würde den Strukturwandel, also sozusagen die Innovation, be hindern, sind völlig daneben. Denn die Remanenzkosten, al so die Kosten, die beim Arbeitgeber bleiben, selbst dann, wenn er Kurzarbeit mit Unterstützung macht, sind so hoch, dass kein Arbeitgeber freiwillig Kurzarbeit macht, wenn es nicht insgesamt notwendig ist.
Ich denke also, man muss einiges tun. Erstens brauchen wir die Verlängerung der Kurzarbeitsregelung, und zweitens brau chen wir eine Vereinfachung, wenn es darum geht, an Weiter bildung zu kommen.
Auf eine Anfrage auf Bundesebene hin ist von fast allen, die dort gesprochen haben, ganz deutlich zum Ausdruck gekom men: Es ist zu kompliziert, es ist mit zu viel administrativem Aufwand verbunden. Also muss man versuchen, diesen Auf wand abzubauen.
Unser Vorschlag lautet: Wir wollen eine Regelung, mit der wir denjenigen Arbeitgebern den administrativen Aufwand kom
plett abnehmen, die sich insgesamt anständig mit Finanzmit teln an Weiterbildungsmaßnahmen beteiligen. Wir wollen ei ne bessere Verknüpfung zwischen den Anbietern von Weiter bildung auf der einen Seite und den Unternehmen auf der an deren Seite. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf individuel le Weiterbildung für von Kurzarbeit Betroffene. Insgesamt wollen wir Überlegungen dazu anstellen, wie wir in BadenWürttemberg landesspezifisch mit der Situation umgehen kön nen, die uns in der Entwicklung von einer guten Ausgangspo sition aus gegenüber anderen Bundesländern ins Hintertref fen geraten lässt. Da, denke ich, lohnt es sich, etwas Gehirn schmalz einzusetzen.
Wir wollen über den Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, heute nicht abstimmen lassen, werden aber beantragen, die sen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, damit wir uns dort weiter mit diesem Thema beschäftigen können.
Danke schön.
Ich darf geschwind am Schluss satz der Kollegin Fauser anknüpfen,
ich solle nicht so skeptisch sein. Ich will Ihnen einmal sagen, was mich skeptisch macht: Skeptisch macht mich nicht die aktuelle Situation in Baden-Württemberg, einem starken Land mit guten Forschungseinrichtungen und guten Hochschulen.
Aufpassen. – Es gibt aber eine Regierung, die zu wenig tut, um den guten Stand zu halten.
Alles Geschrei nützt nichts. – Ich nenne Ihnen Beispiele.
Arbeitslosenquote: Wir stehen bei der absoluten Arbeitslosen zahl – die Quote liegt bei 5,2 % – an der Spitze, auf Platz 2. Das ist für Deutschland insgesamt betrachtet ein richtig guter Wert. Jetzt nehme ich die aktuellsten mir vorliegenden Zah len von der Agentur für Arbeit. Ich habe vorhin gesagt: Bei der Entwicklung der Arbeitslosenquote sind wir das Schluss licht. Das heißt: null Bewegung. Alle anderen Bundesländer haben einen stärkeren Rückgang ihrer Arbeitslosenquote.
Passen Sie auf. Ich mache weiter.
SGB-II-Arbeitslosigkeit, also die Arbeitslosen, die schon lan ge in Arbeitslosigkeit sind: Baden-Württemberg lag im Jahr 2009 im Vergleich aller Bundesländer an letzter Stelle.
Wir haben mehr Langzeitarbeitslose. Alle anderen Bundes länder stehen besser da.
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: Die Entwicklung innerhalb eines Jahres, nämlich 2009 – das alles sind die ak tuellsten Zahlen der Agentur für Arbeit, vor wenigen Tagen herausgekommen –, zeigt: Baden-Württemberg ist auf dem letzten Platz. Der Abbau bei der Zahl der sozialversicherungs pflichtig Beschäftigten betrug 0,8 %.
Jetzt sage ich Ihnen, warum ich skeptisch bin: Ich bin deswe gen skeptisch, weil z. B. ein Staatssekretär Hillebrand nicht einmal die Zahlen anhören kann, die die analytische Grund lage für eine anständige Politik in der Zukunft sein müssen. Wenn ich die Betriebe und Unternehmungen in Baden-Würt temberg weiterentwickeln will, brauche ich Innovation. Dann darf ich aber nicht nur reden, sondern muss etwas tun. Ein Tun setzt jedoch voraus, dass ich überhaupt weiß, was im Land ab geht.
Ich komme zum Schluss.
Weil jetzt gleich der Staatssekretär im Wirtschaftsministeri um reden wird, frage ich ihn: Was haben Sie denn konkret vor,
um auf der Basis dieser Voraussetzungen, die ich gerade stich wortartig genannt habe, möglichst baden-württemberg-spezi fisch die Wirtschaftspolitik zu flankieren und den Betrieben zu helfen, dass sie sich tatsächlich weiterentwickeln, dass sie Weiterbildung anbieten und dass das lebenslange Lernen funk tioniert, damit die Voraussetzungen für gute, innovative und hochwertige Produkte in Baden-Württemberg auch in Zukunft noch bestehen?
Danke.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben unter diesem Tagesordnungspunkt einen Antrag zu diskutieren, der für dringlich erklärt wurde.
Ich will im Voraus ein paar Ausführungen zur Dringlichkeit machen.
Wir leben noch immer mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, und zwar im Moment unter ganz besonderen Bedingungen. In den letzten zwölf Monaten hat sich aufgrund der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise eine völlig veränderte Arbeitslosenstruktur ergeben.
Es gibt eine neue, veränderte Arbeitslosenstruktur. Wir stehen vor der Situation, dass die Kurzarbeiterregelung, die zwar Gott sei Dank von der jetzigen Regierung verlängert wurde, für viele Betriebe, vor allem für Betriebe in Baden-Württemberg, auslaufen wird. Angesichts der aktuellen Situation hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit in einem Interview vom 15. Dezember 2009 Baden-Württemberg neben Bayern und Nordrhein-Westfalen zu den Hochrisikoregionen Deutschlands im Hinblick auf den Arbeitsmarkt gezählt.
Der Bundesrat wird sich in seiner morgigen Sitzung mit einem Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz und Bremen befassen, der die Verlängerung der Regelung zur geförderten – die Betonung liegt auf „geförderten“ – Altersteilzeit begehrt.
Ich glaube also, es gibt Gründe genug, um den Antrag für dringlich zu erklären.
Zunächst ein paar Ausführungen zur Arbeitslosenstruktur: Wir haben in Baden-Württemberg eine besondere Betroffenheit, aber auch bundesweit zeigt sich, dass Menschen über 50 und unter 25 Jahren besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Was in den letzten zwölf Monaten jedoch ganz neu hinzukam, war Folgendes: Von 230 000 neu hinzugekommenen Arbeitslosen in Deutschland sind erstaunlicherweise 220 000 Männer, meist im mittleren Alter und gut qualifiziert. Wenn wir jetzt erwarten müssen, dass die Kurzarbeiterregelung für viele Betriebe ausläuft und sich die Folgen auf dem Arbeitsmarkt in Form einer höheren Arbeitslosigkeit niederschlagen, dann zeigt sich wiederum etwas ganz Neues. Es zeigt sich nämlich, dass diejenigen, die unter 25 oder über 50 sind, einer besonderen Konkurrenz ausgesetzt sind. Deswegen ist es nötig, besondere Maßnahmen zu ergreifen, damit wir hier etwas auf die Reihe bekommen und nicht einem Desaster ins Auge blicken müssen.
Der zweite Punkt ist die Problematik der Hochrisikoregion. Wir haben in Baden-Württemberg Maschinenbau, wir haben Automobilindustrie, also genau die Bereiche, die jetzt besonders von der Wirtschafts- und Finanzkrise betroffen sind; betroffen sind alle Bereiche, die besonders exportabhängig sind. Diese Bereiche profitieren in Bezug auf die Arbeitslosigkeit umgekehrt besonders von dem Abmilderungseffekt, der durch die Umsetzung der Kurzarbeiterregelung entsteht. BadenWürttemberg profitiert dabei überproportional; hier wurden diese Möglichkeiten – Gott sei Dank – umfassend in Anspruch genommen. Aber diese Regelungen laufen insgesamt aus.
Deswegen meinen wir, dass wir weitere Maßnahmen brauchen, nämlich die öffentlich geförderte Altersteilzeit. Wir unterstützen den genannten Antrag im Bundesrat und wollen, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg sowie das
Landesparlament dies ebenfalls mittragen. Als Sofortmaßnahme soll die Förderung der Altersteilzeit um fünf Jahre verlängert werden. Voraussetzung für die Förderung der Altersteilzeit ist, dass ein neuer – –
Das ist sozusagen die vorweihnachtliche Ungeduld.
Ich verstehe das gut; deshalb mache ich es auch kurz.
Wir wollen, dass die Förderung dann stattfindet, wenn ein Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung bzw. bei kleineren Betrieben alternativ ein Auszubildender eingestellt wird und gleichzeitig ein älterer Mitarbeiter aus dem Betrieb ausscheidet bzw. eine echte Altersteilzeit in Anspruch nimmt.
Danke schön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Folgendes müssen Sie einfach noch ertragen.
Es ist ja nicht ganz alltäglich, dass es hier nach einer Jamaikakoalition riecht. Eine Kollegin im Bundestag hat bei diesem Thema vom „Fluch der Karibik“ gesprochen, und der taucht hier auch auf.
Bei allen guten und netten Worten hinsichtlich der demografischen Entwicklung und Aussagen wie „Wir brauchen die Älteren“ und „Wir brauchen die Facharbeiter“, was alles vom Grundsatz her stimmt,
haben Sie – alle, die nach mir geredet haben – versäumt, eine konkrete Antwort auf eine konkrete Krisensituation zu geben. Diese Antwort sind Sie schuldig geblieben.
Ich möchte Ihnen einmal sagen, wie diese Regelung entstanden ist, falls das in Vergessenheit geraten ist.
Als sich Deutschland Mitte der Achtzigerjahre in einer schwierigen Situation befand, haben Sie die Regelung zur geförderten Altersteilzeit eingeführt. Das waren Sie. Die haben Sie einige Jahre später sogar als Blockmodell gesetzlich geregelt.
Warum haben Sie das damals gemacht? Weil da ganz viele Menschen vor der Arbeitslosigkeit standen, weil Massenentlassungen drohten und weil jeder wusste: Lieber geht man vorher in Ruhestand, als dass man in Existenznöte stürzt. Darum haben Sie das damals eingeführt. Diese Regelung gilt noch heute.
Herr Wolf, Entschuldigung: Da reden Sie von „Etikettenschwindel“,
wenn die Menschen das in Anspruch nehmen, was Sie selbst verantwortet und geregelt haben, was Sie nicht einmal infrage gestellt und kritisiert haben.
Genau dieses Thema beschäftigt uns auch im Augenblick, Herr Wolf. Langfristig können wir darüber diskutieren, wel
che Wirkung die geförderte Altersteilzeit insgesamt hat. Darüber können wir vom Grundsatz her gern diskutieren. Dass in Deutschland eine Philosophie entstanden ist, sich der älteren Arbeitnehmer zu entledigen,
das diagnostiziere ich genauso wie Sie. Nur, das Problem ist: Einerseits werden nette Worte verloren, Ältere sollten länger im Betrieb tätig sein, andererseits werden sie aber hinausgeschmissen und in wirkliche Existenznöte gestürzt. Lieber sollte jetzt eine befristete Regelung, wie sie auf Bundesebene beantragt ist, eingeführt werden, die den Menschen die Chance gibt, eventuell auch früher würdig aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, wenn sich der Arbeitgeber für Entlassungen entscheidet.
Ich will es nicht mehr lange ausdehnen. Aber an den Fakten kommt man einfach nicht vorbei.
Frau Sozialministerin, zu der zitierten Aussage zur „Risikoregion Baden-Württemberg“: Ich kann Baden-Württemberg vom Grundsatz her gar nicht als Risikoregion einschätzen.
Dieses Stichwort stammt vom Chef der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland, und der ist, wenn ich mich richtig erinnere, Mitglied Ihrer Partei. Der sagt dies nicht einmal böswillig, sondern als Aufforderung: Da müsst ihr schauen, dass ihr Chancenland bleibt, dass ihr ordentlich mit dieser Krise umgeht.
Letzter Satz: Wer argumentiert – das ist leider mehr ideologisch geprägt als durch Fakten untermauert –, eine geförderte Altersteilzeit bringe die Menschen in Frühverrentung,
dem möchte ich einfach in Erinnerung rufen: Wir haben noch immer eine geförderte Altersteilzeit, und zwar bis Ende 2009. Schauen Sie sich einmal die Zahlen der letzten fünf, sechs Jahre an, was das faktische Renteneintrittsalter anbelangt. Es ist deutlich gestiegen. Das heißt, die Menschen gehen trotz Ihrer ideologisch vorgetragenen Argumentation, es würde das Gegenteil passieren, später in Rente.
Frau Sozialministerin, vielleicht waren das jetzt ein paar Argumente, die Sie dazu bewegen können, sich morgen anders zu entscheiden.
Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die inhaltlichen Ausbildungsziele können im Hotel- und Gaststättengewerbe im Rahmen der üblichen Arbeitszeit erreicht werden. Die Vermittlung der Ausbildungsinhalte ist innerhalb der vom Arbeitgeber mit dem Auszubildenden vereinbarten Arbeitszeit möglich. Die Begrenzung der höchstzulässigen Arbeitszeit nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz hat darauf keinen Einfluss.
So steht es in der Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag der Grünen. Man fragt sich, wie es zu den Weiterungen kommt, die dort drinstehen.
Im Antrag wird durch die Antragsteller bestätigt, dass es im Hotel- und Gaststättengewerbe 45 000 Ausbildungsplätze gibt, also 15 % aller Arbeitnehmer in diesem Bereich. Das sind überdurchschnittlich viele. Es wird bestätigt, dass weit über 30 % der Azubis die Ausbildungsverträge auflösen. Es wird bestätigt, dass, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist, zwei Drittel der ehemaligen Auszubildenden die Branche verlassen. Trotzdem kommen die Antragsteller zu dem im Antrag enthaltenen Beschlussvorschlag.
Glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit einer Aufweichung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, indem Sie die abendliche Beschäftigungszeit von 22:00 Uhr auf 23:00 Uhr verlängern wollen, etwas Attraktiveres schaffen, um die Abbrecherquote zu vermindern?
Glauben Sie denn ernsthaft, dass Sie mit einer Verschlechterung der Arbeitssituation die Quote derjenigen vermindern, die nach dem Ende ihrer Ausbildung in einer anderen Branche tätig sein wollen?
Glauben Sie tatsächlich – das steht in der Stellungnahme zum Antrag drin –, dass eine Erweiterung der Schichtzeiten auf zwölf Stunden, weil elf ja zu wenig seien – inklusive der Pausen, versteht sich –, angesagt sei? Ich sage Ihnen: Das glauben Sie selbst nicht.
Weil es offensichtlich falsch ist, Herr Wetzel. Darum kritisieren wir in aller Deutlichkeit, was Sie da gerade produzieren. Es ist offensichtlich falsch, und zwar ist es im wohlverstandenen Interesse der Branche falsch, vor allem jedoch im wohlverstandenen Interesse der Auszubildenden. Die Frage ist, ob es denn nicht viel sinnvoller wäre, sich einen Kopf darüber zu machen, ob die Ausbildungsbedingungen verbessert werden könnten, um die Abbrecherquote zu reduzieren.
Die Frage lautet, ob sich Politik, DEHOGA und Gewerkschaften eventuell an einen Tisch setzen und überlegen, wie man es schaffen kann, die tatsächliche Arbeitssituation auch der späteren Beschäftigten so zu verbessern, dass nicht zwei Drittel der Ausgebildeten die Branche verlassen. Die Frage lautet, ob es nicht angeraten wäre, sich, statt Verschlechterungen vorzunehmen, Gedanken darüber zu machen, wie die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert werden könnten, um mittel- und langfristig genügend Arbeitskräfte zu haben.
Azubis haben wir genügend. Wir haben sogar deutlich mehr als in anderen Branchen. Es ist eher kritisch, dass Vollerwerbstätige in dieser Branche im Vergleich zu Azubis nur unterdurchschnittlich vertreten sind.
Ja, klar. Gern.
Ich frage mich gerade, welche Bedeutung diese Frage hat.
Sie brauchen es nicht zu erklären. Niemand stellt infrage, dass wir im Hotel- und Gaststättengewerbe hoch qualifizierte Ausgebildete haben, dass dort sehr engagierte Leute arbeiten. Das ist keine Frage. Das ist aber überhaupt nicht das Thema.
Das Thema ist ein ganz anderes: Sie wollen die Ausbildungssituation verschlechtern. Die Frage ist: Warum machen Sie das angesichts der dramatischen Zahl von zwei Dritteln, die nach ihrer Ausbildung aufhören?
Herr Wetzel, wenn die Bedingungen besser wären, würden nicht zwei Drittel nach ihrer Ausbildung aufhören. Es würden auch nicht ein Drittel der Azubis noch während der Ausbildung aufhören, wenn die Ausbildungsbedingungen verbessert wären.
Sie nehmen nicht seriös und ernsthaft Stellung.
Ich schaue Ihre Stellungnahme zu diesem Thema an. Vor drei Jahren haben Sie mit Ihrer Bundestagsfraktion in einem Gesetzentwurf festgestellt, dass Sie deswegen für die Erweiterung der Arbeitszeit sind, weil es in der Zwischenzeit „frühere Reifeprozesse … der über 16-Jährigen gibt“. Zur gleichen Zeit beklagte der DEHOGA im Rahmen einer Anhörung „nachlassende Ausbildungsreife“. Das sind völlig konträre Argumente. Das ist aber auch völlig egal, weil das nur eine Rechtfertigung sein soll und nur ideologisch bedingt ist, um irgendeiner Liberalisierung oder Pseudoflexibilisierung
das Wort zu reden. Das ist keine seriöse und keine korrekte Politik, die Sie hier machen.
Ich gebe Ihnen noch ein anderes Beispiel.
Ich bin gleich fertig. – Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme, es gebe keinen Hinweis darauf, dass „körperliche Überforderung oder überlange Arbeitszeiten“ tatsächlich Gründe dafür sind, dass die Ausbildungsabbruchquote so hoch sei. Fünf Sätze weiter schreiben Sie – ich zitiere wiederum –:
Erkenntnisse oder Auswertungen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Auszubildende ihren Ausbildungsberuf im Hotel- und Gaststättengewerbe aufgrund körperlicher Überforderung abbrechen, liegen nicht vor.
Jetzt frage ich Sie: Wenn Erkenntnisse nicht vorliegen, wie können Sie dann behaupten, dass das nicht die Ursache für die hohe Abbrecherquote ist? Ihnen ist anscheinend völlig egal, welche Argumentation tatsächlich vorliegt. Ihnen geht es darum, da etwas durchzusetzen.
Ich bin gleich fertig. – Das Argument Real- und Hauptschule ist ein Scheinargument. Untergraben Sie nicht weiterhin den Jugendarbeitsschutz, unter
stützen Sie in Ihrem Interesse das Gewerbe, dass die Arbeitsplätze und die Ausbildungsbedingungen besser werden, und lassen Sie vor allem die Hände weg von den Schutzrechten derjenigen, die eigentlich Ihre Unterstützung brauchten.
Danke.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wolf, Sie haben Ihr Statement mit der Aussage begonnen, jede Initiative zur Verbesserung der Situation der Betreuung der Langzeitarbeitslosen sei gut und richtig. Dem möchte ich vorbehaltlos zustimmen. Was Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen – nicht Sie
selbst, sondern Ihre Kollegen auf Bundesebene – allerdings zusammen mit der FDP machen, ist nicht gut und richtig,
sondern ist schlecht, verantwortungslos und grottenfalsch.
Ich möchte kurz daran erinnern – die Erinnerung muss nicht weit zurückreichen; es genügt das Kurz- und Mittelzeitgedächtnis –: Wir hatten vor dem Sommer 2009 die Situation, dass alle zuständigen Länderminister – die Kollegin von den Grünen hat es bereits gesagt – einer Grundgesetzänderung zugestimmt haben. Wir hatten die Situation, dass im Kabinett zwischen der SPD, Frau Merkel und den Ministerpräsidenten, die dabei waren – auch denen von der CDU –, verhandelt wurde. Es lag ein fertiges Konzept, ein riesiger Entwurf für eine Verfassungsänderung vor. Letztlich ist das Ganze in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU gescheitert, nachdem sich alle schon einig gewesen waren. Zu denen, die einer Grundgesetzänderung zugestimmt hatten, zählte auch die komplette Landesregierung Baden-Württembergs und nicht nur die Frau Sozialministerin.
Jetzt war alles nicht mehr wahr. Offensichtlich wurde das Ganze aus wahltaktischen Gründen verworfen. Damit war dies eine Ohrfeige nicht nur für die Kommunen, Herr Wolf – denn die sollten auf gleicher Augenhöhe mit der Bundesagentur verhandeln und agieren können –, sondern auch für die Beschäftigten, deren Verträge im Jahr 2010 auslaufen, und vor allem für die, die in einer entsprechenden Situation sind und betreut werden müssen.
Wenn wir uns jetzt anschauen, was weiter passiert, stellen wir zunächst fest, dass wir einen Wahlkampf erlebt haben, in den die FDP mit dem Wunsch hineingegangen ist, die ganze Bundesagentur aufzulösen.
Wir haben eine CDU, die offensichtlich für eine Grundgesetz änderung eintritt. Was kommt im Koalitionsvertrag heraus? Herr Kollege Wolf, das muss man schon lesen, und des Lesens sind wir mächtig. Wir müssen darüber diskutieren, mehr vielleicht nicht. Im Koalitionsvertrag steht eindeutig: Zerschlagung der Arbeitsgemeinschaften. Darin steht eindeutig: eine Doppelstruktur aufbauen – also Bürokratie aufbauen –, getrennte Aufgabenwahrnehmung und nicht mehr eine Betreuung aus einer Hand. Das steht ausdrücklich so in dem Vertrag. Damit – das sage ich Ihnen – haben Sie eine Zentralisierung besiegelt und keine Dezentralisierung, wie Sie es hier am Mikrofon gerade eingefordert haben.
So ist das. Wenn Sie das nachlesen, dann sehen Sie: Das steht genau so drin.
In Ihrem Koalitionsvertrag steht zwar, wir müssten versuchen, die Kompetenzen von Agentur und Kommunen zu bündeln,
doch heißt es im gleichen Satz: bei getrennter Aufgabenwahrnehmung. Dann ist noch vom Ziel einer bürgernahen, einfachen Verwaltung die Rede, und an gleicher Stelle steht: aber mit getrennter Aufgabenwahrnehmung und ohne Grundgesetz änderung.
Wenn man jetzt meint, das sei nicht genug, und ein bisschen weiter recherchiert, stellt man fest: Es gibt eine Internetseite, die „abgeordnetenwatch“ heißt. Auf dieser Seite hat eine interessierte Bürgerin am 27. Oktober 2009 gefragt – ich zitiere das jetzt –:
Bitte teilen Sie mir mit, welche Gründe dazu geführt haben, dass CDU, CSU und FDP eine so verheerende Lösung zur Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils gewählt haben.
Herr Dr. Brauksiepe – das war in der letzten Legislaturperiode der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion; er ist inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales – antwortet folgendermaßen:
Die Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, die Aufgabenwahrnehmung im Bereich des SGB II ohne Änderung des Grundgesetzes neu zu regeln. Dies ist nicht die von der Union bevorzugte Lösung, weil sie – wie Sie zu Recht anmerken – zusätzliche Bürokratie verursacht.
Damit nicht genug; es geht weiter:
Wir müssen diesen Weg allerdings so gehen, weil die SPD sich klar festgelegt hat, eine Verfassungsänderung in diesem Bereich nicht mitzutragen.
Das schlägt natürlich dem Fass den Boden aus. Also die, die eine Verfassungsänderung betrieben haben, werden von denen, die in unverantwortlicher Weise diese Verfassungsänderung gekippt haben, noch beschuldigt, sie würden selbst nicht für die Verfassungsänderung eintreten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine unsaubere Art, Politik zu machen, und wenn das zum Stil der neuen Regierung wird, dann schwant mir ganz Böses. Man kann bei dieser Dreistigkeit, mit der der Mann hier auftritt, eigentlich fast sprachlos werden.
Ich sage Ihnen – bei allen Unterschieden in der Einzeleinschätzung –: Ich bin es zumindest hier im Haus nicht gewohnt, dass man so unseriös mit der Wahrheit umgeht und sozusagen Verantwortung für eigenes Tun auf einen anderen schiebt.
Ich komme zum Schluss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für den Bereich der Langzeitarbeitslosen, wir brauchen eine Dezentralisierung, eine verantwortliche Ausübung der Betreuung der Langzeitarbeitslosen vor Ort ohne zentralistische operative Eingriffe, und wir brauchen gleichzeitig Zielsetzungen, die auf der Bundesebene von den Kommunalvertretungen, von den Spitzenverbänden, von den Ministerien, von der Bundesagentur festgelegt werden – Zielvorgaben, nicht operative Eingriffsmöglichkeiten. Nur so erzielen wir eine ordentliche Lösung. Dazu brauchen wir auch eine Grundgesetzänderung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Staatssekretär, es ist ja bekannt, dass die Verhandlungen für ein neues, verfassungsrechtlich korrektes Modell auf Landesebene stattgefunden haben, dass sich CDU und SPD verständigt hatten, dass die Bundesländer zugestimmt hatten, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel zugestimmt hat
im Präsidium zugestimmt hat und auch öffentlich zugestimmt hat – und dass vom Herrn Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg Zustimmung zu dem geplanten Konzept vorhanden war. Jetzt erzählen Sie und sagen in Ihrer Antwort, dass eine Verlängerung notwendig gewesen sei, die Herr Scholz, der Bundesarbeitsminister, nun veranlasst habe, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Ich habe zwei Fragen an Sie. Die erste Frage: Stimmen Sie der Auffassung zu, dass das neue Konzept, das einigungsfähig vorgelegen hat, langfristig zur Sicherheit für die Beschäftigten bezüglich ihrer Arbeitsverträge beigetragen hätte? Denn dann wäre letztendlich ein sicherer Anstellungsträger vorhanden gewesen. Das gilt ähnlich auch bezüglich der Arbeitslosen, weil da eine entsprechende Betreuung hätte stattfinden können.
Ich frage Sie zweitens: Stimmen Sie meiner Einschätzung zu, dass die Verlautbarung von Herrn Kauder – er kommt ebenfalls aus Baden-Württemberg –, wonach die Mehrheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit ihrem Beschluss gegen das vorliegende Konzept verhindert habe, dass sich die Arbeitsverwaltung um sich selbst kümmere und nicht um Ar
beitslose, in höchstem Grad zynisch ist und gegen die Arbeitslosen gerichtet ist?
Herr Staatssekretär, wissen Sie erstens, dass der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen hat,
dass alle Unternehmen, die sich der Post-Universaldienstleis tungsverordnung unterwerfen, zwecks Vermeidung von Nachteilen von der Mehrwertsteuer befreit werden sollen?
Zweitens: Wissen Sie, dass Ihr Wirtschaftsminister in der Stellungnahme zum Antrag der FDP/DVP – Thema Mindestlohn –, Drucksache 14/2129, auch geschrieben hat, dass die Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post AG natürlich nicht nur einen Vorteil, sondern auch einen Nachteil darstellt, nämlich bei der Vorsteuer, die von privaten Unternehmen bei Investitionen abgezogen werden kann, nicht aber von der Deutschen Post AG?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den ange messenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Fa milie decken.
So steht es in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen.
Jede ehrliche Arbeit hat den gleichen sittlichen Wert und Anspruch auf angemessenes Entgelt. … Für jeden Berufs zweig können Mindestlöhne festgesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnis sen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und sei ne Familie ermöglichen.
So steht es in der Verfassung von Bayern. Das ist nicht gerade verdächtig,
politisch zu stark auf unserer Seite zu stehen; es ist auch his torisch sehr konsistent.
Wir setzen heute eine Debatte fort, die wir im Dezember des letzten Jahres begonnen haben. Damals ging es um
die Mindestlöhne für Postzusteller. Heute geht es um etwas mehr. Heute geht es darum, einen gesetzlichen Mindestlohn unabhängig von der Branche zu unterstützen. Deswegen haben wir den Antrag, die entsprechende Bundesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz zu unterstützen, eingebracht. Es geht um den gesetzlichen Mindestlohn, der unabdingbar ist,
der unmittelbar zwingend wirkt,
der weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarungen, noch durch individualrechtliche Regelungen unterboten werden darf.
Wenn der Herr Wetzel reinschreit „Sozialismus pur“, dann darf ich daran erinnern, dass in Ihrem Antrag, der jetzt mit behandelt wird, ausdrücklich die Flagge der Tarifautonomie geschwenkt wird.
Sie sagen, die Tarifautonomie muss gewährt werden.
Herr Dr. Wetzel, ich brauche Sie doch nicht darüber aufzuklären, dass Tarifautonomie Tarifverträge zur Folge hat
und dass Tarifverträge unmittelbar zwingend und unabdingbar sind.
Das ist das Rechtssystem in Baden-Württemberg, in Deutschland seit der Nachkriegszeit.
Es geht also darum, dass wir es schaffen, dass jemand, der einer Vollzeitarbeit nachgeht, davon auch tatsächlich anständig leben kann.
Meine Damen und Herren, wir leben in einem sehr reichen Land; das gilt für Deutschland und insbesondere für BadenWürttemberg. Daher müssten wir eigentlich diejenigen sein, die in der sozialen Frage vorpreschen und hier zu einer Lösung kommen. Es dürfte eigentlich gar keinen Zweifel daran geben, dass jeder von seiner eigenen Hände Arbeit leben kann. Das ist auch eine Frage der lebendigen Demokratie. Wenn die Löhne bei uns nicht so bemessen sind, dass jeder davon leben kann – und zwar nicht nur im Sinne des reinen Überlebens, sondern so, dass er tatsächlich in der Gesellschaft leben und sich einmischen kann –, dann wird dies auch zu einem demokratischen Problem, das wir zu lösen haben; denn wenn Menschen am Rande der Gesellschaft leben und aus der Gesellschaft ausgegrenzt sind, können wir nicht von einer lebendigen Demokratie reden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht schlicht und einfach auch um eine wirtschaftspolitische Frage.
Es geht darum, ob es in Deutschland, in Baden-Württemberg weiterhin möglich sein wird, dass durch Dumpinglöhne anständig arbeitende Menschen und anständig arbeitende und entlohnende Unternehmen angesichts der Konkurrenz unter Druck kommen können und damit auch gezwungen werden, eventuell selbst den Weg der Dumpinglöhne zu beschreiten. Es geht also darum, Fakten zu schaffen, damit die Schmutzkonkurrenz in Baden-Württemberg und in Deutschland nicht überhandnimmt, sondern damit die vielen anständigen Unternehmer, die vielen anständigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Mindestbedingungen erhalten, unter denen eine Konkurrenz überhaupt stattfinden kann. Ich glaube, es lohnt sich, dies zu unterstützen.
Es ist natürlich wahr, dass die Tarifautonomie ein grundgesetzlich verankertes Recht ist. Die FDP/DVP schreibt dies ja in ihrem Antrag auch ausdrücklich und sieht den Mindestlohn als Attacke auf die Tarifautonomie. Die Befürchtung, dass da vielleicht eine Schwächung stattfinden könnte, kommt aus „berufenem“ Mund, nämlich aus der FDP.
Das war jetzt etwas ironisch gemeint.
Es ist auch so, dass die freie Verhandlung zwischen Arbeitgeberverbänden einerseits und Gewerkschaften andererseits eine ganz starke Säule für die Entwicklung in Deutschland und in Baden-Württemberg war, die so positiv verlaufen ist. Wie sich in den Abschlüssen zeigt, hat es in der Vergangenheit jeweils einen insgesamt guten Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen gegeben, und das ist auch heute noch der Fall.
Aber die Tarifbindung ist dramatisch zurückgegangen. Allein in den letzten acht, neun Jahren ist die Tarifbindung im Wes ten von ursprünglich 76 % auf 65 % zurückgegangen. Im Osten ist sie von einer niedrigeren Ausgangsbasis aus, nämlich von 63 %, auf 54 % gesunken. Deswegen ist der Mindestlohn kein Angriff auf die Tarifautonomie, sondern er ist eine Unterstützung der Tarifautonomie; denn da, wo die Tarifvertragsparteien nicht mehr zu einer Regelung in der Lage sind, muss eine Mindestregelung her, die es unmöglich macht, dass mit Schmutzkonkurrenz in manchen Branchen Druck auf anständig arbeitende Unternehmen und Menschen ausgeübt wird.
Zum Schluss der ersten Runde noch folgender Hinweis: Es gibt schon lange Regelungen, bei denen bisher noch keiner auf die Idee gekommen ist, zu sagen, es sei ein Eingriff in die Tarifautonomie. Ich darf nur daran erinnern, dass wir den Mindesturlaub gesetzlich geregelt haben. Wir haben die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gesetzlich geregelt. Wir haben die Höchstarbeitszeiten gesetzlich geregelt. Wir haben diese Instrumente, übrigens fast einvernehmlich, verwendet, um gesetzlich Mindestbedingungen zu schaffen. Wir sagen: Der Mindestlohn ist in der heutigen Zeit exakt in diese Rubrik einzuordnen. Der Mindestlohn muss gesetzlich geregelt werden,
um Voraussetzungen für anständige, würdige Arbeit und Entlohnung zu bekommen.
Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Rülke, ich will mit Ihnen anfangen. Wenn ich, bevor ich mit meinem inhaltlichen Beitrag beginne, eine ganze Liste von Vorbestraften aufzählen würde, die zufällig Mitglied der FDP, und zwar in führender Funktion, sind oder waren,
dann könnte ich in der Zukunft bei inhaltlichen Debatten praktisch Dreck in die Hand nehmen und auf Sie schmeißen
und gäbe ein würdiges oder unwürdiges Bild in der Öffentlichkeit ab.
Ich habe noch nie gehört, dass Zumwinkel Mitglied der SPD wäre. Aber von Würth, von Lambsdorff, von Döring und von anderen wissen wir, dass sie Mitglied der FDP sind. Also auf diesem Niveau zu diskutieren haben Sie hoffentlich nicht nötig.
Jetzt noch einmal zu der Geschichte mit dem toten Pferd. Lassen Sie mich einfach sagen: Es ist irre. Wir haben 3,5 Millionen Beschäftigte in den Branchen, bei denen es gerade um den branchenspezifischen Mindestlohn geht – 3,5 Millionen Menschen sind betroffen –,
um durch einen besseren Lohn ein würdigeres Leben zu bekommen. Und da sagen Sie, das sei ein totes Pferd und ein Flop. Ich kann das nicht nachvollziehen.
Liebe Leute, wir haben das Reinigungsgewerbe, wir haben das Leiharbeitsgewerbe, wir haben das Zeitarbeitsgewerbe, wir haben das Postgewerbe und andere Gewerbe, die noch hinzukommen werden, die jetzt einen Mindestlohn beantragt haben. Das ist aber nur ein Teil. Das ist der branchenspezifische Mindestlohn, um den es geht. Die CDU hat diesem Kompromiss ja dankenswerterweise schon in der Koalition auf Bundesebene vom Grundsatz her zugestimmt.
Sie sind dabei. Also machen Sie sich an dieser Stelle nicht lächerlich.
Der andere Teil ist, dass wir zusätzlich einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Über diesen diskutieren wir heute, und dieser stellt sozusagen die unterste Linie für alles andere, was irgendwo geregelt wird, dar.
Jetzt merkt man ja schon ein bisschen, wie ernsthaft die Argumentation ist. Ich habe genau zugehört und vernommen, dass z. B. in Frankreich 16,1 % betroffen seien und darum dort die Jugendarbeitslosigkeit so riesig sei. Erstaunlich ist, dass der Mindestlohn in Frankreich erst ab 18 Jahren gilt, aber Frankreich immer als schlagendes Argument gegen Mindestlohn angeführt wird. Also, ein bisschen Seriosität in der Debatte darf es schon sein. In Frankreich hat die Jugendarbeitslosigkeit mit Mindestlohn überhaupt nichts zu tun.
Dann gibt es die Geschichte mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Liebe Leute, wenn ich in Ludwigsburg ein krankes Kind habe, dann bringe ich das nicht nach Polen zum Arzt.